16 Die Hochzeit

Der letzte Tag im Herbst brach klar und hell an. Die Luft war warm von einem süßen Wind aus dem Süden, der wehte, seitdem die Flüchtlinge mit wenigen eilig zusammengerafften Vorräten aus Pax Tarkas entkommen konnten.

Die Drakonierarmee hatte viele Tage gebraucht, um die Mauern von Pax Tarkas zu erklimmen: Die Tore waren von Steinblöcken versperrt, die Türme wurden von Gossenzwergen verteidigt. Geführt von Sestun standen die Gossenzwerge auf den Mauern und warfen Steine, tote Ratten und gelegentlich sich selbst auf frustrierte Drakonier. Dadurch gewannen die Flüchtlinge Zeit, um in die Berge zu entkommen, wo sie zwar Gefechte mit kleinen Drakoniertrupps austragen mußten, aber nicht ernstlich bedroht waren.

Flint bot sich freiwillig an, eine Gruppe der Männer durch das Gebirge zu führen, um einen Platz zu suchen, an dem die Leute den Winter verbringen konnten. Dieses Gebirge war Flint vertraut, da die Heimat der Hügelzwerge nicht weit entfernt im Süden lag. Flints Gruppe entdeckte ein Tal, umgeben von weiten schroffen Felsspitzen, dessen verräterische Pässe im Winter zugeschneit waren. Diese Pässe konnten leicht gegen die Macht der Drachenarmeen gehalten werden, und es gab Höhlen, in denen sie sich vor den Drachen verbergen konnten.

Die Flüchtlinge folgten einem gefährlichen Weg und kamen in das Tal. Eine Schneelawine legte sich über den Weg hinter ihnen und bedeckte alle Spuren. Es würde Monate dauern, bis die Drakonier sie entdecken würden.

Das Tal, tief unter den Bergesgipfeln, war vor den strengen Winterwinden und Schneefällen geschützt. In den Wäldern gab es ausreichend Wild. Klares Wasser floß aus den Bergen. Die Leute trauerten um ihre Toten, freuten sich über ihre Befreiung, bauten Schutzhütten und – feierten eine Hochzeit.

Am letzten Tag im Herbst, als die Sonne hinter den Bergen verschwand, heirateten Flußwind und Goldmond.

Als die beiden Elistan baten, die Zeremonie ihres Eidaustausches zu beaufsichtigen, hatte er sich tief geehrt gefühlt und sie über die Sitten ihres Volkes befragt. Beide hatten jedoch erwidert, daß ihr Volk nicht mehr existieren würde. Es gab keine Que-Shu mehr, es gab ihre Gebräuche nicht mehr.

»Das wird unsere Zeremonie sein«, erklärte Flußwind. »Der Beginn von etwas Neuem, nicht die Weiterführung von etwas, was der Vergangenheit angehört.«

»Obwohl wir unser Volk in unseren Herzen ehren werden«, fügte Goldmond leise hinzu, »aber wir müssen nach vorn und nicht nach hinten sehen. Wir werden die Vergangenheit ehren, die uns zu dem gemacht hat, was wir sind. Aber die Vergangenheit soll nicht mehr über uns herrschen.«

Elistan studierte also die Scheiben von Mishakal, um herauszufinden, was die alten Götter über die Ehe lehrten. Er bat Goldmond und Flußwind, ihre eigenen Gelübde aufzuschreiben, ihre Herzen über die Stärke ihrer Liebe zu befragen – denn diese Gelübde würden vor den Göttern abgelegt werden und bis über den Tod hinaus währen.

Einen Brauch der Que-Shu behielt das Paar bei: und zwar durften Braut- und Bräutigamsgeschenke nicht gekauft werden. Diese Symbole der Liebe mußten von der Hand der Liebenden selbst hergestellt und dann mit den Gelübden ausgetauscht werden.

Elistan nahm einen Platz auf einem Hügel ein. Die Menschen versammelten sich schweigend am Fuße des Hügels. Von Osten kamen Tika und Laurana mit Fackeln. Hinter ihnen ging Goldmond, Tochter des Stammeshäuptlings. Ihr Haar fiel wie geschmolzenes, mit Silberstreifen vermischtes Gold über ihre Schultern. Ihr Haupt war mit Herbstblättern geschmückt. Sie trug ihre einfache Rehfelltunika. Das Amulett von Mishakal glitzerte an ihrem Hals. Ihr Geschenk hatte sie in ein Tuch gewickelt, das feiner war als Spinnweben.

Tika schritt feierlich vor ihr; das Herz des jungen Mädchens war mit eigenen Träumen erfüllt, sie begann zu glauben, daß das große Geheimnis zwischen Mann und Frau vielleicht doch nicht ein so furchterregendes Erlebnis sei, wie sie befürchtet hatte, sondern etwas Süßes und Wunderbares.

Laurana, die neben Tika ging, hielt ihre Fackel hoch. Die Menschen murmelten bei Goldmonds Schönheit, aber sie schwiegen, als Laurana vorbeiging. Goldmond war ein Mensch, ihre Schönheit war die Schönheit der Bäume und der Gebirge und des Himmels. Lauranas Schönheit war elfisch, außerweltlich, geheimnisvoll.

Die zwei Frauen führten die Braut zu Elistan, dann wandten sie sich um und sahen in den Westen, den Bräutigam erwartend.

Flammende Fackeln säumten Flußwinds Weg. Tanis und Sturm, ihre Gesichter besonnen und sanft, führten ihn. Flußwind folgte wie immer mit ernstem Gesicht. Aber eine Freude, heller als die Fackeln, strahlte in seinen Augen. Sein schwarzes Haar war mit Herbstblättern geschmückt, sein Bräutigamsgeschenk steckte in einem von Tolpans Taschentüchern. Hinter ihm gingen Flint und der Kender. Caramon und Raistlin kamen zum Schluß; der Magier trug anstelle einer Fackel den leuchtenden Kristallstab.

Die Männer führten den Bräutigam zu Elistan, dann traten sie zurück und gesellten sich zu den Frauen. Tika stand neben Caramon. Schüchtern berührte sie seine Hand. Er lächelte sie an und nahm ihre kleine Hand in seine große.

Als Elistan Flußwind und Goldmond ansah, dachte er an das schreckliche Leid und die Furcht und die Gefahr, denen sie gegenübergestanden hatten, an die Härte ihres Lebens. Hielt die Zukunft etwas Besseres für sie bereit? Einen Moment lang war er tief gerührt und konnte nicht sprechen. Die beiden bemerkten Elistans Gefühlsausbruch und verstanden vielleicht auch seinen Kummer. Elistan zog sie dicht zu sich und flüsterte ihnen Worte zu, die nur für sie bestimmt waren.

»Es war eure Liebe und euer Glaube in die anderen, die Hoffnung in die Welt brachten. Jeder von euch war bereit, sein Leben zu opfern für diese Hoffnung, jeder von euch hat das Leben des anderen gerettet. Jetzt scheint die Sonne, aber ihre Strahlen verblassen bereits, und bald wird es Nacht. Für euch wird es auch so sein, meine Freunde. Ihr werdet durch viel Dunkelheit gehen, bevor der Morgen dämmert. Aber eure Liebe wird wie eine Fackel sein, die euren Weg erleuchtet.«

Dann trat Elistan zurück und begann, zu allen zu sprechen. Seine Stimme klang anfangs heiser, wurde aber immer kräftiger, als er den Frieden der Götter um sich spürte, und er segnete das Paar.

»Die linke Hand ist die Hand des Herzen«, sagte er und legte Goldmonds linke Hand in Flußwinds linke Hand und hielt seine eigene linke Hand darüber. »Wir legen die linken Hände zusammen, damit sich die Liebe in den Herzen dieses Mannes und dieser Frau vereinigt, um etwas Größeres zu bilden – wie zwei Flüsse, die zu einem mächtigen Strom zusammenfließen. Der Strom fließt durch das Land, zweigt sich zu Nebenarmen ab, die neue Wege gehen, jedoch bleiben sie immer mit dem ewigen Meer verbunden. Erhalte ihre Liebe, Paladin – größter aller Götter! Segne sie und gib ihnen in ihrem Herzen Frieden, auch wenn es in diesem zerstörten Land keinen Frieden gibt.«

In dieser gesegneten Ruhe reichten sich Ehemänner und Ehefrauen die Hände, rückten Freunde näher zusammen, beruhigten sich die Kinder und schlichen zu ihren Eltern. Trauernde Herzen wurden getröstet. Es herrschte Frieden.

»Leistet jetzt eure Gelübde«, sagte Elistan, »und tauscht die Geschenke eurer Hände und eurer Herzen aus.«

Goldmond sah in Flußwinds Augen und begann leise zu sprechen.

»Kriege setzen sich im Norden nieder, und Drachen reiten in den Himmeln, ›Jetzt ist die Zeit der Weisheit‹, sagen der Weise und der fast Weise.

›Hier im Herzen der Schlacht muß man mutig sein.

Jetzt sind viele Dinge wichtiger als das Versprechen der Frau zum Mann.‹

Aber du und ich, durch brennende Ebenen, in der Finsternis der Erde, erklären dieser Welt, ihren Bewohnern, den Himmeln, die sie geboren haben, dem Atem, der zwischen uns geht, hier an diesem Altar:

All jene Dinge werden wichtiger durch das Versprechen der Frau zum Mann.«

Dann sprach Flußwind:

»Jetzt inmitten des Winters, wenn Erde und Himmel grau sind, hier im Herzen des schlafenden Schnees, ist es an der Zeit, ja zu sagen zum sprießenden Vallenholz im grünen Land, denn diese Dinge sind viel wichtiger als das Wort eines Mannes zu seiner Braut.

Durch diese Versprechen, die wir halten, geschmiedet in der anbrechenden Nacht, bezeugt durch die Anwesenheit von Helden und die Aussicht auf Frühlingslicht, werden die Kinder Monde und Sterne sehen, wo jetzt die Drachen ritten, und einfache Dinge werden wichtiger durch das Wort eines Mannes zu seiner Frau.«

Nach diesen Gelübden wurden die Geschenke ausgetauscht. Goldmond überreichte Flußwind schüchtern ihr Geschenk. Er packte es mit zitternden Händen aus. Es war ein Ring, aus ihrem eigenem Haar geflochten und mit feinen Silber- und Goldbändern verwoben. Goldmond hatte Flint die Juwelen ihrer Mutter gegeben: Die alten Hände des Zwerges hatten ihre Geschicklichkeit nicht verloren.

Im zerstörten Solace hatte Flußwind einen vom Drachenfeuer unversehrten Vallenholzzweig gefunden und ihn mitgenommen. Aus diesem Zweig hatte Flußwind sein Geschenk für Goldmond gemacht – einen Ring, völlig weich und glatt. Das polierte Holz des Baumes hatte eine goldene Farbe, von Streifen und Windungen in sanftem Braun markiert. Goldmond hielt den Ring und erinnerte sich an den ersten Abend, als sie die riesigen Vallenholzbäume gesehen hatte, die Nacht, in der sie müde und verängstigt mit dem blauen Kristallstab in Solace gestolpert waren. Sie begann leise zu weinen und trocknete die Augen mit Tolpans Taschentuch.

»Segne die Geschenke, Paladin«, sprach Elistan, »diese Symbole der Liebe und des Opfers. Gewähre in Zeiten der tiefsten Dunkelheit diesen beiden, auf diese Geschenke zu schauen und ihren Weg von Liebe beleuchtet zu sehen. Großer und glänzender Gott, Gott der Menschen und der Elfen, Gott der Kender und der Zwerge, gib diesen beiden Kindern deinen Segen. Soll die Liebe, die sie heute in ihre Herzen einpflanzen, von ihren Seelen genährt werden und zu einen Lebensbaum wachsen, der Schutz für alle bietet, die Zuflucht unter seinen Ästen suchen. Mit dem Zusammenlegen der Hände, den Gelübden und den Geschenken werdet ihr, Flußwind, Enkel von Wanderer, und Goldmond, Tochter des Stammeshäuptlings, in euren Herzen eins werden im Angesicht der Menschen und in den Augen der Götter.«

Flußwind streifte sein Geschenk Goldmond über ihren schlanken Finger. Goldmond nahm ihren Ring von Flußwind. Er kniete vor ihr – so wie es die Sitte der Que-Shu verlangte. Aber Goldmond schüttelte den Kopf.

»Erhebe dich, Krieger«, sagte sie, durch ihre Tränen lächelnd.

»Ist das ein Befehl?« fragte er leise.

»Das ist der letzte Befehl der Tochter des Stammeshäuptlings«, flüsterte sie.

Flußwind stand auf. Goldmond streifte den goldenen Ring über seinen Finger. Dann nahm Flußwind sie in seine Arme. Sie legte ihre Arme um ihn. Ihre Lippen trafen sich, ihre Körper verschmolzen ineinander, ihre Seelen vereinigten sich. Die Leute riefen ihnen zu, und die Fackeln flackerten. Die Sonne versank hinter dem Gebirge und ließ den Himmel in sanften Rot- und Violettönen zurück.

Die Braut und der Bräutigam wurden von der jubelnden Menge den Hügel hinuntergetragen, und das Fest begann. Riesige Tische, aus den Bäumen des Waldes geschnitzt, wurden aufgestellt. Die Kinder tollten und spielten, endlich von der Zeremonie befreit. Sorgen und Kummer waren weit entfernt. Männer stachen die Fässer mit Ale und Wein an, die sie aus Pax Tarkas mitgebracht hatten, und begannen, auf die Braut und den Bräutigam anzustoßen. Frauen stellten Platten mit Wild und Früchten auf den Tisch.

»Geht mir aus dem Weg«, knurrte Caramon, als er sich an den Tisch setzte. Die Gefährten lachten und machten dem Krieger Platz. Maritta und zwei andere Frauen stellten eine riesige Platte mit Wildfleisch vor ihn.

»Richtiges Essen«, seufzte der Krieger.

»He«, brüllte Flint und schnitt ein Stück Fleisch von Caramons Braten ab, »willst du das alles allein essen?«

Caramon kippte, ohne ein Wort zu verlieren, einen Krug Bier über den Kopf des Zwerges.

Tanis und Sturm saßen nebeneinander und unterhielten sich leise. Tanis’ Augen wanderten gelegentlich zu Laurana. Sie saß an einem anderen Tisch und redete angeregt mit Elistan. Tanis fand sie heute abend besonders schön und stellte fest, daß sie sich sehr verändert hatte, seitdem sie ihm von Qualinost gefolgt war. Ihm gefiel diese Veränderung. Aber er fragte sich, worüber sie sich mit Elistan so angeregt unterhielt.

Sturm berührte seinen Arm. Tanis schreckte hoch. Er hatte den Faden der Unterhaltung verloren. Er errötete und wollte sich gerade entschuldigen, als er in Sturms Gesicht sah.

»Was ist denn?« fragte Tanis besorgt.

»Pssst, beweg dich nicht!« befahl Sturm. »Sieh nur – dort drüben, wer da sitzt.«

Tanis sah in die Richtung und war verwirrt, denn er sah einen Mann, geistesabwesend allein über sein Essen gebeugt sitzen. Wenn jemand näherkam, schrak der Mann zusammen und beäugte denjenigen nervös. Plötzlich, vielleicht weil er Tanis’ Blick spürte, hob er seinen Kopf und starrte sie direkt an. Der Halb-Elf keuchte und ließ seine Gabel fallen.

»Aber das ist unmöglich!« sagte er. »Wir haben ihn sterben gesehen! Mit Eben! Niemand hätte das überleben können…«

»Dann habe ich mich nicht geirrt«, sagte Sturm grimmig. »Du hast ihn auch wiedererkannt. Ich dachte schon, ich wäre verrückt. Laß uns mit ihm sprechen.«

Doch als sie wieder aufsahen, war er verschwunden. Schnell durchsuchten sie die Menschenmenge, aber er war nicht mehr zu finden.

Als der silberne und der rote Mond am Himmel aufgingen, bildeten die verheirateten Paare einen Kreis um Braut und Bräutigam und begannen Hochzeitslieder zu singen. Unverheiratete Paare tanzten außerhalb des Kreises, während Kinder herumhüpften und riefen. Freudenfeuer brannten hell, Stimmen und Musik erfüllten die nächtliche Luft. Goldmond und Flußwind standen zusammen, ihre Augen leuchteten heller als die Monde und das Feuer.

Tanis hielt sich etwas abseits und beobachtete seine Freunde. Laurana und Gilthanas führten einen uralten Elfentanz mit Anmut und Schönheit auf und sangen dazu eine Freudenhymne. Sturm und Elistan sprachen über ihre Pläne, in den Süden zu reisen, um die legendäre Hafenstadt Tarsis, die Schöne, zu suchen, in der sie Schiffe zu finden hofften, die die Leute aus diesem vom Krieg verwüsteten Land fortbringen könnten. Tika, die es leid war, Caramon beim Essen zuzusehen, ärgerte Flint solange, bis der Zwerg einwilligte, mit ihr zu tanzen, wobei er unter seinem Bart dunkelrot anlief.

Wo ist Raistlin? fragte sich Tanis. Der Halb-Elf erinnerte sich, ihn kurz zuvor noch gesehen zu haben. Der Magier hatte wenig gegessen und seinen Kräutertee getrunken. Er war ungewöhnlich blaß und schweigsam gewesen. Tanis beschloß, ihn zu suchen. Die Gesellschaft des düsteren, zynischen Magier schien ihm heute abend eher zu passen als Musik und Gelächter.

Tanis wanderte in der mondbeleuchteten Dunkelheit, wußte irgendwie, daß seine Richtung stimmte. Er fand Raistlin auf einem Baumstumpf sitzend. Der Halb-Elf setzte sich neben den stillen Magier.

Ein kleiner Schatten huschte hinter die Bäume. Endlich würde Tolpan hören, was die beiden zu reden hatten.

Raistlins seltsame Augen starrten auf das Land im Süden, das irgendwo hinter den großen Bergen lag. Der Wind blies immer noch aus dem Süden, aber er begann sich zu drehen. Es wurde kälter. Tanis merkte, daß Raistlins zerbrechlicher Körper bebte. Als er ihn im Mondschein betrachtete, war Tanis er staunt, die Ähnlichkeit des Magiers mit seiner Halbschwester Kitiara festzustellen. Es war nur ein flüchtiger Eindruck und so schnell verschwunden, wie er gekommen war, aber er erinnerte Tanis an diese Frau und trug zu seiner Unruhe bei. Er spielte rastlos mit einem Stück Holz.

»Was siehst du im Süden?« fragte Tanis plötzlich.

Raistlin warf ihm einen kurzen Blick zu. »Was sollte ich schon sehen mit meinen Augen, Halb-Elf?« flüsterte der Magier bitter. »Ich sehe Tod, Tod und Zerstörung. Ich sehe Krieg.« Er zeigte nach oben. »Die Konstellationen haben sich nicht geändert. Die Königin der Finsternis ist nicht besiegt.«

»Wir haben vielleicht nicht den Krieg gewonnen«, begann Tanis, »aber auf alle Fälle haben wir eine große Schlacht…«

Raistlin hustete und schüttelte traurig den Kopf.

»Hast du keine Hoffnung?«

»Hoffnung ist die Leugnung der Wirklichkeit. Es ist, als ob einem Zugpferd eine Rübe verlockend vor das Maul gehalten wird, um es am Weiterlaufen zu halten, und das Pferd versucht vergeblich, die Rübe zu erreichen.«

»Meinst du, wir sollten einfach aufgeben?« fragte Tanis und warf verärgert das Stück Holz weg.

»Ich meine, wir sollten die Rübe entfernen und mit offenen Augen weitergehen«, antwortete Raistlin. Er hustete wieder und zog seinen Umhang enger um sich. »Wie willst du die Drachen bekämpfen, Tanis? Denn es werden noch mehr kommen! Mehr als du dir vorstellen kannst! Und wo ist jetzt Huma? Wo ist jetzt die Drachenlanze? Nein, Halb-Elf. Erzähl mir nichts von Hoffnung.«

Tanis antwortete nicht, und auch der Magier schwieg jetzt. Beide saßen schweigend da, einer starrte weiterhin in den Süden, der andere sah in die große Leere im glitzernden Sternenhimmel.

Tolpan wich in das weiche Gras hinter den Kiefern zurück. »Keine Hoffnung!« wiederholte der Kender düster, es tat ihm leid, dem Halb-Elf gefolgt zu sein. »Ich glaube es nicht«, sagte er, aber seine Augen gingen zu Tanis, der in die Sterne blickte. Aber Tanis glaubt es, wurde dem Kender klar, und der Gedanke erfüllte ihn mit Grauen.

Seit dem Tod des alten Magiers war eine unmerkliche Veränderung bei dem Kender eingetreten. Tolpan begann in Erwägung zu ziehen, daß dieses Abenteuer ernst war, daß es um etwas ging, für das Leute ihr Leben opferten. Er fragte sich, warum er dabei war, und dachte, daß er Fizban vielleicht bereits die Antwort gegeben hatte – die kleinen Dinge, die er tun sollte, waren irgendwie im großen Schema aller Dinge wichtig.

Aber bis jetzt war es dem Kender nie in den Sinn gekommen, daß alle Bemühungen umsonst sein konnten, daß sie weiter leiden und Freunde verlieren konnten, wie Fizban, und daß die Drachen am Ende doch gewinnen würden.

»Trotzdem«, sagte der Kender leise, »müssen wir weiter versuchen und hoffen. Das ist das Wichtigste – das Versuchen und das Hoffen. Vielleicht ist das überhaupt das Wichtigste.«

Etwas schwebte sanft vom Himmel herab und strich über die Nase des Kenders. Tolpan streckte seine Hand aus, um es aufzufangen.

Es war eine kleine weiße Hühnerfeder.

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