17

Die vergangenen Wochen waren die glücklichsten meines Lebens gewesen.

»Hände auf den Rücken, Arme überkreuz«, sagte der Mann. Ich gehorchte und spürte die Fesseln durch das dicke Geflecht. Meine Handgelenke wurden am Weidenkorb festgezurrt. Ich teilte den Tarnkorb mit fünf anderen Mädchen.

»Wir werden am Abend in Ar sein«, sagte der Mann.

Ich ließ den Kopf sinken. Und doch bedauerte ich nichts, denn in den letzten Wochen war ich zum erstenmal glücklich gewesen. »Werden sie im Curuleum verkauft?« fragte ein Krieger, der in der Nähe stand.

»Ja«, sagte unser Wächter.

Zu Anfang hatte mich Rask aus Treve jede Nacht in sein Zelt gerufen. Ich hatte ihm auf verschiedene Arten gedient, hatte mir größte Mühe gegeben, ihn immer wieder neu zu erfreuen.

Manchmal hatte er zu meinem Ärger versucht, sich von mir zu trennen, und hatte andere Frauen in sein Zelt gerufen, doch oft schickte er sie wieder fort und ließ mich, El-in-or, doch noch zu sich kommen.

Und dann kam eine Zeit, da er keine andere Frau mehr zu sich holte. Ich, El-in-or, war die erklärte Lieblingsfrau Rasks.

Inge und Rena waren nicht bei mir im Korb. Sie waren an die Jäger Raf und Pron verschenkt worden. Nach dem Brauch goreanischer Jäger waren beide Mädchen freigelassen worden und hatten einen Vorsprung von vier Ahn bekommen. Nach vier Ahn waren Raf und Pron aus dem Lager gelaufen und am nächsten Morgen mit Inge und Rena zurückgekehrt. Neue Kragen glänzten an ihren Hälsen.

In der kurzen Tunika einer Jägersklavin waren sie dann ihren Herren durch das Doppeltor des Lagers gefolgt. Ihnen stand ein hartes Los bevor, aber sie machten einen zufriedenen Eindruck. Der Jäger führt ein freies und wildes Leben, und seine Sklaven müssen sich mit dem Wald vertraut machen, mit den Eigenarten von Pflanzen und Tieren und Wetter. Ich weiß nicht, wo Raf und Pron jetzt sind, doch ich weiß, daß sie gut versorgt werden von Inge und Rena.

Jetzt wurde der schwere Korbdeckel aufgelegt und festgezurrt. Der Mann, der den Tarn fliegen sollte, ging zum Küchenschuppen, um sich vor dem Start zu stärken.

Ich hatte Rask aus Treve auf viele Arten erfreuen wollen und hatte zu meiner Verblüffung festgestellt, daß mir das leichtfiel, daß ich großen Spaß daran hatte. Ein Mann ist ein seltsames Wesen —, er wünscht sich sowohl eine einzige Frau als auch viele verschiedene Frauen, und vielleicht ersehnt er sich eine Frau, die ihm in vielen Gestalten begegnet. So trat ich Rask in vielen Rollen gegenüber — als neues Sklavenmädchen, als gebildetes Mädchen, als vornehme Dame, manchmal auch als hochmütige El-in-or, zuweilen als trotziges, dann wieder als ergebenes Mädchen. Rask selbst klammerte sich manchmal an mich und küßte mich und ließ mich lange nicht wieder los. In diesen Stunden verstand ich ihn nicht recht; ich lag nur erfüllt und reglos in seinen Armen. Und eines Nachts bat er mich, ich solle ihm von mir erzählen.

So berichtete ich von meiner Kindheit und meinen Eltern und dem Haustier, das meine Mutter vergiftet hatte, und von New York und von meiner Welt und meiner Gefangennahme und von meinem Leben davor. In manchen Nächten erzählte er mir auch von sich und von dem Tod seiner Eltern und von seiner Ausbildung in Treve und von seinen ersten Versuchen mit den Tarns und im Umgang mit den Waffen. Er hatte Blumen gemocht, was er aber niemandem zu erzählen wagte. Ein seltsames Eingeständnis, ein Krieger wie er, der Blumen liebte! Ich küßte ihn. Aber ich hatte auch Angst, weil er mir davon erzählte. Ich nahm nicht an daß er diese tiefen Empfindungen je einem anderen Menschen enthüllt hatte.

Wir hatten uns angewöhnt, lange Spaziergänge außerhalb der Palisaden zu machen. Und je weniger er mich dabei als Sklavin behandelte, desto größer wurde meine Angst, daß er mich eines Tages verkaufen würde.

Aber meistens tollten wir herum und vergnügten uns. Und eines Tages hatten wir nichts anderes getan als miteinander gesprochen, ausführlich, zärtlich und leise gesprochen, und in der Nacht, nachdem wir uns geliebt hatten, lagen wir noch lange plaudernd vor dem Feuer. Traurig hatte er mich umarmt, und war mir klar geworden, daß er mich verkaufen würde. Als ich am Morgen in den Schuppen zurückgekehrt war, rief er mich noch einmal zu sich. –»Ich bin deiner überdrüssig«, sagte er barsch. Ich neigte den Kopf. »Ich werde dich verkaufen.« »Ich weiß, Herr.« »Geh jetzt, Sklavin!«

Ich begann erst zu weinen, als ich wieder im Schuppen war. Einen Gefallen hatte ich noch erbeten, ehe ich an den Fremde verkauft wurde, der mich nun nach Ar bringen wollte. »Gib Ute frei«, hatte ich gesagt. Rask hatte mich seltsam angesehen und geantwortet: »Ja.« Als freie Frau würde Ute ein gutes Leben führen. Vielleicht kehrte sie nach Rarir oder nach Teletus zurück. Auf jeden Fall aber würde sie einen Mann suchen einen Angehörigen der Kaste der Lederarbeiter, der Barus hieß. Ich kannte nicht einmal seine Stadt.

Ich gehörte nun diesem Tarnreiter, der in diesem Augenblick die Knoten am Tarnkorb überprüfte. Für neun Goldstücke war ich ihm verkauft worden.

Der Mann stieg in den Sattel des Tarn. Der Vogel schrie auf und begann seine mächtigen Flügel zu entfalten. Dann ruckte der Korb an und glitt über die Lichtung und schwang schließlich unter dem Vogel hin und her.

Ich war auf dem Wege zum Markt.

Ich wurde auf dem großen Block des Curuleum in Ar verkauft — für zwölf Goldstücke, die ein Pagawirt für mich auf den Tisch legte. Er hielt es für amüsant, seinen Gästen ein Mädchen mit Straf-Brandzeichen zu präsentieren.

Vier Monate lang bediente ich in seiner Pagataverne. Zu den Gästen gehörten auch Wächter, die früher in der Karawane Targos gedient hatten. Sie behandelten mich freundlich. Ich befragte sie nach Targo, der offenbar viele Mädchen wieder an sich gebracht hatte und nun großen Reichtum genoß. Er plante eine weitere Fahrt in den Norden, aber nicht um mit Haakon aus Skjern Geschäfte zu machen. Doch so sehr mir mein neues Leben Spaß machte und mit wem ich auch schlief — keiner der Männer war wie Rask aus Treve. Dieser Mann allein besaß das Herz der Sklavin Elinor Brinton. Sie vermochte ihn nicht zu vergessen. Dann hörte ich eines Abends den Ausruf: »Ich kaufe sie!« und blieb starr vor Schreck stehen. Ich vermochte kaum den Pagakrug zu halten. Es war der kleine Jahrmarktsgaukler mit dem sprechenden Pelztier, der mich in der Hütte in den Nördlichen Wäldern bedroht hatte, der vor dem Sleen geflohen war. Er hatte irgendeinen Mann vergiften wollen — ich kannte seinen Namen nicht.

Seine Hand umklammerte mein Handgelenk. Ich war ihm schließlich doch nicht entkommen. »Ich kaufe sie«, wiederholte er.

Der kleine Mann erwarb mich für vierzehn Goldstücke. Ich wurde auf dem Rücken eines Tarn in die Stadt Port Kar gebracht, die an der Mündung des mächtigen Vosk liegt.

In einem Lagerhaus nahe den Docks kniete ich mit gesenktem Kopf vor einigen Männern.

»Ich werde euch nicht gehorchen«, sagte ich.

Der kleine Mann war da und sein Pelzwesen, das mich gelangweilt anstarrte, und zu meiner Überraschung auch Haakon aus Skjern. »Ich habe das Eisen zu schmecken bekommen und die Peitsche«, sagte ich. »Ich werde für euch nicht töten. Bringt mich um, aber ich werde für euch nicht zur Mörderin.«

Sie schlugen mich nicht, stießen nicht einmal Drohungen aus. Sie rissen mich nur hoch und zerrten mich in einen Nebenraum.

Ich begann zu schreien bei dem Anblick. Mit den Handgelenken an die Wand gekettet, stand dort ein blutüberströmter Mann, den Kopf gesenkt. »Elf Männer mußten sterben«, sagte Haakon aus Skjern hart »aber nun haben wir ihn.«

Der Mann hob den Kopf und schüttelte ihn langsam. »El-in-or?« fragte er.

»Herr!« schluchzte ich und drückte mich an ihn.

Rask musterte die Männer und sagte zu mir: »Ich bin aus Treve! Entehre mich nicht.«

An den Haaren wurde ich fortgezerrt. Die Tür schloß sich hinter mir. »An einem bestimmten Tage«, sagte der kleine Mann, »wirst du ein Päckchen Gift erhalten.«

Ich nickte wortlos. Rask aus Treve durfte nicht sterben! »Du wirst in das Haus Bosks geschleust, eines Kaufmanns aus Port Kar«, sagte er. »Du wirst in der Küche dieses Mannes arbeiten und wirst ihn bei Tisch bedienen.«

»Ich kann es nicht tun!« schluchzte ich. »Ich kann nicht töten. »Dann stirbt Rask aus Treve«, sagte der kleine Mann. Haakon aus Skjern lachte.

Der kleine Mann hielt ein kleines Päckchen in die Höhe. »Das ist das Gift, ein Pulver, das aus den Ausscheidungen der Ost bereitet wird.«

Ich erschauderte. Ich hatte von dem Gift gehört. Es bringt einen besonders qualvollen Tod.

Ich fragte mich, wieso diese Männer Bosk aus Port Kar so haßten. »Wirst du uns gehorchen?« fragte der kleine Mann. Ich schloß die Augen und nickte langsam.


»Wein, El-in-or!« rief Publius, der Küchenmeister Bosks aus Port Kar. »Bring Wein an den Tisch!«

Bebend nahm ich den Weinkrug. Ich ging zur Küchentür, schritt durch den Flur und blieb vor dem rückwärtigen Eingang zum großen Eßsaal stehen.

Es war gar nicht schwierig gewesen, im Hause des Bosk unterzukommen. Ich wurde für, fünfzehn Goldstücke an das Haus Samos’, eines Sklavenhändlers aus Port Kar, verkauft. Samos selbst war auf einer Piratenfahrt, und ein Untergebener führte meinen Ankauf durch. Publius, Küchenherr des Bosk, hatte bei einem Würfelspiel erfahren, daß es im Hause des Samos ein neues Mädchen gab, das in den Gehegen von Ko-ro-ba trainiert worden war. Publius, der von Zeit zu Zeit neue Mädchen für seine Küche suchte, war interessiert. Wahrscheinlich hatte er selten Gelegenheit, eine ausgebildete Vergnügungssklavin in seine Dienste zu nehmen. Der Untergebene Samos’ verkaufte mich für nur fünfzehn Goldstücke an Publius, um ihm einen Gefallen zu tun. So war ich zum Teil auch ein Geschenk des Hauses Samos’ an das Haus Bosk. Die beiden Häuser standen offenbar auf gutem Fuß miteinander. Wie ich später erfuhr, gehörten sowohl Samos als auch Bosk dem Kapitänsrat an, der höchsten Regierungsinstanz Port Kars.

Es gefiel mir im Hause des Bosk, das sehr geschmackvoll eingerichtet, weiträumig und sauber war. Ich wurde nicht schlecht behandelt, obwohl ich natürlich meine Arbeit tun mußte. Mein Herr Bosk, ein großer, kräftiger Mann, bat mich nicht zu sich. Seine Frau war die bildschöne Telima aus den Sümpfen, eine goreanische Schönheit. Es gab noch weitere Schönheiten im Haus, die schlanke, dunkelhaarige Midice, die Frau des Kapitäns Tab; dann die blonde Thura, die Frau des mächtigen Riedbauern Thurnock, und die kleine dunkeläugige Ula, die dem ruhigen Clitus gehörte, einem ehemaligen Fischer von der Insel Cos. Das Haus und ein großer Teil der Geschäfte wurden von einem ehemaligen Sklavenmädchen geführt, das Luma hieß. Sie gehörte nun der Kaste der Schriftgelehrten an. Offensichtlich hatte Bosk ein Auge für weibliche Schönheit. Doch er näherte sich mir nicht. Seine Zuneigung galt allein Telima. Wie überragend sie sein mußte, um ihn im Kreise solcher Frauen allein für sich zu gewinnen!

»Beeil dich mit dem Wein!« rief Publius mir nach.

Ich nahm das Paket Gift aus meiner Reptunika und schüttete das Pulver in den Wein. Man hatte mir gesagt, die Menge reiche aus, um hundert Männer einen schmerzhaften Tod sterben zu lassen.

Das Getränk war bereit.

»Wo bleibt der Wein!« tönte es aus dem Saal.

Ich eilte los und näherte mich dem Tisch. Ich wollte nur Bosk, den Hausherrn bedienen, denn ich wollte nicht mehr Schuld auf mich laden. Auf halbem Weg blieb ich stehen. Die Zecher starrten mich verständnislos an.

Rask aus Treve mußte leben!

Ich erinnerte mich, wie Haakon aus Skjern über seinen Gefangenen gelacht hatte. Und ich überlegte, ob er seinen Todfeind Rask freilassen würde, wenn ich meinen Teil des Handels einhielt. Ich fürchtete, daß er Rask nicht freilassen würde — aber was konnte ich tun? Ich mußte diesen Leuten vertrauen und von meiner Seite tun, was in meiner Macht stand. Ich hatte keine andere Wahl.

Ich wollte niemanden vergiften. Ich war zwar kein guter Mensch, aber eine Mörderin war ich bisher nicht gewesen. Und plötzlich fiel mir ein, wie meine Mutter den kleinen Hund vergiftete, der ihre Hausschuhe zerrissen hatte. Ich hatte das winzige Tier geliebt. Es war wimmernd im Keller hinter der Heizung gestorben. »Elinor«, sagte Bosk vom Kopfende der Tafel. »Ich möchte Wein.« Er war einer der wenigen Männer auf Gor, die meinen Namen nach englischer Art aussprachen.

Langsam näherte ich mich Bosk aus Port Kar. Obwohl andere mir ihre Schalen hinhielten, wollte ich nur ihm Wein einschenken. Man würde mich sicher ergreifen und noch vor Sonnenuntergang aufspießen. Er hielt mir seinen Kelch entgegen. Telimas Augen waren auf mich gerichtet — ich vermochte ihren Blick nicht zu erwidern. Ich schenkte ihm Wein ein.

»Ich bin aus Treve«, hatte Rask mir im Lagerhaus gesagt. »Entehre mich nicht.«

Ich begann zu weinen.

»Was ist los, Elinor?« fragte Bosk.

»Nichts, Herr«, schluchzte ich.

Bosk hob den Kelch an die Lippen.

Zitternd hob ich die Hand. »Trinke nicht, Herr!« schrie ich. »Der Wein ist vergiftet.«

Und ich barg das Gesicht in den Händen. Wutgeschrei wurde am Tisch laut, Weinkrüge wurden umgestoßen, und Frauen sprangen auf. Thurnock, der mächtige Bauer, drängte sich hinter mich und hielt meine Arme fest.

»Spießt sie auf!«

Im nächsten Augenblick sprang die Tür des Saals auf, und ein Mann mit kurzem weißem Haar eilte herein. Seine Augen waren erschreckt aufgerissen.

»Samos!« rief jemand.

»Ich bin eben gelandet«, sagte er, »und erfuhr, daß ohne mein Wissen eine Frau in dieses Haus eingeschleust wurde. Nehmt euch in acht!«

Er sah mich in den Armen Thurnocks. Publius kam herbeigeeilt. Sein Gesicht war bleich. Er griff nach seinem Schwert.

Bosk schüttete langsam den Wein auf den Tisch. Der Weinkrug, den ich fallengelassen hatte, ergoß seinen Inhalt über die Fliesen. »Feiert weiter«, sagte Bosk zu seinen Gästen. »Tab, Thurnock, Clitus, Henrius, Samos — bitte kommt mit in meine Räume.« Ich sah, daß Telima ein Messer in der Hand hielt, und bezweifelte nicht, daß sie mir die Kehle durchschneiden würde, um ihren Mann zu schützen. »Thurnock, laß sie los«, sagte Bosk und wandte sich an mich. »Elinor, wir müssen miteinander sprechen.« Dann reichte er Telima den Arm, und ich folgte ihm mit gesenktem Kopf in seine Gemächer. In dieser Nacht verließen zahlreiche Männer das Haus des Bosk. Ich hatte ihnen alles gesagt und erwartete nun gefoltert und aufgespießt oder enthauptet zu werden.

Als ich mit meinem Bericht fertig war, sagte Bosk nur zu mir: »Geh in die Küche, es gibt dort Arbeit für dich.«

Benommen war ich in die Küche zurückgekehrt, wo mir Publius erstaunt eine Arbeit zuwies. In der Nacht sicherte er mich mit einer doppelten Kette an der Wand.

»Wir haben Rask aus Treve nicht retten können«, sagte Bosk am nächsten Tag zu mir.

Ich senkte den Kopf. Das hatte ich erwartet.

Mein Herr lächelte. »Er war bereits geflohen«, sagte er. Ich starrte ihn mit aufgerissenen Augen an.

»Die Männer aus Treve sind ernstzunehmende Gegner.« Ich blickte ihn mit bebenden Lippen an. »Und die anderen?« »Wir fanden drei Tote«, sagte Bosk. »Der eine, dessen Schwertscheide leer war, wurde als Haakon aus Skjern identifiziert. Ein zweiter, ein kleiner Mann, war uns nicht bekannt. Der dritte war seltsam, ein großes und unangenehm aussehendes Pelztier.«

Ich neigte den Kopf und begann hysterisch zu schluchzen. »Sie alle waren förmlich in Stücke gehackt worden, und ihre Köpfe steckten auf Pfosten am Kanal aufgespießt. In jeden Pfosten war das Zeichen Treves geschnitzt.«

Schluchzend und lachend fiel ich auf die Knie.

»Die Männer aus Treve sind wahrlich ernstzunehmende Gegner«, wiederholte Bosk.

»Was ist mit mir?« fragte ich.

»Ich lasse im Lager Terences aus Treve, eines Söldners, verbreiten, daß in meinem Hause ein Mädchen namens Elinor arbeitet.«

»Rask aus Treve will mich nicht mehr sehen. Er hat mich verkauft.« Bosk zuckte die Achseln. »Samos sagt mir, daß Rask aus Treve freiwillig und allein nach Port Kar kam, wo er gefangengenommen wurde.« Er sah mich an. »Was hätte er hier tun wollen?«

»Ich weiß nicht«, flüsterte ich.

»Es heißt, daß er eine Sklavin suchte, die Elinor hieß.« »Das kann nicht sein«, sagte ich, »denn als ich nach Port Kar gebracht wurde, war Rask aus Treve bereits gefangen.«

»Das ist nicht verwunderlich«, sagte er, »denn man brauchte nur ein Gerücht im Lager Rasks zu verbreiten, daß du dich in dieser Stadt aufhältst. Und für die Pläne einiger Leute, meiner Feinde, war es sicher besser, daß du nicht in der Stadt warst, als Rask aus Treve eintraf, für den Fall, daß sie ihn nicht gefangennehmen konnten und er dich womöglich aufgespürt und entführt hätte.« Er musterte mich. »Warst du an einem Ort, wo sie dich erwerben konnten, sobald sie es wünschten, ohne sich dir vorher nähern zu müssen?«

»Ich habe monatelang in einer Pagataverne gedient.«

»Vielleicht haben sie sogar gesehen, wie du verkauft wurdest. Du bist doch auf dem Block des Curuleums versteigert worden, nicht wahr?« »Ja«, flüsterte ich.

»Ein sehr öffentlicher Ort«, sagte er und sah mich ein wenig traurig an. »Ich habe einmal gesehen, wie eine schöne Frau dort verkauft wurde.« »Wie hieß sie?«

»Vella«, sagte er. »Sie hieß Vella.«

Ich senkte den Blick.

»Ich vermute«, fuhr Bosk fort, »daß du erst gekauft und nach Port Kar gebracht wurdest, als Rask aus Treve bereits gefangen war — damit man dich ihm gegenüberstellen konnte.«

»Rask aus Treve hat mich verkauft. Er will nichts mehr mit mir zu tun haben.«

Bosk zuckte die Achseln. »Geh in die Küche. Es gibt dort Arbeit für dich.«

Ich gehorchte und stellte mich Publius zur Verfügung. Publius hatte das Haus Bosks verlassen wollen, so entsetzt war er, daß er mich ahnungslos erworben und damit fast das Schicksal seines Herrn besiegelt hatte. Aber Bosk wollte davon nichts wissen. »Wo finde ich einen zweiten Küchenmeister wie dich?« hatte er gefragt. Publius blieb also im Hause. Aber er verbot mir bei Tisch zu bedienen und beobachtete mich aufmerksam.

Ich sang bei meiner Arbeit, denn ich wußte, daß Rask aus Treve noch lebte. Außerdem waren jene Männer, die mich in ihre schlimmen Pläne einspannen wollten, vernichtet. Ich wußte, daß er mich nicht mehr haben wollte, denn er hatte mich verkauft, aber ich war zufrieden in dem Bewußtsein, daß der Mann, den ich liebte, noch am Leben war. Ich nahm nicht an, daß die Vermutungen meines Herrn Bosk zutrafen — Rask sei nach Port Kar gekommen, um mich zu suchen. Seine Informanten mußten sich irren. Ich versuchte mir Rask von Zeit zu Zeit aus dem Kopf zu schlagen, was mir aber nicht gelang. Manchmal weckten mich die anderen Mädchen in der Nacht und schimpften mich aus, denn ich hatte sie gestört und im Schlaf seinen Namen gerufen. Rask aus Treve wollte mich nicht — doch ich sehnte mich nach ihm. Wenigstens lebte er. Wie konnte ich traurig sein, wenn er irgendwo am Leben war, ein Kämpfer, ein Freund von Festen, mit seinen Freunden und seinen bildschönen Sklavinnen!

»Verkaufe mich, Herr«, sagte ich einmal zu Bosk, denn ich wollte nicht in dem Haus bleiben, in dem ich fast ein Verbrechen begangen hatte. Ich wollte irgendwo leben, wo ich nicht bekannt war, wo ich nur eins von vielen Sklavenmädchen war.

»Du hast Arbeit in der Küche«, hatte Bosk aus Port Kar erwidert. Und ich war zu Publius zurückgekehrt.

Es wird nun Zeit für mich, meinen Bericht abzuschließen. Ich habe ihn auf Befehl meines Herrn Bosk niedergeschrieben. Vieles von dem, was ich erlebt und geschildert habe, begreife ich nicht — in der Weise, daß ich gewisse Hintergründe nicht erkenne oder nicht weiß welche Erkenntnisse andere, besser Unterrichtete aus meinem Text gewinnen mögen. Aber ich habe alles niedergeschrieben, was mir in den Sinn kam, und sicher offen und ehrlich. Mein Herr hat befohlen, daß ich mich so äußere. Als goreanisches Sklavenmädchen wage ich diesen Befehl nicht zu mißachten. Außerdem hat er mir befohlen, auch meine Gefühle offen darzulegen, weil er in seiner Freundlichkeit vielleicht annimmt, daß mir das guttut. Ich habe mich bemüht, dem ebenfalls zu entsprechen.

Ich bin jetzt zufriedener als zuvor, obwohl ich Bosk noch von Zeit zu Zeit bitte, verkauft zu werden. Ich habe erfahren, daß Rask aus Treve tatsächlich nach Port Kar kam, um mich zu finden, und das hat mir große Freude bereitet, obwohl sich dieses Gefühl nun mit Bitterkeit und Traurigkeit vermischt, denn ich werde ihm nie wieder gehören. Auf dem Platz vor dem Saal des Kapitänsrats stellte Rask aus Treve sich vor Bosk aus Port Kar hin und verlangte meine Auslieferung. Bosk, so erfuhr ich, setzte meinen Preis auf zwanzig Goldstücke fest, damit er als Kaufmann auch seinen Profit von mir hätte. Aber Rask aus Treve kaufte keine Frauen. Mein Preis hätte eine Pfeilspitze oder eine kupferne Tarnmünze sein können — seine Antwort wäre dieselbe gewesen. Er nimmt sich seine Frauen, er kauft sie nicht. Aber ich fürchte, daß ich bei Bosk aus Port Kar vor Rask sicher bin. Bosk soll ein gefürchteter Meister mit dem Schwert sein, und sein Haus ist befestigt, und es gibt darin einige hundert Männer, die sich mit ihren Waffen und Ihrem Leben ihm verschworen haben. Dieses Haus hat vor zwei Jahren einer Belagerung von vielen tausend Soldaten widerstanden, zur Zeit des Streits zwischen den Ubars und dem Kapitänsrat und zur Zeit der großen Schlacht zwischen der Flotte Port Kars und der aus Tyros und Cos, am 25. Se’Kara 10.120 Contasta Ar, seit der Gründung Ars. Und gewiß wird Rask aus Treve seine Tarnkavallerie nicht in das ferne Port Kar bringen, nur um ein einfaches Sklavenmädchen zu befreien, eine Handlungsweise, die einen langen und blutigen Kampf heraufbeschwören würde. Leider bin ich sicher in diesem Haus. Es ist mein Heim geworden — und mein Gefängnis. Als Rask aus Treve verlangte, ich solle ihm ausgeliefert werden, zog Bosk, mein Herr, seine Klinge und zeichnete auf das Pflaster des Platzes das Zeichen der Stadt Ko-ro-ba. Rask aus Treve drehte sich mit wirbelndem Umhang um und ging fort.

Auf Befehl Bosks darf ich nun wieder im großen Saal servieren. Doch nachts legt mir Publius noch immer die doppelte Kette an. Er ist ein vorzüglicher Küchenmeister und liebt seinen Kapitän Bosk aus Port Kar. Ich habe nichts gegen seine Vorsicht.

Meine Erzählung ist nun zu Ende. Jede Nacht muß ich zur neunzehnten Stunde in die Küche zurückkehren, um angekettet zu werden. Vorher gehe ich noch einmal über die Deltamauer des Hauses von Bosk. Ich schaue über die Sümpfe, die im Licht der drei goreanischen Monde zauberhaft aussehen.

Und ich denke an Rask aus Treve.

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