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Viele Gläser Chang später taumelten wir in die Nacht hinaus. Freds und Kunga Norbu zogen ihre Jacken an und wanderten mit einem »Gute Nacht!« und einem »Guten Morgen!« zu ihrem Zelt davon. Ich kehrte zu meiner Gruppe zurück. Es kam mir schon sehr spät vor, war aber erst halb neun.

Als ich dort stand und unser Zeltdorf betrachtete, sah ich, wie ein Licht den Trail von Lukla hinabholperte. Der Mann, der die Taschenlampe trug, kam näher — es war Laure, der Sirdar meiner Gruppe. Er hatte Kunden nach Lukla zurückgeführt und war nun auf dem Rückweg. »Laure!« rief ich leise.

»Hallo, George«, sagte er. »Warum spät jetzt?«

»Ich habe getrunken.«

»Ah.« Obwohl er die Taschenlampe auf den Boden gerichtet hatte, konnte ich leicht sein breites Grinsen ausmachen. »Gute Idee.«

»Ja, du solltest dir auch ein Chang gönnen. Du hast einen langen Tag gehabt.«

»Nicht lang.«

»Klar.« Er hatte den ganzen Tag über verärgerte Kunden nach Lukla zurückgeführt und mußte also mindestens fünfmal so weit marschiert sein wie der Rest von uns. Und jetzt kam er im Licht der Taschenlampe zurück. Dennoch war es für den Sherpa Laure Tenzing wohl kein besonders schwerer Tag gewesen. Als Führer und Yakhirte war er schon sein ganzes Leben in diesen Bergen gewandert, und seine Waden waren so dick wie meine Oberschenkel. Einmal hatten er und drei Freunde aus Jux einen Rekord aufgestellt, indem sie in vier Tagen vom Everest Base Camp nach Katmandu gewandert waren; das sind etwa dreihundert Kilometer, hauptsächlich über sehr unebenes Land. Verglichen damit war das heutige Pensum wohl eher ein Spaziergang zum nächsten Briefkasten.

Das größte Problem waren zweifellos die Kunden gewesen. Ich erkundigte mich danach, und er runzelte die Stirn. »Leute in Hotel gehen, nicht glücklich. Sehr, sehr nicht glücklich. Sie zurückfliegen Katmandu.«

»Gut, daß wir sie los sind«, sagte ich. »Warum trinkst du nicht ein Chang?«

Er lächelte und verschwand in die Dunkelheit.

Ich schaute zu den Zelten hinüber, in denen meine schlafenden Kunden lagen, und seufzte.

Bislang war es ein typischer Videotrek gewesen. Wir waren von Katmandu nach Lukla geflogen. Meine Kunden, die von Hochglanzanzeigen nach Nepal gelockt worden waren, die ihnen versprochen hatten, auf Teufel komm raus Videoaufnahmen machen zu können, hatten im Flugzeug verrückt gespielt, waren durch den Gang gelaufen, hatten sich gegenseitig mit ihren Zoom-Linsen beworfen und so weiter. Sie waren unbändig, bis sie die Landepiste von Lukla sahen, die aus der Luft aussieht wie das Spielzeugmodell einer Skischanze. Ziemlich rasch saßen sie dann auf ihren Plätzen, schnallten sich an und schauten drein, als wollten sie ihr Testament machen — alle bis auf einen molligen kleinen Burschen namens Arnold, der weiterhin wie eine Kegelkugel den Gang auf und ab rollte und sich schließlich ins Cockpit drängte, um den Piloten über die Schultern filmen zu können. »Wir landen in Lukla«, sprach er mit tiefer, betont pathetischer Stimme ins Mikro seiner Kamera, wie der Erzähler eines schlechten Reiseberichts. »Sieht unmöglich aus, aber unsere Piloten sind ganz ruhig.«

Trotz seiner Anwesenheit landeten wir sicher. Leider versuchte dann einer aus unserer Gruppe zu filmen, wie er das Flugzeug verließ, und stürzte schwer die Treppe hinunter. Als ich dann den Schaden begutachtete — ein verstauchter Knöchel —, war Arnold wieder da und beugte sich über uns, um jedes Zucken und Heulen des Opfers für die Ewigkeit festzuhalten.

Eine zweite Maschine flog den Rest unserer Gruppe ein, begleitet von Laure und meiner Assistentin Heather. Wir machten uns auf den Weg. Ein paar Stunden lang ging alles gut — der Trail ist hier gleichzeitig die Hauptverkehrsstraße der Gegend und problemlos zu bewältigen. Und die Aussicht ist ehrfurchtgebietend — das Dudh Kosi-Tal sieht aus wie ein bewaldeter Grand Canyon, nur größer. Unsere Gruppe war beeindruckt, und mehrere Kunden filmten den ganzen Tag über.

Dann senkt sich der Trail zum Ufer des Dudh Kosi, und wir erlebten eine Überraschung. Anscheinend hatte der letzte Monsun den Eisdamm eines flußaufwärts liegenden Gletschersees zerstört, und das Wasser war als alles vernichtende Flut hinabgeströmt und hatte die Brücken, Steige, Bäume, einfach alles, mit sich gerissen. So endete unsere schöne Hauptverkehrsstraße abrupt an einer Klippe über dem zerwühlten Flußbett, und die örtlichen Träger, für die der Trail eine tägliche Notwendigkeit war, hatten sich auf den Hosenboden gesetzt und einen neuen Pfad gebahnt. Sie waren dabei ziemlich clever vorgegangen, doch es gab wirklich keine gute Alternative zu der alten Strecke; und so wand sich der neue Trail über verstreute weiße Felsbrocken im Flußbett, führte über unstabile neue Sandbänke und hob und senkte sich über schlammige Hänge, die man auf den dicht bewaldeten Felswänden freigehauen hatte. Es war eine schwierige Strecke, und selbst erfahrene Trekker hatten ihre Probleme damit.

Unsere Gruppe war entsetzt. Davon hatte nichts in den Anzeigen gestanden.

Die Träger liefen barfuß zur nächsten Teestube voraus, und die Kunden blieben im Schlamm stecken. Sie rutschten aus und heulten. Mehr als einmal wurde die Höhenkrankheit erwähnt, obwohl wir in Wirklichkeit nicht viel höher als Denver waren. Heather und ich liefen hin und her und ermutigten die Müden. Ich trug schließlich drei Videokameras. Laure trug neun.

Als wir schließlich die erste neue Brücke erreichten, sahen wir aus wie beim Rückzug von Moskau. Diese Brücken sind ziemlich hübsche Beispiele hinterwäldlerischer Baukunst; da es in dieser Gegend keine Baumstämme gibt, die lang genug sind, um den Fluß zu überbrücken, nehmen sie vier Stämme, schieben sie in den Fluß und verankern sie mit einem großen Stapel runder Steine. Dann schieben sie vier weitere Stämme von der anderen Seite heran, bis ihre Enden auf denen der ersten vier liegen. Es funktioniert, aber die Brücken wirken nicht gerade vertrauenseinflößend.

Unsere Gruppe musterte diese erste Brücke furchtsam. Arnold tauchte hinter uns auf und kaute auf einer nicht angezündeten Zigarre, während er die Szene filmte. »Die Todesbrücke«, sprach er ins Mikro seiner Kamera.

»Arnold, bitte«, sagte ich. »Verpiß dich.«

Er ging zu dem grauen Gletscherwasser des Flusses hinab. »He, George, glaubst du, ich könnte ins Wasser, um die Überquerung besser filmen zu können?«

»NEIN!« Ich stand schnell auf. »Ein Schritt in den Fluß, und du ertrinkst. Sieh dir die Fluten doch mal an!«

»Na schön, schon gut.«

Jetzt starrte der Rest der Gruppe mich entsetzt an, als sei ihr nicht schon auf den ersten Blick klar gewesen, daß ein Sturz in den Dudh Kosi in der Tat ein sehr fataler Fehler sein würde. Ziemlich viele von ihnen krochen schließlich auf Händen und Knien über die Brücke. Arnold hielt sie alle für die Nachwelt fest und filmte seine eigene Überquerung, indem er sich immer wieder im Kreis drehte, wobei ich jedesmal zusammenzuckte. Insgeheim verfluchte ich ihn; ich war mir ziemlich sicher, daß er genau gewußt hatte, wie gefährlich der Fluß war, und nur sichergehen wollte, daß auch alle anderen es erfuhren. Und kurz darauf — bei der nächsten Brücke, um genau zu sein — forderten die ersten Kunden, nach Lukla zurückgebracht zu werden. Nach Katmandu. Nach San Francisco.

Ich seufzte, als ich daran dachte. Und daran, daß das nur der Anfang war. Eben ein typischer Want To Take You Higher Ltd.-Videotrek. Plus Arnold.

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