Mrs. Bixby und der Mantel des Obersts

Amerika ist das Land der reichen Frauen. Schon jetzt besitzen sie fünfundachtzig Prozent des Nationalvermögens. Bald wird es ihnen ganz gehören. Die Scheidung ist ein lukratives Unternehmen geworden, einfach zu arrangieren, leicht zu vergessen; ehrgeizige Frauen können diesen Weg so oft beschreiten, wie sie Lust haben, und dabei ihren Gewinn ins Ungemessene steigern. Auch der Tod des Ehemannes ist durchaus rentabel, und manche Damen ziehen es vor, sich an diese Methode zu halten. Sie wissen, dass die Wartezeit nicht allzu lang sein wird, denn Überarbeitung und nervöse Belastung werden den armen Teufel bald fertigmachen, sodass er an seinem Schreibtisch stirbt, in der einen Hand eine Flasche mit anregenden Tropfen, in der anderen eine Schachtel mit Beruhigungspillen.

Eine Generation junger Amerikaner nach der anderen nimmt dieses erschreckende Geschehen – mag es nun Scheidung oder Tod heißen – zur Kenntnis, ohne sich im Geringsten abschrecken zu lassen. Je höher die Scheidungskurve steigt, desto eifriger werden sie. Junge Männer heiraten wie die Mäuse, bevor sie trocken hinter den Ohren sind, und viele von ihnen haben mit sechsunddreißig Jahren schon mindestens zwei geschiedene Frauen zu versorgen. Um diesen Damen ein Leben zu bieten, wie sie es gewohnt sind, müssen die Männer arbeiten, als wären sie Sklaven – was sie natürlich auch sind. Und dann, wenn sie das vorzeitige Nahen des Alters spüren, regt sich in ihnen ein Gefühl der Angst, der Enttäuschung. So sitzen sie denn abends gern gruppenweise in Clubs oder Bars zusammen, trinken Whisky, schlucken Pillen und suchen einander mit Geschichtenerzählen zu trösten.

Das Grundthema dieser Geschichte ändert sich nie. Im Mittelpunkt der Handlung stehen immer drei Personen – der Mann, seine Frau und der gewissenlose Kerl. Der Gatte ist ein sauberer, anständiger Mensch, der in seinem Beruf schwer arbeitet. Die Frau ist durchtrieben, hinterlistig, sinnlich und hat unweigerlich ein Techtelmechtel mit dem gewissenlosen Kerl. Der Mann ist viel zu gut, als dass er ihr misstraute. Für ihn sieht es trübe aus. Was wird mit ihm werden? Muss er bis an sein Lebensende als Hahnrei herumlaufen? Alles deutet darauf hin. Aber halt! Durch einen genialen Streich bringt es der Ehemann plötzlich fertig, die Ungetreue mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Sie ist verblüfft, bestürzt, gedemütigt, besiegt. Die Zuhörerrunde in der Bar lächelt still in sich hinein und schöpft aus diesem Phantasiegebilde ein wenig neuen Mut.

Solche Geschichten sind viele im Umlauf, tröstliche Erfindungen aus der Welt der Wunschträume, aber die meisten von ihnen sind entweder so albern, dass es nicht lohnt, sie weiterzuerzählen, oder so gewagt, dass man sie nicht zu Papier bringen kann. Eine jedoch ist dabei, die mir besser erscheint als die anderen, zumal sie den Vorzug hat, wahr zu sein. Sie ist äußerst beliebt bei zwei- oder dreimal gehörnten, trostsuchenden Männern, und falls Sie zu diesen gehören und die Geschichte noch nicht kennen, so werden Sie vielleicht Spaß an ihr haben. Die Geschichte heißt «Mrs. Bixby und der Mantel des Obersts», und hier ist sie:

Mr. und Mrs. Bixby bewohnten irgendwo in New York City eine kleine Wohnung. Mr. Bixby war Zahnarzt und hatte ein durchschnittliches Einkommen. Mrs. Bixby war eine große, kräftige Frau mit feuchten Lippen. Einmal im Monat, immer an einem Freitagnachmittag, setzte sich Mrs. Bixby auf dem Pennsylvania-Bahnhof in einen Zug und fuhr nach Baltimore, um ihre alte Tante zu besuchen. Die Nacht verbrachte sie bei der Tante, und tags darauf kehrte sie nach New York zurück, zeitig genug, um für ihren Mann das Abendessen zu bereiten. Gutartig, wie er war, fand sich Mr. Bixby mit dieser Dauereinrichtung ab. Er wusste, dass Tante Maude in Baltimore lebte und dass seine Frau sehr an der alten Dame hing; es wäre daher höchst unvernünftig gewesen, hätte er den beiden die Freude des monatlichen Zusammenseins verweigert.

«Aber erwarte nur nicht, dass ich dich begleite», hatte er gleich zu Anfang erklärt.

«Natürlich nicht, Liebling», hatte Mrs. Bixby geantwortet. «Schließlich ist sie ja nicht deine Tante, sondern meine.»

Soweit war alles gut.

Allerdings muss gesagt werden, dass die Tante nicht viel mehr als ein bequemes Alibi für Mrs. Bixby war. Im Hintergrund lauerte der gewissenlose Kerl in Gestalt eines als «der Oberst» bekannten Herrn, und unsere Heldin verbrachte den größten Teil ihres Aufenthaltes in Baltimore mit diesem Schurken. Der Oberst war außerordentlich reich. Er lebte in einem entzückenden Haus am Stadtrand, unbehindert von Frau oder Familie, nur mit ein paar treuen und diskreten Dienstboten. In Mrs. Bixbys Abwesenheit vergnügte er sich damit, seine Pferde zu reiten oder an Fuchsjagden teilzunehmen.

So ging es Jahr um Jahr, und nichts störte die Liaison zwischen Mrs. Bixby und dem Oberst.

Sie waren selten zusammen – zwölfmal im Jahr ist nicht viel, wenn man es recht bedenkt –, und so war praktisch nicht damit zu rechnen, dass einer des anderen überdrüssig würde. Im Gegenteil, die langen Pausen zwischen den einzelnen Begegnungen förderten die Zärtlichkeit, und jedes Wiedersehen war ein aufregendes Erlebnis.

«Hallo!», rief der Oberst jedes Mal, wenn er sie in seinem großen Wagen vom Bahnhof abholte. «Ich hatte schon beinahe vergessen, wie entzückend du bist, Liebste.»

Acht Jahre verstrichen.

Kurz vor Weihnachten stand Mrs. Bixby wieder einmal auf dem Bahnhof von Baltimore und wartete auf den Zug, der sie nach New York zurückbringen sollte. Der Besuch, der hinter ihr lag, war besonders erfreulich gewesen, und sie war sehr vergnügt. Das Zusammensein mit dem Oberst wirkte sich übrigens immer vorteilhaft auf ihre Stimmung aus. Er hatte die Gabe, sie so zu behandeln, dass sie sich wie ein Ausnahmegeschöpf vorkam, wie ein zartes exotisches Wesen von ungeheurer Anziehungskraft. Ganz anders dagegen ihr Mann, der Zahnarzt: In seiner Nähe kam sie sich nur wie eine Art ewiger Patient vor, wie jemand, der im Wartezimmer inmitten von Illustrierten sitzt und selten, wenn überhaupt jemals, hereingerufen wird, um die rasche, geschickte Berührung der sauberen, rosigen Hände zu erdulden.

«Der Herr Oberst hat mir aufgetragen, Ihnen dies zu übergeben», sagte eine Stimme neben ihr. Sie drehte sich um und sah Wilkins, den Groom des Obersts, einen dürren Zwerg mit grauer Haut. Er legte ihr einen großen flachen Karton in die Arme.

«Du meine Güte!», rief sie. «Das ist ja ein riesiges Ding! Was ist es denn, Wilkins? Haben Sie einen Brief für mich? Sollen Sie mir etwas ausrichten?»

«Nichts», antwortete der Groom und entfernte sich.

Im Zug brachte Mrs. Bixby den Karton in die Einsamkeit eines Waschraums und verriegelte die Tür. Wie aufregend das war! Ein Weihnachtsgeschenk des Obersts. Sie fing an, die Schnur aufzuknoten. «Bestimmt ein Kleid», sagte sie laut. «Vielleicht sogar zwei Kleider. Oder eine Menge wundervoller Unterwäsche. Nachsehen will ich nicht. Nur nachfühlen und raten, was es ist, welche Farbe es hat und wie es aussieht. Und was es gekostet hat.»

Sie machte die Augen fest zu, hob den Deckel und griff mit einer Hand in den Karton. Obenauf lag Seidenpapier – es war weich und raschelte. Auch ein Briefumschlag oder eine Karte war dabei. Sie kümmerte sich nicht darum und schob die Finger tastend unter das Seidenpapier.

«Mein Gott», rief sie plötzlich. «Das ist doch nicht möglich!»

Sie riss die Augen weit auf und starrte den Mantel an. Dann griff sie hastig zu und hob ihn aus dem Karton. Die dicken Pelzschichten machten ein angenehmes Geräusch, als sie beim Ausbreiten das Seidenpapier streiften. Nun hing der Mantel in seiner ganzen Länge zwischen Mrs. Bixbys erhobenen Armen, und ihr stockte der Atem.

So einen Nerz hatte sie noch nie gesehen. Es war doch Nerz – oder? Ja, natürlich war es Nerz. Aber was für eine herrliche Farbe! Dieses reine Schwarz! Das heißt, sie hielt es für Schwarz, aber als sie mit dem Pelz näher ans Fenster ging, stellte sie fest, dass ein Hauch von Blau darin war, ein tiefes, kräftiges Blau, wie Kobalt. Sie warf einen Blick auf das eingenähte Etikett. Aber da stand nur Wilder Labradornerz. Weiter nichts, weder wo er gekauft war noch sonst etwas. Dafür, sagte sie sich, hat gewiss der Oberst gesorgt. Der alte Schlaufuchs war vorsichtig und hinterließ nie Spuren. Umso besser für ihn. Aber was mochte der Mantel gekostet haben? Sie wagte kaum zu raten. Viertausend Dollar? Fünf? Sechs? Womöglich noch mehr.

Sie musste ihn immerzu anschauen. Die Versuchung, ihn auf der Stelle anzuprobieren, war übermächtig. Rasch zog sie ihren einfachen roten Mantel aus. Ihr Herz klopfte wild, und ihre Augen waren fast unnatürlich geweitet. Gott, wie sich der Pelz anfühlte! Und diese weiten Ärmel mit den dicken, breiten Aufschlägen! Wer hatte denn einmal erzählt, dass man für die Ärmel immer weibliche Felle verarbeite und für alles Übrige männliche? Irgendjemand hatte das behauptet. Vermutlich Joan Rutfield, obgleich nicht einzusehen war, wieso gerade Joan etwas von Nerz verstehen sollte.

Der große schwarze Mantel schien ganz von selbst über sie zu gleiten, wie eine zweite Haut. Du lieber Himmel! Was für ein herrliches Gefühl! Sie betrachtete sich im Spiegel. Phantastisch! Plötzlich war sie ein anderer Mensch. Sie sah blendend aus, strahlend, reich, glänzend, aufregend, begehrenswert, alles auf einmal. Wie eine Königin kam sie sich vor. In diesem Nerz konnte sie überall hingehen, und die Leute würden um sie herumspringen wie Kaninchen. Gar nicht zu sagen, wie schön der Mantel war!

Mrs. Bixby nahm das Kuvert, das noch immer in dem Karton lag, riss es auf und zog den Brief des Obersts heraus:

Du hast einmal gesagt, dass Du eine Vorliebe für Nerz hast, und deshalb habe ich Dir diesen Mantel besorgt. Man hat mir versichert, es sei sehr guter Nerz. Bitte, nimm ihn mit meinen aufrichtigen guten Wünschen als Abschiedsgeschenk, denn aus persönlichen Gründen werde ich nicht mehr in der Lage sein, Dich wiederzusehen. Leb wohl und alles Gute.

Wie denn?

Man stelle sich das vor!

Einfach so, aus heiterm Himmel, gerade jetzt, wo sie so glücklich war.

Kein Oberst mehr.

Was für ein furchtbarer Schock.

Sie würde ihn entsetzlich vermissen.

Langsam strich Mrs. Bixby über den wunderschönen schwarzen Pelz des Mantels.

Was dir der Morgen nimmt, schenkt dir der Abend.

Lächelnd faltete sie den Brief zusammen, in der Absicht, ihn zu zerreißen und aus dem Fenster zu werfen, bemerkte dabei aber, dass auf der Rückseite auch etwas stand:

PS. Am besten sagst Du, es sei ein Weihnachtsgeschenk Deiner netten alten Tante.

Mrs. Bixbys Mund, der sich in einem weichen Lächeln gedehnt hatte, schnappte zurück wie ein Gummiband.

«Der Mann ist verrückt geworden», rief sie. «So viel Geld hat Tante Maude gar nicht. Nie könnte sie mir so etwas kaufen.»

Aber wenn Tante Maude ihn nicht gekauft hatte, wer dann? In ihrer Ungeduld, den Mantel auszupacken und anzuprobieren, hatte sie diesen wesentlichen Umstand ganz übersehen.

In ein paar Stunden würde sie in New York sein, zehn Minuten später zu Hause bei ihrem Mann. Und selbst ein Mann wie Cyril, der in einer dunklen, gleichgültigen Welt von Wurzelkanälen, Backenzähnen und Karies lebte, würde zweifellos einige Fragen stellen, wenn seine Frau plötzlich in einem Sechstausend-Dollar-Nerz von einer Wochenendfahrt zurückkehrte.

Alle Wetter, sagte sie zu sich selbst, ich glaube, das hat der verwünschte Oberst absichtlich getan, um mich zu quälen. Er weiß genau, dass Tante Maude nicht das Geld hat, so etwas zu kaufen. Also ist ihm auch klar gewesen, dass ich den Mantel nicht behalten kann.

Doch der Gedanke, sich von dem Nerz zu trennen, war für Mrs. Bixby einfach unvorstellbar.

«Ich muss den Mantel haben», sagte sie laut. «Ich muss, ich muss ihn haben.» – Schön, meine Liebe. Du sollst ihn ja haben. Reg dich nicht auf. Bleibe ganz ruhig und denke nach. Du bist doch ein kluges Mädchen, nicht wahr? Du hast ihm oft genug ein X für ein U vorgemacht. Dein Mann kann nicht weiter sehen als bis zum Ende seiner Sonde, das weißt du. Setz dich also still hin und überlege. Zeit hast du genug.

Zweieinhalb Stunden später verließ Mrs. Bixby auf dem Pennsylvania-Bahnhof den Zug und eilte zum Ausgang. Sie trug ihren alten roten Mantel und hielt den Pappkarton im Arm. Draußen winkte sie einem Taxi.

«Wissen Sie vielleicht, ob es hier in der Nähe eine Pfandleihe gibt, die noch offen hat?», fragte sie den Chauffeur.

Der Mann hinter dem Lenkrad hob die Brauen und sah Mrs. Bixby belustigt an.

«In der Sixth Avenue sind eine Menge», antwortete er.

«Halten Sie bitte bei der ersten, die Sie sehen.» Damit stieg sie ein, und sie fuhren los.

Bald hielt das Taxi vor einem Laden, über dessen Tür drei Messingkugeln hingen.

«Warten Sie bitte», sagte Mrs. Bixby zu dem Chauffeur und ging in die Pfandleihe.

Auf dem Ladentisch kauerte eine riesige Katze, die aus einem weißen Napf Fischköpfe fraß. Das Tier richtete seine hellgelben Augen auf Mrs. Bixby und wandte sich dann wieder seinem Futter zu. So weit wie möglich von der Katze entfernt, stand Mrs. Bixby da, wartete, dass jemand käme, und betrachtete die Uhren, die Schuhschnallen, die Emaillebroschen, die alten Operngläser, die zerbrochenen Brillen und die falschen Zähne. Warum versetzen eigentlich so viele Leute ihr Gebiss?, fragte sie sich.

«Ja, bitte?» Der Besitzer war unversehens aus dem dunklen Hintergrund des Ladens aufgetaucht.

«Ach, guten Abend», sagte Mrs. Bixby. Während sie die Schnur aufknotete, die um den Karton gebunden war, ging der Mann zu der Katze und streichelte ihren Rücken. Das Tier ließ sich in seiner Beschäftigung nicht stören.

«Mir ist da was Dummes passiert», begann Mrs. Bixby. «Ich habe mein Portemonnaie verloren. Heute ist Sonnabend, bis Montag sind alle Banken zu, und ich brauche dringend Geld fürs Wochenende. Dies ist ein sehr wertvoller Mantel, aber viel Geld will ich darauf gar nicht haben. Nur eine kleine Summe, damit ich mir bis Montag durchhelfen kann. Dann komme ich wieder und löse ihn aus.»

Der Mann wartete schweigend. Als sie jedoch den Nerz hervorholte und den herrlichen dicken Pelz über den Ladentisch breitete, zog er die Brauen hoch, ließ die Katze los und kam näher, um ihn zu begutachten. Er hob ihn auf und hielt ihn ein Stück von sich ab.

«Wenn ich eine Uhr oder einen Ring bei mir hätte», fuhr Mrs. Bixby fort, «dann würde ich Ihnen ja lieber das geben. Aber ich habe tatsächlich nichts als diesen Mantel.» Sie zeigte ihm ihre gespreizten Finger.

«Er sieht neu aus», sagte der Mann und betastete zärtlich das weiche Fell.

«O ja, das ist er auch. Trotzdem möchte ich, wie gesagt, nur so viel haben, dass es bis Montag langt. Vielleicht fünfzig Dollar?»

«Fünfzig Dollar will ich Ihnen leihen.»

«Er ist hundertmal mehr wert, aber ich weiß, Sie werden ihn gut aufheben, bis ich wiederkomme.»

Der Mann öffnete eine Schublade, nahm einen Pfandschein heraus und legte ihn auf den Ladentisch. Der Schein sah aus wie einer jener Gepäckanhänger, die man an Koffern befestigt, er hatte die gleiche Form und Größe und war aus dem gleichen festen bräunlichen Papier. Nur war er in der Mitte perforiert, sodass man ihn auseinanderreißen konnte. Der Aufdruck auf der oberen Hälfte entsprach genau dem auf der unteren.

«Name?», fragte der Mann.

«Lassen Sie ihn weg. Und die Adresse auch.»

Sie sah, dass er stutzte und die Federspitze unschlüssig über der punktierten Linie schweben ließ.

«Sie brauchen doch Namen und Adresse nicht zu notieren, nicht wahr?»

Der Mann zuckte die Achseln, schüttelte den Kopf, und die Federspitze glitt zur nächsten Linie hinunter.

«Mir wäre das nämlich lieber», sagte Mrs. Bixby. «Es ist eine rein persönliche Angelegenheit, wissen Sie?»

«Dann passen Sie aber auf, dass Sie den Pfandschein nicht verlieren.»

«Oh, ich verliere ihn bestimmt nicht.»

«Ist Ihnen klar, dass jeder, der ihn in die Hände bekommt, den Gegenstand abholen kann?»

«Ja, das weiß ich.»

«Nur auf die Nummer hin.»

«Ja, ja, ich weiß.»

«Was soll ich als Beschreibung angeben?»

«Nichts, danke sehr. Eine Beschreibung ist auch nicht nötig. Setzen Sie nur die Pfandsumme ein, das genügt.»

Wieder zögerte die Federspitze, diesmal über der punktierten Linie neben dem Wort «Gegenstand».

«Sie sollten doch lieber eine Beschreibung angeben. Das erleichtert die Sache, wenn Sie den Schein etwa verkaufen möchten. Man kann ja nie wissen.»

«Ich habe nicht die Absicht, ihn zu verkaufen.»

«Vielleicht müssen Sie es mal tun. So was kommt vor.»

«Hören Sie», sagte Mrs. Bixby, «ich sitze nicht auf dem Trocknen, wie Sie zu glauben scheinen. Ich habe mein Portemonnaie verloren. Verstehen Sie das nicht?»

«Machen Sie, was Sie wollen», brummte der Mann. «Es ist Ihr Mantel.»

Plötzlich kam ihr ein unangenehmer Gedanke. «Sagen Sie, wenn keine Beschreibung auf meinem Schein steht, welche Sicherheit habe ich dann, dass Sie mir beim Auslösen meinen Mantel wiedergeben und nicht irgendetwas anderes?»

«Es geht durch die Bücher.»

«Aber ich habe ja nichts als die Nummer. Also könnten Sie mir doch jeden x-beliebigen Plunder andrehen, nicht wahr?»

«Wünschen Sie eine Beschreibung oder nicht?», fragte der Mann.

«Nein», antwortete sie. «Ich vertraue Ihnen.»

Der Mann schrieb «fünfzig Dollar» auf beide Abschnitte des Scheins, riss ihn dann längs der Perforierung durch und schob Mrs. Bixby die untere Hälfte hin. Dann nahm er eine Brieftasche aus seiner Jacke und zog fünf Zehndollarscheine heraus. «Die Zinsen betragen drei Prozent monatlich», sagte er.

«In Ordnung. Und vielen Dank. Sie geben doch gut acht auf den Mantel, ja?»

Der Mann nickte nur.

«Soll ich ihn wieder in den Karton packen?»

«Nein», knurrte er.

Mrs. Bixby drehte sich um, ging hinaus und stieg in das wartende Taxi. Zehn Minuten darauf war sie zu Hause.

«Liebling», sagte sie, während sie sich über ihren Mann beugte und ihm einen Kuss gab, «hast du mich vermisst?»

Cyril Bixby ließ die Abendzeitung sinken und blickte auf seine Armbanduhr. «Es ist zwölf und eine halbe Minute nach sechs», stellte er fest. «Du hast dich etwas verspätet, nicht wahr?»

«Ich weiß. Das liegt an diesen entsetzlichen Zügen. Von Tante Maude soll ich dich wie immer herzlich grüßen. Und jetzt muss ich unbedingt einen Schluck trinken. Du auch?»

Mr. Bixby faltete seine Zeitung zu einem sauberen Rechteck zusammen und legte sie auf die Armlehne des Sessels. Dann erhob er sich und ging zur Anrichte hinüber. Seine Frau blieb mitten im Zimmer stehen, zog ihre Handschuhe aus und beobachtete ihn genau, während sie überlegte, wie lange sie wohl warten müsse. Er kehrte ihr jetzt den Rücken zu, stand ein wenig gebückt, hielt das Messglas für den Gin dicht vor die Augen und starrte hinein wie in den Mund eines Patienten.

Merkwürdig, wie klein er immer nach dem Oberst wirkte. Der Oberst war ein großer, derber Mann und roch, wenn man ihm näher kam, ein wenig nach Meerrettich. Mr. Bixby dagegen war klein, sauber und knochig und roch eigentlich nur nach den Pfefferminzbonbons, die er lutschte, um für seine Patienten reinen Atem zu haben.

«Sieh mal, was ich gekauft habe, um den Vermouth abzumessen», sagte er und hielt einen Glasbecher mit eingravierter Skala hoch. «Damit kann ich das Quantum auf ein Milligramm genau bestimmen.»

«Wie hübsch, Liebling.»

Ich muss ihn dazu bringen, sich anders zu kleiden, sagte sie sich. Noch nie habe ich so etwas Lächerliches gesehen wie seine Anzüge. Früher hatte sie diese Jacketts mit den sechs Knöpfen und den breiten Aufschlägen schön gefunden, aber jetzt kamen sie ihr albern vor. Um so etwas zu tragen, musste man eine besondere Art von Gesicht haben, und eben das hatte Cyril nicht. Sein Schädel war lang, die Nase sehr schmal, das spitze Kinn sprang ein wenig vor, und über dem enganliegenden, altmodischen Jackett wirkte dieser Kopf wie eine Karikatur von Sam Weller. Cyril selbst schien sich allerdings für einen zweiten Beau Brummel zu halten. Wenn er in seinem Sprechzimmer Patientinnen empfing, trug er den weißen Kittel unweigerlich offen, damit die Aufmachung darunter zur Geltung kam; allem Anschein nach hoffte er auf diese Weise den Eindruck zu erwecken, er sei kein ganz ungefährlicher Mann. Mrs. Bixby aber wusste das besser. Das Gefieder war ein Bluff, es hatte nichts zu bedeuten. Sie musste immer an einen alternden Pfau denken, der über den Rasen stolziert und nur noch die Hälfte seiner Federn hat. Oder an eine dieser dummen, sich selbst befruchtenden Blumen – an Löwenzahn zum Beispiel. Löwenzahn braucht nicht befruchtet zu werden, damit er seinen Samen aussät, und all die schönen gelben Blumenblätter sind nur Zeitverschwendung, Prahlerei, Maskerade. Wie nennen es doch gleich die Biologen? Subsexuell. Löwenzahn ist subsexuell. Die Sommerbrut der Wasserflöhe übrigens auch. Wasserflöhe, Löwenzahn, Zahnärzte – das klingt ein bisschen nach Lewis Carroll, dachte Mrs. Bixby.

«Danke, Liebling», sagte sie, nahm den Martini und setzte sich auf das Sofa, ohne ihre Handtasche loszulassen. «Und was hast du gestern Abend gemacht?»

«Ich bin in der Praxis geblieben, habe ein paar Prothesen gegossen und dann meine Bücher in Ordnung gebracht.»

«Wirklich, Cyril, es ist höchste Zeit, dass du solche Arbeiten anderen Leuten überlässt. Für so etwas bist du viel zu schade. Warum gibst du die Prothesen nicht zum Techniker?»

«Ich mache sie lieber selbst. Du weißt, dass ich sehr stolz auf sie bin.»

«Natürlich, Liebling, sie sind ja auch Meisterwerke. Die besten Prothesen der Welt. Aber ich möchte nicht, dass du dich überanstrengst. Warum lässt du nicht deine Miss Pulteney die Rechnungen schreiben? Das gehört doch zu ihrer Arbeit, nicht wahr?»

«Sie schreibt sie ja auch. Aber zuerst muss ich die Preise festsetzen, denn sie weiß nicht, wer reich ist und wer nicht.»

«Der Martini ist ausgezeichnet», sagte Mrs. Bixby und stellte das Glas auf den Tisch. «Ganz ausgezeichnet.» Sie öffnete ihre Handtasche und zog ein Taschentuch heraus, als wollte sie sich die Nase putzen. «Ach, sieh mal!», rief sie beim Anblick des Pfandscheins. «Das hätte ich ja beinahe vergessen. Diesen Schein habe ich vorhin im Taxi auf dem Sitz gefunden. Es steht eine Nummer darauf, und ich habe ihn mitgenommen, weil ich dachte, es wäre vielleicht ein Lotterielos oder so etwas.»

Mr. Bixby nahm das braune Stück Papier, das sie ihm reichte, und betrachtete es eingehend von allen Seiten, so genau, als handle es sich um einen kranken Zahn.

«Weißt du, was das ist?», fragte er langsam.

«Nein, Liebling.»

«Ein Pfandschein.»

«Ein was?»

«Ein Schein von einem Pfandleiher. Hier stehen Name und Adresse der Firma – irgendwo in der Sixth Avenue.»

«Ach herrje, da bin ich aber enttäuscht. Ich habe doch so sehr gehofft, es wäre etwas, worauf man Geld gewinnen könnte.»

«Kein Grund, enttäuscht zu sein», meinte Cyril Bixby. «Vielleicht wird die Sache sogar ganz amüsant.»

«Wieso amüsant, Liebling?»

Er erklärte ihr, was es mit Pfandscheinen auf sich habe, und hob hervor, dass der Überbringer des Scheins den Gegenstand ohne weiteres auslösen könne. Mrs. Bixby hörte geduldig zu, bis er seinen Vortrag beendet hatte.

«Glaubst du, dass sich die Auslösung lohnt?», fragte sie dann.

«Auf jeden Fall lohnt es sich festzustellen, was es ist. Siehst du – da steht fünfzig Dollar. Weißt du, was das bedeutet?»

«Nein, was denn?»

«Es bedeutet, dass der betreffende Gegenstand zweifellos einigen Wert hat.»

«Du meinst, dass er fünfzig Dollar wert ist, nicht wahr, Cyril?»

«Eher fünfhundert.»

«Fünfhundert?»

«Verstehst du denn nicht?», sagte er. «Ein Pfandleiher gibt niemals mehr als ungefähr ein Zehntel des wirklichen Wertes.»

«Du lieber Himmel! Das habe ich nicht gewusst.»

«Du weißt vieles nicht, Kindchen. Jetzt höre zu. Da weder Name noch Adresse des Eigentümers angegeben ist …»

«Aber aus irgendetwas muss doch ersichtlich sein, wem er gehört?»

«Nein, aus gar nichts. Die Leute machen das oft so. Damit niemand erfährt, dass sie beim Pfandleiher gewesen sind, weißt du? Sie schämen sich deswegen.»

«Meinst du, wir können den Schein behalten?»

«Natürlich. Es ist jetzt unser Schein.»

«Mein Schein», sagte Mrs. Bixby energisch. «Ich habe ihn gefunden.»

«Darauf kommt es doch nicht an, liebes Kind. Die Hauptsache ist, dass wir jederzeit hingehen und den Gegenstand nur für fünfzig Dollar auslösen können. Na, was hältst du davon?»

«Ach, das ist wunderbar!», rief sie. «Ich finde es schrecklich aufregend, besonders, weil wir gar nicht wissen, was es ist. Alles kann es sein, nicht wahr, Cyril? Einfach alles!»

«Da hast du recht, obwohl es sich höchstwahrscheinlich um einen Ring oder eine Uhr handelt.»

«Aber wäre es nicht fabelhaft, wenn wir eine richtige Kostbarkeit bekämen? Ich meine etwas wirklich Altes, zum Beispiel eine wunderschöne antike Vase oder eine römische Statue.»

«Was es ist, können wir nicht wissen, meine Liebe. Wir müssen abwarten.»

«Geradezu faszinierend ist das! Gib mir den Schein, ich sause am Montag sofort hin.»

«Das kann ich ebenso gut besorgen.»

«Ach nein!», rief sie. «Lass mich gehen!»

«Warum denn? Ich kann sehr gut auf meinem Weg zur Praxis vorbeifahren.»

«Es ist aber mein Schein! Bitte, Cyril, ich möchte so gern selbst gehen. Weshalb sollst du allen Spaß haben?»

«Du kennst die Pfandleiher nicht, meine Liebe. So ein Kerl ist imstande, dich zu betrügen.»

«Nein, betrügen lasse ich mich bestimmt nicht. Gib mir den Schein, bitte.»

«Du brauchst auch fünfzig Dollar dazu», sagte er lächelnd. «Bevor du den Gegenstand bekommst, musst du bare fünfzig Dollar auf den Tisch legen.»

«Die habe ich», antwortete sie.

«Trotzdem möchte ich nicht, dass du dich mit der Sache befasst.»

«Aber, Cyril, ich habe den Schein doch gefunden. Er gehört mir. Also gehört mir auch das Pfand.»

«Natürlich gehört es dir, Kindchen. Deswegen brauchst du mich nicht so anzuschreien.»

«Tue ich ja gar nicht. Ich bin aufgeregt, weiter nichts.»

«Ich glaube, du hast noch gar nicht daran gedacht, dass es auch ein ganz männlicher Gegenstand sein kann – Frackhemdenknöpfe zum Beispiel. Bekanntlich gehen nicht nur Frauen zum Pfandleiher.»

«Falls es so etwas ist, schenke ich’s dir zu Weihnachten», erklärte Mrs. Bixby großzügig. «Das würde mich sogar sehr freuen. Sollte es aber etwas für Frauen sein, dann darf ich es behalten, ja?»

«Das ist nur recht und billig. Sag mal, möchtest du nicht mitkommen, wenn ich es hole?»

Mrs. Bixby wollte schon zustimmen, besann sich aber gerade noch rechtzeitig eines Besseren. Sie hatte keine Lust, von dem Pfandleiher in Gegenwart ihres Mannes als alte Kundin begrüßt zu werden.

«Nein», antwortete sie langsam, «lieber nicht. Weißt du, wenn ich zu Hause bleibe und warte, kann ich die Spannung so richtig auskosten. Hoffentlich ist es nichts, was keiner von uns haben mag.»

«Das wäre allerdings auch möglich», meinte er. «Nun, wenn ich sehe, dass es keine fünfzig Dollar wert ist, nehme ich’s gar nicht erst.»

«Aber du sagtest doch, es wäre mindestens fünfhundert wert.»

«Das ist auch sehr wahrscheinlich. Mach dir keine Gedanken.»

«Ach, Cyril, ich kann’s kaum erwarten. Ist es nicht spannend?»

«Es ist amüsant», erwiderte er und steckte den Pfandschein in die Westentasche. «Sehr amüsant sogar.»

Endlich kam der Montagmorgen. Mrs. Bixby begleitete ihren Mann nach dem Frühstück hinaus und half ihm in den Mantel.

«Arbeite nicht zu viel, Liebling», sagte sie.

«Nein, bestimmt nicht.»

«Kommst du um sechs?»

«Ich denke, ja.»

«Wirst du Zeit haben, zu dem Pfandleiher zu gehen?», fragte sie.

«Herrgott, das hatte ich ganz vergessen. Ich werde ein Taxi nehmen und gleich hinfahren. Ist ja kein großer Umweg.»

«Hast du auch den Schein nicht verloren?»

«Hoffentlich nicht.» Er griff in die Westentasche. «Nein, hier ist er.»

«Hast du genügend Geld bei dir?»

«Wird schon reichen.»

«Liebster», sagte sie, dicht vor ihm stehend, und zog seinen Schlips gerade, obgleich das gar nicht nötig war, «wenn es nun etwas Hübsches ist, etwas, wovon du denkst, dass es mir Freude macht, willst du mich dann anrufen, sobald du in der Praxis bist?»

«Ja, wenn dir so viel daran liegt.»

«Weißt du, eigentlich hoffe ich ja, dass es etwas für dich ist, Cyril. Ich möchte viel lieber, es wäre etwas für dich als für mich.»

«Das ist rührend von dir, mein Herz. So, jetzt muss ich aber laufen.»

Etwa eine Stunde später schrillte das Telefon. Bevor das erste Läuten verstummt war, hatte Mrs. Bixby schon das Zimmer durchquert und den Hörer abgenommen.

«Ich habe es», sagte er.

«Wirklich? Was ist es denn, Cyril? Etwas Schönes?»

«Schöner als schön!», rief er. «Phantastisch! Warte nur, bis du’s zu sehen bekommst! Du wirst in Ohnmacht fallen!»

«Schnell, Liebster, was ist es?»

«Ein Glückskind bist du, das muss ich schon sagen!»

«Es ist also für mich?»

«Natürlich ist es für dich. Verdammt will ich sein, wenn ich begreife, wie das nur für fünfzig Dollar versetzt werden konnte! War bestimmt ein Verrückter.»

«Spann mich doch nicht so auf die Folter, Cyril! Ich halte das nicht aus.»

«Du schnappst über, wenn du es siehst.»

«Was ist es denn bloß?»

«Rate mal.»

Mrs. Bixby schwieg. Sei vorsichtig, ermahnte sie sich. Sei jetzt sehr vorsichtig.

«Eine Halskette», sagte sie.

«Falsch.»

«Ein Brillantring.»

«Nichts dergleichen. Ich will dir einen Tipp geben. Man trägt es auf der Straße.»

«Auf der Straße? Meinst du so etwas wie einen Hut?»

Er lachte. «Nein, ein Hut ist es nicht.»

«Um Himmels willen, Cyril, warum sagst du’s nicht endlich?»

«Weil ich dich überraschen möchte. Heute Abend bringe ich es mit.»

«Nein, das tust du nicht!», rief sie. «Ich komme sofort hin und hole es mir.»

«Mir wäre lieber, du tätest das nicht.»

«Sei nicht albern, Liebling. Warum soll ich nicht kommen?»

«Weil ich zu viel zu tun habe. Du bringst mir meine ganze Tageseinteilung durcheinander. Ich habe ohnehin eine gute halbe Stunde verloren.»

«Dann komme ich eben in der Mittagspause. Ist das recht?»

«Ich mache keine Mittagspause. Na meinetwegen, komm um halb zwei, während ich ein Sandwich esse. Bis dann also.»

Genau um halb zwei läutete Mrs. Bixby an der Tür von Mr. Bixbys Praxis. Ihr Mann öffnete ihr selbst in seinem weißen Kittel.

«Ach, Cyril, ich bin schrecklich aufgeregt!»

«Das gehört sich auch so. Du bist ein Glückskind, weißt du das?» Er führte sie über den Korridor ins Sprechzimmer.

«Sie können jetzt essen gehen, Miss Pulteney», wandte er sich an die Assistentin, die damit beschäftigt war, Instrumente zu sterilisieren. «Machen Sie das fertig, wenn Sie zurückkommen.» Er wartete, bis das Mädchen fort war, ging dann zu dem Wandschrank, in den er seine Sachen zu hängen pflegte, und wies mit dem Finger darauf. «Da drinnen ist es», sagte er. «Mach die Augen zu.»

Mrs. Bixby gehorchte. Sie holte tief Atem, hielt ihn an und konnte in der nun folgenden Stille hören, wie ihr Mann die Schranktür öffnete. Ein leises Rascheln verriet ihr, dass er ein Kleidungsstück zwischen den anderen Sachen herauszog.

«So! Augen auf!»

«Ich traue mich nicht», antwortete sie lachend.

«Na, los doch! Sei tapfer.»

Sie kicherte und hob zaghaft das eine Lid. Ganz wenig nur, gerade genug, dass sie dunkel und verschwommen sehen konnte, wie ihr Mann in seinem weißen Kittel dastand und etwas hochhielt.

«Nerz!», rief er. «Echter Nerz!»

Auf dieses Zauberwort hin öffnete sie rasch die Augen und setzte zum Sprung an, um den Mantel in ihre Arme zu schließen. Aber da war kein Mantel. Nur ein lächerlicher kleiner Pelzkragen baumelte in der Hand ihres Mannes.

«Na, wie wird dir?», fragte er und schwenkte das Ding vor ihrem Gesicht.

Mrs. Bixby wich einen Schritt zurück und presste die Hand auf den Mund. Gleich schreie ich, dachte sie. Gleich schreie ich.

«Was ist denn, Kindchen? Gefällt er dir nicht?» Er hörte auf, den Pelzkragen zu schwenken, und sah sie erwartungsvoll an.

«O doch», stieß sie hervor. «Ich … ich … finde ihn reizend … wirklich reizend.»

«Im ersten Augenblick hat’s dir den Atem verschlagen, nicht wahr?»

«Allerdings.»

«Großartige Qualität», erklärte er. «Auch schöne Farbe. Weißt du was, Liebes? Ich schätze, dass so ein Stück im Laden mindestens zwei- bis dreihundert Dollar kostet.»

«Ja, ganz gewiss.»

Es waren zwei Felle, zwei schmale, schäbig aussehende Felle, jedes mit einem Kopf, mit Glaskügelchen in den Augenhöhlen und mit kleinen Pfoten. Das eine hatte das hintere Ende des anderen im Maul und biss darauf.

«Komm», sagte er. «Probiere den Kragen mal an.» Er beugte sich vor, legte ihr das Ding um und trat bewundernd zurück. «Ausgezeichnet. Steht dir glänzend. Nerz hat nicht jeder, meine Liebe.»

«Das stimmt.»

«Beim Einkaufen lass ihn lieber zu Hause, sonst halten uns die Leute für Millionäre, und wir müssen überall das Doppelte zahlen.»

«Ich werde daran denken, Cyril.»

«Ich fürchte nur, dass du jetzt auf andere Weihnachtsgeschenke verzichten musst. Die fünfzig Dollar waren viel mehr, als ich sonst ausgegeben hätte.»

Er drehte sich um, trat an den Waschtisch und fing an, sich die Hände zu waschen. «Geh nun, mein Kind, und leiste dir einen guten Lunch. Ich wäre gern mitgegangen, aber im Wartezimmer sitzt der alte Gorman mit einer abgebrochenen Klammer an seinem Gebiss.»

Mrs. Bixby schleppte sich zur Tür.

Diesen Pfandleiher ermorde ich, dachte sie. Ich gehe jetzt geradewegs in seinen Laden, werfe ihm den schäbigen Pelzkragen ins Gesicht, und wenn er mir meinen Mantel nicht gibt, ermorde ich ihn.

«Habe ich dir schon gesagt, dass ich heute später komme?», fragte Cyril Bixby, der sich noch immer die Hände wusch.

«Nein.»

«Soweit ich’s übersehen kann, wird es mindestens halb neun werden. Vielleicht sogar neun.»

«Ja, gut. Auf Wiedersehen.» Mrs. Bixby ging hinaus und warf die Tür hinter sich zu.

Genau in demselben Augenblick kam Miss Pulteney, die Sekretärin und Assistentin, auf ihrem Weg zum Lunch den Korridor entlanggesegelt.

«Ist heute nicht ein herrlicher Tag?», sagte Miss Pulteney im Vorbeigehen, während in ihren Augen ein Lächeln aufblitzte. Ihr Gang war beschwingt, ein Hauch von Parfüm umwehte sie, und sie sah aus wie eine Königin, genau wie eine Königin in dem wundervollen schwarzen Nerzmantel, den der Oberst Mrs. Bixby geschenkt hatte.

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