Erste Berührung mit den Nordmännern

Ich sah mit eigenen Augen, wie die Nordmänner (Tatsächlich lautete Ibn Fadlans Bezeichnung für sie »Rus«, was der Name dieses speziellen Stammes der Nordmänner war. Im Text nennt er die Skandinavier manchmal bei ihrem speziellen Stammesnamen, und manchmal erwähnt er sie unter dem Oberbegriff »Waräger«. Unter Historikern ist der Begriff »Waräger« heute den skandinavischen Söldnern in Diensten des byzantinischen Reiches vorbehalten. Um Verwirrung zu vermeiden, werden in dieser Übersetzung stets die Begriffe »Nordmänner« und »Normannen« verwandt.) mit ihren Waren eingetroffen waren und ihr Lager entlang der Wolga aufschlugen. Niemals habe ich ein so riesiges Volk gesehen: Sie sind allesamt so groß wie Palmen und besitzen eine gesunde und rötliche Gesichtsfarbe. Sie tragen weder Wams noch Kaftan, sondern die Männer unter ihnen tragen ein Gewand aus grobem Tuch, welches über die eine Seite geworfen wird, so daß eine Hand frei bleibt. Jeder Nordmann führt mit sich eine Axt, einen Dolch und ein Schwert, und ohne diese Waffen sind sie nie zu sehen. Ihre Schwerter sind breit, mit gewelltem Blatt und von fränkischer Machart. Von den Spitzen der Fingernägel bis zum Halse ist ein jeglicher Mann von ihnen tätowiert mit Abbildungen von Bäumen, Lebewesen und anderen Dingen.

Die Frauen tragen, an ihrer Brust befestigt, einen kleinen Kasten aus Eisen, Kupfer, Silber oder Gold, gemäß dem Besitz und Reichtum ihrer Gatten. An dem Kasten befestigt tragen sie einen Ring und auf diesem einen Dolch, alles an ihrer Brust angebracht. Um ihren Hals tragen sie Gold- und Silberketten. Sie sind die schmutzigste Rasse, die Gott jemals erschuf. Sie wischen sich nach dem Stuhlgang nicht ab oder waschen sich nach einem nächtlichen Erguß nicht, so als ob sie wilde Esel wären.

Sie kommen aus ihrem eigenen Lande, ankern mit ihren Schiffen auf der Wolga, welche ein großer Fluß ist, und errichten an ihrem Ufer große hölzerne Häuser. In jedem solchen Hause leben zehn oder zwanzig, mehr oder weniger. Jeder Mann besitzt eine Ruhestatt, wo er mit den schönen Mädchen sitzt, die er zum Verkauf bei sich führt. Es ist durchaus möglich, daß er sich einer erfreut, derweil ein Freund zusieht. Mitunter sind mehrere von ihnen im nämlichen Augenblick dergestalt beschäftigt, ein jeglicher unter den Augen der anderen.

Hin und wieder begibt es sich, daß ein Kaufmann ein Haus aufsucht, um ein Mädchen zu erstehen, und dessen Herrn dergestalt in seiner Umarmung findet, von welcher er nicht abläßt, bevor er vollends seinen Willen hatte; darin wird nichts Bemerkenswertes gefunden. Jeden Morgen kommt eine junge Sklavin und bringt einen Zuber Wasser und stellt ihn vor ihren Herrn. Er schickt sich an, Gesicht und Hände zu waschen und dann sein Haar, welches er über dem Behältnis kämmt. Daraufhin schnauzt er seine Nase und speit in den Zuber und befördert, ohne Schmutz zurückzulassen, alles in das Wasser. Wenn er fertig ist, trägt das Mädchen den Zuber zu dem Mann neben ihn, welcher desgleichen tut. Dergestalt trägt sie den Zuber weiter vom einen zum andern, bis ein jeglicher unter denen, welche sich im Hause befinden, seine Nase geschnauzt hat und in den Zuber gespien und sein Gesicht und Haar gewaschen. Dies ist das übliche Brauchtum unter den Nordmännern, wie ich mit eigenen Augen gesehen habe. Doch zum Zeitpunkt unseres Eintreffens bei ihnen herrschte unter dem Riesenvolke Zwietracht, welche folgenden Ursprunges war:

Ihr oberster Häuptling, ein Mann mit Namen Wyglif, war erkrankt und ward mit Brot und Wasser in ein Siechenzelt fernab des Lagers gebettet. Niemand nahte oder sprach mit ihm oder besuchte ihn in der ganzen Zeit. Keinerlei Sklaven hegten ihn, denn die Nordmänner glauben, daß ein Mann aus eigener Kraft von jeglichem Siechtum genesen muß. Viele unter ihnen glaubten, daß Wyglif niemals zu ihnen ins Lager zurückkehren, sondern statt dessen sterben würde.

Nun war einer aus ihrer Mitte, ein junger Edler namens Buliwyf, auserkoren, ihr neuer Anführer zu sein, doch ward er nicht anerkannt, derweil der sieche Häuptling noch lebte. Dies war der Grund ihres Ungemachs zur Zeit unserer Ankunft. Doch gab es überdies keinerlei Anzeichen von Kummer oder Klagen unter dem an der Wolga lagernden Volke. Die Nordmänner messen der Pflicht des Gastgebers große Bedeutung bei. Sie begrüßen jeden Besucher mit Wärme und Gastfreundschaft, viel Speise und Kleidung, und die Fürsten und Edlen wetteifern um die Ehre der höchsten Gastfreundschaft. Das Gefolge unserer Karawane ward vor Buliwyf geführt, und ein großes Fest ward uns geboten. Über dieses befahl Buliwyf, und ich sah, daß er ein großer Mann war und stark, mit Haut und Haar und Bart von reinem Weiß. Er besaß das Gebaren eines Führers.

In Anerkennung der Ehre des Festes widmete sich unsere Schar mit viel Aufhebens dem Verzehr, doch die Speise war widerlich, und die Festsitten beinhalteten allerlei Umherwerfen von Speis und Trank und viel Gelächter und Fröhlichkeit. Für einen Edlen war es üblich, sich mitten in dem derben Gelage unter den Augen seiner Gefährten mit einer Sklavin zu ergötzen.

Da ich dies sah, wandte ich mich ab und sagte: »Ich erbitte Gottes Vergebung«, und die Nordmänner lachten sehr ob meiner Ungemach. Einer aus ihrer Schar übersetzte für mich, daß sie glauben, ihr Gott betrachte solche freizügigen Freuden mit Wohlgefallen. Er sagte zu mir: »Ihr Araber seid wie alte Weiber, ihr zittert angesichts des Lebens.«

Ich sagte zur Erwiderung: »Ich weile als Gast unter euch, und Allah wird mich zur Rechtschaffenheit führen.« Dies war Anlaß zu weiterem Gelächter, doch weiß ich nicht, aus welchem Grunde sie dies für einen Scherz befanden. Im Brauchtum der Nordmänner wird das kriegerische Leben verehrt. Wahrlich, diese mächtigen Männer fechten unentwegt; sie befinden sich niemals im Frieden, weder untereinander noch unter anderen Stämmen ihrer Art. Sie tragen Gesänge von ihrer Kriegskunst und ihrem Heldenmut vor und glauben, daß der Tod eines Kriegers die höchste Ehre sei. Auf dem Gelage des Buliwyf trug einer der ihren einen Gesang über Kühnheit und Kampf vor, welcher viel Anklang fand, obgleich wenig Beachtung. Der starke Trank der Nordmänner verwandelt sie bald zu Tieren und streunenden Eseln; mitten in dem Gesang kam es zum Lustergusse und überdies zum Kampf auf Leben und Tod ob eines trunkenen Zankes zweier Krieger. Der Barde ließ bei all diesen Geschehnissen nicht ab von seinem Gesang; wahrlich, ich sah spritzendes Blut sein Gesicht sprenkeln, und doch wischte er es ohne eine Unterbrechung seines Gesanges weg. Dies beeindruckte mich mächtig. Nun geschah es, daß Buliwyf, welcher trunken war wie die übrigen, befahl, ich sollte ein Lied für sie singen. Er war überaus beharrlich. Da ich ihn nicht verärgern wollte, trug ich aus dem Koran vor, wobei der Übersetzer meine Worte in ihrer nordischen Zunge wiederholte. Ich ward nicht besser aufgenommen denn ihr eigener Sänger, und hinterher bat ich um Allahs Vergebung für die Behandlung Seiner heiligen Worte und überdies für die Übersetzung, (Was die Übersetzung des Korans betrifft, sind die Araber stets heikel gewesen. Die ersten Scheiche behaupteten, das heilige Buch könne nicht übersetzt werden, eine Verfügung, die offensichtlich auf religiösen Überlegungen basierte. Doch jeder, der sich an einer Übersetzung versucht hat, wird ihnen aus höchst profanen Gründen beipflichten: Arabisch ist von Natur aus eine stark verknappte Sprache, und der Koran ist in Form einer Dichtung verfaßt und somit noch konzentrierter. Die Schwierigkeiten bei der Übermittlung der wortwörtlichen Bedeutung - nicht zu reden von der Anmut und Eleganz des arabischen Originals -haben dazu geführt, daß Übersetzer ihrem Werk langatmige und kriecherische Entschuldigungen voranstellen. Zugleich handelt es sich beim Islam aber auch um eine aktive und expansive Denkweise, und das zehnte Jahrhundert war eine der Hochzeiten seiner Ausbreitung. Diese Expansion erforderte unvermeidlich Übersetzungen für die neu Bekehrten, und so wurden Übersetzungen angefertigt, wenn auch, vom Standpunkt der Araber aus, nie allzu gerne.) welche ich als gedankenlos empfand, denn in Wahrheit war der Übersetzer selbst trunken.

Wir hatten zwei Tage unter den Nordmännern geweilt, und an dem Morgen, da wir aufzubrechen gedachten, ward uns durch den Übersetzer bestellt, daß der Häuptling Wyglif gestorben war. Ich suchte Zeugnis zu erlangen, was sich darauf zutrug. Zuerst betteten sie ihn für den Zeitraum von zehn Tagen (Dies allein war schon erstaunlich für einen aus einer warmen Klimazone stammenden arabischen Beobachter. Der moslemische Brauch verlangte ein rasches Begräbnis, häufig noch am Todestag, nach einer von ritueller Waschung und Gebet begleiteten Zeremonie.) in sein Grab, über welchem ein Dach errichtet war, bis sie das Zuschneiden und Nähen seiner Kleidung vollendet hatten. Überdies trugen sie seine Habe zusammen und trennten sie in drei Teile. Der erste davon ist für seine Familie; der zweite wird für die Gewänder verwandt, welche sie fertigen; und mit dem dritten erstehen sie starken Trank wider den Tag, da ein Mädchen sich dem Tod anheim gibt und verbrannt wird mit seinem Herrn.

Beim Genuß des Weines ergehen sie sich ihn aberwitzigem Betragen, indem sie ihn trinken Tag und Nacht, wie ich bereits gesagt habe. Nicht selten geschieht es, daß einer mit dem Becher in der Hand stirbt.

Die Familie des Wyglif frug unter allen seinen Mädchen und Pagen: »Wer von euch wird mit ihm sterben?« Darauf antwortete eine von ihnen: »Ich.« Von der Zeit an, da sie das Wort ausstieß, war sie nicht länger frei; sollte sie zurücktreten wollen, so wird es ihr nicht gestattet. Das Mädchen, welches dergleichen sprach, ward danach zwei anderen Mädchen überstellt, welche Wache darob halten mußten, es begleiten, wo immer es hinging, und bei Gelegenheit selbst seine Füße waschen. Die Menschen beschäftigten sich mit dem Toten -schnitten die Kleider für ihn zu und bereiteten alles, was sonst vonnöten war.

Während dieser Zeitspanne gab sich das Mädchen dem Trinken und Singen hin und war fröhlich und heiter. Während dieser Zeit erwuchs Buliwyf, dem Edlen, welcher danach König oder Häuptling sein sollte, ein Nebenbuhler, dessen Name Thorkel lautete. Ihn kannte ich nicht, doch war er häßlich und faul, ein düsterer Mann unter dieser schönen rötlichen Rasse. Er gedachte, selbst Häuptling zu werden. All dies erfuhr ich von dem Übersetzer, denn es gab keinerlei äußeres Anzeichen in den Bestattungsvorbereitungen, daß etwas nicht gemäß dem Brauchtum geschah.

Buliwyf selbst leitete nicht die Vorbereitungen, denn er war nicht von der Familie des Wyglif, und es ist ein Gebot, daß die Familie das Begräbnis bereitet. Buliwyf nahm an der allgemeinen Fröhlichkeit und Feier teil, und er zeigte keinerlei königliches Betragen, mit Ausnahme der Gelage des Nachts, da er auf dem erhöhten Sitze saß, welcher dem König vorbehalten. Dergestalt war der Brauch seines Sitzens: Wenn ein Nordmann wahrhaft König ist, sitzt er am Kopfe der Tafel auf einem großen Steinstuhl mit steinernen Armstützen. Solcherart war der Stuhl des Wyglif, doch Buliwyf saß nicht darauf, wie ein Mann gewöhnlich sitzt. Statt dessen saß er auf einer Armstütze, von welcher er herabfiel, wenn er übermäßig trank oder mit großer Ausgelassenheit lachte. Es war Sitte, daß er nicht auf dem Stuhl sitzen durfte, bis Wyglif begraben war. Ab dieser Zeit über verschwor und besprach Thorkel sich mit den anderen Edlen. Mir kam zu Ohren, daß ich als Zauberer oder Hexer verdächtigt ward, was mich sehr bekümmerte. Der Übersetzer, welcher diese Geschichten nicht glaubte, teilte mir mit, daß Thorkel behauptete, ich hätte Wyglifs Tod verursacht und dafür gesorgt, daß Buliwyf der nächste Häuptling werde; doch wahrlich, ich hatte keinerlei Anteil am einen wie am andern. Nach einigen Tagen suchte ich in Gesellschaft von ibn-Bastu und Takin und Bars aufzubrechen, und doch wollten uns die Nordmänner die Abreise nicht gestatten, sondern sagten, wir müßten bis zum Begräbnis verweilen, und drohten uns mit ihren Dolchen, welche sie stets mit sich führten. Daher verweilten wir.

Als der Tag gekommen war, da Wyglif und das Mädchen den Flammen überantwortet werden sollten, ward sein Schiff am Flußufer zu Lande gezogen. Vier Eckversteifungen aus Birke und anderem Holz waren darum angebracht; des weiteren große hölzerne Figuren in Gestalt menschlicher Wesen. In der Zwischenzeit begannen die Menschen auf und ab zu laufen, wobei sie Worte ausstießen, welche ich nicht verstand. Die Sprache der Nordmänner ist häßlich für das Ohr und schwer zu erfassen. Der tote Häuptling lag mittlerweile fernab in seinem Grabe, aus welchem sie ihn jetzt entfernt hatten. Danach brachten sie eine Ruhestatt, stellten sie in das Schiff und bedeckten sie mit griechischem Goldtuch und Pfühlen aus nämlichem Stoffe. Darauf kam ein altes Weib, welches sie den Engel des Todes nennen, und es breitete die persönliche Habe auf der Ruhestatt aus. Sie war es, welche dem Nähen der Gewänder beiwohnte und aller Ausrüstung. Sie war es auch, welche das Mädchen hinmeucheln sollte. Ich sah das alte Weib mit eigenen Augen. Es war düster, von dicker Gestalt, mit herablassender Miene.

Als sie zum Grabe kamen, entfernten sie das Dach und zogen den Toten heraus. Darauf sah ich, daß er aufgrund der Kälte dieses Landes völlig schwarz geworden war. Neben ihm hatten sie starke Tränke, Früchte und eine Laute ins Grab gelegt; und diese nahmen sie nun heraus. Von seiner Farbe abgesehen, hatte sich der tote Wyglif nicht verändert.

Nun sah ich Buliwyf und Thorkel Seite an Seite stehen und während der Begräbnisfeierlichkeiten viel Aufhebens von ihrer Freundschaft machen, und doch war es offenkundig, daß ihrem Auftreten keinerlei Wahrhaftigkeit innewohnte. Der tote König Wyglif ward nun in Unterzeug, Beinkleider, Stiefel und einen Kaftan aus Goldtuch gekleidet, und auf sein Haupt ward eine Kappe aus Goldtuch, besetzt mit Zobel, gestülpt. Darauf ward er zu einem Zelt auf dem Schiff getragen; sie setzten ihn auf eine gesteppte Decke, stützten ihn mit Pfühlen und brachten starken Trank, Früchte und Basilienkraut herbei, welches sie neben ihn legten.

Dann brachten sie einen Hund herbei, welchen sie entzweischnitten und in das Schiff warfen. Sie legten alle seine Waffen neben ihn und führten zwei Pferde herbei, welche sie hetzten, bis sie vor Schweiß troffen, worauf Buliwyf eines mit seinem Schwert tötete und Thorkel das zweite tötete, und sie schnitten sie mit ihren Schwertern in Stücke und schleuderten die Stücke fort in das Schiff. Buliwyf tötete sein Pferd weniger hurtig, was für diejenigen, welche zusahen, von Wichtigkeit schien, doch wußte ich nicht um die Bedeutung. Zwei Ochsen wurden darauf vorgeführt, in Stücke zerschnitten und in das Schiff geschleudert. Schließlich brachten sie einen Hahn und eine Henne herbei, töteten sie und warfen sie ebenso hinein. Das Mädchen, welches sich dem Tode geweiht hatte, schritt mittlerweile auf und ab und betrat eins nach dem anderen die Zelte, welche sie dort stehen hatten. Der Insasse eines jeden Zeltes lag bei ihr und sagte: »Bestelle deinem Herrn, daß ich dies nur aus Liebe zu ihm tat.« Nun war es spät am Nachmittag. Sie geleiteten das Mädchen zu einem Gegenstand, welchen sie zusammengefügt hatten und welcher aussah wie der Rahmen einer Tür. Sie setzte die Füße auf die dargebotenen Hände der Männer, welche sie über den Rahmen hoben. Sie stieß etwas in ihrer Sprache hervor, worauf sie sie herabließen. Darauf hoben sie sie erneut an, und sie tat wie zuvor. Einmal mehr ließen sie sie herab und hoben sie ein drittes Mal. Darauf reichten sie ihr eine Henne, deren Kopf sie abschnitt und wegwarf.

Ich befrug den Dolmetscher, was sie da getan habe. Er erwiderte: »Das erste. Mal sagte sie: >Schau an, hier sehe ich meinen Vater und meine Mutter<; das zweite Mal: >Schau an, nun sehe ich all meine verblichenen Verwandten dasitzen<; das dritte Mal: >Schau an, dort ist mein Herr, welcher im Paradies sitzt. Das Paradies ist so herrlich, so grün. Bei ihm befinden sich Männer und Knaben. Er ruft mich, also bringt mich zu ihm.<«

Darauf führten sie sie fort zum Schiff. Hier nahm sie ihre zwei Armreifen ab und gab sie der alten Frau, welche der Engel des Todes genannt ward, und ihr oblag es, sie zu morden. Auch streifte sie ihre zwei Fußreifen ab und übergab sie den zwei Dienerinnen, welche die Töchter des Engels des Todes waren. Dann hoben sie sie in das Schiff, doch ließen sie sie noch nicht in das Zelt. Nun traten Männer mit Schilden und Knüppeln vor und reichten ihr einen Becher mit starkem Trank. Diesen nahm sie, sang darob und leerte ihn. Der Dolmetscher teilte mir mit, daß sie sagte: »Hiermit nehme ich Abschied von jenen, die mir teuer sind.« Darauf ward ihr ein weiterer Becher gereicht, welchen sie ebenfalls nahm und zu einem längeren Gesang anhob. Die Alte ermahnte sie, den Becher ohne Zaudern zu leeren und das Zelt zu betreten, wo ihr Herr lag. Zu diesem Zeitpunkt schien es mir, als sei das Mädchen betäubt. Sie tat, als wolle sie das Zelt betreten, als die alte Hexe sie jählings am Haupte ergriff und sie hineinzerrte. In diesem Augenblick hoben die Männer an, mit den Knüppeln auf ihre Schilde einzuschlagen, um den Lärm ihrer Aufschreie zu übertönen, welche die anderen Mädchen entsetzt und abgeschreckt hätten, in Zukunft den Tod mit ihren Herren zu suchen.

Sechs Männer folgten ihr in das Zelt, und ein jeglicher von ihnen hatte fleischliche Gemeinschaft mit ihr erfahren. Darauf legten sie sie an ihres Herren Seite nieder, derweil zwei der Männer ihre Füße ergriffen und zwei die Hände. Die als Engel des Todes bekannte Frau knotete nun ein Seil um ihren Hals und reichte die Enden zweien der Männer zum Ziehen. Darauf stach sie ihr mit einem breitschneidigen Dolch zwischen die Rippen und zog die Klinge voran, derweil die zwei Männer sie mit dem Seile drosselten, bis sie starb.

Die Sippe des toten Wyglif trat nun heran, nahm ein Stück entzündeten Holzes und schritt rückwärts zu dem Schiff und steckte das Schiff in Brand, ohne ein Mal hinzusehen. Der Scheiterhaufen war in Bälde entflammt, und das Schiff, das Zelt, der Mann und das Mädchen und alles weitere wurden hinfortgewirbelt in einem fauchenden Feuersturm. Zu meiner Seite brachte einer der Nordmänner eine Bemerkung bei dem Dolmetscher vor. Ich fragte den Dolmetscher, was gesagt ward, und erhielt dies zur Antwort: »Ihr Araber«, sagte er, »müßt ein dummes Pack sein. Ihr nehmt euren allerliebsten und verehrtesten Mann und werft ihn in die Erde, auf daß er von kriechendem Getier und Würmern vertilgt wird. Wir hingegen verbrennen ihn in einem Augenblick, so daß er auf der Stelle unverzüglich ins Paradies einkehrt.« Und wahrhaftig, bevor eine Stunde verstrichen war, hatten sich Schiff, Holz und Mädchen mit dem Manne zu Asche verwandelt.

Загрузка...