24 Linkshänder

Zanna fügte sich so leicht wieder in die alte Routine und Kameradschaft, die in dem Versteck der Nachtfahrer herrschten, als wäre sie nie fort gewesen. Zuerst war Remana ihr gegenüber sehr kühl, aber ihr Zorn entsprang größtenteils der Sorge, die in den vergangenen Wochen an ihr genagt hatte. Als die Matriarchin der Schmuggler herausfand, welche Rolle Zanna bei Vannors Rettung gespielt hatte, taute sie auf der Stelle auf, und die beiden wurden wieder Freundinnen, wobei Remana Zanna, wie schon zuvor, wie die Tochter behandelte, die sie selbst nie gehabt hatte. Es gab viele Freundschaften zu erneuern – die wichtigste und köstlichste davon war das Wiedersehen mit ihrem Pony Piper. Zur Zeit waren alle Schmugglerponys unten in der Höhle, wo sie vor dem schrecklichen Wetter Schutz fanden, und so war es ihnen nicht schwergefallen, ihre Bekanntschaft zu erneuern.

Zanna verbrachte viel Zeit mit Piper – soviel Zeit, wie sie von der Pflege Vannors erübrigen konnte, der nach den schrecklichen Stunden im Sturm einen schweren Rückfall erlitten hatte. Er hatte sich in der eisigen Kälte und Nässe des Meeres eine schwere Erkältung zugezogen, aber unter Remanas liebevoller und Benziorns gewissenhafter Pflege und mit Hilfe des blonden Mädchens Emmie wurde er langsam wieder kräftiger. Zanna hoffte, Tarnals Angebot, mit ihr auszureiten, schon bald annehmen zu können – vorausgesetzt, das Wetter besserte sich.

Wenigstens würde sie auf diese Weise einmal von Yanis wegkommen, dachte Zanna verdrossen. Er trieb sie zur Verzweiflung, indem er sich den ganzen Tag in Vannors Kammer herumdrückte und Emmie mit großen Schafsaugen anstierte – wobei die Fremde, um ehrlich zu sein, seine Aufmerksamkeit überhaupt nicht zur Kenntnis nahm. Zanna fühlte sich auf seltsame Weise zu dem ernsthaften Mädchen mit den traurigen Augen hingezogen, die nach Remanas Bericht älter war, als sie aussah, und sowohl ihren Mann als auch ihre beiden Kinder infolge Miathans Grausamkeiten verloren hatte. Danach empfand Zanna großes Mitleid für sie, und außerdem wußte sie von ganzem Herzen zu schätzen, was Emmie für ihren Vater tat – und doch sollte sie die ältere Frau eigentlich wegen ihrer Schönheit hassen und dafür, daß sie Yanis von ihr selbst ablenkte.

Andererseits hatte Zanna während der Zeit, die sie zusammen in Hebbas Haus eingepfercht waren, festgestellt, daß sie das gedankenlose, selbstsüchtige Benehmen des Anführers der Nachtfahrer in zunehmendem Maße erzürnte. Außerdem war er nicht besonders klug – das hatte sie schon vorher gewußt, aber damals hatte es sie nicht gestört. Zanna errötete jedesmal, wenn sie sich daran erinnerte, daß sie ihrem Vater vor einigen Monaten erzählt hatte, daß sie die Absicht hätte, Yanis zu heiraten. Was für eine Närrin sie doch gewesen war!

Bei all der Verwirrung war Tarnal der einzig feste Anker in ihrem Leben. Er schien immer da zu sein, wenn Zanna am dringendsten einen Freund brauchte, und sie war stets froh, ihn zu sehen. Auch bedeutete es ihr sehr viel, daß der junge Schmuggler ihrem Vater gegenüber, für den er großen Respekt hatte, stets so besorgt war. Wenn sie der Spannung müde war, die zwischen Emmie und dem Anführer der Nachtfahrer herrschte, freute sie sich jedesmal auf den Ausflug, den sie mit Tarnal unternehmen wollte. Es würde sicher eine Wohltat sein, eine Weile nichts von Yanis’ Dummheiten miterleben zu müssen. Und so wartete sie ungeduldig darauf, daß das Wetter besser wurde. Am Tag, nachdem der Sturm sich endlich gelegt hatte, nahm sie daher Tarnals Einladung zu einem Ausritt auf den Klippen dankbar an.

Warm eingepackt, damit der Wind ihr nichts anhaben konnte, der auf ihren glühenden Wangen brannte und ihr das kurzgeschorene Haar zerzauste, galoppierte Zanna mit ihrem Pony über die Klippen; sie und Tarnal ritten um die Wette, und ihr Ziel sollte der einsame, stehende Stein in der Ferne sein. Wie herrlich es war, wieder draußen an der frischen Luft zu sein! Piper schien es genauso zu ergehen – das Pony war nach seiner langen Gefangenschaft in der Höhle voller Energie und brauchte diesen Ritt, um seiner Unruhe Herr zu werden. Die Wirkung auf Zanna schien die gleiche zu sein, denn als sie am Fuß des Hügels, auf dem der großen Stein stand, angelangt war – so nah wie man sich auf einem Pferd an den Stein heranwagen durfte, da die Tiere sich vor dem finsteren Megalithen fürchteten –, fühlte sie sich so glücklich und frei wie schon lange nicht mehr.

Lachend drehte sie sich zu Tarnal um, der hinter ihr herangaloppierte. »Ich habe gewonnen!« jubilierte sie. »Dieses fette Vieh, das du da reitest, muß schon seine Hufe schwingen, wenn es meinen Piper schlagen will …« Zanna brach plötzlich ab, als etwas – eine lange, dunkle, unvertraute Gestalt draußen auf dem Meer – ihre Aufmerksamkeit erregte. Es war auf keinen Fall ein Schiff, obwohl es groß genug dafür wäre, und nach der Art, wie es sich bewegte, schien es lebendig zu sein. »Tarnal, was, um alles auf der Welt, ist das denn?« rief sie und zeigte mit dem Finger aufs Meer.

»Es sieht aus wie ein Wal.« Der Nachtfahrer runzelte verwirrt die Stirn. »Aber normalerweise ziehen die Wale niemals in diese Gewässer. Was tut er hier? Und warum ist er ganz allein? Außerdem, warum bleibt er die ganze Zeit an der Oberfläche? Meinst du vielleicht, er ist krank?«

Gemeinsam setzten sie sich auf die Klippen, nachdem sie von ihren Ponys abgestiegen waren, die jetzt ganz in der Nähe grasten.

Während sich das riesige Tier draußen auf dem Meer langsam der Küste näherte, bemerkte Zanna irgendwann, daß Tarnal nach ihrer Hand gegriffen hatte, aber es war ein so angenehmes Gefühl, daß sie keinen Versuch unternahm, ihre Hand wegzuziehen. Plötzlich spürte sie, daß seine Finger sich fester um die ihren schlossen. »Zanna …« Seine Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern. »Bitte sag mir, daß ich keine Gespenster sehe. Ich bin sicher, daß da Leute auf dem Wal reiten.«

Seine Augen waren schärfer als ihre, aber nach ein paar Sekunden konnte Zanna die Gestalten auf dem Wal ebenfalls erkennen. »Das sind Leute! Aber wer könnte solche Macht über ein Geschöpf der Tiefe haben?« Sie drehte sich mit plötzlicher Panik zu dem Nachtfahrer um. »Tarnal – glaubst du, es ist der Erzmagusch? Was ist, wenn er uns gefunden hat?«

Fluchend riß Tarnal sie vom Boden hoch. »Schnell! Wir müssen zurück in die Höhle. Wir müssen unsere Leute warnen.«

Zanna warf sich auf Pipers Rücken und riß an den Zügeln. Das Tier bäumte sich überrascht auf, und dann stürmten sie zurück zum Versteck der Nachtfahrer.


Es war Sangra, die als erste die unverkennbare Gestalt des Megalithen entdeckte, der für die wenigen Glücklichen, die davon wußten, den Standort des geheimen Verstecks der Schmuggler kennzeichnete. »Da ist er!« rief sie. Parric erwachte benommen und rollte sich zur Seite, wobei er nur in letzter Sekunde verhindern konnte, daß er von dem geschwungenen Rücken des Leviathan hinunterrutschte. Sangra streckte die Hand aus, um ihm Halt zu geben, und er brachte sich leise fluchend in Sicherheit, bevor er sich aufsetzte und in die Richtung schaute, in die Sangra deutete.

»Du hast recht!« rief er. »Wer hätte gedacht, daß dieses Tier so schnell schwimmen kann? Das müssen wir unbedingt diesem elenden Mistkerl Idris erzählen, der uns mit dem löchrigen, alten Waschzuber, den er ein Schiff nennt, nach Süden gebracht hat!« Dann drehte er sich um und versuchte mit einem kräftigen Schütteln das Windauge zu wecken – was eine ganze Weile dauerte, da Chiamh den größten Teil der Nacht in angeregtem Gespräch mit Ithalasa verbracht hatte.

»Chiamh? Chiamh, wach auf, du Witzbold. Wir sind da!«

»Was? Schon?« murmelte Chiamh mit einem enttäuschten Unterton in der Stimme. Parric ignorierte ihn. Das Windauge war zwar ein netter Bursche und absolut harmlos, aber es war für ihn immer ein Fremder geblieben. Der Kavalleriehauptmann konnte es jedenfalls gar nicht erwarten, daß diese elende, abscheuliche, nasse, unbequeme, langweilige Reise endlich ein Ende nahm. Plötzlich erinnerte er sich daran, wo er sich befand, und versuchte hastig, diese Gedanken zu unterdrücken, falls der Leviathan irgendwie in der Lage sein sollte, ihn zu hören. Parric verspürte nach wie vor größte Ehrfurcht vor dem gewaltigen Geschöpf.

»Könntest du unseren Freund wohl bitten, auf diesen stehenden Stein auf den Klippen zuzuhalten?« fragte er das Windauge hastig und mit ungewohnter Höflichkeit.

»Welche Klippen?« fragte Chiamh, der kurzsichtig zum Horizont blinzelte. Parric seufzte. Das war ein Problem, mit dem er nicht gerechnet hatte.

»Weißt du«, sagte Sangra sanft, denn sie mochte das Windauge sehr, »du solltest die Lady Aurian fragen, ob sie dir mit ihren heilenden Kräften nicht helfen könnte, wieder richtig zu sehen.«

»Wir haben darüber gesprochen«, erwiderte Chiamh, »und sie hat es mir angeboten – aber ich fürchte, daß ich möglicherweise meine Andersicht verliere, wenn sie mir mein normales Augenlicht zurückgibt. Und ich wage es nicht, dieses Risiko einzugehen.«

»Darüber könnt ihr euch ein andermal unterhalten«, unterbrach Parric die beiden ungeduldig. Er sah bereits, daß der Leviathan langsam vom Kurs geriet. »Wie kriegen wir ihn jetzt dazu, uns wirklich zu den Nachtfahrern zu bringen?«

»Nun ja, da weder der Leviathan noch ich diesen Stein da sehen können, müßt ihr uns führen«, erwiderte Chiamh gutmütig. »Sagt mir nur, ob wir nach links oder nach rechts steuern müssen und wann es einfach geradeaus geht. Ich gebe die Anweisungen dann an Ithalasa weiter.«

Das war nicht gerade die perfekte Lösung, aber irgendwie schafften sie es – und es dauerte nicht mehr lange, da konnte Parric auch schon die tiefe Bucht mit ihren zerklüfteten Riffs in den Klippen erkennen, die die Höhlen der Nachtfahrer vor neugierigen Blicken verbargen. »Dank den Göttern, daß wir endlich wieder zu Hause sind«, sagte er nachdrücklich, »womit ich natürlich nichts gegen eure Südländer sagen wollte«, fügte er dann hastig an das Windauge gewandt hinzu. »Aber zu Hause ist – na ja, zu Hause eben, wenn du verstehst, was ich meine.«

Chiamh seufzte. Als Ausgestoßener unter den Xandim hatte er niemals das Gefühl gehabt, irgendwo hinzugehören – nicht, bis diese Fremdländer aus dem Norden erschienen waren. Plötzlich fragte er sich, was geschehen würde, wenn Aurian ihre Feinde bezwungen und ihre Mission vollendet hatte. Was sollte er dann tun? Es gab kein Zurück mehr für ihn an den Ort, von dem er gekommen war. Für das Windauge sah die Zukunft unerträglich einsam aus.

»Du wirst es schaffen«, durchdrang die freundliche Stimme von Ithalasa Chiamhs trostlose Gedanken. »Wer weiß, was das Schicksal für dich bereithält? Aber was auch geschieht und wo immer du auch hingehen wirst, Aurian und Anvar werden dich stets willkommen heißen. Außerdem…«, Ithalasa kicherte, »durch irgendeine seltsame Fügung des Schicksals haben sich in der Vergangenheit wohl einmal eure beiden Rassen untereinander vermischt, so daß du über einige Kräfte der Magusch verfügst, und nach dieser traurigen Sache werden wahrhaftig nur noch wenige von ihnen übrig sein. Ist es da nicht deine Pflicht, eine Gefährtin zu finden und Kinder zu zeugen, um diese Kräfte nicht aussterben zu lassen?«

Dann wechselte der Leviathan plötzlich das Thema – was auch gut war, da Chiamhs Gedanken bei dieser unerwarteten Aussicht völlig durcheinandergeraten waren.

»Windauge, ich komme an diesen Riffs, die dein Ziel bewachen, nicht vorbei. Würdest du die Menschen bitte fragen, was ich jetzt tun soll?«

Parric fluchte, als Chiamh ihm die Nachricht übermittelte. »Es sieht so aus, als müßten wir schwimmen.«

»Mach dir nichts draus«, meinte Sangra, »wir sind doch sowieso schon naß – eine weitere Begegnung mit dem Wasser spielt jetzt keine Rolle mehr.«

»Das weiß ich – aber wie ein verwaschenes Stück Strandgut in der Nachtfahrerhöhle aufzutauchen, das ist nicht gerade die triumphale Heimkehr, die ich mir vorgestellt hatte«, brummte der Kavalleriehauptmann. »Außerdem wird es Tage dauern, bis meine Ausrüstung wieder trocken ist – dieses verfluchte Seewasser macht mir meine ganzen Messer kaputt.«

Traurig verabschiedete sich Chiamh von Ithalasa und übermittelte ihm auch die Abschiedsworte und den Dank der beiden anderen. Dann ließ er sich zum letzten Mal über die geschwungenen Flanken des Leviathans ins Wasser gleiten und gesellte sich zu Parric und Sangra in den eisigen Ozean. Sobald sie ein gutes Stück von ihm entfernt waren, drehte Ithalasa sich um und steuerte wieder auf das offene Meer hinaus, wobei er schnell untertauchte und nur noch einmal mit seinem eleganten, machtvollen Schwanz zum Abschied die Oberfläche aufwühlte. Das Windauge sah ihm wassertretend nach, bis der Leviathan ganz unter den Wellen verschwunden war. Er konnte nur beten, daß Ithalasa nicht von seinem eigenen Volk dafür zur Rechenschaft gezogen wurde, daß er Aurian und ihren Gefährten geholfen hatte. Aber Chiamh hatte wenig Zeit, über solche Dinge nachzudenken, denn sobald die müden Reisenden in das Labyrinth der Felsen hineinschwammen, die die kleine Bucht ausfüllten, wurden sie von ungezählten Pfeilen begrüßt, die mit immer größerer Genauigkeit von den Klippen über ihnen auf sie zuschossen.

»Götter!« rief Sangra und tauchte unter die Wasseroberfläche. Parric sah, wie Chiamh in Panik mit den Armen ruderte und Wasser in den Mund bekam. Der Kavalleriehauptmann dagegen verlor keineswegs die Nerven, sondern tauchte in einen schmalen Zwischenraum zwischen zwei Felsen ein, um sich vor den tödlichen Pfeilen, die nun von allen Seiten auf sie niederprasselten, in Sicherheit zu bringen. Hastig streckte er den Kopf aus seinem Versteck, und ein Pfeil sauste unangenehm dicht an seinem Ohr vorbei. »He!« brüllte er mit seiner besten Kasernenhofstimme. »Hört auf zu schießen, ihr verdammten Idioten! Ich bin es, Parric!«

Der Pfeilhagel wurde zögerlicher und versiegte dann vollends. Der Kavalleriehauptmann stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und sah sich dann ängstlich nach seinen Kameraden um. Ihnen schien nichts passiert zu sein, doch Sangra mußte Chiamhs Kopf über Wasser halten, während das Windauge hustete und prustete. Dann hörte Parric das Eintauchen von Riemen, und ein kleines Boot glitt aus den Schatten des schmalen Höhleneingangs in das Sonnenlicht hinein. An der Ruderpinne saß ein blonder Schmugglerjunge, der ihm irgendwie bekannt erschien – und zu seiner Freude entpuppte er sich als Vannors Tochter Zanna mit kurz geschorenem Haar!

Das Mädchen hielt das kleine Boot ruhig, während ein Junge die Hand ausstreckte, um Chiamh und Sangra beim Hineinklettern zu helfen. Parric schwamm auf sie zu, da er wußte, daß das Boot zwischen den unter dem Wasser liegenden Riffs nur wenig Platz für größere Manöver hatte. Schließlich zog er sich ebenfalls vorsichtig an Bord.

Erst dann überließ Zanna die Riemen ihrem Gefährten. »Parric!« rief sie glücklich und schlang ihm die Arme um den Hals. »Ich bin ja so froh, daß du sicher heimgekehrt bist.«

»Und ich freue mich, dich zu sehen, Mädchen.« Er zerzauste ihr voller Zuneigung das kurzgeschorene Haar. »Ich sehe, du bist nun tatsächlich ein Krieger geworden, wie du es dir immer gewünscht hast. Viele Frauen lassen sich auf den Feldzügen die Haare schneiden. Das ist das Zeichen der wahren Kriegerin.« Er kicherte, als er Sangras empörten Widerspruch hörte. »Erspart einem auch eine Menge Schwierigkeiten«, fuhr er strahlend fort. »Bei den Göttern, Mädchen, du bist wirklich ein Augenschmaus, wenn man monatelang nur Sangra und eine Horde von Fremden zum Anschauen hatte.« Er sah seine Gefährten mit einem fröhlichen Augenzwinkern an. »Zanna, das ist Chiamh, aber ich werde euch noch richtig miteinander bekanntmachen, sobald wir an Land sind.« Als sie in den schmalen, von Echos widerhallenden Tunnel fuhren, der in die Höhle führte, verdüsterte sich sein Gesichtsausdruck. »Und wo, zum Teufel, ist dieser verdammte Idiot Yanis?«

»Er wartet am Strand«, antwortete Zanna. »Er sagte, er wolle euch ein Willkommen bereiten, wie es sich für ihn als Anführer geziemt.«

»Ich werde ihm ein Willkommen bereiten, das er sobald nicht vergessen wird«, knurrte Parric. »Hat der Narr vergessen, wie man seine Augen benutzt?«

Zanna kicherte, als sie aus dem Tunnel in die geräumige Höhle fuhren. »Ich fürchte, das war unsere Schuld.« Sie sah den jungen Schmuggler, der mit ihnen im Boot saß, mit einem Ausdruck in den Augen an, der Parric aufmerken ließ. »Wir haben gerade einen Ausritt über die Klippen unternommen«, fuhr sie fort, »und als wir euch auf diesem Wal sahen – nun ja, wir dachten, es müßte der Erzmagusch sein.« Ihre Stimme wurde zu einem verängstigten Flüstern, und ein Schatten der Angst tauchte in ihren Augen auf, für den der Kavalleriehauptmann keine Erklärung hatte. Aber es blieb ihm keine Zeit für weitere Fragen, denn im nächsten Augenblick dröhnte eine vertraute Stimme von der Küste her zu ihnen herüber.

»Parric, du alter Bastard! Haben die Südländer also endlich genug von dir?«

»Das ist Vannor!« Die Augen des Kavalleriehauptmanns weiteten sich erstaunt. »Was tust du denn hier, du dicker, alter Geldsack?« brüllte er übers Wasser, bevor er beim Anblick der fehlenden Hand des Kaufmanns plötzlich verstummte.

»Parric, bitte sei vorsichtig«, flüsterte Zanna ihm eindringlich zu. »Er kann es immer noch nicht akzeptieren. Er fühlt sich jetzt so nutzlos.«

»Bei allen Göttern«, knurrte Parric, und in seinen Augen leuchteten Schmerz und Zorn auf. »Wer hat ihm das angetan? Ich hänge den Bastard an den eigenen Gedärmen am nächsten Baum auf.«

»Das glaube ich nicht.« In Zannas Stimme schwang ein grimmiger Ton mit. »Es war Eliseth.«

Als das Boot knirschend auf den Kies fuhr, sprang Parric heraus und lief schnurstracks an dem Anführer der Nachtfahrer vorbei, der ihm entgegengeeilt war. Er ging ohne Umwege auf Vannor zu und zog ihn in einer rauhen Umarmung an sich, wobei er dem Kaufmann so derb auf den Rücken schlug, daß Vannor protestierend aufschrie.

»Ich hätte nie gedacht, daß ich mich jemals freuen würde, dein häßliches Gesicht wiederzusehen«, sagte der Kavalleriehauptmann und trat einen Schritt zurück. Sein Blick wanderte unverhohlen zum rechten Arm seines Freundes. »Also, es ist doch wirklich zum Auswachsen«, knurrte er scheinbar verletzt. »Bloß weil ich Linkshänder bin, meinen plötzlich alle, sie müßten mich nachäffen. Als nächstes wirst du mich noch bitten, dir all meine Tricks zu verraten, wie man mit der linken Hand kämpft.«

In dem entsetzten Schweigen, das folgte, spiegelte sich auf Vannors Gesicht eine Mischung aus Zorn und blankem Entsetzen wider – bis plötzlich ein schelmisches Grinsen über seine Züge huschte. »Tja, da ich nun mal die Frechheit hatte, dich nachzuäffen, du unverschämter kleiner Dachs, solltest du mir vielleicht wirklich besser ein paar von diesen Tricks beibringen, die du erwähnt hast – das heißt, falls das Ganze nicht ein einziger Schwindel war.«

»O nein, ich habe tatsächlich einige Tricks auf Lager«, versprach ihm der Kavalleriehauptmann. »Die schmutzigsten Tricks, die du dir vorstellen kannst. Und ich werde sie dir alle beibringen, mein Freund – aber das kann warten! Zuerst einmal sollten wir uns so richtig besaufen!« Mit diesen Worten legte er einen Arm um Vannors Schultern und wollte diesen gerade in die Höhle führen, als Sangra ihn zurückrief. »Warte, Parric. Das mit dem Saufen ist eine gute Idee, und ich bin wahrhaftig dafür … aber ich meine, wir sollten damit warten, bis wir mit Yanis gesprochen haben.«

»Verflucht!« murmelte Parric und drehte sich um. »Du siehst jetzt, warum ich nie das Kommando erhalten habe. Einen Augenblick lang hatte ich ganz vergessen, weshalb wir hier sind.«

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