Vielleicht war es nur Einbildung, aber die Dunkelheit schien zuzunehmen, je tiefer sie in den Tunnel vordrangen, und die Luft wurde kälter. Auch ohne Erklärung des Zwerges wußten alle, daß in einer Höhle die Temperatur normalerweise gleich blieb. Sie stießen auf eine Abzweigung im Tunnel, aber keiner wollte links abbiegen, da dieser Weg sie vielleicht in die Halle der Urahnen zurückführen würde.
»Durch den Elf wären wir beinahe von der Schnecke getötet worden«, sagte Eben anklagend. »Ich frage mich, was er hier noch für uns auf Lager hat.«
Niemand antwortete. Inzwischen spürten alle zunehmend das Böse, vor dem Raistlin sie gewarnt hatte. Sie verlangsamten ihren Schritt, einzig und allein durch den Gruppenwillen kamen sie weiter. Lauranas Muskeln zogen sich vor Furcht zusammen, und sie stützte sich an der Wand ab. Sie sehnte sich danach, daß Tanis sie tröstete und beschützte, so wie früher, als sie sich im Spiel Feinde vorgestellt hatten, aber er führte mit ihrem Bruder die Gruppe an. Jeder mußte mit seiner Angst selbst fertigwerden. In diesem Moment entschied sich Laurana, daß sie eher sterben würde, als um Hilfe zu bitten, und es wurde ihr wirklich ernst, daß sie Tanis auf sich stolz machen wollte. Sie schob sich von der Tunnelwand fort, biß die Zähne zusammen und ging weiter.
Plötzlich endete der Tunnel. Neben dem Loch lagen Geröll und Schutt. Der intensive Eindruck von Bösartigkeit dahinter berührte die Gefährten wie unsichtbare Finger. Die Gefährten hielten inne, keiner von ihnen – nicht einmal der kaltblütige Kender – wagte durch das Loch zu klettern.
»Ich habe zwar keine Angst«, vertraute Tolpan flüsternd Flint an. »Es ist nur so, daß ich lieber woanders wäre.«
Das Schweigen wurde bedrückend. Jeder konnte sein Herz schlagen und das Atmen der anderen hören. Das Licht flackerte in der zitternden Hand des Magiers.
»Nun, wir können hier nicht ewig stehen«, sagte Eben heiser. »Der Elf soll vorgehen. Er hat uns schließlich hierher gebracht!«
»Ich gehe«, antwortete Gilthanas. »Aber ich brauche Licht.«
»Keiner außer mir darf den Stab berühren«, zischte Raistlin. Er hielt inne, dann fügte er widerstrebend hinzu. »Ich komme mit dir.«
»Raist…«, begann Caramon, aber sein Bruder starrte ihn kühl an. »Ich komme auch mit«, murmelte der Krieger.
»Nein«, sagte Tanis. »Du bleibst hier und beschützt die anderen. Gilthanas, Raistlin und ich gehen.«
Gilthanas trat durch das Loch, der Magier und Tanis folgten ihm. Das Licht enthüllte eine enge Kammer, die weiter hinten wieder in der Dunkelheit verschwand. An den beiden Längsseiten befanden sich Reihen von großen Steintüren, die von Eisenscharnieren an den Wänden gehalten wurden. Raistlin hielt den Stab höher und beleuchtete die düstere Kammer. Allen war bewußt, daß sich hier das Böse zentrierte.
»An den Türen sind Ornamente«, murmelte Tanis. Das Licht des Stabes ließ die Steingravuren deutlich hervortreten.
Gilthanas starrte sie an. »Das königliche Wappen!« sagte er mit erstickter Stimme.
»Was bedeutet das?« fragte Tanis.
»Wir sind in der Gruft der Königsgarde«, wisperte Gilthanas. »Sie sind an Schwüre gebunden, ihre Pflichten selbst nach dem Tod weiter auszuüben und den König zu bewachen – so heißt es in den Legenden.«
»Und so werden Legenden lebendig!« keuchte Raistlin und packte Tanis am Arm. Tanis hörte, wie sich riesige Steinblöcke verschoben, wie verrostete Eisenscharniere knirschten. Er wandte sich um und sah alle Steintüren aufschwingen! Die Kammer füllte sich mit einer Kälte, daß Tanis’ Finger steif wurden. Hinter den Steintüren bewegte sich etwas.
»Die Königsgarde! Es waren ihre Spuren!« flüsterte Raistlin hektisch. »Menschlich und nichtmenschlich. Es gibt keine Fluchtmöglichkeit!« sagte er und hielt Tanis noch fester. »Anders als die Geister im Düsterwald haben diese hier nur einen Gedanken – alles zu vernichten, was die Ruhe des Königs stört!«
»Wir müssen es versuchen!« sagte Tanis und befreite sich aus der festen Umklammerung des Magiers. Er taumelte zum Eingang zurück, fand ihn aber von zwei Gestalten blockiert.
»Geht zurück!« keuchte Tanis. »Lauft! Wer – Fizban? Nein, du verrückter alter Mann! Wir müssen rennen! Die tote Garde…«
»Beruhige dich«, murmelte der alte Mann. »Junges Volk. Panikmacher.« Er drehte sich um und half jemandem beim Eintreten. Es war Goldmond.
»Es ist alles in Ordnung, Tanis«, sagte sie. »Sieh her.« Sie zog ihren Umhang beiseite: Ihr Amulett leuchtete blau. »Fizban meint, sie würden uns vorbeilassen, wenn sie das Amulett sehen. Und als er das sagte, begann es zu strahlen!«
»Nein!« Tanis wollte ihr befehlen zurückzugehen, aber Fizban tippte mit seinen langen, knochigen Fingern auf seine Brust.
»Du bist ein guter Mann, Tanis Halb-Elf«, sagte der alte Magier leise, »aber du machst dir zuviel Sorgen. Jetzt entspann dich, und laß uns diese armen Seelen wieder in ihren Schlaf schicken. Hol die anderen, ja?«
Tanis, dem die Worte fehlten, wich zurück, als Goldmond und Fizban mit Flußwind im Gefolge weitergingen. Tanis beobachtete, wie sie langsam zwischen den Reihen der geöffneten Türen dahinschritten. Sobald sie sich von einer Tür entfernten, hörte die Bewegung dahinter auf. Selbst aus der Entfernung konnte er spüren, wie sich der Eindruck der Bösartigkeit auflöste.
Als die anderen zum Eingang kamen und er ihnen half, beantwortete er ihre Fragen mit einem Schulterzucken. Laurana sagte kein Wort zu ihm, als sie durch das Loch stieg; ihre Hand fühlte sich kalt an, und zu seinem Erstaunen sah er Blut auf ihrer Lippe. Tanis war klar, daß sie sich auf die Lippe gebissen haben mußte, um nicht aufzuschreien, und reumütig wollte er ihr etwas sagen. Aber das Elfenmädchen hielt den Kopf hoch und sah ihn nicht an.
Die anderen rannten eilig hinter Goldmond her. Nur Tolpan blieb stehen, um in die Gruft hinter eine der Türen zu spähen. Er sah eine hochgewachsene Gestalt in prächtiger Rüstung auf einem steinernen Totenbett liegen. Skeletthände hielten ein Langschwert, das über seinem Körper lag. Tolpan sah neugierig auf das Königliche Wappen und versuchte, die Worte nachzusprechen.
»Sothi Nuinqua Tsalarioth«, sagte Tanis plötzlich.
»Was bedeutet das?« fragte Tolpan.
»Treu über den Tod hinaus«, antwortete Tanis leise.
Am westlichen Ende der Kammer fanden sie eine bronzene Doppeltür. Goldmond stieß sie mühelos auf. Sie betraten einen langen Korridor. In diesem Raum standen sie nur einem Problem gegenüber – den Zwerg wieder hinauszubekommen. Der Korridor war vollkommen unversehrt – der einzige Raum des Sla-Mori, den sie gesehen hatten, der die Umwälzung ohne Schaden überstanden hatte. Und der Grund dafür lag, wie Flint allen erklärte, in der wundervollen Zwergenkonstruktion – insbesondere den dreiundzwanzig Säulen, die die Decke stützten.
Der einzige Ausgang waren zwei identische Bronzetüren am anderen Ende der Kammer. Flint, der sich von den Säulen wegriß, untersuchte die Türen und kam zu dem Schluß, daß er keine Idee hatte, was sich hinter ihnen befinden oder wohin sie führen könnten. Nach kurzer Diskussion entschied sich Tanis für die rechte Tür.
Die Tür führte sie in eine saubere, enge Passage und nach etwa fünfzehn Metern zu einer weiteren Bronzetür, die jedoch verschlossen war. Caramon drückte und schob, aber ohne Erfolg.
»Es hat keinen Sinn«, knurrte er. »Sie bewegt sich nicht.«
Flint beobachtete Caramon einige Minuten, dann stapfte er schließlich nach vorn. Er untersuchte die Tür, schnaufte und schüttelte den Kopf. »Es ist eine Scheintür!«
»Sieht für mich aber sehr wirklich aus!« sagte Caramon und blickte argwöhnisch auf die Tür. »Sie hat sogar Scharniere!«
»Natürlich hat sie Scharniere«, schnaufte Flint. »Wir bauen keine Scheintüren, die falsch aussehen – das weiß doch jeder Gossenzwerg.«
»Wir sind also in einer Sackgasse!« sagte Eben grimmig.
»Tretet zurück«, flüsterte Raistlin und lehnte vorsichtig seinen Stab an die Wand. Dann legte er beide Hände auf die Tür, berührte sie aber nur mit seinen Fingerspitzen und befahl: »Khetsaram pakliol!« Orangefarbenes Licht blitzte auf, aber nicht von der Tür, sondern von der Wand!
»Los!« Raistlin konnte gerade noch seinen Bruder zurückziehen, als sich die Wand mit der Bronzetür zu drehen begann.
»Schnell, bevor sie sich wieder schließt«, sagte Tanis, und alle eilten durch die Öffnung. Raistlin taumelte, und Caramon griff nach seinem Bruder.
»Alles in Ordnung?« fragte Caramon, als sich hinter ihnen die Wand wieder schloß.
»Ja, die Schwäche wird vorübergehen«, flüsterte Raistlin. »Das war der erste Zauberspruch aus Fistandantilus’ Buch. Der Öffnungszauber funktioniert, aber ich hätte nicht gedacht, daß es mich so erschöpfen würde.«
Die Tür führte sie in einen weiteren, mehr als zwanzig Meter langen Flur, der nach Westen verlief, eine scharfe Biegung nach Süden machte, dann nach Osten und schließlich wieder nach Süden, wo sie sich vor einer weiteren Bronzetür wiederfanden.
Raistlin schüttelte den Kopf. »Ich kann den Zauber nur einmal anwenden. Dann ist er aus meinem Gedächtnis verschwunden.«
»Eine Feuerkugel könnte die Tür öffnen«, schlug Fizban vor. »Ich glaube, ich erinnere mich jetzt an den Spruch…«
»Nein, Alter«, warf Tanis hastig ein. »In diesem engen Flur würden wir alle verbrennen. Tolpan…«
Der Kender ging zur Tür und drückte sie auf. »Verdammt, sie ist offen«, sagte er, enttäuscht, daß er kein Schloß knacken konnte. Er spähte hindurch. »Nur ein weiterer Raum.«
Vorsichtig traten sie ein. Raistlin leuchtete die Kammer mit seinem Stab aus. Der Raum war vollkommen rund und hatte einen Durchmesser von mehr als dreißig Metern. Direkt ihnen gegenüber in südlicher Richtung befand sich eine Bronzetür und mitten im Raum…
»Eine krumme Säule«, sagte Tolpan kichernd. »Sieh mal, Flint. Die Zwerge haben eine krumme Säule gebaut!«
»Sie werden ihre Gründe gehabt haben«, schnappte der Zwerg und schob den Kender beiseite, um die hohe schlanke Säule zu untersuchen. Sie war wirklich krumm.
»Hmmmm«, machte Flint verwirrt. Dann – »Das ist überhaupt keine Säule, du Dummkopf!« explodierte Flint. »Das ist eine große Kette! Seht, sie ist mit einem Eisenträger am Boden befestigt.«
»Dann sind wir im Kettenraum!« sagte Gilthanas aufgeregt. »Das ist der berühmte Verteidigungsmechanismus von Pax Tarkas. Wir müssen uns schon fast in der Festung befinden.«
Die Gefährten versammelten sich und starrten verwundert auf die monströse Kette. Jedes Kettenglied war genauso groß wie Caramon und so dick wie der Stamm einer Eiche.
»Und wie funktioniert der Mechanismus?« fragte Tolpan, der am liebsten die Kette hochgeklettert wäre. »Wohin führt sie?«
»Die Kette führt zum Mechanismus«, antwortete Gilthanas. »Der Zwerg kann dir bestimmt sagen, wie er funktioniert, denn von solchen Dingen verstehe ich wenig. Aber wenn die Kette aus ihrer Halterung gelöst wird« – er zeigte auf den Eisenträger am Boden – , »dann fallen hinter den Toren der Festung riesige Granitblöcke nieder. Und keine Macht auf Krynn kann sie öffnen.«
Er ließ den Kender allein, der nach oben blickte und vergeblich versuchte, den wunderlichen Mechanismus zu erkennen, und gesellte sich zu den anderen, die den Raum untersuchten.
»Seht her!« rief er schließlich und zeigte auf einen kaum erkennbaren Umriß in der nördlichen Steinwand. »Eine Geheimtür! Das muß der Zugang sein!«
»Da ist die Türklinke.« Tolpan wandte sich von der Kette ab und deutete auf ein abgebröckeltes Steinstück am Boden. »Die Zwerge haben einen Fehler gemacht«, sagte er und grinste Flint an. »Das ist eine Scheintür, die falsch aussieht.«
»Und der man folglich nicht trauen sollte«, fügte Flint hinzu.
»Pah, auch Zwerge haben mal einen schlechten Tag«, sagte Eben und beugte sich zu dem Öffnungsmechanismus.
»Öffne sie nicht!« sagte Raistlin plötzlich.
»Warum nicht?« fragte Sturm. »Möchtest du jemanden warnen, bevor wir den Weg in die Festung finden?«
»Wenn ich dich verraten wollte, Ritter, dann hätte ich das schon tausendmal machen können!« zischte Raistlin und starrte auf die Geheimtür. »Ich spüre hinter dieser Tür eine Macht, größer als ich je gefühlt habe, seit…« Er stockte schaudernd.
»Seit wann?« fragte sein Bruder leise.
»Den Türmen der Erzmagier!« wisperte Raistlin. »Ich warne euch, öffnet nicht diese Tür!«
»Sieh nach, wohin die Südtür führt«, wies Tanis den Zwerg an.
Flint stapfte zu der Bronzetür und schob sie auf. »Soweit ich sagen kann, führt sie zu einem weiteren Flur, genauso wie die anderen«, berichtete er niedergeschlagen.
»Der Weg ins Innere von Pax Tarkas führt durch eine Geheimtür«, wiederholte Gilthanas. Bevor ihn jemand aufhalten konnte, griff er nach unten und zog den Stein hervor. Die Tür erbebte und begann sich lautlos zu öffnen.
»Das wirst du bedauern!« Raistlin schluckte.
Die Tür glitt auf und gab den Blick frei in einen großen Raum, der mit gelben, ziegelsteinförmigen Gegenständen gefüllt war, über denen eine dicke Staubschicht lag.
»Eine Schatzkammer!« rief Eben. »Wir haben den Schatz von Kith-Kanan gefunden!«
»Alles Gold«, sagte Sturm kühl. »In diesen Tagen wertlos, da nur noch Eisen zählt…« Seine Stimme brach ab, seine Augen weiteten sich vor Entsetzen.
»Was ist das?« fragte Caramon und zog sein Schwert.
»Ich weiß nicht!« antwortete Sturm keuchend.
»Ich weiß es!« Raistlin atmete schwer, als das Ding vor seinen Augen Form annahm. »Es ist der Geist einer verruchten Elfe! Ich habe euch gewarnt!«
»Mach etwas!« sagte Eben, der zurückstolperte.
»Steckt eure Waffen weg, Dummköpfe!« befahl Raistlin. »Ihr könnt sie nicht bekämpfen! Ihre Berührung bedeutet Tod, und wenn sie jammert, sind wir verloren, solange wir uns in diesem Gemäuer befinden. Schon ihre klagende Stimme tötet. Lauft, lauft alle! Schnell! Durch die Südtür!«
Noch als sie zurückwichen, nahm die Dunkelheit in der Schatzkammer Form an, wuchs zu den eisigschönen, verzerrten Umrissen einer Frau zusammen – einer bösartigen Elfe aus vergangenen Zeiten, die für unsagbare Verbrechen hingerichtet worden war. Dann harten mächtige Elfenmagier ihren Geist gekettet und ihn gezwungen, den Schatz des Königs zu bewachen. Beim Anblick dieser Lebewesen streckte sie ihre Hände aus, nach der Wärme von Fleisch verlangend, und öffnete ihren Mund, um ihr Leid und ihren Haß auf alles Leben herauszuschreien.
Die Gefährten wandten sich um und flohen, stolperten in ihrer Eile übereinander. Caramon fiel über seinen Bruder und riß den Stab aus Raistlins Hand. Der Stab polterte zu Boden, sein Licht glühte noch, denn nur die Flammen eines Drachen konnten den magischen Kristall zerstören. Aber nun flackerte das Licht über den Boden und tauchte den restlichen Raum in Dunkelheit.
Als er seine Beute entkommen sah, flatterte der Geist in den Kettenraum, seine greifende Hand berührte Eben an der Wange. Der schrie bei der eiskalt brennenden Berührung auf und brach zusammen. Sturm fing ihn auf und zog ihn durch die Tür, während Raistlin seinen Stab ergriff und mit Caramon nach draußen sprang.
»Sind alle da?« fragte Tanis, der zögerte, die Tür zu schließen. Dann hörte er ein leises, klagendes Geräusch, so erschreckend, daß sein Herz einen Moment lang aussetzte. Furcht ergriff ihn. Er konnte nicht atmen. Das Wehleiden hörte auf. Der Geist holte Atem, um wieder zu jammern.
»Keine Zeit!« keuchte Raistlin. »Schließ die Tür, Bruder!«
Caramon warf sich gegen die Bronzetür. Sie schlug krachend zu.
»Das wird sie nicht aufhalten!« schrie Eben panisch.
»Nein«, erwiderte Raistlin leise. »Ihre Magie ist mächtig, mächtiger als meine. Ich kann einen Zauber auf die Tür werfen, aber es wird mich zu sehr schwächen. Ich schlage vor, ihr lauft, solange ihr könnt. Falls es nicht klappt, kann ich sie vielleicht aufhalten.«
»Flußwind, führ die anderen weiter«, befahl Tanis. »Sturm und ich bleiben hier bei Raistlin und Caramon.«
Die anderen krochen in den dunklen Korridor und sahen mit fasziniertem Entsetzen zurück. Raistlin ignorierte sie und überreichte seinem Bruder den Stab. Der Kristall hörte bei der fremden Berührung zu leuchten auf.
Der Magier legte beide Hände auf die Tür, preßte die Handflächen flach gegen sie. Er schloß seine Augen, versuchte, sich nur auf die Magie zu konzentrieren. »Kalisan budrunin…« Seine Konzentration wurde durch eine schreckliche Kälte gestört.
Die verruchte Elfe! Sie hatte seinen Zauber erkannt und versuchte, ihn zu brechen! Bilder von seiner Schlacht mit einer anderen bösartigen Elfe in den Türmen der Erzmagier erstanden vor seinen Augen. Er versuchte, die schlimme Erinnerung des Kampfes, der seinen Körper und beinahe seinen Geist zerstört hatte, auszulöschen, aber er verlor die Kontrolle. Er hatte die Zauberworte vergessen! Die Tür bebte. Die Elfe kam durch die Tür!
Dann, irgendwo im Innern des Magiers, entstand eine Stärke, die er schon zweimal zuvor erlebt hatte – in den Türmen und am Altar des schwarzen Drachen in Xak Tsaroth. Die vertraute Stimme, die er im Geist klar verstand, aber nicht identifizieren konnte, sprach zu ihm die Zauberworte. Raistlin schrie sie mit kräftiger, klarer Stimme, die nicht seine eigene war, heraus: »Kalisan, budrunin karaemarath!«
Von der anderen Seite der Tür erscholl ein Wimmern der Enttäuschung, des Scheiterns. Die Tür hielt stand. Der Magier brach zusammen.
Caramon reichte Eben den Stab, als er seinen Bruder aufhob und den anderen folgte, die sich im Dunkeln vorwärtstasteten. Eine weitere Geheimtür ließ sich mühelos von Flint öffnen. Sie führte zu einer Reihe kleiner Tunnel, die mit Schutt gefüllt waren. Zitternd vor Angst setzten die Gefährten erschöpft ihren Weg fort. Schließlich traten sie in einen riesigen, weiten Raum ein, der vom Boden bis zur Decke mit Holzkisten gefüllt war. Flußwind zündete eine Fackel an der Wand an. Die Kisten waren zugenagelt. Einige waren mit der Aufschrift SOLACE, andere mit TORWEG versehen.
»Wir sind da. Wir sind im Innern der Festung«, sagte Gilthanas triumphierend.
»Den wahren Göttern sei Dank!« seufzte Tanis und sank zu Boden, die anderen ließen sich neben ihn fallen. Da bemerkten sie, daß Fizban und Tolpan fehlten.