Kälte war das erste, was er spürte. Er öffnete die Augen, ohne etwas zu sehen, und im allerersten Moment überkam ihn ein Gefühl von Panik bei dem Gedanken, vielleicht nie mehr sehen zu können. Dann wurde ihm klar, wie albern diese Vorstellung war. Der Raum hatte keine Fenster, und die Beleuchtung war nicht eingeschaltet. Er senkte die Lider, konzentrierte sich für eine Sekunde, um sein Sehvermögen auf den Infrarotbereich einzustellen, und fand sich in einer Welt aus allen nur denkbaren Schattierungen wieder. Er lag noch immer auf dem Untersuchungstisch. Der große Bildschirm über ihm war ausgeschaltet. Kyle lauschte. Draußen auf dem Gang hörte er die regelmäßigen Atemzüge einer Dienerkreatur, die offensichtlich vor der Tür postiert war, ansonsten umgab ihn nur Stille.
Er war verwirrt. Seine Hand- und Fußgelenke waren mit dünnen Eisenringen an eine Metallplatte gefesselt; aber sie mußten wissen, wie wenig Widerstand ihm diese Fesseln entgegensetzen konnten. Trotzdem hatten sie keinen Wächter zurückgelassen. Und das konnte nur bedeuten, daß sie nicht damit gerechnet hatten, daß er erwachte.
Wieso war er dann wach? Die Maschinen der Herren begingen keine Fehler; so wenig wie die, die sie gebaut hatten und sie bedienten. Er versuchte, den Kopf zu heben, aber auch in seiner Kopfhaut steckten zahllose, dünne Nadeln, die ihn mit den Geräten, die den Untersuchungstisch an drei Seiten umstanden, verbanden. Kyle zögerte noch einmal einen Moment, dann ballte er die rechte Hand zur Faust und spannte prüfend die Muskeln an. Die dünne Stahlfessel an seinem Gelenk knirschte, und er spürte, wie das Metall zu zerbrechen begann. Kyle wußte, daß es kein Zurück mehr für ihn gab, wenn er jetzt seine Fesseln löste und von dem Tisch aufstand. Die Wahrscheinlichkeit, daß man ihn töten würde, war groß. Und trotzdem erschien die bloße Vorstellung, sich diesem Tod zu widersetzen oder gar einen Fluchtversuch zu unternehmen, im ersten Moment absurd. Für alles, was er bisher getan hatte, ließ sich eine Begründung finden, Stones Mordversuch an ihm, seine Verwirrung und sein Schrecken, als er sich an diesem verbotenen Ort wiederfand ... Wenn er sich aber jetzt von seinen Fesseln befreite, dann gab es dafür keine Erklärung mehr. Dann wurde er endgültig zu einem Verräter.
Aber war er das nicht längst? Hatte er nicht seit fünfundzwanzig Jahren sein eigenes Volk verraten?
Ein neues Geräusch drang in seine Gedanken; die Atemzüge der Dienerkreatur draußen vor der Tür wurden nervöser. Kyle wandte den Kopf, blickte die geschlossene Tür an und lauschte. Schritte waren zu vernehmen, dann hörte er gedämpfte Stimmen, die zweifellos Stone und dem Inspektor gehörten. Als sie näher kamen, ließ sich Kyle wieder zurücksinken und schloß die Augen. Sein Atem beruhigte sich. Er zwang sein Herz, gleichmäßig und sehr langsam zu schlagen, als befände er sich noch in tiefer Bewußtlosigkeit. Einen Augenblick später glitt die Tür mit einem leisen Summen auf. Er spürte, daß vier Personen die Kammer betraten; die beiden Inspektoren, Governor Stones und ein Megakrieger.
Die Tür schloß sich wieder, und die Schritte näherten sich der stählernen Liege.
»Warum haben Sie darauf bestanden, dabeizusein?« fragte die Metallstimme eines Inspektors.
»Ich ...« Stone zögerte. »Nennen Sie es meinetwegen übertriebene Vorsicht«, fuhr der Governor schließlich fort. »Ich will mich davon überzeugen, daß er auch wirklich getötet wird.«
»Das ist unlogisch«, antwortete der Inspektor. »Unsere Versicherung muß Ihnen reichen.«
Stone lachte gezwungen. »Ich bin ein Mensch«, antwortete er. »Menschen sind nicht immer logisch. Ich könnte keine Nacht mehr ruhig schlafen, wenn ich seinen Tod nicht selbst miterleben würde. Er hat versucht, mich umzubringen. Und ich weiß, wozu diese Geschöpfe fähig sind.«
Kyle wagte nicht, die Augen zu öffnen, denn er wußte, daß der anwesende Megakrieger jede noch so winzige Bewegung registriert hätte.
Er wagte es auch nicht, die Muskeln anzuspannen oder seine übermenschlichen Kraftreserven zu mobilisieren. Dennoch waren alle seine Sinne plötzlich aktiviert. Er hörte jedes noch so winzige Geräusch, er spürte jede noch so leise Vibration, ja, selbst die Bewegung der Luft, die die Schritte Stones und des Megamannes verursachten.
»Ist das auch der Grund, aus dem Sie dabeisein wollen, wenn Captain Laird gefangengenommen wird?« fragte der Inspektor.
»Unter anderem«, antwortete Stone. »Aber ich will auch sichergehen, daß sie tatsächlich lebendig gefangengenommen wird. Tot nützt sie uns überhaupt nichts.«
»Es ist nicht mehr nötig, Captain Laird unbedingt lebend in unsere Gewalt zu bringen«, antwortete der Inspektor. »Die Informationen, die sie sich von ihr erhoffen, werden sich ohnehin binnen einer Stunde in unserem Besitz befinden.«
»Trotzdem!« widersprach Stone unwillig. »Mir wäre wohler, wenn ich dabeisein könnte. Was spricht dagegen?«
»Nichts«, antwortete der Inspektor. »Verzeihen Sie die Frage. Es war reine Neugier.«
Kyle hörte, wie die beiden Ameisen beiseite traten, um dem Megakrieger auszuweichen.
»Eliminiere ihn!« befahl der Inspektor.
Kyle zerriß mit einem einzigen Ruck alle vier Fesseln, die ihn an dem Tisch hielten, und warf sich herum.
Der Megakrieger begriff augenblicklich, daß der vermeintlich wehrlose Gefangene wach war und einen Fluchtversuch unternahm. Und er reagierte so schnell, wie Kyle erwartet hatte. Die plumpe Waffe, die er in seiner Hand hielt, versuchte, seiner Bewegung zu folgen, aber Kyle sprang gar nicht auf die Füße, sondern trat im Liegen mit aller Gewalt zu.
Sein Fuß traf das rechte Knie des Megamannes und zerschmetterte es. Der Tritt reichte nicht aus, ihn auszuschalten, aber der dunkelrote Blitz, der Kyle hatte treffen sollen, fuhr zischend in den Metalltisch hinter ihm. Kyle rollte blitzschnell herum, trat ein zweites Mal nach den Beinen des Megamannes und brachte ihn endlich zu Fall. Der Krieger stürzte, und Kyle sprang hinter ihn. Mit einem Arm umklammerte er seinen Hals und bog mit aller Gewalt seinen Kopf zurück, die andere Hand packte das Handgelenk des Megamannes und hielt es mit unerbitterlicher Kraft fest. Der Megamann bäumte sich auf. An Kraft war er Kyle ebenbürtig, aber seine Verletzung behinderte ihn. Ein zweiter dunkelroter Blitz fuhr aus der plumpen Waffe in der rechten Hand des Megamannes und traf einen der Inspektoren. Das weiße Ameisengeschöpf glühte wie unter einem unheimlichen, inneren Feuer auf und verwandelte sich dann in eine Staubwolke.
Kyle versuchte, den Megakrieger in die Höhe zu reißen, und spannte gleichzeitig alle Muskeln an, um ihn das Genick zu brechen. Es gelang ihm nicht. Statt sich weiter gegen Kyles Griff zu stemmen, warf sich der Megamann plötzlich nach vorn, um Kyle über sich hinwegzuschleudern. Kyle ließ es zu, daß ihm die Bewegung den Boden unter den Füßen riß. Als er über seinen Gegner hinweggeschleudert wurde, griff er blitzschnell nach seinem rechten Arm und entwand ihm die Waffe. Er prallte hart auf den metallenen Boden auf und feuerte den Strahler ab, noch während er sich herumdrehte. Die rote Energieflut schnitt wie eine Sense aus Licht durch den Raum und traf den Megamann, bevor er sich auf Kyle stürzen konnte. Der Megakrieger verging in einer lautlosen Explosion aus rotem Licht und wirbelndem Staub.
Fast im gleichen Moment durchschnitt ein weiterer giftgrüner Energieblitz die Luft. Kyle fuhr herum, riß seine Waffe in die Höhe und wartete auf den grauenhaften Schmerz, mit dem der Laserstrahl seinen Körper treffen und seine gesamte Energie darin entladen mußte.
Aber der Schmerz kam nicht.
Statt dessen hörte er ein prasselndes Zischen und einen spitzen, fast wehleidigen Pfiff. Überrascht wandte er den Blick - und erstarrte. Stone hatte seine eigene Waffe gezogen und gefeuert. Aber es war nicht Kyle, auf den er seinen Laser gerichtet hatte.
Völlig verständnislos bemerkte Kyle das rauchende Loch in der weißen Panzerschale des Inspektors. Die Ameise taumelte. Ihre vier Hände griffen ins Leere, sie fanden nichts, woran sie sich festklammern konnten. Langsam brach die Ameise in die Knie, blieb einen Moment lang, auf zwei Hände gestützt, reglos hocken und kippte dann zur Seite. Das Leben in ihren kalten Facettenaugen erlosch, noch bevor ihre Spinnenglieder völlig aufhörten sich zu bewegen.
Kyle stand auf und blickte Stone an. Der Governor war bis zur Tür zurückgewichen und starrte auf die tote weiße Riesenameise. Keiner von ihnen rührte sich. Stone mußte wissen, wie wenig ihm seine Waffe gegen einen Gegner wie Kyle nutzte. Doch offenbar hatte der Governor ihn gar nicht treffen wollen. Der Inspektor hatte fast am anderen Ende des Zimmers gestanden. Es gab nur eine einzige Erklärung: Stone hatte den Inspektor absichtlich getötet. Aber warum?
Kyles Finger legte sich um den Abzug seiner Waffe, und auch Stone hob die kleine Laserpistole und richtete sie auf Kyles Augen. Doch keiner von ihnen drückte ab. Sekundenlang starrten sie sich an, bis schließlich Stone seine Waffe langsam wieder senkte.
Auch Kyle schoß nicht. Er hatte diesem Mann nichts zu vergeben, und er war ihm nichts schuldig. Er glaubte jetzt zu wissen, warum Stone den Inspektor erschossen hatte. Nach ein paar weiteren Sekunden senkte auch er die Hand, drehte sich herum und ging schweigend an Stone vorbei zur Tür. Die Blicke des Governors folgten ihm, und obwohl Kyle nicht einmal zu ihm zurücksah, spürte er, wie Stone die Laserpistole wieder hob und auf seinen Hinterkopf richtete. Trotzdem ging er ruhig weiter, blieb einen halben Schritt vor der Tür noch einmal stehen und wandte sich um.
»Fünf Minuten«, sagte Stone leise.
Kyle nickte wortlos. Wahrscheinlich würde er nicht einmal mehr so lange am Leben sein, dachte er. Es gab in dieser Basis Dutzende, wenn nicht Hunderte perfekt ausgebildeter Megakrieger. Aber es war eine Chance, und während er noch dastand und Governor Stone anstarrte, spürte er abermals ein neues, völlig unbekanntes und wunderbares Gefühl: Hoffnung.
Er drehte sich wieder herum, legte die Hand auf den Türöffner und zögerte noch einmal. »Draußen vor der Tür steht eine Wache«, sagte er. »Sie wird hereinkommen, sobald ich diesen Raum verlasse. Sie sollten sich eine gute Geschichte ausdenken - oder sie eliminieren.«
Ohne Stones Antwort abzuwarten, öffnete er die Tür und trat mit einem raschen Schritt auf den Korridor hinaus. Es war leichter, als er geglaubt hatte. Die Dienerkreatur war nicht sehr aufmerksam gewesen oder hatte vielleicht sogar geschlafen, denn sie schien nichts von dem Kampf bemerkt zu haben, der sich quasi direkt hinter ihrem Rücken abgespielt hatte. Als Kyle aus der Tür trat, reagierte sie geradezu lächerlich langsam. Statt sofort die Flucht zu ergreifen und Alarm zu geben, stieß sie ein überraschtes Zischeln aus und versuchte, nach ihm zu greifen. Kyle wich ihren Händen mit einer fast spielerischen Bewegung aus, packte sie am Hals und schmetterte sie gegen die gegenüberliegende Wand. Er legte nur einen Bruchteil seiner Kraft in diese Bewegung, denn er wollte nicht mehr töten, nicht einmal dieses Geschöpf. Trotzdem war der Anprall so heftig, daß die Ameise mit einem schmerzerfüllten Kreischen zu Boden sank und einige Augenblicke benommen liegenblieb. Kyle trat zu ihr, zerriß ihren Waffengürtel und schleuderte den kleinen Laserstrahler so weit weg, wie er nur konnte. Das Funkgerät warf er mit aller Kraft gegen die Wand, wo es zerbrach.
Dann drehte er sich herum und lief geduckt den Gang hinab. Er hatte sich den Weg eingeprägt und wußte, daß sich hinter der nächsten Biegung eine der gläsernen Aufzugkabinen befand. Mit ein wenig Glück würde er sie erreichen und das Gebäude verlassen können, ehe die fünf Minuten verstrichen waren, die Stone ihm versprochen hatte.
Kyle hatte das Ende des Ganges noch nicht ganz erreicht, als hinter ihm plötzlich ein giftgrünes, grelles Licht aufflackerte. Er fuhr überrascht herum und hob seine Waffe im gleichen Augenblick, in dem Stone aus allernächster Nähe einen zweiten Schuß auf den Wächter abgab. Kyle spürte einen eisigen Schauer, als er sah, wie sich Stone über die tote Ameise beugte. Es war nicht der Anblick der toten Kreatur, der ihn frösteln ließ; Tod und Gewalt waren ein Teil seines Lebens gewesen. Es war das Gefühl, sich selbst zu sehen. Es war absurd, aber für einen Moment hatte die schlanke Gestalt in der grauen Uniform sein eigenes Gesicht. Die Gnadenlosigkeit, mit der Stone die Ameise ausgeschaltet hatte, war auch eine seiner wesentlichsten Charakterzüge. Die Berechnung, die das Leben einer denkenden, fühlenden Kreatur nur als mathematische Größe in eine Gleichung mit einbezog, gehörte zu seinem Denken.
Er riß sich fast gewaltsam von dem Anblick los und lief weiter. Vielleicht hätte er nicht fliehen dürfen, dachte er plötzlich. Er hatte sein Leben gerettet, aber er war plötzlich nicht mehr sicher, daß es den Preis auch wert gewesen war, den er dafür würde zahlen müssen.
*
Ein unsanftes Rütteln an der Schulter weckte sie. Charity öffnete müde die Augen, sah nichts als einen verwaschenen hellen Fleck über sich und drehte sich mit einem gemurmelten Fluch wieder auf die Seite.
»Verdammt, wach endlich auf!« rief Gurk.
Unwillig drehte Charity sich wieder herum, stemmte sich auf die Ellbogen hoch und blinzelte in das verknitterte Gesicht des Gnoms.
»Was ist los?« fragte sie verschlafen. »Verfolgst du mich jetzt schon in meine Träume, oder bist du gekommen, um mir wieder irgendwelche Vorträge zu halten?«
Gurk machte eine unwillige Handbewegung. »Hör mit dem Quatsch auf!« verlangte er grob. »Irgend etwas geht hier vor.«
Charity schaute den Zwerg noch einen Moment lang verständnislos an - und erwachte schlagartig. Sie hatte Gurk noch nie so erschreckt gesehen.
Mit einem Satz war sie aus dem Bett, schlüpfte in ihre Uniformhose und ein dünnes T-Shirt und wollte sich zur Tür wenden, aber Gurk winkte sie noch einmal zurück.
»Zieh den Rest auch an«, sagte er mit einer Geste auf ihre übrige Kleidung, die unordentlich über dem Stuhl neben dem Bett lag. »Du wirst die Klamotten wahrscheinlich brauchen.«
Charity gehorchte. Rasch zog sie ihre Jacke an, schlüpfte in die Stiefel und nahm schließlich auch das Lasergewehr vom Stuhl. Als sie hinter dem Zwerg in die Hotel-Suite trat, sah sie, daß sie nicht die einzige war, die er geweckt hatte. Skudder und Net saßen in voller Montur in einem Sessel, und zu ihrer Überraschung sah sie auch Helen und Jean, die leise und sehr ernst mit Skudder redeten. Als sie eintrat, unterbrachen sie ihr Gespräch, und Jean eilte ihr aufgeregt entgegen.
»Sie sind da!« rief Jean.
»Wer ist da?« fragte Charity.
»Die Jäger!« Jean machte eine nervöse Handbewegung zum Fenster. »Ein Gleiter ist vor einer Stunde gekommen. Und kurz darauf noch einer. Ich bin sicher, sie ...«
Charity unterbrach ihn mit einer energischen Geste. »Immer hübsch der Reihe nach«, sagte sie. »Was genau ist passiert? Werdet ihr angegriffen?«
Jean schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er, »jedenfalls noch nicht. Aber irgend etwas geht hier vor. Sie sind noch nie auf diese Seite des Flusses gekommen!«
»Weiß Ihr Vater davon?« fragte Charity, an Helen gewandt.
Das dunkelhaarige Mädchen schüttelte den Kopf. Ein sonderbarer Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. Sie wirkte irgendwie ... schuldbewußt, fand Charity. Aber zugleich auch sehr alarmiert. »Wir sind gleich zu Ihnen gekommen«, sagte sie. »Ich weiß, ich hätte meinen Vater verständigen müssen, aber ...«
»Ihr müßt verschwinden!« sagte Jean. »Ich bin sicher, sie suchen euch.«
»Wenn sie das wirklich täten, hätten sie uns längst gefunden«, antwortete Charity. »Was genau ist passiert?«
Jean trat nervös von einem Fuß auf den anderen, aber als er endlich antwortete, tat er es erstaunlich ruhig. »Ich war draußen«, begann er. »Ich wollte ... runter zum Tank, ein bißchen an meinem Bike herumbasteln. Da habe ich den Gleiter gesehen. Er flog ganz langsam und sehr tief. Zuerst dachte ich, er würde in der Stadt landen. Einen Moment lang war er sogar verschwunden.«
»Wo?« fragte Charity.
Jean zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht genau«, gestand er. »Aber ich glaube, es war nicht sehr weit von hier. Aber er kann nicht gelandet sein, denn kurz darauf habe ich ihn wieder gesehen. Er flog nach Norden.«
»Nach Norden?« Charity runzelte die Stirn. »Aber dort ist doch nichts. Nichts, außer ...« Sie verstummte mitten im Wort. Betroffen blickte sie Jean an. »Sind Sie sicher?« vergewisserte sie sich. »Sie sind nach Norden geflogen?«
»Ganz sicher«, antwortete Jean. »Und der zweite auch.«
»Welcher zweite?« fragte Gurk.
»Der zweite Gleiter«, sagte Jean. »Ich bin sofort zurück, um Alarm zu schlagen. Kurz bevor ich hierherkam, kam noch einer.«
»Er flog in die gleiche Richtung?« vermutete Charity.
Jean nickte.
»Ich glaube«, murmelte Charity, »dann weiß ich, wo sie hin wollten.«
»Wohin?« fragte Helen aufgeregt. »Wir müssen meinen Vater alarmieren, wenn Sie es wissen.«
Charity maß sie mit einem sonderbaren Blick. »Ich glaube nicht, daß das eine gute Idee wäre«, sagte sie. »Davon abgesehen, daß es wahrscheinlich nicht mehr nötig ist.« Charity wandte sich wieder an Jean. »Es war richtig, daß Sie gleich hierhergekommen sind«, sagte sie. »Aber jetzt brauchen wir Ihre Hilfe, Jean.«
»Jederzeit«, antwortete Jean.
»Können Sie ein Fahrzeug organisieren?« fragte Charity. »Eines, in dem wir alle Platz haben?«
Jean schwieg einen Moment lang verwirrt. »Es gibt ein paar Lastwagen«, sagte er dann. »Aber wir dürfen sie nicht benutzen.«
»Wissen Sie, wo sie sind?«
»Ja. Aber die Garage ist verschlossen, und sie wird bewacht.«
»Na gut«, sagte Charity. »Dann kommt mit.«
»Aber wohin denn?« erkundigte sich Helen verstört.
Charity wandte sich zur Tür und machte eine einladende Geste. »Etwas tun, was ich schon lange einmal tun wollte«, erklärte sie fröhlich.
»Einen Wagen stehlen.«