16

»Kettet sie unter den goreanischen Monden an«, hatte Verna gesagt sagt, und Rask hatte gelacht.

Ich zerrte an der Kette, die mein linkes Fußgelenk umschloß. Ich lag auf dem kleinen Grashügel in einem entlegenen Teil des Lagers und war an den Ring gekettet, den ich bei meinem Rund-gang schon einmal gesehen hatte. Einige Meter entfernt sah ich die Rückseiten von Zelten. Die Monde waren noch nicht aufgegangen. Nachdem ich meine Tagesarbeit verrichtet hatte, hatte ich atemlos gehofft, wieder ins Zelt Rasks gerufen zu werden.

Rask hatte jedoch den ganzen Tag kaum Notiz von mir genommen. Im Gegensatz zu gestern nacht.

Ich lag auf dem Rücken und erinnerte mich an jede Sekunde in seinem Zelt, als er bei mir gelegen hatte, eng an mich geschmiegt, wieder und immer wieder.

Erst im Morgengrauen hatte er mich zurück in den Sklavenschuppen geschickt.

Heute abend hatte Rask mit Verna gegessen und sich von mir bedienen lassen. Dabei hatte er mich nicht anders behandelt als zuvor. Es war, als hätte es die letzte Nacht nicht gegeben. Hatte ich alles nur geträumt? Dann hatte er einen Wächter gerufen.

»Heute abend«, sagte Rask zu ihm, »schickst du mir Talena ins Zelt.« »Ja, Herr«, hatte der Wächter gesagt und war gegangen.

Meine Finger hatten sich um den Teller verkrampft, den ich gerade trug, und mir wurde schwarz vor Augen.

»Deine Sklavin scheint nervös zu sein«, sagte Verna lächelnd, und ich senkte den Kopf.

»Sklavin«, fuhr das Panthermädchen fort. »Es heißt, du hast den Mädchen erzählt, du wärst anders als andere Frauen, du hättest ihre Schwächen nicht.«

Ich sah Verna an. Sie wußte, daß ich sie einmal im Wald gesehen hatte, als sie hilflos ihren Sehnsüchten ausgeliefert war. »Ich kann nichts dafür, daß ich so bin«, sagte ich.

»Kette sie unter den goreanischen Monden an«, sagte Verna. Und nun lag ich hier. Ich haßte ihn — und sie noch mehr! Ich war wütend über das, was er mir angetan hatte. Aber ich hatte nicht anders reagieren können. Er hatte in mir Gefühle geweckt, von denen ich nicht erwartet hätte, daß mein Körper sie empfinden könnte. Verzweifelt hatte ich mich an ihn geklammert, eine Höhe des Gefühls erreichend wie nie zuvor, während er meinen Körper beherrschte, mich von einer Ekstase in die andere jagte.

Ich öffnete die Augen. Die Monde stiegen nun über den Palisaden auf und erhellten den nächtlichen Himmel.

Warum hatte er mich nicht zu sich rufen lassen? War er unzufrieden mit mir gewesen?

Ich blickte zu den Monden auf, Tränen in den Augen.

Die Lichter im Lager waren nun erloschen. Da und dort glüht es noch in der Asche der Kochfeuer. In manchen Zelten schimmerte es rot durch die Plane — das Licht der Feuerschalen im Innern. Es war heiß. Die Nachtinsekten zirpten. In der Ferne kreischte ein Tarn.

Ich ballte die Fäuste und schloß die Augen. Wild hämmerte ich mit den Fäusten ins Gras. Was konnte ich tun? Ich war ein Mädchen dessen Sehnsucht unerfüllt war. Ich begann dem Dränge meines Bedürfnisses nachzugeben und mich unter den Monden Gors zu winden, versuchte sie zu ergreifen, drehte mich und begann zu weinen.

Und als ich erschöpft im Gras lag, sah ich plötzlich einen Schatten über mir — Verna, das Panthermädchen, das mich beobachtete!

»Dein Körper scheint sich doch wie der einer Kajira zu bewegen«, sagte sie. »Du bist also nicht wie andere Frauen, wie?«

»Hab Erbarmen mit mir, Herrin!« flehte ich. »Ich habe wohl doch alle Schwächen meines Geschlechts . ..«

»Jetzt sprichst du die Wahrheit, El-in-or.« Ihre Stimme war nicht unfreundlich. »Manchmal muß ein Mann wie Rask aus Treve kommen, um einer Frau ihre Schwächen zu offenbaren. Ich verlasse, heute abend das Lager.«

Ich hob verblüfft den Kopf.

Sie deutete auf eine Gestalt, die einige Meter entfernt kniete. »Ich nehme Talena mit. Rask aus Treve hat sie mir überlasse Ich bringe sie als Sklavin in die Nördlichen Wälder.«

»Aber sie ist Rasks Liebling«, flüsterte ich.

»Nein«, erwiderte Verna und sah mich prüfend an. »Ist es angenehm, sich einem Mann hinzugeben?«

Ich senkte den Blick, beschämt von meiner Freude.

»Vor langer Zeit gab es einmal einen Mann, der mir das hätte bedeuten können, was Rask dir bedeutet«, sagte Verna.

»Was war das für ein Mann?«

»Marlenus aus Ar«, gestand sie. »Und ich beschloß später, ich würde eines Tages feststellen, wer der stärkere von uns beide ist. — Leb wohl, Sklavin!«

Und sie wandte sich zum Gehen.


Rask aus Treve umfing meinen Kopf mit den Händen. Es war fast Morgen.

Wir lagen auf der kleinen Erhebung, in seinen Mantel gehüllt. Wir schwiegen.

Tau glitzerte im Gras, und der Mantel, der sich um uns schmiegte, war auf der Außenseite feucht. Das Licht der ersten Dämmerung legte einen Schimmer über den Hügel. Ich blickte in die Augen Rasks, der mich musterte.

»Wie kommt es, daß du mir so am Herzen liegst?« fragte er. »Ich liebe dich«, flüsterte ich. »Ich liebe dich, Herr!« »Ich verachte dich«, sagte er lächelnd, »und doch wußte ich, daß ich dich besitzen mußte, seitdem ich dich in Ko-ro-ba sah. Kann es sein, daß ich, Rask aus Treve, etwas für eine einfache Sklavin empfinde?« Er ließ es nicht zu,, daß ich ihn küßte, sondern sah lächelnd auf mich herab. »Hast du dich nie gefragt, warum ich dich nie bedienen ließ, wenn die anderen Mädchen an den Festen teilnahmen?«

Ich lächelte ihn an. »Nein, aber ich würde es gern wissen.« »Ich habe dich für mich selbst aufgehoben. Doch als du dann im Tanzring standest, wußte ich, daß ich dich haben mußte.« Seine Hände umklammerten meine Arme. »Du hast unverschämt getanzt, stolz, trotzig, herablassend, verächtlich.«

»Das alles bin ich aber nicht mehr, Herr«, erwiderte ich. »Ich bin jetzt nicht mehr stolz oder hochmütig. Ich liebe dich!«

Lächelnd beugte er sich über mich.

Die Geräusche des frühen Morgens schallten durch das Lager. Es war nun hell geworden. In der Ferne rief Ute ihre Mädchen zusammen. Ein Tarn schrie im Gehege. Ich hörte das Rasseln von Pfannen. Feuer wurden angezündet.

Wir lagen noch immer im Gras. Ich klammerte mich an ihn, meine Wange an ihn geschmiegt. Sanft lag seine Hand über meinem Kopf. »Es ist Zeit, daß du an deine Arbeit gehst, Sklavin«, sagte Rask aus Treve.

»Ja, Herr.«

Aus seinem Beutel nahm er einen Schlüssel und öffnete den schweren Ring, der die Kette an meinem linken Fußgelenk festhielt. Er legte mir seinen Umhang um die Schultern. »Geh zum Schuppen und hol dir eine Tunika.«

Ich kniete vor ihm nieder. »Ich liebe dich!« rief ich. »Verkauf mich nicht! Behalte mich für dich — für immer!« Der Gedanke, daß ich wieder von ihm getrennt werden könnte, war mir unerträglich. Ich blickte ihn gequält an.

»An die Arbeit!« lachte er.

Ich sprang auf und reichte ihm den Umhang zurück, den ich nicht tragen wollte. Was sollten seine Männer denken? Schließlich trug ich Straf-Brandzeichen!

Dann drehte ich mich um und eilte den Hügel hinab zum Schuppen der Arbeitssklavinnen. Ich hatte großen Hunger. Bestimmt hatte mir Ute etwas vom Frühstück zurückgelegt. Ich liebte sie. Wahrscheinlich hatte sie auch ein volles Arbeitspensum für mich — sie zog niemanden vor. Ich war eins ihrer Mädchen. Ich liebte sie — und ich liebte meinen Herrn. Ich drehte mich um. Er beobachtete mich von der Spitze de Hügels aus. Ich lächelte und winkte ihm zu. Er hob die Hand und ich lief weiter und huschte um die Ecke des Schuppens.

»Ich habe dir etwas zu essen aufgehoben«, sagte Ute.

»Vielen Dank, Ute«, erwiderte ich atemlos.

»Iß schnell, denn es gibt heute viel Arbeit für dich!«

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