14

Mein zweiter Tag im geheimen Kriegerlager Rasks aus Treve hatte begonnen.

Als sein Tarn mit heftig schlagenden Flügeln auf der Lichtung zwischen den Zelten landete, hatte es ein lebhaftes Willkommen gegeben. Rask aus Treve war beliebt bei seinen Leuten.

Ich erkannte zwischen den Kriegern zahlreiche Sklavenmädchen, in kurzen Reptuch-Tuniken. Auch sie schienen sich zu freuen Ihre Augen leuchteten. Lachend, die Hände erhoben, ließ Rask die Begrüßung über sich ergehen.

Ich roch gebratenes Boskfleisch. Es war später Nachmittag. Er löste meine Fußgelenke vom Sattelring. Dann löste er die Schlinge, die meine Hände am Sattel festhielt, nahm mich in die Arme und ließ mich vom Rücken des Tarn gleiten. Sanft stellte mich neben dem Tier auf die Füße.

Ich wagte nicht ihn anzuschauen.

»Ein hübsches Exemplar«, sagte die Stimme einer Frau. Sie war unglaublich schön, trug einen Sklavenkragen und war weiß gekleidet in ein knöchellanges, klassisch anmutendes Gewand. Sie trug nicht die kurze Arbeitstunika der anderen Mädchen. Wahrscheinlich war sie das Erste Mädchen im Lager und ich und die anderen Sklavinnen mußten ihr gehorchen. Es ist nicht ungewöhnlich, eine der Sklavinnen den anderen überzuordnen. Männer unterweisen uns nicht in den kleinen Aufgaben. Sie wollen nur, daß die Arbeit getan wird.

»Knie nieder«, sagte die Frau, und ich gehorchte.

Einige Männer murmelten anerkennend.

»Ich sehe, daß sie trainiert ist.«

»Sie ist eine Vergnügungssklavin«, sagte Rask aus Treve, »aber ein armseliges Exemplar. Und sie ist raffiniert und charakterlos, eine Lügnerin und Diebin.«

Ich war außer mir.

Die Frau umfaßte meinen Kopf mit den Händen. »Sie hat durchstochene Ohren«, sagte sie. »Soso, du bist also eine Lügnerin und eine Diebin?« Ich senkte den Kopf. Ich vermochte ihr nicht in die Augen zu schauen. »Sieh mich an!« befahl sie. »Hast du die Absicht, auch in diesem Lager zu lügen und zu stehlen?« fragte sie.

Ich schüttelte heftig den Kopf.

Die Männer lachten.

»Wenn du das nämlich tust«, sagte sie, »wirst du bestraft, und die Strafe wird nicht angenehm ausfallen.«

»Du wirst ausgepeitscht«, sagte ein Mädchen, das in der Nähe stand, »und kommst in den Sklavenkasten.«

Ich wußte zwar nicht, was ein Sklavenkasten war, beeilte mich aber zu versichern, daß ich nicht lügen und stehlen wollte.

»Gut«, erwiderte die weißgekleidete Sklavin.

»Sie ist schmutzig und stinkt«, sagte Rask aus Treve. »Säubert sie.« »Willst du sie selbst übernehmen?« fragte die Frau.

Eine Pause trat ein. Ich senkte den Kopf. »Ja«, hörte ich Rask aus Treve sagen, der sich dann mit den anderen abwandte.

»Komm mit ins Zelt der Frauen«, sagte die Sklavin, und ich folgte ihr. Der Morgen des zweiten Tages im Lager Rasks war angebrochen. Heute sollte ich meinen Sklavenkragen erhalten.

Sklavinnen knieten rings um mich und bereiteten mich auf die Zeremonie vor. Ich schaute durch die Zeltöffnung nach draußen Im Lager herrschte lebhaftes Treiben.

Ena, das Erste Mädchen im Lager, hatte mir erzählt, wie ich förmlich in Rasks Besitz übergehen würde, Mangels einer anderen Heimatstadt sollte ich mich als Miß Elinor Brinton aus New York vorstellen. Ich lächelte vor mich hin. Ein seltsamer Name auf dieser barbarischen Welt. Am Abend zuvor hatten mich die Sklavinnen unter Enas Anleitung gewaschen und gekämmt und mir dann zu essen gegeben. Die Mahlzeit war reichlich ausgefallen — Brot und gebratenes Boskfleisch, Käse und Larmafrüchte. Ausgehungert von den Entbehrungen der Wildnis hatte ich gut gegessen und anschließend sogar einen Schluck Ka-la-na-Wein bekommen.

Ich hatte Angst, aber man hatte mich gut behandelt.

Nach der Mahlzeit hatte Ena zu mir gesagt: »Du kannst dich frei im Lager bewegen, wenn du möchtest.«

Das hatte mich überrascht.

»Du wirst nicht entkommen können«, sagte Ena lächelnd, als sie meinen Blick bemerkte. Sie reichte mir ein Stück Reptuch, das ich mir um den Leib schlang, und schickte mich ins Lager hinauf Wir befanden uns in einem Kriegslager in einer entlegene waldreichen Gebirgsgegend. Wahrscheinlich lag dieses Lager irgendwo im Reiche Ar, vielleicht im nördlichsten Gebiet in den Vorbergen des Voltai-Gebirges. Es war ein typisch goreanische Kriegslager, wenn auch sehr klein. Es hatte ein Gehege, in dem die Tarns angebunden hockten, und Schuppen zum Kochen und Waschen. Viele Krieger waren zu sehen, etwa hundert, die Männer Rasks aus Treve, und dazu etwa zwanzig Mädchen von ausgesuchter Schönheit, die sich um das Kochen, Putzen oder das Polieren der Geschirre und Ledersachen kümmerten. Treve, das war mir bekannt, befand sich offiziell mit mehreren Städten im Kriegszustand, von denen jede der anderen ohnehin mit Mißtrauen begegnete. Rask aus Treve trug auf seine Art den Krieg zum Feinde. Vor einigen Monaten hatte er die Felder und Karawanen Ko-ro-bas heimgesucht und hielt sich nun im Gebiet Ars auf. Er war wirklich ein tollkühner Tarnkämpfer. Wahrscheinlich hätte Marlenus aus Ar viel darum gegeben, die Lage dieses kleinen von Palisaden umschlossenen Lagers zu kennen. Ich genoß die Gerüche und Geräusche des Lagers. Ich sah zu, wie zwei Kriege mit ihren schnellen kurzen Klingen in einem Sandviereck übten. Das Klirren der Schwerter erregte und erschreckte mich, vor allem die Schnelligkeit und Grausamkeit dieser Beschäftigung. Wie mutig ein Mann sein mußte, sich einem anderen so zu stellen, von Angesicht zu Angesicht. Ich hätte so etwas nicht fertiggebracht — ich wäre geflohen. Einen Augenblick lang wünschte ich mich zur Erde zurück, wo es kaum Dinge gab, die eine Frau nicht genauso gut oder besser tun konnte als ein Mann. Aber dann besann ich mich eines anderen — etwas tief in mir war eigentlich ganz zufrieden, daß ich hier war, auf Gor, wo es solche Männer gab.

»Ho!« rief einer der Krieger, und der Kampf war vorbei.

Ich machte kehrt und näherte mich dem Palisadenzaun, der das Lager umgab. Er war fast vier Meter hoch und bestand aus angespitzten Baumstämmen.

Langsam ging ich innen daran entlang. Ich strich mit den Fingern über das Holz, das geglättet worden war. Die Stämme standen dicht beieinander. Ich blickte zu den Spitzen auf. Eine solche Mauer war für mich unüberwindlich. Langsam ging ich daran entlang und bog nur ab, als ich das Tarngehege erreichte, das daran angrenzte.

Bald erreichte ich das Tor.

Auch das Tor bestand aus Baumstämmen, die aber etwas Weiter voneinander entfernt waren. Es handelte sich um eine doppelte Barriere, die geschlossen war, zwei Balken als Riegel davor. Zwischen den Stämmen hindurchschauend, stellte ich fest, daß es weiter draußen noch ein zweites Tor gab und das Lager tatsächlich von einer doppelten Palisadenmauer umgeben war. Die äußere Mauer war innen mit einem Rundgang versehen, der eine Verteidigung ermöglichte. Die innere Wand, hoch und glatt, diente zur Abschreckung der Sklaven. »Mädchen dürfen sich nicht am Tor herumtreiben«, sagte ein Wächter. »Ja, Herr«, erwiderte ich und wandte mich ab.

Ich setzte meinen Rundgang fort. An einer Stelle fand ich eine winzige Tür, kaum fünfzig Zentimeter hoch. Sie war gerade groß genug, daß ein Mensch hindurchkriechen konnte. Zwei schwere Ketten und ein Schloß sicherten sie — und ein Wächter stand in der Nähe.

Ich sah, daß ich die Spitzen der Palisade auch nicht erreichte, wenn ich mich auf die Ketten stellte — meine Finger waren dann noch immer fast einen Meter vom Rand entfernt.

»Weitergehen, Mädchen«, sagte der Wächter.

Ich war verzweifelt. Morgen sollte ich, Elinor Brinton, einen Sklavenkragen bekommen!

Ich sah mir nun auch das Innere des Lagers an. Ich betrachte die Zelte und die Lagerfeuer und die Männer, die sich unterhielten und die Mädchen, die ihrer Arbeit nachgingen.

An einer Stelle stieß ich auf eine grasbewachsene Erhebung. Hier befand sich ein schwerer Metallring im Gras. An einer anderen Stelle entdeckte ich eine waagerechte Stange, an der wohl Fleisch abgehangen wurde. Dicht daneben fand ich einen kleinen Eisenkasten, etwa einen Meter im Quadrat, der vorn von einer kleine Eisentür mit zwei Schlitzen abgeschlossen wurde. Diese Tür war mit zwei schweren Riegeln und einem Vorhängeschloß versehen. Ich fragte mich, was man in einem solchen Kasten aufbewahre mochte.

An einer anderen Stelle stieß ich auf einen langen, niedrige Schuppen aus schweren Balken. Das Gebäude war fensterlos. Seine schwere Plankentür hatte zwei Riegel und zwei Vorhängeschlösser. Vermutlich handelte es sich um einen Vorratsraum.

Dann näherte ich mich der Mitte des Lagers.

Hier entdeckte ich ein langes, flaches Zelt aus roter Leinwand mit acht Pfosten. Drinnen sah ich seidene Trennwände. Das Bauwerk war so niedrig, daß man nur zur Mitte hin aufrecht stehen konnte. In einem Behälter brannte ein kleines Kohlenfeuer, und über den Flammen ruhte eine metallene Weinflasche. Die Krieger aus Treve, so hatte ich erzählen hören, lieben warme Weine, Wahrscheinlich trank auch Rask aus Treve seinen Wein auf diese Art. Weiche Teppiche bedeckten den Boden, und an den Zeltpfosten hingen Tharlarionöllämpchen aus Messing. Ich fragte mich wie es sein mochte, in einem solchen Zelt den Wünschen seines Herrn unterworfen zu sein.

»Wessen Zelt ist das?« fragte ich ein vorbeigehendes Sklavenmädchen. »Sei doch kein Dummerchen, Kajira«, sagte sie. »Das ist Rasks Zelt.«

Ich hatte die Antwort natürlich gewußt.

Vor dem Zelt hockten zwei Wächter im Gras.

»Verschwinde«, sagte einer und stand auf.

Ich drehte mich um und eilte zum Zelt der Frauen zurück. Dort warf ich mich weinend auf einen weichen Teppich.

»Ich will keine Sklavin sein!« schluchzte ich.

Ena beugte sich über mich. »Es ist nicht leicht«, sagte sie. »Ich habe gehört, daß Rask aus Treve ein harter Herr sein soll«, schluchzte ich.

Sie lächelte und sagte: »Das ist richtig.«

»Es heißt auch, daß kein Mann auf Gor eine Frau so erniedrigen kann wie er.«

»Ich bin von ihm nicht erniedrigt worden«, sagte Ena. »Wenn er sich so etwas aber in den Kopf setzte, könnte ich mir vorstellen, daß er das recht gut fertigbrächte.«

Ich musterte sie angstvoll. »Es heißt, er gebraucht jede Frau nur einmal und anschließend verkauft er sie.«

»Ich bin viele Male mit ihm zusammengewesen«, sagte Ena. »Rask aus Treve ist kein Wahnsinniger.« Sie lächelte. »Als Rask mich gefangennahm, war ich frei. Und in seinen Armen wurde ich zur Sklavin. In den Armen eines Mannes wie er wird sich jede Frau wie eine Sklavin fühlen.«

»Ich aber nicht!« rief ich.

Sie lächelte nur.

Ich wollte mehr über den Mann wissen, der mich gefangen hatte, der mich hilflos in seinen Sattel gezogen hatte und der mir morgen seinen Kragen umlegen wollte.

»Man erzählt, daß es Rask aus Treve sehr auf Frauen abgesehen hat, und sie verachtet.«

»Er mag uns«, lächelte Ena, »das stimmt.«

»Aber er verachtet uns auch!« rief ich.

»Rask aus Treve ist ein Krieger«, sagte sie. »Für solche Männer steht eine Frau nicht auf gleicher Stufe.«

»Das werde ich nicht dulden!« rief ich.

»Hitzköpfige kleine Kajira«, sagte Ena lachend.

Ich war wütend und frustriert. Ich wollte nicht nur ein Sex-Objekt sein! »Ich hasse die Männer!«

Ena musterte mich zweifelnd. »Ich frage mich, ob Rask aus Treve seine Freude an dir haben wird. Dabei ist er ein Mann, dem jede Frau zu Gefallen sein will. Du wirst das auch noch merken. Ob es dir gelingt, weiß ich nicht. Rask aus Treve ist ein erfahrener Liebhaber. Er kennt viele Frauen.«

»Wenn ich es wollte, könnte ich ihm bestimmt gefallen.« »Vielleicht«, sagte Ena. »Du bist ein sehr trotziges Mädchen. Aber nun mußt du ruhen. Morgen ist ein anstrengender Tag.«

Ich kniete auf dem roten Teppich im Zelt der Frauen. Die Mädchen hatten mich gewaschen und kämmten mich jetzt. In lange Strichen fuhr der breite Hornkamm durch mein Haar.

»Bist du nicht aufgeregt?« fragte das Mädchen, das den Kamm führte. Ich brachte kein Wort heraus.

»Kennst du deine Rolle bei der Feier?« fragte Ena nicht zum erstenmal. Ich nickte wortlos. Ich hatte Angst.

Ich roch das Parfüm, mit dem man mich betupft hatte. Es duftete herrlich. So etwas hätte ich auf der Erde niemals kaufen können. Eine Viertel-Ahn verging, ohne daß etwas passierte.

»Vielleicht hat er heute keine Zeit«, sagte eines der Mädchen. Eine Sklavin, die am Zelteingang Ausschau gehalten hatte fuhr plötzlich auf. »Macht sie fertig!« rief sie.

»Steh auf«, befahl Ena.

Die Mädchen brachten ein langes Kleid aus schimmernder Seide. Hinter mir drehte eine Sklavin mein Haar zu einem lange Zopf zusammen und steckte ihn mit einer Nadel fest. Der Umhang wurde mir über die Schulter gelegt.

»Du bist sehr hübsch«, sagte Ena leise.

Ich starrte sie entsetzt an, doch im nächsten Augenblick zog mir jemand die Kapuze des Seidengewands über den Kopf.

»Sie sind fertig«, sagte das Mädchen am Eingang.

»Führt sie hinaus«, befahl Ena.

Ich wurde durch das Lager geleitet, und da und dort schlossen sich Männer und Sklavinnen dem kleinen Zug an. Ich erreichte die Lichtung vor Rasks Zelt. Er wartete bereits. Ich wurde vor ihn hingeführt und sah ihn furchtsam an.

An seinem Gürtel steckte eine Sklavenfessel; sie bestand aus flachem, biegsamem Leder, wie Tarnkämpfer sie benutzen, um Gefangene zu sichern.

Rask und ich sahen uns an, dann trat er vor mich hin. Mit einer Hand schob er meine Kapuze zurück. Ich blickte ihn starr an.

»Unterwirf dich«, sagte er.

Und ich konnte ihm nicht widersprechen.

Ich fiel vor ihm auf die Knie, wobei ich mich auf die Hacke setzte, und streckte ihm mit überkreuz gehaltenen Handgelenke die Arme entgegen — die klassische Geste der Unterwerfung auf Gor. »Ich, Miß Elinor Brinton aus New York, unterwerfe mich dem Krieger Rask aus der Hohen Stadt Treve.«

Kaum hatte ich die Worte gesprochen, als meine Handgelenke zusammengebunden wurden. Als ich aufblickte, nahm er einem Krieger einen Gegenstand ab. Es war ein geöffneter Sklavenkragen. Er hielt mir das Gebilde hin.

»Lies mir den Text vor«, sagte Rask.

»Ich kann nicht lesen«, flüsterte ich.

»Sie kennt unsere Schrift noch nicht«, sagte Ena.

»Unwissende Barbarin!« hörte ich ein Mädchen lachen.

Ich war beschämt und betrachtete die winzigen eingravierten Buchstaben, die ich nicht zu lesen vermochte.

»Lies es ihr vor«, wandte sich Rask an Ena.

»Hier steht«, sagte Ena, »>Ich bin Eigentum von Rask aus Treve.‹« Ich schwieg.

»Verstehst du das?« fragte Ena.

»Ja«, sagte ich. »Ja!«

Mit beiden Händen streckte er jetzt den Kragen vor, hielt ihn mir um den Hals. Ich schaute zu ihm auf. Sein Blick war spöttisch, leicht amüsiert, in meinen Augen stand die nackte Angst. Im nächsten Augenblick schnappte der Kragen mit lautem Klicken zu, und die Mädchen und Männer ringsum stimmten ein Freudengeschrei an. Sie schlugen sich mit der rechten Hand gegen die linke Schulter.

Ich öffnete die Augen, ohne den Kopf zu heben. Im Schmutz vor mir sah ich Rasks Sandalen.

Er richtete mich auf, eine Hand um meine Arme gelegt. Jetzt trug ich seinen Kragen. Behutsam legte mir Rask die Hände um den Kopf, neigte ihn hoch — unwillkürlich öffnete ich meine Lippen, als wollte ich seinen Kuß empfangen. Doch er beugte sich nicht vor. Vielmehr hielt er mich von sich ab.

»Steckt sie in eine Arbeitstunika und schickt sie in den Schuppen.«

Загрузка...