15.

Eddie Bates war ein dürrer Mann mit überkurzen Beinen. Sein Gesicht war entstellt und geradezu häßlich, und es fiel ihm schwer, sich an etwas Schönes aus der Jugend zu erinnern. Er hatte zwar versucht, durch tägliches Gewichtheben seinem Körper die Gestalt eines Übermenschen zu geben, aber er erreichte nie den freien, selbstbewußten Stand seiner Mitmenschen. Als er neunzehn war, verbrachte er einige Monate in einer Erziehungsanstalt. Man hatte ihn verurteilt, weil er einen hübschen, gutaussehenden Jungen aus der Nachbarschaft überfallen und verprügelt hatte.

Als er zwanzig wurde, fand er eine Stellung in einer Garage. Die meisten Kunden mochten ihn nicht leiden, da er ständig mürrisch und mißgelaunt seine Arbeit verrichtete. Und eigentlich war es nur ein einziger, der ihm jedesmal ein freundliches Wort sagte, wenn er mit seinem schweren Wagen in die Garage kam. Über diese Freundlichkeit hinaus fand Eddie, daß es sich lohnte, mit diesem Mann befreundet zu sein. Eddie überbrachte hier und da Nachrichten für ihn und wurde dafür nicht schlecht bezahlt. Daß er wahrscheinlich ein Verbrecher war, wenn er so hoch bezahlte und sich einen Boten hielt, störte Eddie nicht, denn er war schließlich sein einziger Freund auf der Welt. Als sein Auftraggeber ihm eines Tages ein Angebot machte, nahm Eddie an.

Jetzt hatte er es nicht mehr nötig, Botengänge zu machen. Er wurde Angestellter einer Luftverkehrsgesellschaft, und erhielt jeden Monat wie ein respektabler Bürger sein Gehalt. Daneben wurde ihm regelmäßig auf Umwegen ein weiterer Umschlag mit Geld zugespielt. Eddie wußte inzwischen, für wen sein Freund und Geldgeber arbeitete, aber er kümmerte sich nicht darum, denn man verlangte auf der anderen Seite nichts als Gegenleistung für das willkommene zweite Gehalt. Wenn irgend möglich, ging er Überlegungen dieser Art aus dem Wege.

Es vergingen einige Jahre. Eddie arbeitete immer noch für die Luftverkehrsgesellschaft, und er hatte entdeckt, daß er ein Talent für Maschinen hatte. Er liebte sie geradezu, und es gab selten eine Reparatur, die er nicht ausführen konnte. Die Menschen, die ihn einmal an einer Maschine hatten arbeiten sehen, übersahen seine häßliche Gestalt und sein fratzenhaftes Gesicht. Und zu allem Glück der Welt fand er auch noch eine Freundin.

Alice arbeitete in der kleinen Snackbar, in der Eddie jeden Mittag aß. Sie war fleißig und hatte die Überzeugung, daß nur ein Mann mit einem guten Beruf und nicht besonderem Aussehen für sie der richtige war. Sie mißtraute gutaussehenden Männern aus Prinzip. Es war für sie und Eddie eine abgemachte Sache, daß sie heiraten würden, sobald sie genügend Geld gespart hatten, um sich in der Nähe des Flughafens ein Häuschen zu kaufen.

Aber inzwischen hatte man Eddie wieder eingesetzt Sein Freund hatte ihm den Befehl selbst überbracht, und nun lag Eddie auf der einen großen Tragfläche eines Transatlantikflugzeuges und hielt dieses komische Ding in der Hand. Am oberen Rand sah er eine Zeiteinstellung, die sein Freund schon vor ein paar Stunden eingestellt hatte. Er sollte den ganzen Mechanismus — Eddie wußte sehr wohl, daß es sich um eine Zeitbombe handelte — in den inneren Motor schmuggeln. Er wußte nicht, daß dadurch das Flugzeug nur aufs Wasser gezwungen werden sollte, und so nahm er an, daß diese Bombe die ganze Tragfläche abzusprengen hatte.

Eine Zeitlang war er unentschlossen, ob er es tun sollte. Er hatte nie geglaubt, daß man so etwas von ihm verlangen würde, ja, er hatte noch nicht einmal geglaubt, daß man überhaupt etwas für das Geld fordern würde. Jetzt mußte er sieh entscheiden. Das zusätzliche Geld würde aufhören, wenn er es nicht tat; aber er konnte doch nicht so einfach … Er hatte selbst noch an diesem Nachmittag die Motore überholt; er war sehr stolz gewesen auf seine Arbeit und hatte liebevoll über die Motorhaube gestreichelt. Aber auf der anderen Seite brauchte er das Geld; umso eher würde er Alice heiraten können.

Es mußte etwas geschehen.

Eddie sah auf die dunkle Öffnung in der Motorhaube. Er holte einmal ganz tief Atem und ließ die Bombe in den Schacht gleiten. Schnell schloß er die Öffnung und schlich sich aus der Flugzeughalle.

Als er draußen war, erinnerte er sich, daß er seine Hilflosigkeit an dem kleinen Zeitring der Bombe ausgelassen hatte. Er hatte ihn verstellt, nur um etwas zu tun, und es hatte mehrere. Minuten gedauert, bis er sich dieser Reflexhandlung bewußt wurde. Schließlich war es ja auch nicht so wichtig, an welcher Stelle das Flugzeug ins Wasser fiel, entschuldigte er sich.

Um wieviel er jedoch den Zeitzünder verstellt hatte, wußte niemand, am allerwenigsten Eddie Bates.

Загрузка...