15

»Ute!« rief ich überrascht.

Der Wächter stieß mich so heftig, daß ich vor ihr in den Sand fiel. Entsetzt blickte ich zu ihr auf. An der Schläfe, dort wo ich sie mit dem Stein getroffen hatte, war die Haut noch verfärbt.

»Ich dachte . . .«, flüsterte ich.

Sie stand vor dem langen niedrigen Schuppen, dessen Tür offenstand. Ich hatte ihn für ein Vorratsgebäude gehalten, doch ich erkannte nun, daß es sich um einen Schlafraum für Sklavinnen handelte. Wahrscheinlich sollte ich hier unterkommen.

»Du trägst einen Kragen«, sagte Ute.

»Ja«, flüsterte ich.

Ich kniete mit gesenktem Kopf vor ihr im Sand.

»Ich bin am ersten Tag meiner Gefangenschaft Rask in die Hände gefallen«, sagte Ute. »Plötzlich stand er vor meinen beiden Häschern und sagte: ›Ich bin Rask aus Treve. Ergebt ihr euch ? Die beiden wählten das Leben und ließen ihre Waffen stecken. Rask vertrieb ihre Tarns und verschwand mit mir aus dem Lager. Die Wanderung zurück zu Haakon wird lang werden für die beiden. Rask aus Treve brachte mich in dieses Lager, wo er mich zu seiner Sklavin machte.« »Du trägst das Armband der Ersten Arbeitssklavin«, sagte ich »Die oberste Arbeitssklavin war kurz vor meiner Ankunft verkauft worden. Die anderen Mädchen waren zerstritten, und da ich neu war und keine Anhängerinnen hatte und da Rask mir aus irgendeinem Grund vertraute, machte er mich zum Ersten Mädchen hier.«

»Soll ich Arbeitssklavin sein?«

»Hast du erwartet, ins Zelt der Frauen zu kommen?« fragt Ute lachend. Ich senkte den Kopf.

»Wie ich höre, wurdest du südwestlich von Rorus gefangengenommen. Du hast also weiter nach meinem Heimatdorf gesucht? «

»Nein!« rief ich.

»Und von dort wolltest du dich zur Insel Teletus durchschlagen, um meine Adoptiveltern aufzusuchen, ja?«

Ute packte mich an den Haaren und zerrte mir den Kopf zurück, damit ich sie ansehen mußte. »Wer hat Ute verraten?« fragte sie. Ich brachte vor Entsetzen kein Wort heraus.

»Wer?« fragte sie und zerrte wild an meinen Haaren. »Ich!« rief ich. »Wertlose Sklavin«, sagte eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und erblickte Rask aus Treve. Schluchzend schloß ich die Augen. »Wie du gesagt hast«, fuhr Rask fort. »Sie ist wertlos. Eine Diebin und Lügnerin.«

»Und doch gibt es viele Arbeiten für eine solche Sklavin«, sagte Ute. »Sorge dafür, daß sie immer genug zu tun hat.« Und mit diesen Worten schritt der Krieger davon.

Ich blickte Ute an und schüttelte den Kopf. »Du hast ihm alles erzählt«, flüsterte ich.

»Er hat mir befohlen, zu sprechen«, erwiderte sie. »Und als Sklavin mußte ich ihm antworten.«

Ich schüttelte den Kopf. »Bin ich wirklich eine Arbeitssklavin — unter deinem Kommando?« »Ja«, sagte sie.

»Ute!« rief ich. »Ich wollte dich nicht verraten! Ich hatte Angst. Verzeih mir!«

»Geh in den Schuppen«, sagte Ute barsch. »Heute abend gibt es Arbeit für dich. Morgen bekommst du zu essen — das ist früh genug.« Weinend stand ich auf und trat in den dunklen Schuppen. Ute verriegelte die Tür hinter mir. In der Dunkelheit alleingelassen, verlor ich plötzlich die Nerven. Ich warf mich zu Boden, hämmerte mit den Fäusten auf die festgetretene Erde. »Ute!« schluchzte ich. »Ute!«

Nach einiger Zeit kroch ich an eine Stelle neben der Tür, hockte mich mit hochgezogenen Knien hin und betastete den Stahlkragen, der sich nackt und glatt um meinen Hals zog. In der Dunkelheit roch ich das goreanische Parfüm, mit dem man mich betupft hatte.


Ute war nicht besonders grausam zu mir, wie ich befürchtet hatte. Sie behandelte mich gerecht, genau wie die anderen Mädchen. Sie schien vergessen zu haben, daß ich sie niedergeschlagen und schmählich an die Sklaventreiber Haakons aus Skjern verraten hatte.

Ich arbeitete viel, doch nicht mehr als die anderen Mädchen. Ute ließ es jedoch nicht zu, daß ich mich drückte. Einige Sklavinnen, die sich bei ihr einschmeicheln wollten, wurden kühl abgewiesen, was mich mit Befriedigung erfüllte. Ute hielt sich von uns zurück. Sie schlief nicht einmal bei uns, sondern im Küchenschuppen. Wir respektierten und fürchteten sie. Wir führten ihre Befehle aus. Und doch mochten wir sie nicht, denn sie war unsere Vorgesetzte.

Oft waren die Tarnreiter Rasks tagelang unterwegs. In solche Zeiten war es sehr ruhig im Lager. Sie gingen ihrem Beruf nach — sie griffen an, plünderten und fingen Sklaven.

Irgendwann rief dann ein Mädchen: »Sie kommen zurück« und wir eilten in die Mitte des Lagers und begrüßten die Zurückkehrenden. Ich selbst ließ mir meine Gefühle nicht anmerken doch auch ich spürte eine gewisse Begeisterung beim Anblick der zurückkehrenden Tarns. Eine großartige Szene! Besonders berührte mich der Anblick des Anführers, des mächtigen, lachenden Rask, dessen Lasso ich gespürt hatte, dessen Kragen ich trug Einmal blickte mich Rask an, als er aus dem Sattel stieg, sah mich inmitten der Arbeitssklavinnen stehen, und ein unbeschreibliche Gefühl erfüllte mich. Ich hob die Hand an den Mund. Wenn die Tarnkämpfer ihre Beute abgeladen hatten, gab es meistens ein großes Fest. Dabei mußte ich oft bedienen, doch wenn es Zeit wurde für die Tänze der Sklavinnen, wurde ich in den Schuppen zurückgeschickt, wo man mich allein einschloß.

»Warum darf ich nie tanzen?« fragte ich einmal. Im nächsten Augenblick hätte ich mir die Zunge abbeißen mögen. Wie hatte Elinor Brinton eine solche Frage stellen können?

»Niemand hat nach dir gefragt«, sagte Ute und schloß mich im Schuppen ein.

Ich lag in der Dunkelheit und hörte von fern die Musik und das Lachen. Niemand hatte nach mir gefragt, niemand wollte mich.

Wie froh ich war, dem wilden Treiben zu entgehen! Ich freute mich, das rauhe Schicksal der anderen Sklavinnen nicht teilen zu müssen. Dennoch kochte ich vor Wut, kratzte Dreck und Steine vom Boden auf und warf damit gegen die Schuppenwände.

Zur vierten oder fünften Stunde kehrten die Mädchen in den Schuppen zurück. Sie lachten und unterhielten sich aufgeregt miteinander. Ich war froh, daß mich niemand wollte, trotzdem weinte ich.

Manchmal kamen Besucher ins Lager, Männer, die Rask in Freundschaft verbunden waren. Im allgemeinen handelte es sich um Kaufleute. Einige brachten Vorräte und Wein. Andere kauften die Beute der Tarnkämpfer auf. Mehrere Arbeitskolleginnen wurden verkauft, und neue Sklavinnen nahmen ihren Platz ein.

Wenn ich es einrichten konnte, ging ich an Rasks Zelt vorbei. Dabei sah ich manchmal ein wunderschönes dunkelhaariges Mädchen in roter Seide, manchmal andere Mädchen in kurzer Seidenkleidung. Offenbar hatte Rask stets eine große Anzahl von Frauen um sich. Er war es seinem Ruf schuldig.

Ich haßte ihn!

Eines Nachmittags kehrten Rask und seine Männer von einem Ausflug in den Norden zurück. Sie hatten das Lager ihres alten Feindes Haakon aus Skjern überfallen.

Zu den erbeuteten Sklavenmädchen gehörten auch Inge und Rena aus Lydius. Ich freute mich sehr, daß ich endlich weitere Bekannte im Lager hatte.

Wie ich verbrachten sie die erste Nacht im Zelt der Frauen, erhielten dann ihren Sklavenkragen.

Wie sehr sich die beiden freuten, unter Utes Kommando gestellt zu werden! Aber Ute behandelte sie genauso hart wie alle anderen, was sie zuerst gar nicht verstanden. Ich führte Rena und Inge und die anderen Neuen schließlich in den Schuppen, wo ich ihnen Arbeitstuniken aus braunem Reptuch aushändigte. Ich hatte diese Kleidungsstücke erst vor einigen Tagen mühsam gewaschen und gebügelt. Dann führte ich die neuen Sklavinnen zurück zu Ute, die die Anweisungen für die Tagesarbeit gab.

Vier Tage nach Ankunft Inges, Renas und der anderen Mädchen kehrten Rask und seine Truppe wieder einmal von einem Beutezug zurück. Wieder herrschte große Aufregung im Lager.

»Mach zuerst deine Arbeit fertig«, sagte Ute.

»Ute!« rief ich.

»Weitermachen!« herrschte sie mich an.

Ich saß hinter dem Küchenschuppen und bügelte. Links von mir lag ein großer Haufen von Arbeitstuniken, die ich am frühen Morgen gewaschen hatte. Das Bügelbrett stand auf zwei Holzblöcken vor mir. In Griffweite hatte ich eine Schale mit Wasser, und über einem Feuer standen auf einer Eisenplatte fünf kleine, flache goreanische Bügeleisen, mit denen ich den Stoff glattstrich.

Von hier aus hatte ich die Landung der Tarns nicht beobachten können. Ich hörte jedoch die Freudenrufe der Mädchen und die lauten Antworten der Männer.

Ein Mädchen rief: »Wie schön sie ist!«

Wahrscheinlich war eine neue Sklavin ins Lager gebracht worden. Wütend drückte ich ein Bügeleisen auf den Stoff. Ich mußte hinter dem Schuppen arbeiten, während die anderen zusehe durften.

Nach und nach ließ der Lärm nach. Die Männer waren abgestiegen und brachten nun bestimmt die Gefangenen in das Zelt der Frauen, während die Mädchen langsam an die Arbeit zurück kehrten.

Ich bügelte weiter.

Etwa eine Viertel-Ahn später merkte ich, daß jemand vor stand. Ich bemerkte zwei schmale, gebräunte Fußgelenke und darüber den knappen Fellanzug eines Panthermädchens.

»Sie scheint dich zu kennen«, sagte Rask aus Treve, als ich die Augen aufriß.

»Wer ist sie?« fragte Verna.

»Eine meiner Sklavinnen«, erwiderte Rask achselzuckend.

»Du kennst mich doch, nicht wahr, Mädchen?«

Ich schüttelte heftig den Kopf.

Verna trug keinen Sklavenkragen. In ihrem Gürtel steckte ein Sleenmesser. Rask stand neben ihr. Sie war offensichtlich frei, war nicht einmal eine Gefangene, geschweige denn eine Sklavin. War sie Gast in Rasks Lager?

»Wir kennen uns, o ja«, sagte Verna. »Zuerst sahen wir vor Targos Lager, nördlich von Laura. Sie hat mich mißhandelt – als ich in Marlenus’ Gewalt war.«

Ich senkte den Kopf.

»Sollen wir sie auspeitschen lassen?« fragte Rask.

»Nein«, sagte Verna. »Sie ist ja nur eine Sklavin.«

»Ich werde besonders auf dich achten, Sklavin«, sagte Rask. »Daß mir keine Klagen kommen! Und jetzt will ich dir den Rest des Lagers zeigen«, wandte er sich an Verna.

Verna sah mich an. »Laß dich nicht stören bei der Arbeit«, sagte sie und ging mit Rask davon.

An diesem Abend schlich ich mich nach dem Essen fort und eilte zum Zelt der Frauen.

»Ena!« flüsterte ich durch die Zeltplane.

Ena kam ins Freie und hockte sich neben mir ins Gras. »Was gibt es?« »Wir haben da eine neue Frau, eine freie Frau im Lager«, sagte ich. »Ja, Verna, ein Panthermädchen aus den Nördlichen Bergen.« »Wie kommt es, daß sie hier ist?« fragte ich.

Ena lächelte. »Komm mit.« Sie führte mich durch das Lager, bis wir zu einem kleinen Zelt kamen. Davor saßen zwei stämmige Jäger an einem kleinen Feuer.

»Die beiden gehörten zu Marlenus’ Jagdgesellschaft!« flüsterte sie. Ich erkannte die Männer, hatte ich sie doch im Kaufmannsfort wie auch auf den Straßen Ko-ro-bas gesehen.

Die beiden wurden von zwei Sklavenmädchen bedient, von Inge und Rena, die an ihrer Aufgabe großen Spaß zu finden schienen. »Das sind Raf und Pron, Jäger aus Treve«, sagte Ena. »Auf Befehl Rasks haben sie sich in Ar eingeschlichen. Sie behaupteten, sie stammten aus Minus, einem Dorf, das Ar untersteht, und stellten sich beim Waidwerk so geschickt an, daß sie Karriere machten und schließlich in das Gefolge des großen Ubar aufgenommen wurden.« Sie lächelte mich an. »Treve hat seine Spione überall.«

»Und die beiden haben Verna befreit«, sagte ich.

»Ja, sie befreiten sie und flohen zu einem vorher vereinbarten Treffpunkt, wo Rask aus Treve und seine Männer warteten, um sie hierherzubegleiten.«

»Aber warum wollten sie Verna befreien?« fragte ich.

»Verna ist als Gesetzlose auf Gor berühmt«, sagte Ena. »Sobald bekannt wurde, daß Marlenus Jagd auf sie machen wollte, gab Rask Befehl, daß Raf und Pron sich bei seinem Gefolge bewerben sollten.« »Aber warum?« fragte ich.

»Damit sie Marlenus seine Beute abnehmen konnten, falls er Erfolg hatte.«

»Den Grund verstehe ich immer noch nicht.«

»Weil die Gefangennahme einer solchen Frau viel Ruhm bringt«, sagte Ena, »und viel Spott, wenn sie dann wieder entkommt.«

»Du meinst, sie ist nur befreit worden, um Marlenus seine Beute vor der Nase wegzuschnappen?«

»Natürlich, denn Ar und Treve sind verfeindet«, sagte Ena. Ihre Augen blitzten, und ich hatte keinen Zweifel, auf welcher Seite ihre Sympathien lagen.

»Ist das nicht ein gewaltiger Schlag für Marlenus?« fragte sie »Ja«, sagte ich.

»Und wie kühn es von meinem Herrn ist, sein Lager mitten im Reiche Ars aufzuschlagen!«

»Ja«, flüsterte ich und spürte zum erstenmal etwas von der Ehre, die diesen mächtigen Kriegern wichtig war.

»Was ist mit den anderen Mädchen aus Vernas Gruppe?« fragte ich. »Die sind bei Marlenus geblieben.«

»Oh«, sagte ich erleichtert.

»Rask aus Treve haßt Marlenus aus Ar«, sagte Ena.

Ich nickte.

»Hast du das dunkelhaarige Mädchen gesehen, das manchmal sein Zelt versorgt?«

»Ja«, erwiderte ich. Sie war eine unglaublich schöne Sklavin, schöner noch als Ena, ein Mädchen mit olivenfarbener Haut einer atemberaubenden Figur. Sie hätte auf jedem Sklavenmark einen Spitzenpreis erzielt.

»Weißt du, wer sie ist?« fragte Ena lächelnd.

»Nein.«

»El-in-or!« rief Ute in diesem Augenblick. »In den Schuppen!« Erschrocken sprang ich auf und hastete durch das Lager, um im Schuppen eingeschlossen zu werden.

Ich sollte bald erfahren, wer das schöne dunkelhaarige Mädchen war. Verna erhielt ihr eigenes Zelt im Lager. Sie aß zumeist mit Rask zu Abend. Oft forderte das Panthermädchen mich an, um sie im Zelt zu bedienen und ihr das Essen zu bereiten. Aber sie war nicht grausam zu mir. Ich gab mir Mühe, ihr unauffällig zu dienen, doch sie ignorierte mich die meiste Zeit. Das war mir recht.

Eines Abends, als Rask mit neuen Gefangenen zurückgekehrte war, feierte Verna zusammen mit ihm in seinem Zelt, und ich erhielt den Auftrag, die beiden zu bedienen. Andere Mädchen hatten das Mahl zubereitet, das für ein Kriegslager bemerkenswert reichhaltig ausfiel und sogar einen Gang Austern enthielt. Ich trug das Essen auf, schenkte Wein nach und hielt die Krüge gefüllt, wobei ich mich nach Möglichkeit im Hintergrund hielt.

Die beiden unterhielten sich über die Jagd und den Krieg und die Nördlichen Wälder, als gebe es mich nicht.

Verna saß mit untergeschlagenen Beinen auf dem Sessel wie ein Mann. Plötzlich warf sie mir eine Auster zu. »Iß, Sklavin!«

Ich gehorchte. Durch ihre Geste bedeutete sie mir, daß ich nun essen könnte.

»Danke, Herrin«, sagte ich.

Rask war gut gelaunt. Er warf mir ein Stück Fleisch zu, das ich hastig hinunterschlang. Dann gab mir mein Herr ein Zeichen, näherzukommen. Ich gehorchte, und er reichte mir seine Weinschale.

»Ich habe eine Überraschung für dich«, sagte Rask zu Verna. »Und das wäre?« fragte sie.

Rask klatschte in die Hände, und vier Musiker traten ein, die draußen gewartet hatten. Sie nahmen Platz. Zwei hatten kleine Trommeln, einer eine Flöte, der vierte ein Zupfinstrument.

Nun klatschte Rask noch mal in die Hände, und das dunkelhaarige Sklavenmädchen stand vor ihm. Ihre olivenfarbene Haut schimmerte im Licht der Lampen. Glöckchen waren an ihren Armen und Fußgelenken befestigt.

»Tanz uns was vor, Talena«, sagte Rask aus Treve.

Das Mädchen begann sich zu bewegen.

»Sie ist gar nicht schlecht«, sagte Verna.

»Kennst du sie?« fragte Rask aus Treve kauend.

»Nein«, erwiderte Verna.

»Sie ist Talena, Tochter des Marlenus aus Ar.«

Verna starrte ihn verblüfft an, begann dann schallend zu lachen und klatschte sich mit den Händen auf die Knie. »Großartig!« rief sie. Die Musik wurde schneller und brannte wie eine Flamme im Körper des Mädchens.

»Schenk sie mir!« sagte Verna.

»Vielleicht«, sagte Rask aus Treve.

»Ich bin ein Feind des Marlenus!« rief Verna. »Überlaß sie mir.« »Auch ich bin sein Feind«, sagte Rask.

»Ich will ihr beibringen, was es bedeutet, in den Nördlichen Wäldern versklavt zu sein!« sagte Verna.

Ich sah die Angst in den Augen des tanzenden Mädchens. Aber sie ging mich nichts an. Sie war eine Sklavin wie ich.

»Ich habe sie bereits gelehrt, was Sklaverei bedeutet«, sagte Rask aus Treve lächelnd.

»Woher hast du sie?« fragte Verna.

»Ich habe sie vor etwa einem Jahr gekauft«, erwiderte Rask »Von einem Händler aus Tyros, der nach Ar reiste, wo er sie gegen eine Belohnung an Marlenus zurückgeben wollte.«

»Was hat sie dich gekostet?«

»Der Händler wurde überzeugt, sie mir kostenlos zu überlassen — ich kaufe nie eine Frau.«

»Großartig!« rief Verna. »Dein Lager liegt mitten im Einflußbereich Ars — und darin hältst du die Tochter deines größte Feindes gefangen, des Ubars von Ar! Großartig!«

Rask klatschte zweimal in die Hände, und die Musik hörte auf »Fort mit dir, Sklavin«, sagte er.

Talena machte kehrt und eilte aus dem Zelt. Rask und Verna blickten ihr lachend nach.

»Heute abend gibt es ein großes Fest«, sagte Rask zu mir. »Du gehst zu Ute und läßt dich von ihr im Schuppen einschließen.«

»Ja, Herr«, sagte ich.

»Warum überläßt du Talena nicht mir?« fragte Verna.

»Vielleicht tu ich’s«, sagte Rask. »Ich muß darüber nachdenken.« Ich verließ das Zelt.

Am nächsten Tag durfte ich zum erstenmal das Lager verlassen. Ich war an ein anderes Mädchen gefesselt, eine Sklavin aus Cos die Techne hieß. Ein Wächter begleitete uns. Wir sollten unseren Ledereimer mit Rambeeren füllen, einer kleinen roten Frucht mit eßbarem Samen. Es freute mich, der Enge der Palisaden zu entkommen. Es war ein herrlich warmer Tag.

Ich hatte Ute oft gebeten, mich auf einen Ausflug außerhalb des Lagers zu schicken, doch ich war nie ausgewählt worden. Heute endlich hatte sie mich benannt, und wir waren nun unterwegs. Ich war glücklich. Außerdem waren zwei weitere Sklavinnen gefangen worden, und es sollte heute abend wieder ein Fest geben. Und zum erstenmal hatte ich Aussicht, daran teilzunehmen. Ich hatte mir nicht anmerken lassen, wie sehr ich mich darüber freute — eine Freude, die ich eigentlich nicht recht verstand! Ich war sicher, daß ich zu den schönsten Mädchen des Abends gehören würde.

Ehe mich Ute zu dem Wächter schickte, der Techne und mich ins Freie führen sollte, hatte sie gesagt: »Sieh dich vor, El-in-or.« Ich hatte nicht verstanden, was sie meinte.

Jetzt zerrte etwas an meiner Halsfessel. »Beeil dich, El-in-or«, sagte Techne. »Wir müssen bald zurück sein. Unsere Eimer sind noch nicht halb voll.«

Techne ärgerte mich. Sie war jung und hübsch, wenn auch an den Kragen noch nicht gewöhnt. Die Sonne schien, und ihre Wärme durchdrang mich.

Wenn weder der Wächter noch Techne in meine Richtung blickten, stahl ich dem Mädchen Beeren und schüttete sie in meinen Eimer. Warum sollte ich so schwer arbeiten wie sie? Schließlich waren unsere Eimer voll, und wir kehrten ins Lager zurück. Der Wächter gab die Eimer an andere Mädchen weiter, die sie in die Küche schaffen sollten. »El-in-or, Techne«, sagte Ute. »Ihr folgt mir.« Wir gehorchten. Sie führte uns zu den Pfosten, an denen Sklavinnen ausgepeitscht werden sollten. Hier mußten wir niederknien. Daneben war ein Feuer, in dem vier Brandeisen ruhten.

Einige Wächter und Sklavinnen lungerten in der Nähe herum. Der Mann, der Techne und mich bewacht hatte, blieb in unserer Nähe. Techne sah sich angstvoll um. Ich war beunruhigt, nahm mich aber zusammen. »Techne«, sagte Ute streng, »hast du Beeren aus El-in-ors Eimer gestohlen?« »Nein! rief sie.

»El-in-or«, wandte sich Ute an mich, »hast du aus Technes Eimer Beeren gestohlen?« »Nein«, sagte ich. Ute wandte sich an den Wächter. »Die erste Sklavin sagt die Wahrheit«, sagte er. »Die zweite lügt.« »Nein!« schrie ich.

Ute sah mich an. »So etwas läßt sich leicht feststellen, El-in-or«, sagte sie. »Manchmal sieht dich der Wächter, manchmal deinen Schatten.« »Nein«, wimmerte ich.

»Du hast mich schon früher dauernd bestohlen«, sagte Ute. »Aber ich hatte den Wächter, der das auch bemerkte, immer Gebeten, dich nicht zu verraten. Doch diesmal hast du eines meiner Mädchen bestohlen, und das kann ich nicht zulassen. Du hast mich immer für so dumm gehalten, daß ich das nicht merke, bist ein widerliches Stück Dreck!«

»Ich werde nie wieder stehlen«, schrie ich entsetzt.

»Ja«, sagte Ute, »das glaube ich dir gern. Hast du Beeren gegessen, El-in-or?«

»Nein!« rief ich.

»Öffne deinen Mund und strecke die Zunge heraus!« befahl sie. »Bitte, Ute!« flehte ich.

»Los, gehorche!« Ich streckte die Zunge heraus.

Die Umstehenden begannen zu lachen.

Ute wiederholte die Prozedur bei Techne.

»Du kannst gehen«, sagte Ute zu Techne, die verängstigt davoneilte. Ute wandte sich an mich. »Und jetzt wirst du gebrandet und ausgepeitscht!«

Wimmernd brach ich in die Knie.

»Überlaß das mir!« sagte eine Stimme hinter mir.

Entsetzt drehte ich mich um. Es war Rask aus Treve.

»Herr!« schluchzte ich und warf mich vor ihm ins Gras.

»Ich habe keine Geduld mehr mit dir«, sagte er, zog einen schweren Handschuh über und nahm ein Brandeisen aus de« Feuer. Der winzige Buchstabe war weißglühend. »Dies ist ein Strafzeichen«, sagte er. »Es brandmarkt dich als Lügnerin.«

Vier Männer hielten mich fest, als er mir das glühende Eisen gegen das Bein preßte. Ich begann zu wimmern, dann zu kreischen »Und dieses Zeichen«, sagte Rask und nahm ein zweites Brandeisen aus dem Feuer, »kennzeichnet dich als Diebin.«

Ich schrie und hörte nicht mehr auf zu schreien, so groß war der Schmerz.

»Und dieses dritte Eisen weist dich als Verräterin aus«, sagte Rask gefährlich leise. Als das glühende Zeichen mein Fleisch berührte, sah ich Utes regloses Gesicht.

Noch immer ließen mich die Männer nicht los.

Rask nahm das letzte Eisen aus dem Feuer. Es enthielt einen größeren Buchstaben, den ich kannte. Es war das Zeichen der Stadt Treve. Wimmernd wandte ich den Kopf und ließ das Branden über mich ergehen.

Schließlich zerrten mir die vier Wächter die Arme über den Kopf und hängten mich an dem Pfosten auf. Meine Füße wurden in dem Ring festgemacht, der im Boden verankert war.

»Holt die Peitsche!« befahl Rask.

Ich hörte die Männer und Sklavinnen lachen. Wimmernd hing ich an meinen Handgelenken, die zu schmerzen begannen. Mein Schenkel schien in Flammen zu stehen. Tränen strömten mir über die Wangen. Ich hustete und konnte kaum atmen.

Plötzlich schien mein Rücken zu explodieren. Ich schrie, aber nichts war zu hören. Ich schien keinen Atem mehr im Leibe zu haben und verlor fast das Bewußtsein. Es war eine unbeschreibliche Qual. Zweimal verlor ich das Bewußtsein, und zweimal wurde ich mit einem Schwall kalten Wassers wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt.

Als schließlich die Schläge aufhörten, hing ich hilflos in meinen Fesseln. Grobe Hände banden mich los, zerrten mich zu dem kleinen eisernen Sklavenkasten und stießen mich hinein. Die Tür knallte hinter mir zu, die beiden Riegel glitten vor, zwei Vorhängeschlösser klickten zu. Ich war eingeschlossen. Ich konnte durch einen Schlitz in der Tür nach draußen sehen. Eine etwas größere Öffnung befand sich weiter unten. Es war dunkel und heiß.

Da fiel mir ein, daß mich eine Sklavin am ersten Tag meines Aufenthalts im Lager gewarnt hatte, ich würde geschlagen und in den Sklavenkasten gesteckt, wenn ich log oder stahl.

Ich stöhnte und ließ mich auf die Seite sinken und zog die Beine an. Elinor Brinton aus New York war erniedrigt worden. Ein kühner Tarnkämpfer, ihr Herr, hatte sie nach den rauhen Gesetzen eines anderen Planeten gezüchtigt.

Ich verlor das Bewußtsein. Als ich erwachte, hatte der Schmerz am Rücken und am Bein noch nicht nachgelassen. Von draußen drangen die frohen Klänge eines Festes herein.

Ich blieb tagelang in dem Sklavenkasten. Die Tür wurde nur geöffnet, um mir zu essen und zu trinken zu bringen. Am fünften Tag wurden mir die Fesseln abgenommen, aber noch immer durfte ich meinen Körper nicht ausstrecken.

In den ersten Tagen bäumte ich mich noch in meinen Fesseln auf, hämmerte gegen die Wände und schrie, streckte die Finger durch die Türschlitze und flehte um Gnade. Ich fürchtete schon wahnsinnig zu werden. Manchmal brachte mir Ute Wasser und Nahrung, doch sie sagte dabei kein Wort.

Erst am achtzehnten Tag kam Ute in Begleitung Inges und Renas zu meinem Gefängnis und öffnete die Tür.

»Löst ihre Fesseln«, befahl Ute.

Als die Tür aufschwang, kroch ich mühsam auf Händen und Knien ins Freie. Dann brach ich vor Schwäche zusammen.

»Wascht die Sklavin«, sagte Ute angewidert zu Inge und Rena Ich schrie vor Schmerz auf, als mich Inge und Rena ausstreckten und mich wuschen. Sie verzogen angeekelt die Gesichter, denn ich stank nach Schweiß und Kot.

Als Inge und Rena fertig waren, trug mich ein Wächter in den Schuppen der Arbeitssklavinnen. Am nächsten Tag blieb ich dort und erhielt Suppe eingeflößt, später leichte Nahrung und Wasser. Als ich wieder einigermaßen zu Kräften kam, war meine erste Aufgabe, den Sklavenkasten zu reinigen. Als ich das erledigt und mich wieder von Kopf bis Fuß gereinigt hatte, erhielt ich endlich wieder die Tunika einer Arbeitssklavin. Am späten Nachmittag wurde ich mit Techne wieder hinausgeschickt, um Rambeeren zu pflücken. Diesmal stahl ich keine Früchte und aß auch nicht heimlich davon.

Man begegnete mir im Lager mit Verachtung und Belustigung. Nun hatte ich nicht nur durchstochene Ohren, sondern trug auch die Straf-Male, Zeichen der Schande.

Zwei Wochen nach meiner Freilassung kam Rask aus Treve in Begleitung Vernas in meiner Nähe vorbei. Ich kniete nieder und neigte den Kopf. Doch sie beachteten mich nicht.

In dieser Zeit hatten die Tarnkämpfer bei ihren Unternehmungen wenig Glück. Sie hatten Verluste, und oft kehrten sie ohne Beute zurück. Ähnlich betrüblich verliefen meine Tage. Ich mußte früh aufstehen und hart arbeiten. Nach dem Abendessen wurde ich im Arbeitsschuppen eingeschlossen, nur um am nächsten Morgen früh wieder herausgerufen zu werden.

Ich arbeitete stumm und konzentriert und unterhielt mich selten mit den anderen Mädchen, die sich auch nicht oft an mich wandten. Obwohl ich meistens in einer Gruppe arbeitete, war ich immer allein. Wenn die anderen bei der Arbeit sangen oder sich die Zeit mit Spiel und Spaß vertrieben, saß ich abseits und machte nicht mit. Ich arbeitete gut, vermutlich zählte ich in Utes Augen zu den besten Sklavinnen. Manchmal, wenn ich fertig war, half ich anderen Mädchen bei ihren Aufgaben.

Ich hatte keine Lust mehr zu lügen oder andere Sklavinnen zu hintergehen. Ich scheute auch nicht mehr vor der Arbeit zurück — dazu fürchtete ich die Peitsche zu sehr und den Schmerz. Ich beugte mich der Gewalt. Außerdem kamen mir meine früheren kleinen Betrügereien heute dumm und kindisch vor, ob ich nun erwischt wurde oder nicht. Ich hatte die Bestrafung verdient, und irgendwie war ich mit mir ins reine gekommen.

Die Verachtung, mit der man mir im Lager begegnete, ließ etwas in mir verhärten. Ich gab mich zurückgezogen und war zufrieden, abends in der Schwärze des Schuppens zu sitzen, geschützt durch die verschlossene Tür.

Nur eins war mir geblieben, ein Punkt, in dem ich Stolz empfand — und das war die Tatsache, daß ich anders war als andere Frauen. Welche Brandzeichen ich auch tragen mochte — ich kannte ihre Schwächen nicht. Ich erinnerte mich an die Szene auf der Lichtung, auf der sich sogar die stolze Verna hilflos unter den hellen Monden Gors gewunden hatte, ihren fraulichen Sehnsüchten hingegeben. Mit der Zeit bildete sich ein Haß auf andere Menschen in mir heraus. Ich hielt mich für stärker als andere Mädchen. Ich wurde arrogant in meiner Tugend, zum Ärger der anderen Sklavinnen, doch das war mir egal. Ich war anders als sie. »Heute abend!« rief Ute fröhlich, »werdet ihr alle bei Tisch bedienen!« Die Mädchen freuten sich.

Heute war ein Überfall Rasks aus Treve zum erstenmal seit Wochen wieder erfolgreich gewesen. Elf Mädchen waren gefangen worden, außerdem gab es reiche Beute. Lachende, blutüberströmte Tarnkämpfer waren aus ihren Sätteln geglitten, ihre Taschen hingen durch unter dem Gewicht des Goldes. Kaufleute brachten Boskhälften und Tarskschenkel ins Lager, dazu Wein und Früchte, Käsesorten und frisches Brot, Nüsse und Blumen, Kerzen und Honig. Große Aufregung herrschte bei allen — ein großes Fest stand bevor.

Ich würde nicht bedienen müssen — wie immer. Ute würde mich einschließen.

Im Schuppen sah ich verächtlich zu, wie sich die anderen auf den Abend freuten. Auf Utes Ruf hin eilten sie ins Freie. Ich brauchte meine Ruhe, denn ich mußte morgen wieder arbeiten.

»El-in-or, komm raus!« rief Ute.

Was wollten sie von mir?

Zögernd stand ich auf und ging nach draußen. Hier stand , Spiegel, davor lagen Kosmetika und Seidengewänder und Tanzglocken. Männer waren nicht zu sehen. Die Mädchen machten sich fertig.

»Zieh dich um!« befahl Ute.

»Nein!« rief ich.

»Los, mach schon!« sagte Ute und wandte sich ab.

Ich zog ein dünnes Seidengewand über und schminkte mich nach Art der goreanischen Sklavin. Das bereitete mir keine Mühe, denn ich war entsprechend trainiert worden.

Mißmutig hielt ich mich im Hintergrund, während die anderen Mädchen ihre Vorbereitungen trafen.

»Du bist nicht unattraktiv«, sagte Ute zu mir.

Sie trat an eine Truhe, in der die Kleider aufbewahrt wurden und nahm einige Glocken heraus, die sie mir um den Hals band. »Etwas fehlt noch«, sagte sie schließlich und trat zurück.

Ich antwortete nicht.

Sie kehrte zur Truhe zurück. Die Mädchen hielten den Atem an. Zwei goldene Ohrringe wurden durch meine Ohrläppchen zogen und festgemacht.

»Und damit die Begeisterung der Männer nicht zu groß wird, das! « Die Mädchen lachten. Ute befestigte einen Streifen weißer Seide an meinem Sklavenkragen.

Dann schickte sie uns in die Mitte des Lagers, wo wir von den Männern begeistert willkommen geheißen wurden.

Wütend folgte ich den anderen zu der Stelle, wo nahe des großen Zelt Rasks die Feier beginnen sollte.

»Wein! Bring mir Wein!« rief der Krieger.

Ich eilte zu ihm und füllte seine Schale.

Die Musik umschwebte mich schwer wie Wein. Es wurde viel gelacht und gebrüllt. Mädchen kicherten oder waren außerhalb des Feuerscheins mit handfesten Vergnügen beschäftigt.

Im Sand vor den Kriegern tanzte Talena.

Am Kopfende der Tafel saß Rask aus Treve und feierte seinen Sieg. An seiner Seite saß Verna, das Panthermädchen, das von den Sklavinnen bedient wurde, als sei sie ein Krieger. Ich beneidete sie um ihre Freiheit, um ihren Stolz.

Der Mann, den ich bedient hatte, wollte nach mir greifen, doch ich entwischte ihm, eilte zu einem anderen, der nach Wein gebrüllt hatte. »Wein!« rief nun auch Verna, und ich schenkte ihr nach.

»Wein«, sagte Rask und hielt mir seinen Kelch hin.

Ich vermochte seinem Blick nicht zu begegnen.

»Sie ist wirklich hübsch«, sagte Verna leise.

»Wein!« rief ein Mann auf der anderen Seite.

Ich sprang auf und eilte zu ihm. Bei ihm angekommen, neigte ich mein Gefäß, doch es war leer. »Lauf Mädchen, hol neuen Wein!« Ich eilte aus dem Lichtschein des Feuers. Dabei stolperte ich über zwei Gestalten, die sich in der Dunkelheit im Gras wälzten und innig mit sich beschäftigt waren. Ich hastete auf den Küchenschuppen zu. Doch ehe ich ihn erreichte, taumelte die Gestalt eines Kriegers auf mich zu. »Ich bin von weißer Seide!« kreischte ich und entwand mich seinem Griff. Er war wütend und stolperte mir nach.

Lautes Geschrei vom Feuer deutete an, daß ein anderes Mädchen nun in den Tanzkreis getreten war. »Kleine Verräterin«, sagte der Mann mit schwerer Zunge. »Ich möchte dich gern tanzen sehen!«

»Ich muß Wein holen«, rief ich und eilte weiter.

»Ute!« flehte ich, als ich mein Gefäß in die große Weintonne tauchte, »schick mich nicht zurück!«

»Nimm den Wein und geh«, sagte sie barsch.

»El-in-or!« hörte ich einen Ruf. »El-in-or, die Verräterin!« »Sie rufen nach dir«, sagte Ute.

»In den Sand!« rief eine Männerstimme. »Tanz für uns!«

»Beeil dich, Sklavin!« drängte Ute.

Mit einem Angstschrei eilte ich zum Feuer zurück. Dort nahm mir ein Mädchen den Weinkrug ab, und jemand stieß mich auf die Sandfläche in der Mitte. Ich bedeckte das Gesicht mit den Händen.

»Tanz für deine Herren, Sklavin!« hörte ich Verna rufen. Die Zecher begannen zu lachen.

Ich streckte Rask flehend die Arme entgegen. Aber er hatte kein Einsehen mit mir.

Die Musik begann, und ich sprang auf und begann zu tanzen. Die Töne waren rauh, melodisch, sinnlich. Ohne es zu begreifen sah ich plötzlich das Staunen in den Augen der Zuschauer. Sie blinzelten mich an und wurden still.

Ich tanzte. Ich war gut trainiert worden in den Gehegen Ko-ro-bas. Nicht umsonst hatten Lana und ich zu den besten Sklavinnen gehört. Meine Füße stampften zum Klang der Glocken im Sand, und mir wurde plötzlich klar, daß ich mit meiner Schönheit Macht besaß, die Macht, Männer zu peinigen.

»Großartig!« hörte ich jemanden flüstern.

Auch die Mädchen schauten gebannt zu.

Ich warf den Kopf hoch. Etwas brach sich in mir Bahn, etwas das ich noch nie empfunden hatte. Ich wollte meine Zuschauer quälen — und ich hatte die Macht dazu! Ich war von weißer Seide und damit in Sicherheit — ich wollte meine Zuschauer leiden sehen.

Als die Musik sich veränderte, beschleunigte auch ich meine Bewegungen, wurde eins mit dem Rhythmus, ein erschrecktes Sklavenmädchen, eine einsame Sklavin, die sich nach ihrem Herrn sehnt. Und ich tanzte erst vor diesem, dann vor jenem Krieger, als suchte ich seinen Schutz, als könnte ich nichts dagegen tun. Mehr als ein Krieger wollte nach mir greifen und schrie dann wütend auf, als ich mich ihm lachend entzog.

Als die Musik ihrem Höhepunkt zustrebte, wandte ich mich kühn meinem Herrn Rask aus Treve zu und tanzte vor ihm. Er schlürfte seinen Wein, sein Gesicht blieb ausdruckslos. Ich tanzte meinen Haß auf ihn, meine Verachtung. Ich tanzte, um ihn zu erregen, in ihm Sehnsucht nach mir zu wecken, und plötzlich merkte ich, daß mein Körper ihm eine Botschaft schickte, die ich selbst kaum verstand, die ich fürchtete. Es war seltsam — es war, als entwickelte mein Körper ein eigenes Leben, als spräche er zu ihm. Und dann war es wieder wie zuvor, und ich empfand nur noch Verachtung und Haß. Er schien amüsiert zu sein, und ich war wütend Als ich fertig war, fiel ich frech in die Knie und neigte den Kopf. Es gab großen Beifall, und ich wurde fortgeschickt. Inge und Rena waren als nächste an der Reihe, während ich in die Dunkelheit eilte.

Am Küchenschuppen befahl mir Ute, mich zu waschen und umzuziehen. Ich gehorchte und wollte mich schlafen legen.

Doch Ute ließ das nicht zu. Ich mußte mich schminken und fertigmachen wie zuvor.

Dann warteten wir. Über zwei Ahn lang saßen wir im Küchenschuppen, bis der Lärm des Festes verstummte und die Krieger in ihre Zelte gingen. Schließlich stand Ute auf und tupfte mir etwas Parfüm hinter die Ohren. Ihr Blick war hart.

»Nein!« rief ich und sah sie entsetzt an. »Nein!«

»Du bist in Rasks Zelt befohlen«, sagte sie.


»Tritt ein«, sagte Rask aus Treve.

Ich war allein mit ihm, als seine Sklavin. »Binde das Zelt hinter dir zu.« Ich gehorchte zitternd. Ein kleines Feuer brannte in der Feuerschale. Ein Weinbehälter hing über den Flammen.

Das Innere des Zelts war mit roter Seide ausgekleidet. Da und dort hingen Tharlarionöllampen und spendeten ein weiches Licht. An den Seiten standen zahlreiche Truhen, Fässer und Säcke, mit der Beute vieler Überfälle gefüllt. Manche Truhen waren geöffnet, und ich sah darin Gold und andere Edelmetalle und schimmernde Schmuckstücke. »Komm näher«, sagte er.

Ich sah ihm in die Augen. Ich trug seinen Kragen. »Gib mir Wein!« Ich wandte mich um, nahm eine kleine Flasche Ka-la-na-Wein an mich, schüttete ihn in eine kupferne Schale und stellte das Getränk auf einen Dreifuß über dem Feuer.

Nach einer Weile nahm ich den erwärmten Wein und brachte ihn meinem Herrn. Ich wußte nicht, wie er seinen Wein wollte — ob warm oder heiß — also wählte ich eine mittlere Temperatur. Er nahm den Kelch und schlürfte. Dann lächelte er.

Als er fast ausgetrunken hatte, bedeutete er mir, neben ihm niederzuknien. Er grub mir seine Finger ins Haar und neigte meinen Kopf zurück. Dann schüttete er mir Wein in den offenen Mund.

»Lauf, El-in-or«, sagte er dann, »und bring den Kelch fort.« Als ich wieder vor ihm kniete, begann das Zelt um mich zu kreisen. Ich spürte den heißen Wein im ganzen Körper. Er hatte mich laufen lassen, damit die Wirkung schneller einsetzte.

»Ich hasse dich!« rief ich plötzlich. Im nächsten Augenblick hätte ich mir am liebsten die Zunge abgebissen. Der Wein löst meine Zunge!

Aber er schien nicht böse zu sein.

»Du hast mich gefangen und zu deiner Sklavin gemacht!« fuhr ich fort. »Du verstehst mich nicht. Ich bin nicht einmal von dieser Welt. Ich bin keine unterwürfige Goreanerin! Ich bin kein hübsches Tier, das du nach Belieben kaufen und verkaufen kannst! Ich bin Elinor Brinton vom Planeten Erde. Auf meiner Welt bin ich eine wichtige Persönlichkeit! Du kannst mich nicht einfach als Sklavin behandeln!« Dann barg ich das Gesicht in den Händen. Was wußte er schon von solchen Dingen? »Ich weiß, daß du von der Erde kommst — als Krieger besitze ich das Zweite Wissen. Erdfrauen sind gute Sklavinnen für die Goreaner!« sagte er.

Ich hielt den Blick gesenkt.

»Und du bist eine Lügnerin und eine Diebin!«

Sein Gesicht war ganz dicht vor dem meinen. Seine Hände hoben meinen Kopf.

Ich begann zu zittern, als seine Finger den Streifen weißer Seide von meinem Hals knoteten.

»Nein!« flehte ich.

»Heb den Kopf, Mädchen!« befahl er. Ich starrte in seine Augen. Noch nie hatte ich einen solchen’ Blick gesehen. Ich kniete vor ihm, allein mit ihm auf seinem Lager, seiner Gnade ausgeliefert.

Dann nahm er mich in seine Arme und ließ sich mit mir auf seine Felle sinken. Das Zelt begann über mir zu kreisen. Ich wollte schreien, doch er verschloß mir den Mund und drang in mich ein.

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