Der große automatische Grammatisator

«Ach, da sind Sie ja, Knipe, mein Junge. Jetzt, wo wir’s geschafft haben, wollte ich Ihnen doch sagen, wie sehr ich mit Ihrer Arbeit zufrieden bin.» Adolph Knipe stand vor Mr. Bohlens Schreibtisch. Nach seiner unbewegten Miene zu urteilen, war er keineswegs begeistert.

«Freuen Sie sich denn nicht?»

«O doch, Mr. Bohlen.»

«Wissen Sie schon, was die Morgenzeitungen darüber geschrieben haben?»

«Nein, Sir.»

Der Mann hinter dem Schreibtisch nahm eine zusammengefaltete Zeitung zur Hand und las vor: «‹Der Bau des großen Elektronengehirns, das die Regierung vor einiger Zeit in Auftrag gab, wurde soeben abgeschlossen. Diese elektronische Rechenmaschine ist vermutlich die schnellste der Welt. Sie erledigt in kürzester Zeit komplizierte mathematische Berechnungen, die von Naturwissenschaft, Industrie und Verwaltung in immer stärkerem Maße benötigt werden und deren Durchführung mit Hilfe der traditionellen Methoden physisch unmöglich wäre oder mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als die Probleme rechtfertigen. Eine Vorstellung von der Geschwindigkeit, mit der die neue Maschine arbeitet – so sagte uns Mr. John Bohlen, der Chef der Electrical Engineering Inc., der die Konstruktion vor allem zu danken ist –, mag die Tatsache vermitteln, dass sie in fünf Sekunden die richtige Antwort auf eine Frage gibt, mit der sich ein Mathematiker einen Monat lang beschäftigen müsste. In drei Minuten liefert sie eine Berechnung, die schriftlich ausgeführt (wenn das möglich wäre) eine halbe Million Seiten im Folioformat füllen würde. Elektrische Stromstöße – eine Million je Sekunde – befähigen das Elektronengehirn, sämtliche Aufgaben zu lösen, bei denen Additionen, Subtraktionen, Multiplikationen und Divisionen erforderlich sind. Der praktischen Anwendung sind keine Grenzen gesetzt …›»

Mr. Bohlen sah auf und blickte in das längliche, melancholische Gesicht des jüngeren Mannes. «Sind Sie nicht stolz, Knipe? Sind Sie nicht glücklich?»

«O doch, Mr. Bohlen.»

«Ich brauche Sie wohl nicht daran erinnern, dass Ihre Mitarbeit, besonders an den ursprünglichen Plänen, von entscheidender Bedeutung war. Ja, ich bin sogar der Meinung, dass ohne Sie und einige Ihrer Ideen dieses Projekt heute noch auf dem Reißbrett stünde.»

Adolph Knipe scharrte mit den Füßen auf dem Teppich und betrachtete die kleinen weißen Hände seines Chefs, die nervösen Finger, die mit einer Büroklammer spielten, sie aufbrachen und die Windungen geradebogen. Er mochte die Hände des Mannes nicht. Und ebenso wenig mochte er seinen winzigen Mund mit den schmalen purpurroten Lippen. Wenn Mr. Bohlen sprach, bewegte sich nur die Unterlippe, und das sah scheußlich aus.

«Bedrückt Sie irgendetwas, Knipe? Haben Sie Sorgen?»

«O nein, Mr. Bohlen. Nein.»

«Wie wär’s mit einer Woche Urlaub? Würde Ihnen gut tun. Sie haben sich’s redlich verdient.»

«Ach, ich weiß nicht, Sir …»

Der ältere Mann wartete, den Blick auf die lange, hagere Gestalt gerichtet, die so lasch vor ihm stand. Ein schwieriger Bursche, dieser Knipe. Warum konnte er sich nicht gerade halten? Immer ließ er die Schultern hängen. Und schlampig war er, mit Flecken auf der Jacke und ungekämmtem Haar.

«Ich möchte, dass Sie Urlaub nehmen, Knipe. Sie haben ihn nötig.»

«Schön, Sir. Wenn Sie es wünschen.»

«Nehmen Sie eine Woche. Zwei Wochen, wenn Sie Lust haben. Fahren Sie irgendwohin, wo es warm ist. Legen Sie sich in die Sonne. Schwimmen Sie. Spannen Sie mal so richtig aus. Schlafen Sie, so viel Sie nur können. Wenn Sie dann zurückkommen, unterhalten wir uns über Ihre Zukunft.»

Adolph Knipe fuhr mit dem Bus nach Hause. In seiner Zweizimmerwohnung warf er den Mantel auf das Sofa, goss sich einen Whisky ein und setzte sich vor die Schreibmaschine, die auf dem Tisch stand. Mr. Bohlen hatte recht. Natürlich hatte er recht. Nur dass er keine Ahnung hatte, was wirklich los war. Vermutlich dachte er, dass eine Frau im Spiel sei. Wenn ein junger Mann bedrückt ist, denkt jeder, es sei wegen einer Frau.

Er beugte sich vor, um das halb beschriebene Blatt durchzulesen, das in der Maschine steckte. Die Überschrift lautete: «Mit knapper Not entkommen», und der Text fing an: «Die Nacht war dunkel und stürmisch, der Wind pfiff durch die Bäume, es regnete in Strömen …»

Adolph Knipe trank einen Schluck Whisky, kostete den malzig-bitteren Geschmack aus, fühlte, wie ihm die kalte Flüssigkeit die Kehle hinunterrann und sich im oberen Teil des Magens sammelte, bevor sie sich ausbreitete und eine kleine warme Zone in seinem Innern erzeugte. Ach, zum Teufel mit Mr. John Bohlen. Zum Teufel mit dem großartigen Elektronengehirn. Zum Teufel mit …

Seine Augen und sein Mund öffneten sich langsam, wie in höchster Verwunderung. Langsam hob er den Kopf, und so blieb er vierzig, fünfzig, sechzig Sekunden regungslos sitzen, während er mit einem geradezu ungläubig erstaunten, dabei aber ganz festen, gleichsam gesammelten Blick auf die gegenüberliegende Wand starrte. Dann (ohne dass er den Kopf bewegt hätte) veränderte sich allmählich der Ausdruck seines Gesichts, kaum merklich zunächst, nur an den Mundwinkeln sichtbar, bald jedoch immer ausgeprägter, immer umfassender, bis schließlich das ganze Gesicht von äußerstem Entzücken überstrahlt war. Das Staunen hatte der Freude Platz gemacht. Es war das erste Mal seit vielen, vielen Monaten, dass Adolph Knipe lächelte.

«Natürlich ist es völlig idiotisch», sagte er laut. Wieder lächelte er und entblößte dabei auf eine seltsam sinnliche Weise die Zähne.

«Eine wunderbare Idee, aber so undurchführbar, dass es sich wirklich nicht lohnt, darüber nachzudenken.»

Von nun an dachte Adolph Knipe über nichts anderes mehr nach. Die Idee faszinierte ihn ungemein, anfangs nur deswegen, weil er sich ausmalte, wie schön es wäre, mit ihrer Hilfe an seinen schlimmsten Feinden teuflische Rache zu nehmen. Unter diesem Gesichtspunkt spielte er vielleicht zehn oder fünfzehn Minuten mit ihr; dann ertappte er sich plötzlich dabei, dass er sie allen Ernstes als praktische Möglichkeit in Betracht zog. Er machte sich ein paar vorbereitende Notizen auf einem Blatt Papier. Aber er kam nicht weit. Er fand sich fast sofort mit der altbekannten Tatsache konfrontiert, dass eine Maschine, so hochentwickelt sie auch sein mag, nicht selbständig denken kann. Sie kann nur Aufgaben lösen, die sich in mathematischen Begriffen ausdrücken lassen – Aufgaben, deren Lösung ein für allemal feststeht.

Das war eine harte Nuss. Er kam nicht darum herum: Eine Maschine hat keinen Verstand. Aber es gibt Maschinen, die ein Gedächtnis haben, nicht wahr? Das Elektronengehirn der Electrical Engineering Inc. zum Beispiel hatte ein phantastisches Gedächtnis. Es konnte, einfach indem es elektrische Impulse durch eine Quecksilbersäule in hochfrequente Wellen verwandelte, mindestens tausend Zahlen auf einmal speichern und jede von ihnen genau in dem Augenblick abrufen, in dem sie gebraucht wurde. Sollte es also nicht möglich sein, nach diesem Prinzip ein Wort-Speicherwerk von nahezu unbegrenztem Fassungsvermögen zu bauen?

Wie stand es damit?

Plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf, eine simple, aber überwältigende Wahrheit: Die englische Grammatik ist Regeln unterworfen, die in ihrer Strenge fast mathematisch sind! Wenn die Wörter feststehen, wenn der Sinn dessen, was gesagt werden soll, feststeht, gibt es nur eine mögliche Reihenfolge, in der diese Wörter angeordnet werden können.

Nein, dachte er, das stimmt nicht ganz. Sehr oft gibt es für die Stellung von Wörtern und Satzteilen mehrere Möglichkeiten, die alle grammatisch korrekt sind. Na wennschon! An der Theorie selbst ist nicht zu rütteln. Folglich muss sich eine Maschine, die nach dem Prinzip des Elektronengehirns gebaut ist, so einrichten lassen, dass sie Wörter (statt Zahlen) den grammatischen Regeln entsprechend anordnet. Füttere sie mit Verben, Substantiven, Adjektiven, Pronomen, sodass sich im Speicherwerk ein Wortschatz bildet, und sorge dafür, dass diese Wörter je nach Bedarf abgerufen werden können. Gib ihr dann noch ein Handlungsgerüst und überlass es ihr, die Sätze zu schreiben.

Knipe war jetzt nicht mehr zu halten. Er machte sich unverzüglich ans Werk, und die nächsten Tage waren mit intensiver Arbeit ausgefüllt. Überall im Wohnzimmer lagen Papiere verstreut: Formeln und Berechnungen; Listen mit Wörtern, Tausenden und aber Tausenden von Wörtern; Handlungsgerüste von Kurzgeschichten, auf eigenartige Weise in Fragmente zerlegt; lange Auszüge aus Rogets Thesaurus; Seiten und Seiten mit männlichen und weiblichen Vornamen; Abschriften von Familiennamen aus dem Telefonbuch; komplizierte Zeichnungen von Leitungsdrähten, Stromkreisen, Schaltern und Kathodenröhren, von Maschinen, die unterschiedlich geformte Löcher in kleine Karten stanzen konnten, von einer elektrischen Schreibmaschine, deren Leistung sich auf zehntausend Wörter in der Minute belief, und von einer Art Schaltbrett mit kleinen Tasten, unter denen die Namen bekannter amerikanischer Magazine standen.

Er arbeitete in Hochstimmung, ging inmitten dieses Wirrwarrs von Papieren auf und ab, rieb sich die Hände und führte laute Selbstgespräche. Manchmal rümpfte er angewidert die Nase und stieß wilde Verwünschungen aus, in denen unweigerlich das Wort ‹Redakteur› vorkam. Nach fünfzehn Tagen rastloser Arbeit packte er sämtliche Papiere in zwei große Mappen, mit denen er sich – beinahe im Laufschritt – in das Büro von John Bohlen, Electrical Engineering Inc., begab.

Mr. Bohlen freute sich sehr, ihn wiederzusehen.

«Hallo, Knipe. Na, Sie sehen ja hundert Prozent besser aus. War’s schön im Urlaub? Wo sind Sie denn gewesen?»

Unverändert hässlich und schlampig, dachte Mr. Bohlen. Warum steht er nicht gerade? Immer dieser krumme Rücken … «Wirklich, Sie sehen hundert Prozent besser aus, mein Junge.» Möchte bloß wissen, warum er so grinst. Und seine Ohren scheinen von Mal zu Mal größer zu werden.

Adolph Knipe legte die Mappen auf den Schreibtisch.

«Hier, Mr. Bohlen!», rief er. «Sehen Sie sich das an!»

Und nun ging es los. Er öffnete die Mappen, breitete die Pläne vor dem erstaunten kleinen Mann aus, berichtete, erzählte, erklärte, bis er endlich, nach einer guten Stunde, fertig war. Atemlos, mit gerötetem Gesicht trat er einen Schritt zurück und wartete auf das Urteil.

«Wissen Sie was, Knipe? Ich glaube, Sie haben nicht alle Tassen im Schrank.» Sei vorsichtig jetzt, ermahnte sich Mr. Bohlen. Fass ihn behutsam an. Der Bursche ist wertvoll für uns. Wenn er nur nicht so grässlich aussähe mit diesem Pferdegesicht und den großen Zähnen. Und Ohren hat er – wie Rhabarberblätter.

«Aber Mr. Bohlen! Es geht! Ich hab’s Ihnen doch bewiesen! Das können Sie nicht abstreiten!»

«Immer mit der Ruhe, Knipe. Immer mit der Ruhe. Hören Sie mir erst mal zu.»

Adolph Knipe sah seinen Chef an und verabscheute ihn mit jeder Sekunde mehr.

«Diese Idee», sagte Mr. Bohlens Unterlippe, «ist sehr gescheit – ich möchte beinahe sagen genial –, und sie bestätigt nur meine hohe Meinung von Ihren Fähigkeiten, Knipe. Aber Sie dürfen das alles nicht zu ernst nehmen, mein Junge. Was kann uns Ihre Erfindung schon nützen? Wer in aller Welt braucht eine Maschine, die Kurzgeschichten schreibt? Und wo steckt da Geld drin? Können Sie mir das sagen?»

«Darf ich mich setzen, Sir?»

«Natürlich, nehmen Sie Platz.»

Adolph Knipe hockte sich auf die Kante eines Stuhls. Der Ältere beobachtete ihn mit wachsamen braunen Augen und harrte der Dinge, die da kommen sollten.

«Wenn Sie gestatten, Mr. Bohlen, möchte ich Ihnen erklären, wie ich auf die ganze Geschichte verfallen bin.»

«Schießen Sie los, Knipe.» Man muss ein bisschen auf ihn eingehen, dachte Mr. Bohlen. Der Junge ist ja für uns sein Gewicht in Gold wert. Ein unersetzlicher Mitarbeiter, geradezu ein Genie. Wenn ich mir nur diese Papiere hier ansehe … Das verschlägt einem doch glatt die Sprache. Eine erstaunliche Arbeit. Natürlich völlig sinnlos. Ohne geschäftlichen Wert. Aber sie beweist wieder einmal, wie begabt der Bursche ist.

«Ich … ich muss Ihnen etwas gestehen, Mr. Bohlen. Dann werden Sie vielleicht begreifen, warum ich immer so … na, eben so deprimiert bin.»

«Sagen Sie mir alles, was Sie bedrückt, Knipe. Ich bin dazu da, Ihnen zu helfen – das wissen Sie doch.»

Der junge Mann krampfte die Hände ineinander und presste die Ellbogen gegen die Rippen. Ihm schien plötzlich sehr kalt zu sein.

«Sehen Sie, Mr. Bohlen, die Sache ist so, dass mir eigentlich nicht viel an meiner Arbeit hier liegt. Ich weiß, dass ich sie gut mache, aber offen gestanden, mit dem Herzen bin ich nicht dabei. Es ist nicht das, wovon ich immer geträumt habe.»

Mr. Bohlens Augenbrauen schnellten hoch wie eine Sprungfeder. Sein Körper erstarrte.

«Sehen Sie, Sir, ich wäre so schrecklich gern Schriftsteller geworden.»

«Schriftsteller?»

«Ja, Mr. Bohlen. Ob Sie es glauben oder nicht, ich verwende jedes bisschen Freizeit darauf, Geschichten zu schreiben. In den letzten zehn Jahren habe ich Hunderte, buchstäblich Hunderte von Kurzgeschichten geschrieben. Fünfhundertsechsundsechzig, um genau zu sein. Etwa eine pro Woche.»

«Um Himmels willen, Mann! Wozu denn das?»

«Ich weiß nur, Sir, dass ich den Drang dazu habe.»

«Was für einen Drang?»

«Den schöpferischen Drang, Mr. Bohlen.» Jedes Mal, wenn er aufblickte, sah er Mr. Bohlens Lippen. Sie wurden immer dünner, immer röter.

«Und darf ich fragen, was Sie mit diesen Geschichten machen, Knipe?»

«Ach, Sir, das ist es ja gerade. Niemand will sie kaufen. Wenn ich eine fertig habe, schicke ich sie reihum, von einem Magazin zum anderen. Das ist alles, was geschieht, Mr. Bohlen. Wie ein Bumerang kommen sie zu mir zurück. Es ist sehr deprimierend.»

Mr. Bohlens Züge entspannten sich. «Ich weiß genau, wie Ihnen zumute ist, mein Junge.» Seine Stimme triefte vor Mitgefühl. «Irgendwann im Leben macht jeder von uns so etwas durch. Aber jetzt, wo Sie den Beweis haben … den positiven Beweis … von den Fachleuten selbst, von den Redakteuren, dass Ihre Geschichten – wie soll ich sagen – nicht viel taugen, jetzt sollten Sie das Schreiben endgültig aufgeben. Vergessen Sie es, mein Junge. Denken Sie einfach nicht mehr daran.»

«Nein, Mr. Bohlen! Nein! Das ist nicht wahr! Ich weiß, dass meine Geschichten gut sind. Mein Gott, wenn ich sie mit dem Zeug vergleiche, das in manchen Magazinen erscheint – also wirklich, Mr. Bohlen …! Dieser blödsinnige Kitsch, den man Woche für Woche in den Magazinen liest – ach, es ist zum Verrücktwerden!»

«Hören Sie mal, mein Junge …»

«Lesen Sie Magazine, Mr. Bohlen?»

«Entschuldigen Sie, Knipe, aber was hat das mit Ihrer Maschine zu tun?»

«Alles, Mr. Bohlen, einfach alles! Sehen Sie, die Sache ist so: Nach gründlichem Studium der Magazine habe ich den Eindruck gewonnen, dass jedes Blatt einen besonderen Typ von Kurzgeschichten pflegt. Die Schriftsteller – die erfolgreichen – wissen das und passen sich jeweils den Wünschen der Redaktion an.»

«Moment, mein Junge, Moment. Beruhigen Sie sich ja? Ich glaube nicht, dass uns das alles weiterbringt.»

«Bitte, Mr. Bohlen, hören Sie mich doch an. Es ist wirklich ungeheuer wichtig.» Knipe hielt kurz inne, um Luft zu schöpfen. Er war jetzt so richtig in Fahrt und fuchtelte beim Sprechen mit den Händen herum. Das längliche Gesicht mit den großen Zähnen und den abstehenden Ohren glänzte vor Erregung, und bei jedem Wort sprühten Speicheltröpfchen aus seinem Mund. «Verstehen Sie doch, Mr. Bohlen, wenn ich auf meiner Maschine einen verstellbaren Koordinator zwischen das ‹Fabel-Speicherwerk› und das ‹Wort-Speicherwerk› schalte, kann ich jede Art von Geschichten produzieren. Ich brauche nur auf die betreffende Taste zu drücken.»

«Ja, ich weiß, Knipe, ich weiß. Das ist alles sehr interessant, aber worauf wollen Sie eigentlich hinaus?»

«Ganz einfach, Mr. Bohlen. Der Markt ist begrenzt. Wir müssen in der Lage sein, das richtige Material zur richtigen Zeit zu liefern. Immer genau das, was gerade gebraucht wird. Es ist eine kommerzielle Frage, weiter nichts. Ich betrachte es jetzt von Ihrem Standpunkt aus – vom Standpunkt der Rentabilität.»

«Mein lieber Junge, von Rentabilität kann hier doch gar nicht die Rede sein. Überhaupt nicht. Sie wissen ebenso gut wie ich, was es kostet, eine solche Maschine zu bauen.»

«Ja, Sir, das weiß ich. Aber mit allem Respekt gesagt, ich glaube nicht, dass Sie wissen, was die Magazine den Autoren für ihre Geschichten zahlen.»

«Was zahlen sie denn?»

«Jede Summe bis zu zweitausendfünfhundert Dollar. Der Durchschnitt liegt wahrscheinlich bei tausend.»

Mr. Bohlen fuhr hoch.

«Ja, Sir, es ist wahr.»

«Völlig unmöglich, Knipe! Lächerlich!»

«Nein, Sir, es ist wahr.»

«Sie sitzen hier und wollen mir erzählen, dass diese Magazine derartig viel Geld für … für irgend so eine hingeschmierte Geschichte bezahlen! Du meine Güte, Knipe! Dann müssten ja alle Schriftsteller Millionäre sein!»

«Stimmt genau, Mr. Bohlen! Und damit kommen wir wieder auf die Maschine. Hören Sie nur noch eine Minute zu, Sir. Ich habe mir das mal ausgerechnet. Die großen Magazine bringen durchschnittlich drei Kurzgeschichten in jeder Ausgabe. Nun nehmen Sie die fünfzehn bedeutendsten Magazine – diejenigen, die am besten zahlen. Ein paar von ihnen erscheinen monatlich, aber die meisten kommen jede Woche heraus. Gut. Das macht, sagen wir, vierzig Geschichten, die jede Woche gekauft werden. Vierzigtausend Dollar also. Wenn wir unsere Maschine richtig arbeiten lassen, können wir praktisch den gesamten Bedarf decken!»

«Mein lieber Junge, Sie sind verrückt!»

«Nein, Sir, ehrlich, es ist so, wie ich sage. Verstehen Sie doch, wir werden die Schriftsteller allein vom Umfang her völlig an die Wand drücken! Die Maschine kann eine Geschichte von fünftausend Wörtern, fertig getippt und versandbereit, in dreißig Sekunden liefern. Wie können die Schriftsteller damit konkurrieren? Ich frage Sie, Mr. Bohlen, wie

Hier bemerkte Adolph Knipe eine leichte Veränderung im Gesichtsausdruck seines Chefs: Die Augen begannen zu glänzen, die Nasenflügel blähten sich, die Züge wurden unbewegt, fast starr. Hastig sprach er weiter: «Heutzutage, Mr. Bohlen, haben handgearbeitete Waren keine Chance mehr. Sie kommen einfach nicht gegen die Massenproduktion an, besonders in unserem Land nicht. Teppiche … Stühle … Schuhe … Ziegelsteine … Keramik … was Sie wollen – alles wird jetzt maschinell hergestellt. Die Qualität mag schlechter sein, aber das spielt keine Rolle. Was zählt, sind die Produktionskosten. Und Kurzgeschichten – nun, sie sind eben auch ein Produkt, genau wie Teppiche oder Stühle, und niemand schert sich um die Herstellungsmethode, solange die Ware pünktlich und preiswert geliefert wird. Wir werden sie en gros verkaufen, Mr. Bohlen! Wir werden jeden Autor im Lande unterbieten! Wir werden den Markt an uns reißen!»

Mr. Bohlen richtete sich in seinem Sessel auf. Dann beugte er sich vor, stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch und blickte den jungen Mann aufmerksam mit seinen kleinen braunen Augen an.

«Ich glaube trotzdem, dass Ihre Idee undurchführbar ist, Knipe.»

«Vierzigtausend die Woche!», rief Adolph Knipe. «Und wenn wir den Preis herabsetzen, sagen wir um die Hälfte – also zwanzigtausend die Woche –, dann macht das immer noch eine Million im Jahr!» Und er fügte mit sanfter Stimme hinzu: «Für den Bau der elektronischen Rechenmaschine haben Sie keine Million im Jahr bekommen, nicht wahr, Mr. Bohlen?»

«Also jetzt mal im Ernst, Knipe. Meinen Sie wirklich, dass man uns das Zeug abkauft?»

«Ich bitte Sie, Mr. Bohlen, wer in aller Welt verlangt denn handgearbeitete Kurzgeschichten, wenn er die anderen für den halben Preis kriegen kann? Das leuchtet doch ein, nicht wahr?»

«Und wie wollen Sie sie verkaufen? Wen wollen Sie als Verfasser nennen?»

«Wir gründen eine eigene literarische Agentur, die den Vertrieb übernimmt. Und die Namen der Verfasser – nun, die denken wir uns einfach aus.»

«Die Sache gefällt mir nicht recht, Knipe. Schmeckt irgendwie nach Betrug, finden Sie nicht?»

«Und noch etwas, Mr. Bohlen. Wenn wir erst einmal in Schwung sind, könnte noch so mancher Nebenverdienst abfallen. Nehmen Sie zum Beispiel die Werbung. Bierbrauer und solche Leute sind heutzutage gern bereit, gutes Geld zu zahlen, wenn sie berühmte Schriftsteller als Verbraucher ihrer Produkte bezeichnen dürfen. Mein Gott, Mr. Bohlen! Das ist kein Pappenstiel, das ist ein dickes Geschäft!»

«Werden Sie nur nicht größenwahnsinnig, mein Junge.»

«Und noch etwas. Nichts spricht dagegen, Mr. Bohlen, dass wir Ihren Namen unter einige der besseren Geschichten setzen, wenn Sie das wünschen.»

«Du meine Güte, Knipe, was hätte ich denn davon?»

«Ich weiß nicht, Sir, nur … einige Schriftsteller sind doch sehr berühmt geworden – Mr. Erle Gardner und Kathleen Norris zum Beispiel. Wir brauchen Namen, und ich habe sogar schon daran gedacht, meinen eigenen für ein paar Geschichten zur Verfügung zu stellen. Nur um auszuhelfen.»

«Ein Schriftsteller, hm?», sagte Mr. Bohlen nachdenklich. «Na ja, im Club würden sie schön überrascht sein, wenn sie meinen Namen in den Magazinen sähen – in den guten Magazinen.»

«Allerdings, Sir.»

Ein verträumter, abwesender Blick kam in Mr. Bohlens Augen, und er lächelte. Gleich darauf aber riss er sich zusammen und fing an, in den Entwürfen zu blättern, die vor ihm lagen.

«Eines verstehe ich noch nicht ganz, Knipe. Woher kommen die Handlungen? Die Maschine kann doch keine Handlungen erfinden.»

«Die speichern wir, Sir. Das ist überhaupt kein Problem. Handlungen gibt’s wie Sand am Meer. Drei- oder vierhundert finden Sie dort in der Mappe zu Ihrer Linken. Wir geben sie einfach in das ‹Fabel-Speicherwerk› der Maschine.»

«Sehr interessant.»

«Ich habe auch für allerlei kleine Raffinessen gesorgt, Mr. Bohlen. Sie werden das sehen, wenn Sie die Pläne sorgfältig studieren. So wenden zum Beispiel fast alle Schriftsteller den Trick an, dass sie in jeder ihrer Geschichten irgendein langes, unverständliches Fremdwort gebrauchen. Weil der Leser dann denkt, der Autor sei sehr klug und gebildet. Ich lasse also die Maschine das Gleiche tun. Wir werden einen Vorrat solcher Wörter eigens zu diesem Zweck speichern.»

«Wo?»

«Im ‹Wort-Speicherwerk›», sagte Knipe epexegetisch.

Fast den ganzen Tag sprachen die beiden Männer über die Möglichkeiten der neuen Maschine. Schließlich erklärte Mr. Bohlen, er müsse noch einmal darüber nachdenken. Am nächsten Morgen zeigte er sich recht angetan von der Idee. Nach einer Woche war er völlig von ihr besessen.

«Natürlich halten wir die Sache geheim, Knipe. Wir werden sagen, dass wir eine zweite Rechenmaschine bauen, einen neuen Typ.»

«Jawohl, Mr. Bohlen.»

Sechs Monate später war die Maschine fertig. Sie wurde in einem Backsteingebäude am äußersten Ende des Fabrikgeländes aufgestellt, und als sie einsatzbereit war, durfte außer Mr. Bohlen und Adolph Knipe niemand in ihre Nähe.

Es war ein erregender Augenblick, als die beiden Männer – der eine klein, dick und kurzbeinig, der andere groß, dünn und langzahnig – vor dem Schaltbrett standen und sich anschickten, die erste Kurzgeschichte herunterzuschreiben. Sie waren von Wänden umgeben, zwischen denen schmale Gänge verliefen, und die Wände waren bedeckt mit Drähten, Steckdosen, Schaltern und riesigen Glasröhren. Knipe war ziemlich nervös, und Mr. Bohlen trat von einem Fuß auf den anderen, weil er einfach nicht stillstehen konnte.

«Welchen Knopf?», fragte Adolph Knipe, den Blick auf eine Reihe kleiner weißer Scheiben gerichtet, die an die Tasten einer Schreibmaschine erinnerten. «Suchen Sie sich eine Zeitschrift aus, Mr. Bohlen. Es ist alles da, Saturday Evening Post, Collier’s, Ladies’ Home Journal – was Sie wollen.»

«Mein Gott, Junge, woher soll ich das wissen?» Er hüpfte hin und her, als hätte er Hautjucken.

«Mr. Bohlen», sagte Adolph Knipe feierlich, «ist Ihnen klar, dass Sie es in diesem Augenblick in der Hand haben, der vielseitigste Schriftsteller des Kontinents zu werden? Sie brauchen nur …»

«Bitte, Knipe, fangen Sie jetzt an und lassen Sie diese Vorreden, ja?»

«Okay, Mr. Bohlen. Dann nehmen wir – warten Sie mal – diesen hier. Einverstanden?» Er streckte den Finger aus und drückte auf einen Knopf, unter dem in winzigen schwarzen Buchstaben TODAY’S WOMAN stand. Es gab einen scharfen Klick, und als Knipe den Finger fortnahm, sprang der Knopf nicht wieder heraus.

«So, unsere Wahl ist getroffen», sagte er. «Und jetzt geht’s los!» Er langte hoch und betätigte einen Schalter am Brett. Sofort war der Raum von einem lauten summenden Geräusch erfüllt, elektrische Funken knisterten, viele kleine, schnell arbeitende Hebel rasselten, und schon glitten aus einem Schlitz rechts vom Schaltbrett Papierblätter im Quartformat. In rascher Folge, jede Sekunde ein Blatt, fielen sie in einen bereitstehenden Korb, und nach einer halben Minute war alles vorbei. Es kamen keine Blätter mehr.

«Das wär’s!», rief Adolph Knipe. «Hier ist Ihre Kurzgeschichte!»

Sie griffen nach dem ersten Blatt und lasen: «Aifkjmbsaoegwcztpplnvoqudskigt&, fuhpekanvbertyuiolkjhgfdsazxcvbnm, peruitrehdjkgmvnb, wmsuy …» In dieser Art ging es bis zur letzten Seite weiter.

Mr. Bohlen stieß laute Flüche aus. Adolph Knipe aber sagte beruhigend: «Es ist in Ordnung, Sir. Wirklich. Sie muss nur etwas nachgestellt werden. Wir haben da irgendwo einen falschen Schaltweg, das ist alles. Bedenken Sie doch, Mr. Bohlen, wie viele Drähte sich in diesem Raum befinden. Insgesamt fast eine Million Meter. Sie können nicht erwarten, dass es gleich beim ersten Male klappt.»

«Das Ding wird nie funktionieren», knurrte Mr. Bohlen.

«Geduld, Sir. Nur Geduld.»

Adolph Knipe machte sich daran, die Fehlerquelle zu suchen, und nach vier Tagen kündigte er an, dass der Schaden behoben sei.

«Die Maschine wird nie funktionieren», sagte Mr. Bohlen. «Ich weiß, dass sie nie funktionieren wird.»

Knipe lächelte und drückte auf den Knopf, unter dem READER’S DIGEST stand. Dann betätigte er den Schalter, und wieder ertönte das seltsame Summen. Eine vollgetippte Seite flog aus dem Schlitz in den Korb.

«Wo ist der Rest?», rief Mr. Bohlen. «Sie hat aufgehört! Eine Panne!»

«Nein, Sir. Die Länge ist genau richtig. Es ist doch für den Digest, versehen Sie?»

Diesmal lautete der Text: «nurwenigewissenbishervon derentdeckungeinesrevolutionärenneuenheilmittelsdas menschendieaneinerderschrecklichstenkrankheitenunsererzeit leidenfürimmerlinderungverschaffen kann …» Und so weiter.

«Das ist Kauderwelsch!», empörte sich Mr. Bohlen.

«Nein, Sir, es ist gut. Sie trennt nur die Wörter nicht. Das ist leicht zu beheben. Aber inhaltlich stimmt alles haargenau. Sehen Sie, Mr. Bohlen, sehen Sie! Der Text ist tadellos, nur dass die Wörter zusammenhängen.»

Und so war es.

Beim nächsten Versuch, der einige Tage später stattfand, war alles in bester Ordnung, sogar die Interpunktion und die Großschreibung. Die erste Geschichte, die sie für ein bekanntes Frauenmagazin fabrizierten, zeichnete sich durch eine gediegene und recht spannende Handlung aus. Es ging dabei um einen jungen Mann, der sich bei seinem reichen Arbeitgeber beliebt machen wollte. Der junge Mann, so wurde erzählt, überredete einen Freund zu einem fingierten Überfall auf die Tochter des reichen Mannes. In einer dunklen Nacht, als das Mädchen nach Hause fuhr, wurde der Plan in die Tat umgesetzt. Der junge Mann kam wie zufällig vorbei, schlug seinem Freund den Revolver aus der Hand und rettete das Mädchen. Die Dankbarkeit des Mädchens kannte keine Grenzen. Der Vater jedoch war argwöhnisch. Er nahm den Jungen scharf ins Verhör. Der Junge brach zusammen und gestand alles. Statt ihn mit einem Fußtritt aus dem Haus zu befördern, sagte der Vater, dass er die Findigkeit des Jungen bewundere. Das Mädchen bewunderte seine Ehrlichkeit – und sein gutes Aussehen. Der Vater versprach, ihn zum Chef der Buchhaltung zu machen. Das Mädchen heiratete ihn.

«Das ist phantastisch, Mr. Bohlen! Genau das Richtige!»

«Mir kommt es ein bisschen kitschig vor, mein Junge.»

«Nein, Sir. Es ist ein Knüller, ein ausgesprochener Knüller!»

Aufgeregt verfertigte Adolph Knipe sechs weitere Geschichten in ebenso vielen Minuten. Alle – bis auf eine, die aus irgendeinem Grunde etwas unzüchtig ausfiel – stellten ihn durchaus zufrieden.

Mr. Bohlen war jetzt besänftigt. Er hatte nichts mehr dagegen, in der Innenstadt eine literarische Agentur aufzumachen und Knipe mit ihrer Leitung zu betrauen. Nach einigen Wochen war es so weit: Knipe versandte das erste Dutzend Geschichten. Als Verfasser nannte er viermal sich selbst, einmal Mr. Bohlen, und die übrigen Namen dachte er sich aus.

Fünf Geschichten wurden sofort angenommen. Die Story, die unter Mr. Bohlens Namen lief, kam zurück. In dem Begleitschreiben des Feuilletonredakteurs hieß es: «Die Arbeit zeugt von Begabung, ist aber unserer Meinung nach nicht ganz geglückt. Wir wären jedoch an weiteren Beiträgen dieses Schriftstellers interessiert …» Adolph Knipe nahm ein Taxi, fuhr in die Fabrik und fertigte eine neue Geschichte für dasselbe Magazin an. Er setzte Mr. Bohlens Namen darunter und schickte sie unverzüglich ab. Diese Story wurde gekauft.

Die Einkünfte stiegen. Langsam und vorsichtig erhöhte Knipe die Produktion, und nach sechs Monaten verschickte er wöchentlich dreißig Geschichten, von denen etwa fünfzehn gekauft wurden.

Bald stand er in literarischen Kreisen im Ruf eines fruchtbaren und erfolgreichen Autors. Auch Mr. Bohlen machte sich einen Namen. Allerdings schätzte man ihn weniger als Knipe – aber das wusste er nicht. Außerdem stellte Knipe ein Dutzend oder mehr fiktive Personen als vielversprechende junge Autoren heraus. Alles lief wie am Schnürchen.

Um diese Zeit beschlossen sie, die Maschine so einzurichten, dass sie nicht nur Kurzgeschichten, sondern auch Romane schreiben konnte. Mr. Bohlen, der nach größeren Ehren in der literarischen Welt dürstete, bestand darauf, dass Knipe sofort an diese gewaltige Aufgabe heranginge.

«Ich möchte einen Roman machen», sagte er immer wieder. «Ich möchte einen Roman machen.»

«Das werden Sie auch, Sir. Ganz bestimmt. Aber haben Sie bitte Geduld. Ich muss ziemlich komplizierte Veränderungen vornehmen.»

«Jeder beschwört mich, endlich einen Roman zu schreiben!», rief Mr. Bohlen. «Die Verleger rennen Tag und Nacht hinter mir her und flehen mich an, mit diesen albernen Kurzgeschichten aufzuhören und stattdessen etwas wirklich Bedeutendes zu schreiben. Ein Roman ist das Einzige, was zählt – behaupten sie.»

«Wir werden Romane machen», beruhigte ihn Knipe. «In Mengen sogar. Aber Sie müssen Geduld haben.»

«Hören Sie zu, Knipe. Ich habe vor, einen guten Roman zu machen, etwas, was die Leute aufhorchen lässt. Diese Geschichten, die Sie in letzter Zeit unter meinem Namen verschickt haben, hängen mir schön zum Hals heraus. Manchmal habe ich tatsächlich den Eindruck, dass Sie mich übers Ohr hauen wollen.»

«Übers Ohr, Mr. Bohlen?»

«Die besten behalten Sie immer für sich. Jawohl, so ist es.»

«O nein, Mr. Bohlen! Nein!»

«Aber diesmal liegt mir verdammt viel daran, ein erstklassiges, intelligentes Buch zu schreiben. Nehmen Sie das zur Kenntnis.»

«Gewiss, Mr. Bohlen. Mit dem Schaltbrett, das ich Ihnen zusammenbaue, werden Sie jedes Buch schreiben können, das Sie wollen.»

Und Adolph Knipe hielt sein Versprechen. Nach einigen Monaten hatte dieses Genie die Maschine auf Romane umgestellt und überdies ein wunderbares neues System eingebaut, das es dem Autor ermöglichte, buchstäblich jede Art von Handlung und jeden gewünschten Sprachstil vorzuwählen. Es gab so viele Skalen, Schalter und Hebel an dem Ding, dass es wie das Armaturenbrett eines riesigen Flugzeugs aussah.

Zunächst traf der Schriftsteller, indem er auf einen der sogenannten Hauptknöpfe drückte, seine prinzipielle Entscheidung: historisch, satirisch, philosophisch, politisch, romantisch, erotisch, humorvoll oder derb. Eine zweite Reihe von Knöpfen (die Grundknöpfe) bot ihm die verschiedensten Themen: Soldatenleben, Pionierzeit, Bürgerkrieg, Weltkrieg, Rassenproblem, Wilder Westen, Landleben, Kindheitserinnerungen, Seefahrt, der Meeresgrund und viele, viele andere. Die dritte Knopfreihe gestattete die Wahl des literarischen Stils: klassisch, skurril, gepfeffert, Hemingway, Faulkner, Joyce, feminin und so fort. Die vierte Reihe bestimmte Anzahl und Geschlecht der Romangestalten, die fünfte den Umfang des Buches und so weiter und so weiter – zehn lange Reihen von Vorwählknöpfen.

Aber das war noch nicht alles. Während des Schreibprozesses selbst (der etwa fünfzehn Minuten pro Roman dauerte), war es jetzt möglich, eine Kontrolle auszuüben. Dazu musste der Autor auf einer Art Führersitz vor zahlreichen beschrifteten Registern Platz nehmen. Durch Ziehen oder Drücken (wie bei einer Orgel) konnte er rund fünfzig verschiedene und variable Elemente regulieren oder sie miteinander mischen – zum Beispiel Spannung, Überraschung, Humor, Pathos und Geheimnis. Zahlreiche Skalen und Messgeräte auf dem Armaturenbrett zeigten ihm jederzeit genau an, wie weit er mit seiner Arbeit war.

Und schließlich gab es noch die Sache mit der ‹Leidenschaft›. Nach gründlichem Studium der Bücher, die im vergangenen Jahr an der Spitze der Bestseller-Listen gestanden hatten, war Adolph Knipe zu der Erkenntnis gelangt, dass Leidenschaft das wichtigste Ingrediens von allen war, ein magischer Katalysator, der selbst den langweiligsten Roman in einen tollen Erfolg verwandeln konnte – jedenfalls finanziell. Aber Knipe wusste auch, dass Leidenschaft eine überaus starke, berauschende Wirkung hatte und vorsichtig dosiert werden musste – die richtigen Mengen in den richtigen Handlungsmomenten. Um das zu gewährleisten, hatte er eine besondere Kontrollvorrichtung konstruiert: zwei hochempfindliche, stufenlose Leidenschaftsregler, die durch Pedale – ähnlich dem Gas- und dem Bremspedal beim Auto – bedient wurden. Das eine Pedal steuerte die Menge der injizierten Leidenschaft, das andere ihre Intensität. Der einzige Nachteil lag natürlich darin, dass sich der Schreiber eines Romans nach der Knipe-Methode etwa in der Situation eines Mannes befand, der zur gleichen Zeit ein Flugzeug und ein Auto lenkt und nebenher auch noch Orgel spielt. Aber das kümmerte den Erfinder nicht. Als alles fertig war, geleitete er Mr. Bohlen stolz in das Maschinenhaus und erklärte ihm die Arbeitsweise des neuen Wunderwerks.

«Mein Gott, Knipe, das schaffe ich ja nie! Menschenskind, ich glaube, es wäre einfacher, das Ding mit der Hand zu schreiben.»

«Sie werden sich bestimmt bald daran gewöhnen, Mr. Bohlen. In ein, zwei Wochen ist Ihnen jeder Griff in Fleisch und Blut übergegangen. Es ist genauso wie beim Autofahren – ein Anfänger kann eben nicht gleich losbrausen.»

Nun, es war nicht ganz leicht, aber nach vielen Übungsstunden bekam Mr. Bohlen den Dreh heraus, und endlich, eines späten Abends, beorderte er Knipe zur Fabrikation des ersten Romans in das Maschinenhaus. Es war ein erregender Augenblick, als der kleine, dicke Mann nervös auf dem Führersitz hockte und der große, langzahnige Knipe eifrig um ihn herumzappelte.

«Ich habe die Absicht, einen bedeutenden Roman zu schreiben, Knipe.»

«Ich bin sicher, dass es Ihnen gelingt, Sir. Ganz sicher.»

Langsam und bedächtig drückte Mr. Bohlen auf die Vorwählknöpfe:

Hauptknopf – satirisch

Thema – Rassenproblem

Stil – klassisch

Personen – sechs Männer, vier Frauen, ein Kind

Umfang – fünfzehn Kapitel

Zugleich richtete er sein Augenmerk auf die drei Orgelregister Kraft, Geheimnis und Tiefe.

«Sind Sie bereit, Sir?»

«Ja, ja, ich bin bereit.»

Knipe betätigte den Schalter. Die große Maschine summte. Fünfzigtausend gutgeölte Zahnräder, Stangen und Hebel brachten ein dumpfes, schwirrendes Geräusch hervor; dann begann die schnelle elektrische Schreibmaschine mit einem fast unerträglich lauten Geklapper zu arbeiten. Die vollgeschriebenen Seiten flogen in den Korb – alle zwei Sekunden eine. Für Mr. Bohlen, der die Register ziehen, den Kapitelzähler und den Geschwindigkeitsmesser beobachten und die Leidenschaftspedale bedienen musste, waren der Lärm und die Aufregung einfach zu viel. Er geriet in Panik und reagierte genauso wie ein Fahrschüler im Auto, das heißt, er presste beide Füße auf die Pedale und lockerte den Druck erst, als die Maschine anhielt.

«Ich darf Sie zu Ihrem ersten Roman beglückwünschen», sagte Knipe und nahm das dicke Bündel beschriebener Blätter aus dem Korb.

Über Mr. Bohlens Gesicht rannen dicke Schweißtropfen. «Ich kann Ihnen sagen, das war verdammt anstrengend, mein Junge.»

«Aber Sie haben es geschafft, Sir. Sie haben es geschafft.»

«Zeigen Sie mal her, Knipe. Wie liest es sich denn?»

Er überflog das erste Kapitel und reichte Seite um Seite an den jüngeren Mann weiter.

«Um Himmels willen, Knipe! Was ist das?» Mr. Bohlens dünne Fischlippen zitterten leicht, und seine Wangen blähten sich langsam auf.

«Also wissen Sie, Knipe, das ist ja unerhört!»

«Es ist tatsächlich ein bisschen saftig, Sir.»

«Saftig! Empörend ist es, einfach empörend! Ich kann unmöglich meinen Namen dafür hergeben!»

«Da haben Sie recht, Sir.»

«Knipe! Ist das ein schmutziger Scherz, den Sie sich mit mir erlaubt haben?»

«O nein, Sir! Nein!»

«Sieht aber ganz so aus.»

«Könnte es vielleicht daran liegen, Mr. Bohlen, dass Sie etwas zu hart auf die Leidenschaftspedale getreten haben?»

«Mein lieber Junge, wie soll ich das wissen?»

«Versuchen Sie’s doch nochmal.»

So schrieb denn Mr. Bohlen einen zweiten Roman herunter, und diesmal ging alles nach Wunsch.

Binnen einer Woche hatte ein begeisterter Verleger das Manuskript gelesen und angenommen. Knipe zog mit einem Roman nach, für den er selbst als Verfasser zeichnete; dann fabrizierte er – da er schon einmal dabei war – ein Dutzend weitere. Bald war Adolph Knipes literarische Agentur berühmt für ihren Stall vielversprechender junger Romanciers. Und wieder begann das Geld hereinzuströmen.

Um diese Zeit stellte sich heraus, dass der junge Knipe nicht nur als Erfinder, sondern auch als Geschäftsmann ein großes Talent war.

«Hören Sie, Mr. Bohlen», sagte er, «wir haben noch immer zu viel Konkurrenz. Warum schlucken wir nicht einfach all die anderen Schriftsteller des Landes?»

Mr. Bohlen, der sich inzwischen ein flaschengrünes Samtjackett zugelegt hatte und das Haar so lang trug, dass es zwei Drittel der Ohren bedeckte, war ganz zufrieden mit der augenblicklichen Lage der Dinge. «Ich weiß gar nicht, was Sie meinen, lieber Junge. Wir können doch nicht so mir nichts, dir nichts Schriftsteller schlucken.»

«Natürlich können wir das, Sir. Genauso wie Rockefeller es mit den Ölgesellschaften machte. Wir kaufen sie einfach auf. Und wenn sie sich weigern, setzen wir sie unter Druck. Das ist überhaupt kein Problem.»

«Vorsichtig, Knipe. Seien Sie vorsichtig.»

«Sehen Sie, Sir, ich habe hier eine Liste der fünfzig erfolgreichsten Schriftsteller des Landes, und ich werde jedem von ihnen einen lebenslänglichen Vertrag auf Gehaltsbasis anbieten. Dafür brauchen sie sich nur zu verpflichten, dass sie nie mehr ein Wort schreiben. Und natürlich müssen sie uns ihre Namen für unser eigenes Material zur Verfügung stellen. Wie finden Sie das?»

«Damit werden Sie nicht durchkommen, Knipe.»

«Sie kennen die Schriftsteller schlecht, Mr. Bohlen. Warten Sie nur ab.»

«Ja, aber der schöpferische Drang?»

«Das ist leeres Gerede! Das Einzige, woran sie – wie jeder andere – wirklich interessiert sind, ist Geld.»

Mr. Bohlen war noch immer nicht überzeugt, meinte aber nach einigem Zögern, dass man es wenigstens versuchen könne. So fuhr denn Knipe mit seiner Schriftstellerliste in einem großen, von einem Chauffeur gesteuerten Cadillac fort, um seine Besuche zu machen.

Der Mann, der als Erster auf der Liste stand, ein hervorragender und sehr bekannter Schriftsteller, war sofort bereit, ihn zu empfangen. Knipe erzählte seine Geschichte, legte mehrere Romane eigener Produktion zur Ansicht vor und zog einen Vertrag aus der Tasche, der dem Mann auf Lebenszeit soundsoviel im Jahr garantierte. Der Schriftsteller hörte höflich zu, kam zu dem Schluss, dass er es mit einem Verrückten zu tun hatte, lud ihn zu einem Drink ein und führte ihn dann freundlich, aber energisch zur Tür.

Der zweite Schriftsteller auf der Liste entpuppte sich als gefährlicher Bursche. Er ging tatsächlich so weit, dass er Knipe mit einem schweren metallenen Briefbeschwerer bedrohte, und der Erfinder musste durch den Garten flüchten, während sich eine Sturzflut wilder Flüche und Obszönitäten über ihn ergoss.

Aber es gehörte mehr dazu, einen Adolph Knipe von seinem Vorhaben abzubringen. Enttäuscht, doch nicht entmutigt, fuhr er in seinem großen Wagen weiter, und zwar zu einer berühmten und überaus populären Schriftstellerin, deren dickleibige Liebesromane zu Millionen gekauft wurden. Sie empfing Knipe sehr gnädig, setzte ihm Tee vor und hörte sich seine Geschichte aufmerksam an.

«Das klingt faszinierend», sagte sie. «Aber ich kann es nicht so recht glauben.»

«Gnädige Frau», antwortete Knipe, «kommen Sie mit und überzeugen Sie sich mit eigenen Augen. Mein Wagen steht zu Ihrer Verfügung.»

Sie fuhren also los. Am Ziel angelangt, wurde die erstaunte Dame in das Maschinenhaus geführt. Eifrig erklärte ihr Knipe die Arbeitsweise des Wunderwerks, und nach einer Weile erlaubte er ihr sogar, auf dem Führersitz Platz zu nehmen und probeweise die Vorwählknöpfe zu bedienen.

«Sehr schön», sagte er plötzlich. «Möchten Sie jetzt vielleicht ein Buch machen?»

«O ja!», rief sie. «Bitte!»

Sie war zweifellos technisch begabt, und obendrein schien sie genau zu wissen, was sie wollte. Nachdem sie die Vorwahl selbständig getroffen hatte, brachte sie einen langen, abenteuerlichen, von Leidenschaft erfüllten Roman zustande. Sie las das erste Kapitel und war derart begeistert, dass sie den Vertrag sofort unterschrieb.

«Die haben wir glücklich aus dem Weg geräumt», sagte Knipe später zu Mr. Bohlen. «Und bei ihr hat sich’s wirklich gelohnt.»

«Gute Arbeit, mein Junge.»

«Und wissen Sie, warum sie unterschrieben hat?»

«Na?»

«Nicht wegen des Geldes. Davon hat sie genug.»

«Sondern?»

Knipe grinste und entblößte dabei einen langen Streifen blassen Zahnfleisches. «Sie hat einfach eingesehen, dass dieses maschinell hergestellte Zeug besser ist als ihr eigenes.»

Von nun an hielt es Knipe für geraten, sich auf mittelmäßige Talente zu konzentrieren. Die guten Schriftsteller – zum Glück gab es nur wenige, sodass sie kaum ins Gewicht fielen – ließen sich offenbar nicht so leicht verführen.

Schließlich, nach monatelangen Bemühungen, hatte er etwa siebzig Prozent der Schriftsteller auf seiner Liste bewogen, den Vertrag zu unterschreiben. Er fand bald heraus, dass es mit den Älteren, die keine Einfälle mehr hatten und Zuflucht beim Alkohol suchten, die wenigsten Schwierigkeiten gab. Die Jüngeren waren widerspenstiger. Sie neigten dazu, auf Knipes Vorschlag mit Beleidigungen, gelegentlich sogar mit tätlichen Angriffen zu reagieren, und mehr als einmal wurde er auf seinen Rundfahrten leicht verletzt.

Aber alles in allem war es ein verheißungsvoller Anfang. Man schätzt, dass im letzten Jahr – dem ersten, in dem die Maschine voll arbeitete – mindestens die Hälfte aller in englischer Sprache veröffentlichten Romane und Kurzgeschichten von Adolph Knipe auf dem großen automatischen Grammatisator hergestellt wurden.

Überrascht Sie das? Wohl kaum.

Und Schlimmeres steht noch bevor. Inzwischen ist das Geheimnis ruchbar geworden, von Tag zu Tag drängen sich mehr Schriftsteller danach, mit Mr. Knipe ins Geschäft zu kommen, und für diejenigen, die der Versuchung bisher widerstanden haben, wird die Schraube immer fester angezogen.

Gerade in diesem Augenblick, da ich hier sitze und dem Gebrüll meiner neun hungrigen Kinder lausche, merke ich, wie sich meine Hand näher und näher an jenen goldenen Vertrag herantastet, der drüben auf der anderen Seite des Schreibtisches liegt.

Gib uns Kraft, o Herr, unsere Kinder verhungern zu lassen!

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