Des Pfarrers Freude

Mr. Boggis fuhr langsam dahin, behaglich zurückgelehnt, den Ellbogen auf den Rahmen des offenen Wagenfensters gestützt. Eine herrliche Gegend, dachte er, und wie erfreulich es ist, die ersten Boten des Sommers zu sehen. Vor allem die Schlüsselblumen, den Weißdorn und den Rotdorn. Die Hecken standen in voller Blüte, weiß, rosa und rot; darunter leuchteten in kleinen Büscheln die gelben Schlüsselblumen, und das war wunderschön.

Er ließ das Lenkrad mit einer Hand los und zündete sich eine Zigarette an. Am besten fahre ich jetzt den Brill Hill hinauf, beschloss er. Der Hügel lag vor ihm, etwa eine halbe Meile entfernt. Und das da musste das Dorf Brill sein, diese in Grün eingebettete Gruppe ländlicher Häuser auf dem Gipfel. Ausgezeichnet. Nicht oft fand er bei seinen Sonntagsunternehmungen ein so günstig gelegenes Arbeitsgebiet.

Oben auf dem Hügel brachte er den Wagen am Rande des Dorfes zum Stehen, stieg aus und hielt Umschau. Wie ein riesiger grüner Teppich breitete sich die Landschaft vor ihm aus. Er konnte meilenweit sehen. Sehr gut war das. Er zog einen Block und einen Bleistift aus der Tasche, lehnte sich an den Wagen und ließ seinen geübten Blick langsam in die Runde schweifen.

Zur Rechten entdeckte er inmitten der Felder ein mittelgroßes Bauernhaus, zu dem von der Landstraße her ein Weg führte. Dahinter stand ein größeres. Dann war da ein von hohen Ulmen umgebenes Haus, das aus der Zeit Queen Annes stammen mochte, und auch die beiden Bauernhöfe, die weiter nach links lagen, sahen vielversprechend aus. Insgesamt also fünf. Das war wohl alles auf dieser Seite.

Mr. Boggis zeichnete in groben Zügen einen Lageplan auf seinen Block, damit er die Häuser nachher mühelos wiederfinden konnte. Dann stieg er in seinen Wagen und fuhr durch das Dorf auf die andere Seite des Hügels. Von dort erspähte er sechs weitere Möglichkeiten – fünf Höfe und ein großes weißes Haus in georgianischem Stil. Es sah sauber und gepflegt aus, auch der Garten war in bester Ordnung. Schade. Er schaltete es sofort aus. Zu wohlhabenden Leuten zu gehen hatte gar keinen Sinn.

Mithin blieben alles in allem zehn Versuchsobjekte. Zehn ist eine hübsche Zahl, sagte sich Mr. Boggis. Gerade richtig für eine gemächliche Nachmittagsarbeit. Wie spät war es jetzt? Elf Uhr. Eigentlich hätte er ja gern ein Glas Bier getrunken, bevor er anfing, aber sonntags wurden die Wirtshäuser erst um zwölf geöffnet. Na schön, dann eben später. Er warf einen Blick auf seinen Plan und entschied sich für das Queen-Anne-Haus, das mit den Ulmen. Durchs Fernglas hatte es so hübsch verfallen ausgesehen. Die Bewohner würden vermutlich etwas Geld gut gebrauchen können. Mit Queen-Anne-Häusern hatte er von jeher Glück gehabt. Mr. Boggis klemmte sich hinter das Lenkrad, löste die Handbremse und ließ den Wagen ohne Motor langsam den Hügel hinunterrollen.

Abgesehen davon, dass er im Augenblick als Geistlicher verkleidet war, gab es an Mr. Cyril Boggis nichts auszusetzen. Er war Antiquitätenhändler, hatte sich auf Möbel spezialisiert und besaß in Chelsea, in der King’s Road, einen Laden mit Ausstellungsraum. Sein Lager war nicht groß, und die Geschäfte gingen nicht allzu gut, doch da er immer billig einkaufte, sehr, sehr billig sogar, und sehr, sehr teuer verkaufte, brachte er es doch fertig, jedes Jahr einen netten kleinen Verdienst herauszuschlagen. Er war äußerst gewandt und hatte die Gabe, beim Kaufen wie beim Verkaufen genau den Ton anzuschlagen, der ihm die Sympathie des jeweiligen Kunden gewann: ernst, aber charmant für die Bejahrten, untertänig für die Reichen, schlicht für die Frommen, herrisch für die Weichen, mutwillig für die Witwen, frech und schelmisch für die alten Jungfern. Dieses Talentes war er sich durchaus bewusst, und er machte bei jeder Gelegenheit schamlos davon Gebrauch. Nach einer besonders gut geglückten Darbietung konnte er sich manchmal kaum enthalten, einen Schritt vorzutreten und sich zu verbeugen, als hätte ihm ein unsichtbares Publikum donnernden Applaus gespendet.

Trotz dieser ziemlich hanswurstmäßigen Eigenschaft war Mr. Boggis beileibe kein Narr. Man sagte ihm sogar nach, er verstehe von französischem, englischem und italienischem Mobiliar ebenso viel wie die besten Experten in London. Er hatte einen überraschend sicheren Geschmack, und wenn ihm ein Stück missfiel, lehnte er es ohne Zögern ab, so echt es auch sein mochte. Seine eigentliche Liebe gehörte natürlich den Werken der großen englischen Kunsttischler und Architekten des achtzehnten Jahrhunderts – Ince, Mayhew, Chippendale, Robert Adam, Manwaring, Inigo Jones, Hepplewhite, Kent, Johnson, George Smith, Lock, Sheraton und wie sie alle heißen –, doch auch hier zog er gelegentlich eine Grenze. In seinem Ausstellungsraum duldete er zum Beispiel kein einziges Stück aus Chippendales chinesischer oder gotischer Periode, und ebenso verwarf er einige der massigeren italienischen Entwürfe von Robert Adam.

Durch sein Geschick, mit erstaunlicher Regelmäßigkeit ungewöhnliche, oft sogar sehr seltene Gegenstände aufzustöbern, hatte sich Mr. Boggis in den letzten Jahren beträchtlichen Ruhm bei seinen Geschäftsfreunden erworben. Anscheinend verfügte der Mann über eine nahezu unerschöpfliche Quelle, eine Art privaten Warenlagers, aus dem er sich von Woche zu Woche versorgte. Fragte man ihn, woher er die Sachen beziehe, so lächelte er überlegen und murmelte etwas von einem kleinen Geheimnis.

Hinter Mr. Boggis’ kleinem Geheimnis steckte eine höchst einfache Idee. Sie ging auf ein Erlebnis zurück, das er vor nahezu neun Jahren gehabt hatte, als er eines Sonntagnachmittags über Land fuhr. Er hatte sich am Morgen aufgemacht, um seine Mutter in Sevenoaks zu besuchen, und auf dem Rückweg war irgendetwas mit dem Kühler passiert, sodass sich der Motor überhitzte und das Wasser wegkochte. Er war ausgestiegen, zum nächsten Haus gegangen, einem Bauernhäuschen, etwa fünfzig Schritt von der Straße entfernt, und hatte die Frau, die ihm öffnete, um einen Krug Wasser gebeten.

Während er auf ihre Rückkehr vom Brunnen wartete, warf er zufällig einen Blick durch die offene Tür ins Wohnzimmer, und dort, greifbar nahe, entdeckte er so etwas Aufregendes, dass ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Es war ein großer eichener Armstuhl von besonderer Art – so einen hatte er erst einmal im Leben gesehen. Jeder Arm wie auch die Fläche der Rückenlehne ruhte auf acht wundervoll gedrechselten Spindeln. Die Rückenlehne selbst war mit einer Einlegearbeit verziert, einem herrlichen Blumenmuster, und ein geschnitzter Entenkopf nahm die Hälfte jeder der beiden Armstützen ein. Guter Gott, dachte Mr. Boggis, das ist ja spätes fünfzehntes Jahrhundert!

Er steckte den Kopf weiter durch die Tür, und siehe da, auf der anderen Seite des Kamins stand wahrhaftig noch so ein Sessel!

Ganz sicher wusste er es nicht, aber zwei Stühle wie diese waren in London mindestens tausend Pfund wert. Ach, und wie schön sie waren!

Als die Frau zurückkam, stellte Mr. Boggis sich vor und fragte ohne Umschweife, ob sie die Sessel vielleicht verkaufen wolle.

«Du meine Güte», sagte sie, «warum in aller Welt sollte ich meine Sessel verkaufen?»

Aus keinem anderen Grunde, als weil er bereit sei, ihr ein schönes Stück Geld dafür zu bezahlen.

Tatsächlich? Wie viel denn? Sie denke zwar nicht daran zu verkaufen, aber aus Neugier, so zum Spaß, wissen Sie – wie viel würde er geben?

«Fünfunddreißig Pfund.» – «Wie viel?»

«Fünfunddreißig Pfund.»

Lieber Himmel, fünfunddreißig Pfund. Ja, ja, das sei sehr interessant. Für wertvoll habe sie die Stühle immer gehalten. Sie seien sehr alt. Und außerdem sehr bequem. Aber sie könne sie unmöglich entbehren, auf keinen Fall. Nein, da sei leider nichts zu machen. Trotzdem vielen Dank.

In Wirklichkeit, erklärte Mr. Boggis, seien die Sessel gar nicht so alt und daher auch keineswegs leicht zu verkaufen; er habe jedoch gerade einen Kunden an der Hand, der solche Sachen liebe. Vielleicht könne er noch zwei Pfund zulegen – sagen wir siebenunddreißig. Wie wäre es damit?

Eine halbe Stunde lang ging der Handel hin und her. Zuletzt bekam Mr. Boggis natürlich die Sessel und bezahlte dafür kaum den zwanzigsten Teil ihres Wertes.

Als Mr. Boggis am Abend nach London zurückfuhr – die beiden Prachtstücke waren im hinteren Teil des alten Kombiwagens untergebracht –, kam ihm plötzlich ein Gedanke, den er für glänzend hielt.

Sieh einmal, sagte er sich, wenn in diesem Bauernhaus gute Sachen sind, warum dann nicht auch in anderen? Sollte man also nicht danach suchen? Alle ländlichen Bezirke durchkämmen? Sonntags, zum Beispiel, weil es dann nicht bei der Arbeit stört … Mit dem Sonntag wusste Mr. Boggis ohnehin nie etwas anzufangen.

Er kaufte Landkarten, Karten in großem Maßstab von allen Grafschaften rund um London, und teilte sie mit einer feinen Feder in Quadrate ein, deren jedes ein Gebiet von fünf zu fünf Meilen umfasste. So viel konnte er seiner Schätzung nach bei gründlichem Vorgehen an einem Sonntag erledigen. Städte und große Dörfer wollte er außer Acht lassen und lieber abgelegene Ortschaften, Bauernhöfe und mehr oder weniger verfallene Herrensitze aufsuchen. Wenn er allsonntäglich ein Quadrat abklapperte, zweiundfünfzig im Jahr, würde er nach und nach jeden Hof und jedes Bauernhaus der näheren und weiteren Umgebung erfassen.

Offensichtlich war es aber damit noch nicht getan. Landleute sind eine misstrauische Gesellschaft. Ebenso die verarmten Reichen. Man kann nicht einfach an ihre Tür klopfen und erwarten, dass sie einem das ganze Haus zeigen, nur weil man es gern besichtigen möchte. Das tun sie nicht. Auf die Weise kommt man noch nicht einmal über die Schwelle. Wie sollte man sich also Einlass verschaffen? Vielleicht war es am besten, gar nicht zu sagen, dass man Händler war. Man konnte sich als Telefonmann ausgeben, als Klempner, als Beauftragter der Gasanstalt. Oder als Geistlicher …

Damit bekam der Plan Hand und Fuß. Mr. Boggis ließ eine Menge Visitenkarten drucken, auf denen zu lesen stand:


Reverend Cyril Winnington Boggis Präsident der Gesellschaftzur Erhaltung seltenen MobiliarsIn Verbindungmit dem Victoria-und-Albert-Museum


Von nun an war er jeden Sonntag ein netter alter Pfarrer, der seinen Feiertag opferte, um der «Gesellschaft» einen Liebesdienst zu erweisen, indem er ein Inventar der in englischen Bauernhöfen und Landhäusern verborgenen Schätze aufnahm. Und wer in aller Welt hätte gewagt, ihn hinauszuwerfen, wenn er das hörte? Niemand.

War Mr. Boggis erst einmal drinnen und entdeckte zufällig etwas, was er gern haben wollte – nun, dann gab es hundert verschiedene Wege, zum Ziel zu kommen.

Zu seiner eigenen Überraschung ging alles wie am Schnürchen. Die Freundlichkeit, mit der er in einem Haus nach dem anderen empfangen wurde, war ihm anfangs sogar geradezu peinlich. Etwas kalte Pastete, ein Glas Portwein, eine Tasse Tee, einen Korb Pflaumen, ein reichhaltiges Sonntagsmahl im Kreise der Familie, dergleichen wurde ihm immer wieder angeboten, ja aufgedrängt. Mitunter waren natürlich auch Minuten der Angst und unangenehme Zwischenfälle zu verzeichnen, aber neun Jahre, das sind mehr als vierhundert Sonntage, und in diesem Zeitraum kann man sehr viele Häuser besuchen. Alles in allem war es ein interessantes, aufregendes und lukratives Geschäft.

Und nun war wieder Sonntag, und Mr. Boggis betätigte sich in der Grafschaft Buckinghamshire, in einem der nördlichsten Quadrate seiner Karte, ungefähr zehn Meilen von Oxford entfernt. Als er den Hügel hinabfuhr und sein erstes Haus, das verfallene im Queen-Anne-Stil, ansteuerte, stieg in ihm das Gefühl auf, dieser Tag werde sich zu einem seiner glücklichsten entwickeln.

Er parkte den Wagen in einigem Abstand vom Eingang und machte sich daran, die restlichen zweihundert Schritte zu Fuß zu gehen. Seinen Wagen ließ er nicht gern sehen, bevor ein Handel abgeschlossen war. Ein lieber alter Geistlicher und ein großer Kombiwagen schienen nicht recht zueinanderzupassen. Der kurze Weg gab ihm zudem Gelegenheit, das Haus von außen zu betrachten und sich in eine der Situation entsprechende Stimmung zu versetzen.

Mr. Boggis ging schnell die Auffahrt hinauf. Er war ein kleiner Mann, dickbäuchig, mit fleischigen Schenkeln und einem runden rosigen Gesicht, das wie gemacht für seine Rolle war. Die großen braunen Augen, die aus diesem rosigen Antlitz hervorquollen, wirkten ebenso freundlich wie dumm. Er war schwarz gekleidet, trug das übliche «Hundehalsband» der Geistlichen, und auf seinem Kopf saß ein weicher schwarzer Hut. In der Hand hielt er einen alten Spazierstock aus Eichenholz, der ihm seiner Meinung nach ein ländlich-gemütliches Aussehen verlieh.

Er näherte sich der Haustür und läutete. Gleich darauf hörte er Schritte in der Halle, die Tür öffnete sich, und vor ihm – oder eigentlich über ihm – stand eine riesenhaft große Frau in Reithosen. Nicht einmal der Rauch ihrer Zigarette konnte den kräftigen Geruch nach Stall und Pferdemist übertäuben, der von ihr ausging.

«Ja?», fragte sie mit einem misstrauischen Blick. «Was wünschen Sie?»

Mr. Boggis, der halb und halb darauf gefasst war, sie im nächsten Moment wiehern zu hören, lüftete den Hut, machte eine kleine Verbeugung, überreichte seine Karte und murmelte: «Entschuldigen Sie vielmals, dass ich Sie störe.» Dann wartete er und beobachtete ihr Gesicht, während sie las.

«Das verstehe ich nicht», sagte sie und gab ihm die Karte zurück. «Was wünschen Sie?»

Mr. Boggis erklärte ihr Zweck und Ziel der Gesellschaft zur Erhaltung seltenen Mobiliars.

Ihre Augen unter den hellen, buschigen Brauen starrten ihn grimmig an. «Hat das etwas mit der Sozialistischen Partei zu tun?», erkundigte sie sich.

Nun war es leicht. Mit einem Tory in Reithosen, ob männlich oder weiblich, kam Mr. Boggis immer gut zurecht. Er verwendete zwei Minuten auf ein begeistertes Lob des äußersten rechten Flügels der Konservativen und zwei weitere auf eine heftige Kritik an den Sozialisten. Als letzten Triumph spielte er die Tatsache aus, dass die Sozialisten einmal einen Gesetzentwurf für das Verbot der Parforcejagden auf dem Lande eingebracht hatten, und ging dann dazu über, der Dame seine Auffassung vom Himmel vorzutragen – «obwohl Sie das lieber nicht dem Bischof erzählen sollten». Für ihn, so sagte er, sei der Himmel ein Ort, wo man Füchse, Hirsche und Hasen mit großen Meuten unermüdlicher Hunde jagen könne, und zwar täglich, auch sonntags, vom Morgen bis zum Abend.

Er beobachtete sie, während er sprach, und bald sah er, dass der Zauber zu wirken begann. Die Lippen seiner Zuhörerin verzogen sich zu einem breiten Lächeln und entblößten dabei zwei Reihen riesiger gelblicher Zähne. «Madam», rief Mr. Boggis, «ich bitte Sie inständig, halten Sie mich bloß nicht für einen Sozialisten!» In diesem Augenblick brach sie in ein wieherndes Lachen aus, hob eine breite rote Hand und schlug ihm so kräftig auf die Schulter, dass er fast umgefallen wäre.

«Kommen Sie rein!», schrie sie. «Ich weiß nicht, was Sie wollen, aber kommen Sie in drei Teufels Namen rein!»

Unglücklicherweise und ziemlich überraschend gab es in diesem Hause nichts, was irgendwelchen Wert gehabt hätte, und Mr. Boggis, der an unfruchtbares Gebiet prinzipiell keine Zeit verschwendete, entschuldigte sich bald und ging. Der Besuch hatte kaum fünfzehn Minuten gedauert, und das, so sagte er sich, als er in seinen Wagen stieg, war genau das Übliche für solche Fälle.

Nun hatte er nur noch Bauernhäuser zu besuchen, und das nächste lag ungefähr eine halbe Meile entfernt. Es war ein großes Fachwerkgebäude von beträchtlichem Alter, und seine Südwand wurde von einem prächtig blühenden Birnbaum verdeckt.

Mr. Boggis klopfte an die Tür. Er wartete, bekam aber keine Antwort und klopfte daher noch einmal. Als sich wieder nichts rührte, ging er um das Haus herum, denn er nahm an, der Bauer sei im Kuhstall. Auch auf dem Hof fand er niemanden. Sie werden wohl alle in der Kirche sein, dachte er und fing an, in die Fenster zu spähen, ob er etwas Interessantes entdecken könnte. Im Esszimmer war nichts. Er versuchte es mit dem Wohnzimmer, und dort, direkt vor seiner Nase, erblickte er in der Fensternische ein wunderschönes Stück, einen halbrunden Spieltisch aus Mahagoni, reich mit Intarsien versehen, im Stil von Hepplewhite, um 1780.

«Aha!», sagte er laut und presste das Gesicht gegen die Scheibe. «Gut gemacht, Boggis.»

Aber das war noch nicht alles. Da stand auch ein Stuhl, ein einzelner Stuhl, allem Anschein nach von noch besserer Qualität als der Tisch. Ebenfalls Hepplewhite, nicht wahr? Und so schön! Die Stäbe der Rückenlehne waren mit fein geschnitzten Blättern und Ranken verziert, das Rohrgeflecht des Sitzes war zweifellos echt, und was die anmutig geschweiften Beine betraf, so hatten die beiden hinteren jenen besonderen Schwung nach außen, der so viel bedeutet. Ein erlesener Stuhl. «Bevor dieser Tag vorüber ist», sagte Mr. Boggis ruhig vor sich hin, «werde ich die Freude haben, auf diesem entzückenden Stuhl zu sitzen.» Nie kaufte er einen Stuhl, ohne das zu tun. Für ihn war das die Probe aufs Exempel, und es war immer interessant zu sehen, wie er sich behutsam auf den Sitz sinken ließ und dabei auf das Nachgeben achtete, das ihm, dem Fachmann, genau verriet, wieweit die Jahre die Fugen und die Schwalbenschwanzverbindungen hatten eintrocknen lassen.

Es eilt nicht, sagte er sich und beschloss, später wiederzukommen. Er hatte ja den ganzen Nachmittag vor sich.

Der nächste Hof lag inmitten von Feldern. Damit man den Wagen nicht sah, musste Mr. Boggis ihn auf der Landstraße stehen lassen und etwa sechshundert Schritte auf einem Seitenweg gehen, der in den hinteren Hof des Bauernhauses mündete. Wie er beim Näherkommen bemerkte, war dieses Anwesen erheblich kleiner als das vorige, sodass hier nicht viel zu erhoffen war. Alles sah vernachlässigt aus, und einige Ställe waren baufällig.

In einer Ecke des Hofes standen dicht beieinander drei Männer. Einer von ihnen hielt zwei große schwarze Windhunde an der Leine. Als die Männer den schwarzgekleideten Mr. Boggis mit seinem Pfarrerkragen herankommen sahen, verstummten sie, schienen plötzlich starr und steif zu werden und wandten ihm ihre Gesichter zu, um ihn argwöhnisch zu beäugen.

Der älteste von den dreien, ein untersetzter Mann mit breitem Froschmund und kleinen, verschmitzten Augen, hieß – was Mr. Boggis natürlich nicht wusste – Rummins und war der Besitzer des Hofes.

Der hochgewachsene junge Mann neben ihm, dessen eines Auge nicht ganz in Ordnung zu sein schien, war sein Sohn Bert.

Der kleine Mann mit dem flachen Gesicht, der niedrigen, faltigen Stirn und den ungeheuer breiten Schultern hieß Claud und hatte sich bei Rummins eingefunden, weil er ein Stück Schweinefleisch oder Schinken von dem tags zuvor geschlachteten Schwein zu ergattern hoffte. Claud wusste von der Schlachtung – das Quieken des Tieres war weithin zu hören gewesen –, und er wusste auch, dass man für so etwas eine behördliche Genehmigung brauchte, dass Rummins aber keine hatte.

«Guten Tag», sagte Mr. Boggis. «Schönes Wetter heute.»

Keiner der Männer rührte sich. Alle drei dachten genau dasselbe – dass dieser Geistliche, der ganz gewiss nicht aus der Gegend stammte, ein Abgesandter der Behörde sei und hier herumschnüffeln wolle.

«Was für schöne Hunde», fuhr Mr. Boggis fort. «Ich muss zwar gestehen, dass ich noch nie bei einem Windhundrennen war, aber es soll ja ein hochinteressanter Sport sein.»

Beharrliches Schweigen. Mr. Boggis blickte rasch von Rummins zu Bert, dann auf Claud und wieder auf Rummins, und stellte fest, dass sie alle den gleichen Gesichtsausdruck hatten, eine eigenartige Mischung von Spott und Herausforderung, mit einem geringschätzigen Kräuseln um den Mund und einem höhnischen Zug um die Nase.

«Darf ich fragen, ob Sie der Hofbesitzer sind?», wandte sich Mr. Boggis unerschrocken an Rummins.

«Was wünschen Sie?»

«Entschuldigen Sie vielmals, dass ich Sie störe, noch dazu an einem Sonntag.»

Mr. Boggis überreichte seine Karte, die Rummins nahm und dicht vor die Augen hielt. Die beiden anderen rührten sich nicht, schielten aber zur Seite und versuchten mitzulesen.

«Ja, was wollen Sie eigentlich?», fragte Rummins.

Zum zweiten Mal an diesem Tage erklärte Mr. Boggis umständlich Zweck und Ziel der Gesellschaft zur Erhaltung seltenen Mobiliars.

«So was haben wir nicht», knurrte Rummins, als der Vortrag beendet war. «Sie vergeuden nur Ihre Zeit.»

«Nicht so hastig, Sir», erwiderte Mr. Boggis mit erhobenem Finger. «Der letzte Mann, der mir das gesagt hat, war ein alter Bauer unten in Sussex, und als er mich schließlich doch ins Haus ließ, wissen Sie, was ich da in der Küchenecke gefunden habe? Einen schmutzigen alten Stuhl, der bei näherer Betrachtung vierhundert Pfund wert war! Ich habe dem Mann geholfen, ihn zu verkaufen, und er hat sich für das Geld einen Traktor angeschafft.»

«Was schwatzen Sie denn da?», sagte Claud. «Einen Stuhl, der vierhundert Pfund wert ist, gibt’s auf der ganzen Welt nicht.»

«Entschuldigen Sie», antwortete Mr. Boggis steif, «aber ich kenne viele Stühle in England, die mehr als das Doppelte dieser Summe wert sind. Und wo befinden sie sich? Überall auf dem Lande sind sie auf Bauernhöfen und in Landhäusern versteckt und werden als Tritte oder Leitern benutzt. Tatsächlich, die Leute trampeln mit Nagelschuhen darauf herum, wenn sie einen Topf Marmelade vom Küchenschrank nehmen oder ein Bild aufhängen wollen. Ich sage Ihnen nur die Wahrheit, liebe Freunde.»

Rummins trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. «Sie meinen also, Sie wollen nur hineingehen, mitten im Zimmer stehen bleiben und sich umsehen?»

«Genau das», versicherte Mr. Boggis, dem allmählich klarwurde, wo hier der Hase im Pfeffer lag. «Ich will meine Nase weder in Ihre Schränke noch in Ihre Speisekammer stecken. Nur die Möbel möchte ich anschauen, um festzustellen, ob Sie zufällig irgendetwas Kostbares besitzen, über das ich in der Zeitschrift unserer Gesellschaft berichten könnte.»

«Wissen Sie, was ich glaube?» Rummins fixierte ihn mit seinen kleinen, boshaften Augen. «Ich glaube, Sie sind darauf aus, die Möbel auf eigene Rechnung zu kaufen. Wozu sollten Sie sich sonst so viel Mühe machen?»

«Ach, du lieber Himmel, ich wollte, ich hätte das Geld dazu. Natürlich, wenn ich etwas sehe, was mir gefällt, und es übersteigt meine Mittel nicht, dann komme ich schon mal in Versuchung, ein Angebot zu machen. Aber so was gibt’s leider selten.»

«Schön», meinte Rummins, «wenn Sie weiter nichts wollen als sich umsehen, dann können Sie das meinetwegen tun.» Damit ging er über den Hof zur Hinterseite des Hauses, und Mr. Boggis folgte ihm. Auch Bert, der Sohn, und Claud mit seinen beiden Hunden schlossen sich an. Sie durchquerten die Küche – das einzige Möbelstück war dort ein billiger Tisch aus Tannenholz, auf dem ein totes Huhn lag – und traten in ein ziemlich großes, außerordentlich schmutziges Wohnzimmer.

Und da war sie! Mr. Boggis sah sie sofort, blieb wie angewurzelt stehen und schnappte hörbar nach Luft. Fünf, zehn, fünfzehn Sekunden, wenn nicht länger, stand er unbeweglich da und glotzte wie ein Idiot, weil er nicht zu glauben vermochte, nicht zu glauben wagte, dass er wirklich das sah, was er sah. Das konnte nicht wahr sein, unmöglich! Doch je länger er hinstarrte, desto wahrer schien es zu werden.

Ja, da war sie, unmittelbar vor ihm an der Wand, ebenso wirklich wie das Haus selbst! Und wer in der Welt hätte sich bei so einem Ding täuschen können? Zugegeben, sie war weiß angestrichen, aber das hatte nichts, gar nichts zu sagen. Irgendein Idiot hatte sie so verschandelt, und die Farbe war leicht zu entfernen. Du guter Gott! Was für eine Pracht! Und an so einem Ort!

In diesem Augenblick wurde sich Mr. Boggis bewusst, dass die drei Männer, Rummins, Bert und Claud, am Kamin lehnten und ihn scharf beobachteten. Sie hatten ihn stehen bleiben, nach Luft schnappen und glotzen sehen, sie mussten bemerkt haben, dass sein Gesicht rot – vielleicht auch blass – geworden war, und wenn er nicht sofort etwas dagegen tat, würden sie ihm auf jeden Fall das Geschäft gründlich verderben. Rasch entschlossen, griff sich Mr. Boggis ans Herz, taumelte zum nächsten Stuhl und sank schwer atmend darauf nieder.

«Was haben Sie denn?», fragte Claud.

«Nichts», hauchte er. «Es geht gleich vorüber. Bitte – Wasser. Mein Herz …»

Bert holte ein Glas Wasser, gab es Mr. Boggis und blieb, ihn blöde anstarrend, neben ihm stehen.

«Ich dachte schon, Sie hätten was entdeckt», sagte Rummins. Sein schlaues Grinsen zog den Froschmund noch mehr in die Breite und enthüllte einige Zahnstummel.

«Nein, nein», beteuerte Mr. Boggis. «O nein, es ist nur mein Herz. Tut mir sehr leid, wirklich. Ich habe ab und zu so einen Anfall, aber das geht immer schnell vorüber. In ein paar Minuten bin ich wieder in Ordnung.»

Ich brauche Zeit zum Überlegen, dachte er. Vor allem aber muss ich mich ganz und gar fassen, bevor ich noch ein Wort sage. Reiß dich zusammen, Boggis. Was du auch tust, bleibe ruhig. Diese Leute mögen unwissend sein, aber dumm sind sie nicht. Misstrauisch sind sie, wachsam und gerissen. Und wenn es wirklich stimmt – nein, es kann nicht, kann nicht stimmen …

Mit einer Gebärde des Schmerzes presste er die Hand auf die Augen, öffnete sehr vorsichtig einen kleinen Spalt zwischen zwei Fingern und spähte hindurch.

Kein Zweifel, das Ding stand noch da, und er nahm die Gelegenheit wahr, es lange und gründlich zu betrachten. Ja, er hatte richtig gesehen, daran war nicht zu zweifeln. Es war einfach unglaublich.

Was er sah, war ein Möbel, für dessen Erwerb ein Fachmann so gut wie alles gegeben hätte. Einem Laien wäre es nicht weiter begehrenswert erschienen, zumal es mit schmutzig weißer Farbe bedeckt war, doch für Mr. Boggis war es der Wunschtraum eines Antiquitätenhändlers. Wie jeder Experte in Europa und Amerika wusste auch er, dass zu den bekanntesten und gesuchtesten Stücken englischer Möbelkunst des achtzehnten Jahrhunderts die berühmten «Chippendalekommoden» gehören. Er hätte ihre Geschichte im Schlaf hersagen können – die erste war 1920 in Moreton-in-Marsh entdeckt und in demselben Jahr bei Sotheby verkauft worden; die beiden anderen, die aus Raynham Hall, Norfolk, kamen, waren ein Jahr später aufgetaucht, ebenfalls in Sothebys Auktionsräumen. Alle drei hatten enorme Preise erzielt. An den genauen Preis der ersten und zweiten Kommode konnte sich Mr. Boggis nicht mehr erinnern, doch er wusste mit Sicherheit, dass die dritte dreitausendneunhundert Guineen eingebracht hatte. Und das im Jahre 1921! Heute war sie gewiss zehntausend Pfund wert. Irgendjemand – der Name des Mannes war Mr. Boggis entfallen – hatte vor nicht allzu langer Zeit eine Abhandlung über diese Kommoden geschrieben und einwandfrei nachgewiesen, dass alle drei aus derselben Werkstatt stammten. Wenn man auch keine Rechnungen gefunden hatte, so waren doch sämtliche Fachleute der Meinung, diese drei Kommoden könnte nur Thomas Chippendale selbst hergestellt haben, und zwar in seiner besten Zeit.

Und hier, sagte sich Mr. Boggis immer wieder, während er heimlich durch den Spalt zwischen seinen Fingern schaute, hier stand die vierte Chippendalekommode! Die er gefunden hatte! Reich würde er werden! Und berühmt! Jede der drei anderen war in der Welt der Kunsthändler unter einem besonderen Namen bekannt: die Chastletonkommode, die erste Raynhamkommode, die zweite Raynhamkommode. Diese würde als Boggiskommode in die Geschichte eingehen. Man brauchte sich nur die Gesichter der Leute in London vorzustellen, wenn sie den Fund morgen früh bewundern durften! Von den großen Händlern in West End – Frank Patridge, Mallett, Jetley und so weiter – würden phantastische Angebote einlaufen. Die Times würde ein Bild bringen und dazu schreiben: «Die Entdeckung dieser herrlichen Chippendalekommode verdanken wir dem Londoner Kunsthändler Mr. Cyril Boggis …» Guter Gott, was für eine Aufregung das geben würde!

Diese hier, dachte Mr. Boggis, sieht genau aus wie die zweite Raynhamkommode. (Alle drei, die Chastleton und die beiden Raynhams, unterschieden sich durch allerlei Kleinigkeiten voneinander.) Es war ein höchst eindrucksvolles Möbelstück in französischem Rokokostil aus Chippendales Directoire-Periode, eine große, massige Kommode auf vier geschnitzten, ausgekehlten Beinen, die etwa einen Fuß hoch waren. Insgesamt hatte sie sechs Schubladen, zwei lange in der Mitte und zwei kürzere an jeder Seite. Die geschweifte Vorderpartie war oben, unten, links und rechts reich ornamentiert, und auch zwischen den mittleren und den seitlichen Schubladen sah man senkrecht verlaufende kunstvolle Schnitzereien in Form von Girlanden, Schnecken und Trauben. Die Messinggriffe waren zum Teil von dem weißen Anstrich überdeckt, schienen jedoch prächtig zu sein. Gewiss, die Kommode war ein ziemlich «schweres» Stück, aber so elegant, so graziös entworfen und ausgeführt, dass die Schwere nicht im Geringsten störte.

«Wie fühlen Sie sich jetzt?», hörte Mr. Boggis jemanden fragen.

«Danke, danke, schon viel besser. Es geht immer schnell vorüber. Mein Doktor sagt, diese Anfälle seien ganz harmlos, ich müsste mich nur ein paar Minuten ruhig verhalten. Ach ja» – er erhob sich langsam –, «jetzt ist es besser.»

Vorsichtig, ein wenig schwankend, fing er an, im Zimmer umherzugehen und die Möbel einzeln zu begutachten. Er sah sofort, dass außer der Kommode nichts als Plunder vorhanden war.

«Hübscher Eichentisch», bemerkte er. «Nur fürchte ich, er ist nicht so alt, dass er irgendwie interessant wäre. Gute, bequeme Stühle, leider ganz modern, ja ganz modern. Und die Anrichte – nun, sie ist recht gefällig, aber ebenfalls ohne besonderen Wert. Diese Kommode» – er blieb vor der Chippendalekommode stehen und tippte geringschätzig mit dem Finger darauf –, «ein paar Pfund würden Sie vielleicht dafür kriegen, mehr gewiss nicht. Eine ziemlich plumpe Imitation. Vermutlich aus der Viktorianischen Zeit. Ist der weiße Anstrich von Ihnen?»

«Ja», antwortete Rummins. «Bert hat’s gemacht.»

«Sehr vernünftig. In Weiß ist sie viel erträglicher.»

«Ein solides Stück», meinte Rummins. «Hat auch hübsche Schnitzereien.»

«Maschinenarbeit», erklärte Mr. Boggis in überlegenem Ton und bückte sich, um die meisterhafte Arbeit näher zu betrachten. «Das sieht man auf eine Meile. Immerhin, in seiner Art ist es ein nettes Stück. Hat seine Vorzüge.»

Er schlenderte weiter, schien sich plötzlich zu besinnen, und kehrte langsam um. Mit gerunzelter Stirn, die Hand am Kinn, den Kopf zur Seite geneigt, stand er wie in Gedanken versunken da und schaute auf die Kommode.

«Wissen Sie was?», sagte er so beiläufig, dass er nicht einmal die Stimme hob. «Mir fällt gerade ein – solche Beine, wie diese Kommode sie hat, suche ich schon lange. In meinem Häuschen habe ich einen recht aparten Tisch, so ein niedriges Ding, wie es die Leute vors Sofa stellen, eine Art Kaffeetischchen, und an dem haben mir im Herbst, als ich umzog, die dummen Packer die Beine völlig ruiniert. Dabei hänge ich so sehr an dem Tischchen. Ich habe immer meine dicke Bibel darauf liegen und die Notizen für meine Predigten.» Er machte eine Pause und strich sich mit dem Finger über das Kinn. «Jetzt dachte ich eben daran, dass sich die Beine Ihrer Kommode sehr gut verwerten ließen. Ja, tatsächlich. Man könnte sie ohne weiteres abschneiden und an meinen Tisch leimen.» Er wandte sich um und sah die drei Männer unbeweglich dastehen. Drei Paar Augen beobachteten ihn misstrauisch, drei verschiedene Augenpaare, aber alle gleich ungläubig: Rummins’ Schweinsäuglein, Clauds große, träge Augen und Berts Augen, deren eines sehr seltsam aussah, blass, verschwommen, wie gesotten, mit einem kleinen schwarzen Punkt in der Mitte, wie ein Fischauge auf einem Teller.

Mr. Boggis schüttelte lächelnd den Kopf. «Ach, was rede ich denn da? Ich tue ja, als gehörte das Ding mir. Entschuldigen Sie.»

«Sie meinen, Sie wollen es kaufen?», fragte Rummins.

«Nun …» Mr. Boggis warf einen Blick auf die Kommode und legte die Stirn in Falten. «Ich weiß nicht recht. Ich möchte schon … und dann wieder … wenn ich’s mir überlege … nein … ich glaube, es würde doch zu viel Umstände machen. Das lohnt sich nicht. Ich lasse es lieber.»

«Wie viel würden Sie bieten?», fragte Rummins.

«Nicht viel, fürchte ich. Sehen Sie, es ist ja kein echtes altes Stück, bloß eine Nachahmung.»

«Das weiß man nicht so genau», widersprach Rummins. «Wir haben die Kommode seit über zwanzig Jahren im Haus, und vorher hat sie oben im Schloss gestanden. Dort habe ich sie auf der Auktion gekauft, als der alte Herr gestorben war. Neu ist das Ding also nicht, so viel steht fest.»

«Nicht gerade neu, aber bestimmt nicht älter als etwa sechzig Jahre.»

«O doch», beharrte Rummins. «Bert, wo ist der Zettel, den du mal hinten in einer Schublade gefunden hast? Die alte Rechnung.»

Der Sohn glotzte seinen Vater verständnislos an.

Mr. Boggis öffnete den Mund, schloss ihn aber sofort wieder, ohne einen Laut von sich zu geben. Er zitterte buchstäblich am ganzen Leibe. Um sich zu beruhigen, trat er ans Fenster und blickte auf den Hof, wo eine dicke braune Henne Körner aufpickte.

«Der Zettel lag hinten in einer Schublade unter den Kaninchenschlingen», sagte Rummins. «Los, hol ihn her und zeig ihn dem Pfarrer.»

Als Bert zur Kommode ging, drehte sich Mr. Boggis um. Er konnte nicht anders, er musste ihm zuschauen. Der Bursche zog eine der mittleren Schubladen auf, und Mr. Boggis bemerkte, wie wundervoll weich sie herausglitt. Dann sah er Berts Hand unter Schnüren und Drähten herumwühlen.

«Meinst du das?» Bert brachte ein mehrmals geknifftes, gelbliches Blatt zum Vorschein und reichte es seinem Vater, der es entfaltete und dicht vor die Augen hielt.

«Wollen Sie mir etwa erzählen, dass dieses Schriftstück nicht steinalt ist?» Rummins hielt das Papier Mr. Boggis hin, der es mit zitternder Hand nahm. Es war spröde und knisterte leise zwischen den Fingern. Die Schrift war schräg, wie gestochen:

Edward Montagu, Esq. schuldet dem Thos. Chippendale für eine große Mahagonny Kommode aus außerordentlich feinem Holze, sehr reich geschnitzet, auf ausgekehlten Beinen, zwey sehr hübsch geschweifte, lange Auszüge in der Mitten und zwey ditto an jeder Seite, mit reich ziselierten Messing Handgriffen und Ornamenten, alles in vollendetstem Geschmack ausgearbeitet £ 87

Mr. Boggis hielt gewaltsam an sich, bemüht, die Erregung zu unterdrücken, die in seinem Innern wühlte und ihn schwindlig machte. O Gott, war das wundervoll! Mit dieser Nota stieg der Wert noch höher. Wie viel würde jetzt wohl herausspringen? Zwölftausend Pfund? Vierzehn? Vielleicht fünfzehn oder gar zwanzig? Wer konnte das wissen?

Du lieber Himmel!

Geringschätzig ließ er das Papier auf den Tisch fallen und sagte kühl: «Na bitte, ich hab’s ja gewusst – eine viktorianische Nachahmung. Das hier ist einfach die Rechnung, die der Verkäufer – der Mann, der sie gemacht und für alt ausgegeben hat – seinem Kunden ausstellte. Von der Sorte habe ich schon viele gesehen. Beachten Sie, dass er nicht sagt, er hätte sie selbst angefertigt. Er war schlau genug, sich nicht zu verraten.»

«Sagen Sie, was Sie wollen», verkündete Rummins, «aber das ist ein altes Stück Papier.»

«Natürlich, mein lieber Freund. Es ist viktorianisch, spätviktorianisch. Etwa achtzehnhundertneunzig. Sechzig oder siebzig Jahre alt. Hunderte davon habe ich gesehen. Damals gab es unzählige Tischler, die sich ein Gewerbe daraus machten, die schönen Möbel des achtzehnten Jahrhunderts zu imitieren.»

«Hören Sie, Herr Pfarrer …» Rummins deutete mit einem dicken, schmutzigen Finger auf Mr. Boggis. «Ich sage ja nicht, dass Sie keine Ahnung von Möbeln haben, aber was ich sage, ist dies: Wie können Sie so mächtig sicher sein, dass die Kommode nachgemacht ist, wenn Sie gar nicht wissen, wie sie unter all der Farbe aussieht?»

«Kommen Sie», antwortete Mr. Boggis. «Kommen Sie her, ich will es Ihnen zeigen.» Er wartete, bis sich die anderen um ihn geschart hatten. «Hat jemand ein Messer?»

Claud förderte ein Taschenmesser mit Hornschale zutage. Mr. Boggis nahm es und öffnete die kleinste Klinge. Scheinbar nachlässig, in Wirklichkeit jedoch mit größter Vorsicht, begann er, oben auf der Kommode ein wenig Farbe abzukratzen. Die weiße Schicht blätterte von der harten, alten Politur sauber ab, und als er etwa drei Quadratzoll freigelegt hatte, trat er zurück und sagte: «So, nun schauen Sie sich das an.»

Es war wunderschön – ein kleiner Fleck Mahagoni, leuchtend wie ein Topas, warm und dunkel mit der echten Farbe seiner zweihundert Jahre.

«Na und?», fragte Rummins.

«Es ist behandelt. Das sieht doch jeder!»

«Wieso? Erklären Sie mal, woran man das sieht.»

«Schön. Ich muss allerdings sagen, dass so etwas nicht leicht zu erklären ist. Erfahrungssache, wissen Sie? Meine Erfahrung verrät mir ohne den leisesten Zweifel, dass dieses Holz mit Leim behandelt worden ist. Das geschieht, um dem Mahagoni die altersdunkle Farbe zu verleihen. Für Eiche nimmt man Pottasche und für Nussbaum Salpetersäure, aber für Mahagoni immer Leim.»

Die drei Männer kamen etwas näher, um das Holz zu betrachten. Die Sache fing offenbar an, sie zu interessieren. Von einer neuen Art Betrug oder Schwindel zu hören, ist immer spannend.

«Achten Sie auf die Maserung. Sehen Sie diese leichte Orangetönung in dem dunklen Rotbraun? Das ist das Zeichen von Leim.»

Sie beugten sich vor, die Nase dicht über dem Holz, zuerst Rummins, dann Claud, dann Bert.

«Und vor allem die Patina», fuhr Mr. Boggis fort.

«Die was?»

Er erklärte ihnen die Bedeutung des Wortes in Bezug auf Möbel. «Sie haben keine Ahnung, liebe Freunde, wie viel Mühe sich diese Schufte machen, um die harte, schöne bronzefarbene Patina zu fälschen. Entsetzlich ist das, geradezu entsetzlich, und es macht mich ganz krank, davon zu reden.» Er spie jedes Wort von der Zungenspitze und verzog den Mund, um seinen Ekel zu zeigen.

Die Männer warteten, in der Hoffnung, weitere Geheimnisse zu erfahren.

«Wenn ich an die Zeit und Arbeit denke, die manche Sterbliche daran wenden, Unschuldige zu betrügen!», rief Mr. Boggis. «Einfach widerlich! Wissen Sie, meine Freunde, was hier geschehen ist? Ich kann es deutlich erkennen. Ja, ich sehe sie förmlich vor mir, diese Gauner, wie sie in einem langen, komplizierten Prozess auf das mit Leinöl getränkte Holz entsprechend gefärbte französische Politur auftragen, die sie mit Bimsstein und Öl bürsten, mit einem Wachs einreiben, das voller Schmutz und Staub ist, und schließlich mit Hitze behandeln, damit die Politur springt und zweihundert Jahre alt aussieht! Wirklich, schon bei dem Gedanken an solche Schurkerei wird mir übel!»

Die drei Männer starrten unverwandt auf den kleinen dunklen Fleck.

«Fühlen Sie das Holz an!», befahl Mr. Boggis. «Legen Sie die Finger darauf! Na, wie kommt es Ihnen vor, warm oder kalt?»

«Kalt», sagte Rummins.

«Sehr richtig, mein Freund! Es ist eine bekannte Tatsache, dass sich gefälschte Patina immer kalt anfühlt. Bei echter hat man den Eindruck, sie sei warm.»

«Die hier fühlt sich ganz normal an», behauptete Rummins streitlustig.

«Nein, Sir, kalt. Aber natürlich braucht man Erfahrung und Fingerspitzengefühl, um ein endgültiges Urteil abgeben zu können. Von Ihnen darf man wirklich nicht erwarten, dass Sie mehr von Möbeln verstehen als ich beispielsweise von der Qualität Ihrer Gerste. Alles im Leben, mein lieber Freund, beruht auf Erfahrung.»

Die Männer starrten den merkwürdigen Geistlichen mit dem Mondgesicht und den hervorquellenden Augen nicht mehr ganz so misstrauisch an, denn offenbar kannte er sich auf seinem Gebiet aus. Allerdings waren sie noch weit davon entfernt, ihm zu glauben.

Mr. Boggis bückte sich und wies auf einen der metallenen Handgriffe an der Kommode. «Das ist auch Fälscherarbeit», sagte er. «Altes Messing hat für gewöhnlich einen ganz charakteristischen Farbton. Wussten Sie das?»

Begierig, noch mehr Kniffe zu erfahren, blickten sie ihn an.

«Leider Gottes haben diese Schurken eine außerordentliche Geschicklichkeit erworben, besagten Farbton zu imitieren. Es ist praktisch unmöglich, zwischen ‹echtem altem› und ‹künstlichem altem› zu unterscheiden. Ich gebe offen zu, dass auch ich in diesem Punkt nur auf Vermutungen angewiesen bin. Es lohnt sich also nicht, die Farbe von den Handgriffen abzukratzen. Wir würden dadurch kein bisschen klüger werden.»

«Wie kann man denn neues Messing auf alt zurechtmachen?», erkundigte sich Claud. «Messing rostet doch nicht.»

«Stimmt genau, mein Freund, aber diese Verbrecher haben ihre geheimen Methoden.»

«Nämlich?» Claud ließ nicht locker. Seiner Meinung nach war jede Information dieser Art wertvoll. Man weiß ja nie, was die Zukunft bringt.

«Die Fälscher», dozierte Mr. Boggis, «brauchen nichts weiter zu tun, als die Handgriffe über Nacht in Mahagonispäne zu legen, die mit Salmiak getränkt sind. Der Salmiak färbt das Metall grün, aber wenn man das Grün abreibt, kommt darunter ein zarter silbriger Glanz zum Vorschein, genau der Glanz, den sehr altes Messing hat. Ach, auf was die alles verfallen! Für Eisen haben sie wieder einen anderen Trick.»

«Was tun sie mit Eisen?», fragte Claud interessiert.

«Mit Eisen ist die Sache sehr einfach», erklärte Mr. Boggis. «Eiserne Schlösser, Platten und Scharniere werden mit gewöhnlichem Salz bedeckt, und nach kurzer Zeit kann man sie verrostet und fleckig herausnehmen.»

«Schön», sagte Rummins, «Sie geben also zu, dass Sie über die Griffe nichts Genaues wissen. Mit anderen Worten, die Dinger können ohne weiteres viele hundert Jahre alt sein. Stimmt’s?»

Mr. Boggis richtete seine hervorquellenden braunen Augen auf Rummins. «O nein», flüsterte er, «da irren Sie sich. Passen Sie auf.»

Er nahm aus seiner Jackentasche einen kleinen Schraubenzieher und gleichzeitig, ohne dass es jemand bemerkte, eine Messingschraube, die er in der Handfläche verbarg. Dann wählte er eine der Schrauben an der Kommode aus – an jedem Griff befanden sich vier – und befreite sie behutsam von der weißen Farbe, die ihr anhaftete. Als das erledigt war, drehte er sie langsam heraus.

«Wenn es eine echte Messingschraube aus dem achtzehnten Jahrhundert ist», sagte er, «dann wird das Gewinde etwas unregelmäßig sein, ein Zeichen, dass sie mit der Hand gefeilt worden ist. Haben wir es aber mit einer Fälschung aus der Viktorianischen Zeit oder später zu tun, so wird auch die Schraube jüngeren Datums sein und sich als maschinell hergestelltes Massenprodukt erweisen. Jeder kann so ein Serienfabrikat erkennen. Nun, wir werden sehen.»

Während Mr. Boggis die Hände über die alte Schraube legte und sie herauszog, gelang es ihm mühelos, sie mit der neuen zu vertauschen, die er zwischen zwei Fingern versteckt hielt. Das war ein Trick, der sich im Laufe der Jahre immer wieder von neuem bewährt hatte. In den Taschen seines geistlichen Rocks trug er stets eine Anzahl billiger Messingschrauben in den verschiedensten Größen mit sich herum.

«Na bitte», sagte er und reichte Rummins die moderne Schraube. «Überzeugen Sie sich selbst. Sehen Sie, wie gleichmäßig das Gewinde ist. Natürlich sehen Sie es. Dies hier ist eine ganz gewöhnliche Schraube, wie sie in jeder Eisenwarenhandlung verkauft wird.»

Die Schraube ging von Hand zu Hand, und alle drei Männer betrachteten sie genau. Sogar Rummins zeigte sich beeindruckt.

Mr. Boggis steckte den Schraubenzieher in die Tasche und mit ihm die handgefertigte Schraube, die er aus der Kommode entfernt hatte. Dann machte er kehrt und schritt langsam an den drei Männern vorbei.

«Meine lieben Freunde», sagte er, als er die Tür zur Küche erreicht hatte, «es war sehr freundlich von Ihnen, dass Sie mir erlaubt haben, einen Blick in Ihr kleines Heim zu werfen, wirklich sehr freundlich. Ich hoffe nur, dass ich Sie nicht zu sehr belästigt habe.»

Rummins, der noch immer die Schraube untersuchte, blickte auf. «Sie haben nicht gesagt, wie viel Sie bieten», bemerkte er.

«Ach ja», antwortete Mr. Boggis, «da haben Sie recht. Wie viel ich biete? Nun, wenn ich ehrlich sein soll, ich finde, es lohnt sich nicht recht. Viel zu umständlich. Ich glaube, ich lasse es lieber.»

«Wie viel wollten Sie denn geben?»

«Möchten Sie die Kommode wirklich loswerden?»

«Dass ich sie loswerden möchte, habe ich nicht gesagt. Ich habe nur gefragt: wie viel.»

Mr. Boggis schaute auf die Kommode, neigte den Kopf erst auf die eine Seite, dann auf die andere, zog die Stirn kraus, schob die Lippen vor, zuckte die Achseln und machte eine kleine verächtliche Handbewegung, um anzudeuten, es lohne sich gar nicht, ernsthaft darüber zu reden.

«Sagen wir … zehn Pfund. Ich meine, das wäre angemessen.»

«Zehn Pfund!», rief Rummins. «Seien Sie doch nicht komisch, Herr Pfarrer, bitte

«Als Brennholz wäre die Kommode schon teurer», erklärte Claud entrüstet.

«Schauen Sie sich die Rechnung an!» Rummins stach mit seinem schmutzigen Zeigefinger so heftig auf das kostbare Dokument ein, dass Mr. Boggis vor Angst verging. «Hier steht, was sie gekostet hat. Siebenundachtzig Pfund! Und da war sie neu. Jetzt ist sie antik und mindestens das Doppelte wert.»

«Entschuldigen Sie, Sir, so ist es nun doch nicht. Schließlich ist die Kommode eine Nachahmung. Aber ich will Ihnen was sagen, mein Freund – ich weiß, dass ich leichtsinnig bin, das liegt nun mal in meiner Natur –, ich werde Ihnen fünfzehn Pfund geben. Wie wär’s?»

«Fünfzig», forderte Rummins.

Ein köstlicher kleiner Schauer, prickelnd wie Nadelstiche, lief über Mr. Boggis’ Rücken und an den Beinen hinab bis unter die Fußsohlen. Er hatte sie. Jetzt war sie sein. Ohne jeden Zweifel. Aber billig kaufen, so billig wie menschenmöglich, war ihm unter dem Druck der Verhältnisse und durch jahrelange Übung so sehr zur Gewohnheit geworden, dass er es einfach nicht fertigbrachte, sofort zuzustimmen.

«Lieber Mann», flüsterte er sanft, «ich kann ja nur die Beine der Kommode gebrauchen. Vielleicht lassen sich später auch einmal die Schubladen verwerten, aber alles Übrige, das Gestell selbst, ist nur Brennholz, wie Ihr Freund sehr richtig sagte.»

«Na, dann fünfunddreißig», schlug Rummins vor.

«Ich kann nicht, Sir, ich kann nicht! So viel ist sie nicht wert. Überhaupt – ich weiß gar nicht, wie ich dazu komme, derart um einen Preis zu feilschen. Das schickt sich nicht für mich. Ich will Ihnen ein letztes Angebot machen: zwanzig Pfund.»

«Einverstanden», rief Rummins hastig. «Sie gehört Ihnen.»

«Ach herrje», sagte Mr. Boggis und faltete die Hände. «Nun habe ich mich doch wieder verleiten lassen. Ich hätte das gar nicht tun dürfen.»

«Jetzt können Sie nicht mehr zurück, Herr Pfarrer. Verkauft ist verkauft.»

«Ja, ja, ich weiß.»

«Wie wollen Sie das Ding fortschaffen?»

«Hm … Ich könnte meinen Wagen hier auf den Hof fahren, und wenn dann die Herren so freundlich wären, mir beim Verladen zu helfen …»

«In einen Wagen? Das Ding passt doch in keinen Wagen! Dazu brauchen Sie ein Auto mit Ladefläche.»

«Ach, ich glaube, es geht auch so. Wir wollen’s jedenfalls probieren. Mein Wagen steht auf der Landstraße. Ich bin gleich zurück. Irgendwie schaffen wir das schon.»

Mr. Boggis ging über den Hof, durch das Tor und dann den langen Weg zur Straße hinunter. Er konnte ein leises Kichern nicht unterdrücken, und ihm war, als stiegen Hunderte und Aberhunderte kleiner Blasen, kribbelnd wie Selterswasser, aus seinem Magen auf und platzten vergnügt in seinem Kopf. Alle Butterblumen auf den Feldern hatten sich in Goldstücke verwandelt, die im Sonnenlicht blitzten. Der Boden war mit ihnen übersät, und Mr. Boggis wich vom Wege ab, damit er zwischen ihnen, auf ihnen gehen und den leisen metallischen Ton hören konnte, wenn er sie mit den Füßen zertrat. Kaum vermochte er sich so weit im Zaum zu halten, dass er nicht anfing zu rennen. Aber Geistliche rennen nie. Sie gehen schön gemächlich. Langsam, Boggis. Bleib ruhig, Boggis. Du hast keine Eile. Die Kommode gehört dir! Für zwanzig Pfund, und dabei ist sie fünfzehn- oder zwanzigtausend wert! Die Boggiskommode! In zehn Minuten wird sie in deinem Wagen stehen – das Verladen ist ja nicht weiter schwierig –, du wirst nach London zurückfahren und unterwegs in einem fort singen! Boggis fährt die Boggiskommode in Boggis’ Wagen heim. Ein historischer Augenblick. Was würde ein Reporter darum geben, könnte er dieses Ereignis im Bild festhalten! Ob man das arrangieren sollte? Vielleicht. Warten wir’s ab. O du herrlicher Tag. Du köstlicher, sonniger Sommertag! Es ist eine Lust zu leben!

Auf dem Hof sagte unterdessen Rummins: «Stellt euch bloß vor, zwanzig Pfund gibt der alte Esel für solchen Plunder.»

«Gut haben Sie das gemacht, Mr. Rummins», lobte Claud. «Glauben Sie, dass er zahlen wird?»

«Wir laden die Kommode nicht eher in den Wagen, bis er’s getan hat.»

«Und wenn sie nun nicht hineingeht?», fragte Claud. «Wissen Sie, was ich denke, Mr. Rummins? Wollen Sie meine ehrliche Meinung hören? Ich denke, das verdammte Ding ist viel zu groß, als dass wir’s je in den Wagen kriegen. Und was dann? Zum Teufel damit, wird er dann sagen und ohne die Kommode davonfahren. Auf Nimmerwiedersehen, mitsamt dem Geld. Sehr viel schien ihm ja an der Kommode gar nicht zu liegen.»

Rummins schwieg, um diese neue, ziemlich beunruhigende Möglichkeit zu erwägen.

«Wie soll denn so ein Ding in einen Wagen passen?», fuhr Claud unbarmherzig fort. «Geistliche haben nie große Wagen. Oder haben Sie schon mal einen Pfarrer mit einem großen Wagen gesehen, Mr. Rummins?»

«Nicht dass ich wüsste.»

«Na bitte. Und nun hören Sie zu. Mir ist da was eingefallen. Nicht wahr, er hat doch gesagt, er will nur die Beine? Stimmt’s? Wir brauchen also nichts weiter zu tun, als sie hier abzusägen, bevor er zurückkommt, dann geht das Ding bestimmt in den Wagen. Und außerdem ersparen wir ihm damit viel Arbeit und Mühe. Was halten Sie davon?» Clauds flaches Rindsgesicht glänzte vor dummem Stolz.

«Keine schlechte Idee», sagte Rummins mit einem Blick auf die Kommode. «Eigentlich sogar eine verdammt gute Idee. Also dann los, wir müssen uns beeilen. Ihr beide tragt sie auf den Hof, und ich hole die Säge. Aber zieht zuerst die Schubladen raus.»

Wenige Minuten später hatten Claud und Bert die Kommode hinausgeschafft und sie mitten in dem Hühnerdreck und dem Kuhmist auf den Kopf gestellt. In der Ferne, auf halbem Wege zwischen Hof und Straße, sahen sie eine kleine schwarze Gestalt dahineilen. Sie schauten ihr nach. Die Gestalt benahm sich einigermaßen komisch. Von Zeit zu Zeit fiel sie in Trab, dann wieder hüpfte sie auf einem Bein oder vollführte Luftsprünge, und auf einmal schienen Töne eines lustigen Liedchens über die Wiese zu dringen.

«Bei dem ist eine Schraube locker», meinte Claud lachend. Bert grinste vielsagend, und sein schlimmes Auge rollte langsam hin und her.

Rummins, plump wie ein Frosch, kam vom Schuppen herübergewatschelt. Claud nahm ihm die große Säge ab und machte sich ans Werk.

«Dicht absägen», sagte Rummins. «Sie wissen ja, er braucht sie für einen anderen Tisch.»

Das Mahagoniholz war hart und sehr trocken. Feiner roter Staub sprühte von dem Blatt der Säge und fiel sanft zu Boden. Ein Bein nach dem anderen löste sich, und als alle abgesägt waren, bückte sich Bert und legte sie sorgsam in eine Reihe.

Claud trat zurück, um das Ergebnis seiner Arbeit zu betrachten. Eine längere Pause entstand.

«Nur eine Frage, Mr. Rummins», sagte er schließlich. «Auch so, wie es jetzt ist – könnten Sie dieses Ungetüm hinten in einen Wagen laden?»

«Müsste schon ein Kombiwagen sein.»

«Richtig!», rief Claud. «Aber Geistliche fahren keine Kombiwagen. Die haben doch allerhöchstens einen Morris Acht oder einen Austin Sieben.»

«Er will ja nur die Beine», erwiderte Rummins. «Wenn das Übrige nicht hineingeht, kann er’s hier lassen. Hauptsache, er hat die Beine, dann wird er schon zufrieden sein.»

«Das glauben Sie doch selbst nicht, Mr. Rummins», sagte Claud geduldig. «Sie wissen ganz genau, dass er vom Preis was abhandeln wird, wenn er nicht jedes kleine Stückchen mitkriegt. In Gelddingen sind alle Pfarrer gerieben, das steht nun mal fest. Und besonders dieser alte Knabe. Aber was halten Sie davon, wenn wir ihm sein Brennholz fix und fertig mitgeben? Wo haben Sie Ihre Axt?»

«Ja, das ist wohl das Beste», meinte Rummins. «Los, Bert, hol die Axt her.»

Bert ging in den Schuppen und kam mit einer großen Holzfälleraxt zurück. Claud spuckte in die Hände, rieb sie aneinander, ergriff die Axt, schwang sie hoch in die Luft und ließ sie auf die beinlose Kommode niedersausen.

Die Arbeit war schwer, und es dauerte mehrere Minuten, bis er das Möbelstück kurz und klein geschlagen hatte.

«Eins kann ich euch sagen», verkündete er und wischte sich dabei den Schweiß von der Stirn. «Der Pfarrer mag reden, was er will, aber der Mann, der diese Kommode gebaut hat, war ein verflucht guter Tischler.»

«Wir haben’s gerade noch geschafft», rief Rummins. «Da kommt er!»

Загрузка...