Acht

»Das Schlachtschiff hat sich in Bewegung gesetzt«, meldete Desjani und beendete damit Gearys vergebliche Bemühungen, in seinem Quartier ein wenig Schlaf zu bekommen. Er fragte sich, ob sie in den letzten vierundzwanzig Stunden überhaupt einmal die Brücke verlassen hatte.

»Auf welchem Vektor?«, fragte er und versuchte die Müdigkeit abzuschütteln, die seinen Verstand, aber nicht seinen restlichen Körper erfasst hatte.

»Es sieht danach aus, dass sie Kurs auf die Primärwelt genommen haben.«

Was hatte das zu bedeuten? War an Bord eine Meuterei ausgebrochen, und man brachte nun die Mitglieder des Exekutivrats nach Hause, damit sie sich vor einer neuen Regierung für ihr Handeln verantworteten? Oder hatten sie immer noch alles fest im Griff und kehrten nur zurück, um zu belegen, dass sie Autorität besaßen, aber niemand sonst?

Desjani hatte sich aber bereits eine andere mögliche Erklärung ausgedacht. »Vielleicht wollen sie uns hinter dem Stern hervorlocken«, überlegte sie. »Wir sollen versuchen sie abzufangen, dann eilen sie zurück zum Sprungpunkt und entkommen, während das Hypernet-Portal kollabiert.«

Er rieb sich die Augen, dann musterte er kurz das Display über dem Tisch. »Wir müssen uns gar nicht rühren. Die Eingreiftruppe kommt mit dem Schlachtschiff zurecht.«

»Nicht wenn die Flotte sich einmischt.«

Wie auf ein Stichwort hin blinkten Warnsymbole auf dem Display auf, da die Syndik-Flotte ihre Vektoren geändert hatte. Ungeduldig wartete Geary, bis endlich klar war, auf welchem Kurs sie mit welcher Geschwindigkeit unterwegs war. Die voraussichtliche Flugbahn näherte sich der Allianz-Flotte, schwenkte dann aber weg und verschmolz mit dem Kurs des Schlachtschiffs. »Mussten Sie das unbedingt aussprechen?«, fragte er Desjani.

Sie lächelte ihn freudlos an. »Es war so vorhersehbar. Entweder sind die Syndiks unterwegs zur Primärwelt, um da aufzuräumen und die Rädelsführer festzunehmen, und deshalb wollen sie von der Flotte begleitet werden. Oder aber der Exekutivrat wurde unter Arrest gestellt, und nun will die Flotte die Führer retten.«

Ein weiterer Kurs verschmolz mit dem der Flotte und dem des Schlachtschiffs. »Die Eingreiftruppe wird das Schlachtschiff erreichen, kurz bevor es von der Flotte abgefangen wird.«

»Und wir sitzen hier fest.«

»Tut mir leid.«

»Dafür habe ich was gut bei Ihnen.«

Er reagierte mit einem gleichermaßen freudlosen Lächeln. »Ist vermerkt. Ich finde, wir sollten unsere Position noch nicht verlassen, sondern einige Stunden länger warten, bis wir Gewissheit haben, dass man uns nicht nur aus der Deckung holen will.«

»Das wird der Flotte nicht gefallen, Sir. Wir halten uns hinter dem Stern versteckt, während sich die Syndiks nähern.«

»Mir gefällt das auch nicht. Aber falls die Syndik-Führer uns ködern wollten, werden sie diesmal keine Sekunde zögern, den Befehl an das Hypernet-Portal zu senden, sobald wir uns weit genug hinter dem Stern hervorgewagt haben.« Dummerweise konnte diese Logik ihn dazu zwingen, unendlich lange hinter dem Stern zu verharren. »Tanya, wenn Sie das Gefühl bekommen, dass ich zu lange damit zögere, diese Flotte von der Stelle zu bewegen, dann sagen Sie es mir.«

»Das mache ich doch immer, Sir.«

Eine weitere Stunde verging, die Geary damit verbrachte, immer unruhiger und ungehaltener zu werden. Seinen Komm-Status hatte er auf Ausruhen eingestellt, damit niemand außer Desjani, Rione oder Duellos mit ihm Kontakt aufnehmen konnte. Für den Augenblick sah er sich nicht in der Lage, sich Ratschläge von Leuten wie Badaya anzuhören.

Allerdings war da noch CEO Boyens. Würde er helfen können? Nein, nach seiner eigenen Aussage war er vor mehr als zehn Jahren in die Grenzregion versetzt worden. Selbst wenn wir ihm vertrauen könnten – was wir nicht können –, weiß er nichts darüber, wer in diesem System wichtig ist.

Schließlich kehrte Geary auf die Brücke zurück und nahm mit finsterer Miene im Sessel des Flottenbefehlshabers Platz, während die Wachhabenden auf ihren gut geschulten Überlebensinstinkt hörten und alles taten, um ihn ja nicht auf sich aufmerksam zu machen.

»Admiral«, meldete sich Lieutenant Iger mit einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen, das schnell wieder verschwand, als er den Ausdruck in Gearys Augen bemerkte. »Sir, es spielt sich sehr viel Kommunikationsverkehr zwischen dem Schlachtschiff und der Primärwelt ab.«

»Und was bedeutet das?«, wollte Geary wissen. Als ihm bewusst wurde, wie schroff er mit Iger gesprochen hatte, bemühte er sich um einen normalen Tonfall. »Wissen Sie, über was sie sich unterhalten?«

»Nein, Sir. Aber in den Übertragungen findet sich ein sehr interessanter Hinweis. Die Nachrichten von der Primärwelt haben im Syndik-Net Vorrang vor der Kommunikation, die vom Schlachtschiff ausgeht.«

»Was ist mit der Flotte? Mit wem redet sie?«

Lieutenant Iger schüttelte den Kopf. »Wir konnten zwar Übermittlungen von der Primärwelt an die Flotte feststellen, aber wir haben nichts entdeckt, was in die entgegengesetzte Richtung gesendet wird. Unsere Schiffe und Erkundungssatelliten sind nicht in der richtigen Position um etwas dazu sagen zu können, ob auch eine direkte Kommunikation zwischen der Flotte und dem Schlachtschiff stattfindet.«

»Danke.« Geary rieb sich die Augen und spielte ernsthaft mit dem Gedanken, das medizinische Personal der Flotte um ein Schmerzmittel zu bitten, das nur von Ärzten verschrieben werden durfte. »Captain Desjani, mein Gefühl sagt mir, wenn in der nächsten halben Stunde nichts geschieht, dann sollten wir unsere Position verlassen und auf einen Abfangkurs zum Schlachtschiff gehen, das dann immer noch vier Lichtstunden entfernt ist. Was meinen Sie dazu?«

»Ich meine dazu, wenn wir versuchen zu warten, bis wir uns sicher fühlen, werden wir die Gelegenheit versäumen, diese Situation zu unseren Gunsten zu lösen. Das Syndik-Schlachtschiff sieht erst in vier Stunden, dass wir uns von der Stelle gerührt haben. Dessen Reaktion sehen wir dann in weiteren vier Stunden, aber die Primärwelt wird schon viel früher sehen, dass wir uns in Bewegung gesetzt haben. Die ist nur zehn Lichtminuten von uns entfernt. Wenn man dort bemerkt, dass wir Kurs auf das Schlachtschiff genommen haben, wird vielleicht jemand, der den Exekutivrat absetzen will, mit uns reden wollen. Sie werden uns auf ihrer Seite haben wollen, und so abstoßend für mich auch der Gedanke ist, mich mit einem Syndik zu verbünden, brauchen wir jemanden, der die Bedrohung durch das Hypernet-Portal abstellen kann.«

»Warum machen wir uns dann nicht sofort auf den Weg?«

»Das klingt nach einer hervorragenden Idee, Admiral. Da kann ich nur zustimmen.«

Geary bedachte sie mit einem mürrischen Blick und überlegte, ob er Tulevs Meinung dazu einholen sollte. Es konnte nicht verkehrt sein, die Meinung von jemandem zu hören, der einen anderen Blickwinkel auf die Lage hatte, vor allem wenn es sich um jemanden wie Tulev handelte, der sehr bodenständig und vernünftig war. Aber gerade wollte er ihn rufen, da ging ihm ein Gedanke durch den Kopf. »Captain Desjani, haben Sie bereits mit Captain Tulev darüber gesprochen?«

»Ja, Sir.«

»Und würde mir Captain Tulev den gleichen Rat geben wie Sie?«

»Ja, Sir.«

Er konnte weiterhin verärgert bleiben, er konnte es aber auch mit Humor nehmen. Seine Verärgerung hatte ihm bislang nicht weitergeholfen, also konnte er es mit einem Lachen versuchen. »Danke, Captain Desjani.« Er warf einen Blick in den rückwärtigen Bereich der Brücke, wo Senator Sakai wieder ganz entspannt in seinem Sessel saß, aber alles sehr wachsam mitverfolgte. »Wir werden versuchen, die politischen Spielchen zu enthüllen, die sich momentan abspielen, Senator.«

Sakai nickte. »Ich nehme an, Sie beziehen sich damit auf die politischen Spielchen der Syndiks, oder, Admiral?«

»Ja, genau.« Es war gut zu wissen, dass Sakai Sinn für Humor hatte. Geary überprüfte das Steuersystem, dann rief er die Flotte. »An alle Einheiten in der Hauptformation der Allianz-Flotte: Hier spricht Admiral Geary. Drehen Sie null eins drei Grad nach Steuerbord und null zwei Grad nach oben. Beschleunigen Sie dann bei Zeit vier eins auf 0,1 Licht.«

Er schaltete um: »Captain Duellos, unsere Flotte geht auf Abfangkurs zum Schlachtschiff der Syndiks, das seinen Platz am Sprungpunkt nach Mandalon verlassen hat.«

Bei Zeit fünf eins befahl Desjani der Dauntless die Kurs- und Geschwindigkeitsänderungen, dann musste sie gähnen. »Mindestens ein Tag, vielleicht sogar eineinhalb, bis wir mit dem Schlachtschiff zusammentreffen. Ich glaube, ich lege mich hin, um mich auszuruhen.«

»Gute Idee.« Nachdem nun die Entscheidung getroffen worden war, hatte die Anspannung auf der Brücke spürbar nachgelassen – was eigentlich absurd war, hatte er doch soeben befohlen, dass die Flotte ihre geschützte Position hinter dem Stern verließ. Dennoch fühlte er selbst sich auch gleich etwas ruhiger. »Vielleicht kann ich jetzt ja auch eine Weile schlafen.«

»Dann sollten Sie sich aber beeilen«, riet Desjani ihm. »In einer halben Stunde könnten wir schon eine Nachricht von der Primärwelt erhalten.«

»Damit kann ich leben.«

Wie sich herausstellte, ereignete sich bereits nach zehn Minuten etwas. Geary hatte soeben sein Quartier betreten, da meldete sich der Komm-Wachhabende der Dauntless bei ihm. »Admiral, wir haben eine Nachricht vom Syndik-Schlachtschiff erhalten.«

Das Bild zeigte diesmal keinen CEO, sondern einen Syndik-Offizier des Militärs, der mit ernster Miene redete: »An die Allianz-Flotte: Beachten Sie, dass dieses Schlachtschiff und die begleitenden Schweren Kreuzer einem Befehl des neuen Exekutivrats der Syndikatwelten folgen. Wir sind im Begriff, die Mitglieder des alten Exekutivrats nach Prime zu bringen, dem zweiten Planeten in diesem System. Diese Mitglieder haben keinen Zugriff auf irgendwelche Kommunikations- oder Sendeausrüstung. Wir…« Der Syndik musste sich sichtlich zwingen, ehe er weiterreden konnte: »Wir bitten Sie darum, nicht in unseren Transit einzugreifen.«

Das musste dem Mann sehr schwer gefallen sein, aber das musste aufgenommen und gesendet worden sein, noch bevor das rebellierende Syndik-Schlachtschiff hatte sehen können, wie deren Flotte beidrehte und auf Abfangkurs ging. Würde eine weitere Nachricht folgen, dann vielleicht mit der noch viel schwieriger über die Lippen kommende Bitte an die Allianz-Flotte, das Schlachtschiff vor der Syndik-Flotte zu beschützen?

Er dachte noch darüber nach und überlegte, wie er einen solchen Befehl wohl am besten formulieren sollte, als sich der Komm-Wachhabende erneut meldete und diesmal eine Nachricht von der Primärwelt ankündigte.

Geary sah eine Gruppe von CEOs, die unter freiem Himmel auf dem Rasen vor einer Gruppe von flachen Gebäuden zu stehen schienen. Sie trugen ihre übliche, makellos gearbeitete Kleidung, doch zur Abwechslung hatte keiner von ihnen dieses affektierte, unehrliche Lächeln aufgesetzt. »An Admiral Geary und die Vertreter des Großen Rats der Allianz«, begann einer der CEOs zu reden. »Wir sind die Mitglieder des neuen Exekutivrats der Syndikatwelten. Wir haben uns mit Ihren Vorschlägen beschäftigt und sind bereit, mit Ihnen über deren Annahme zu verhandeln, um die Feindseligkeiten einzustellen. Wir haben alle mobilen und fixen Streitkräfte im System angewiesen, von allen offensiven Maßnahmen abzusehen, und wir bitten Sie im Gegenzug, von allen offensiven Maßnahmen gegen alle Personen und Einheiten der Syndikatwelten abzusehen, die unsere Autorität anerkannt haben.«

Mit noch ernsterem Tonfall fuhr der CEO fort: »Die Programmierung für die Umkehr der von Ihnen als Schutzvorrichtung bezeichneten Einheit wurde aufgehoben. Das Hypernet-Portal kann jetzt nicht mehr dazu benutzt werden, dieses System und Ihre Flotte zu vernichten. Wir können gut verstehen, dass Sie Erklärungen von Führern der Syndikatwelten mit Misstrauen behandeln. Unser eigener Standort befindet sich auf der Oberfläche unserer Welt. Während wir auf Ihre Antwort warten, werden wir als Geiseln unserer Zusicherung hier bleiben, dass Ihrer Flotte nichts geschehen wird.«

Das klang vielversprechend. Es hatte tatsächlich etwas bewirkt, die Flotte in Bewegung zu setzen.

Auf seinem Bildschirm tauchte Riones Bild auf. »Ich habe die Mitteilung gesehen. Wir können nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass sie sich tatsächlich auf der Planetenoberfläche befinden. Das könnte eine Simulation in einem Raum sein, der sich tief im Inneren dieser Welt befindet. Aber ich habe eine Analyse vorgenommen, wonach nicht mal in einer sehr tief unterirdisch gelegenen Kammer die Überlebenschancen nennenswert sind, wenn das Hypernet-Portal mit einer verstärkten Energie-Entladung kollabiert. Die Syndiks sind zwar hinterlistig, aber ihre Ingenieure beherrschen ihr Fach so gut wie unsere, und das wissen sie auch.«

»Dann heißt das, wir können ihnen vertrauen?«

»So sehr, wie man jedem Syndik vertrauen kann. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass diese CEOs höhere moralische Standards haben als ihre Vorgänger oder dass sie weniger egoistisch sind. In diesem Fall sind diese Ichbezogenheit und der Überlebenswille vorteilhaft für uns. Sie mussten diese Vorrichtung abschalten, um ihr eigenes Leben zu retten.« Rione nahm eine förmlichere Haltung an. »Admiral Geary, ich bitte um Erlaubnis, dass die anwesenden Vertreter des Großen Rats der Allianz direkte Verhandlungen mit den CEOs des neuen Exekutivrats der Syndikatwelten aufnehmen.«

»Erlaubnis erteilt.«

»Wenn ich zwischen den Zeilen richtig gelesen habe, erkennt die Syndik-Flotte die Autorität des neuen Exekutivrats nicht an. Ich gehe davon aus, dass der Rat uns darum bitten wird, die Bevölkerung vor der eigenen Flotte zu beschützen. Wie soll ich mit dieser Bitte umgehen, Admiral?«

Sein Spannungskopfschmerz drohte wiederzukehren. »Die Allianz-Flotte wird sich allen feindseligen Streitkräften in diesem Sternensystem in den Weg stellen.«

Rione lächelte. »Sehr gut. Zwar vage, aber auch entschlossen. Damit sollte für alle Eventualitäten vorgesorgt sein. Ich werde mich mit Sakai und Costa treffen und eine Verbindung zu den Syndiks herstellen.«

»Und ich werde die Flotte weiter dem Kurs folgen lassen, der sie wieder mit der Eingreiftruppe zusammenführt. Danach werden wir das Syndik-Schlachtschiff und die Flotte abfangen. Wenn alle auf dem momentanen Kurs bleiben, dann haben Sie nicht ganz dreiundzwanzig Stunden zur Verfügung, um zu einer Einigung zu gelangen. Wenn das bis dahin nicht klappt, dann wird diese Syndik-Flotte entweder die Flucht ergreifen, oder wir werden sie in Grund und Boden schießen.«

»Ich werde mir das vor Augen halten, Admiral. Denken Sie bitte daran, dass wir die Mitglieder des bisherigen Exekutivrats nicht länger nötig haben. Solange sie leben, stellen sie eine Bedrohung für die Verhandlungen dar.«

»Ich werde daran denken.« Geary fragte sich, ob seine Stimme genauso kalt klang, wie es ihm vorkam. »Allerdings werde ich sie nicht ermorden.«

»Ich bezweifle auch, dass Sie das tun müssen, Admiral. Die Mitglieder des alten Exekutivrats dürften von drei Seiten unter Beschuss geraten. Sollten sie das irgendwie überleben, werden die Syndik-Offiziere auf diesem Schlachtschiff wohl eher diese Mitglieder hinrichten, anstatt zu riskieren, dass sie doch wieder irgendwie an die Macht kommen. Immerhin haben sie CEO Shalin seinerzeit den Befehl gegeben, die von Admiral Bloch angeführten Allianz-Offiziere zu töten.« Riones Lächeln war so frostig wie zuvor Gearys Tonfall. »Die lebenden Sterne handeln manchmal langsam, aber sie neigen dazu, jedem das Schicksal zuteil werden zu lassen, das er verdient hat.«

Die Syndik-Flotte musste inzwischen gesehen haben, dass die Allianz-Flotte sich auf den Weg gemacht hatte. Das war aber für sie kein Anlass, die Flucht zu ergreifen, stattdessen blieb sie beharrlich auf einem Abfangkurs zum Schlachtschiff, das in Richtung der Primärwelt unterwegs war.

»Die wollen das Schlachtschiff haben«, ließ Geary Duellos wissen, der diese Nachricht erst in über einer Stunde empfangen würde. »Sie müssen es jagen, also wollen wir, dass es unbeschädigt bleibt und so schnell wie möglich die inneren Planeten erreicht. Dadurch wird die Syndik-Flotte gezwungen, sich mit uns auseinanderzusetzen. Versuchen Sie, diese Flotte irgendwie aufzuhalten, feuern Sie auf die Schiffe am Rand, und achten Sie vor allem darauf, ob sich Schlachtkreuzer aus der Formation lösen und versuchen, das Schlachtschiff einzuholen, bevor es uns erreichen kann. Sobald wir die Flotte gestellt haben, ist das Schlachtschiff für uns nicht länger von Interesse.« Hatte er noch irgendetwas vergessen? »Versuchen Sie, nicht in Feuerreichweite des Schlachtschiffs zu gelangen. Man hat uns zwar zugesichert, dass es nicht das Feuer auf uns eröffnen wird, aber darauf können wir nicht vertrauen. Und selbst wenn die Syndiks Wort halten, könnten sie trotzdem einen Angriff befürchten, wenn Sie ihnen zu nahe kommen, und dann schießen sie vielleicht doch auf uns. Geary Ende.«

Desjani saß wieder im Kommandosessel und wirkte ausgeruht, entspannt und gut gelaunt, während die beiden Flotten sich mit einer kombinierten Geschwindigkeit von rund 0,2 Licht einander näherten. »Vor einiger Zeit ist ein Syndik-Jäger durch das Hypernet-Portal gekommen. Sieht so aus, als würde er in dessen Nähe bleiben wollen.«

»Ein Kurier.« Der Jäger hatte seine Nachricht übermittelt und wartete nun am Hypernet-Portal, bis er eine Antwort erhalten hatte, damit er wieder abfliegen konnte. »Möchte wissen, was er von diesem Minenfeld vor dem Portal und von den Handelsschiffen mit ihren SAS denkt.« Geary betrachtete nachdenklich das Display. »Apropos… mich wundert, warum diese Schiffe sich noch immer nicht von der Stelle gerührt haben.«

»Die Schiffe sind zu langsam, um sich in irgendeiner Weise nützlich zu machen«, betonte Desjani. »Und das wissen die Syndiks auch, egal auf welche Seite sie sich schlagen. Wenn wir die Flotte unschädlich gemacht haben, bleibt uns immer noch genug Zeit, um die SAS und ihre Mutterschiffe zu zerstören.«

Das Syndik-Schlachtschiff, das auf dem Weg zu ihnen war, befand sich auf der Backbordseite der Allianz-Schiffe, der relative Kurs war unverändert und brachte das Schiff näher an den voraussichtlichen Treffpunkt mit der Allianz-Flotte heran. Etwas weiter entfernt an Backbord näherte sich ihnen die Syndik-Flotte, während sich die Eingreiftruppe fast genau vor ihnen befand und gleichfalls Kurs auf das Schlachtschiff genommen hatte. Es würden jedoch noch sechs Stunden vergehen, ehe sie das Schlachtschiff erreichte, kurz darauf würde die Syndik-Flotte eintreffen, während die Allianz-Flotte erst in fünfzehn Stunden nahe genug sein würde, um in das Geschehen einzugreifen. »Wollen wir das Schlachtschiff auch außer Gefecht setzen, selbst wenn es nicht sein muss?«, sagte Geary mehr zu sich selbst.

Desjani hörte ihn und warf ihm einen zustimmenden Blick zu. »Färbe ich allmählich auf Sie ab? Ja, wir sollten das machen. Das ist dann ein Schlachtschiff weniger, das die Syndiks irgendwann einmal gegen uns einsetzen können.«

»Aber wir wollen auch nicht, dass im Syndik-Gebiet Anarchie herrscht«, hielt er dagegen. »Das könnte nämlich drohen, wenn wir ihnen jedes Mittel nehmen, um sich zu verteidigen.«

»Es ist immer noch ein feindliches Schiff, und unser Auftrag lautet, feindliche Schiffe zu zerstören.«

»Die Syndik-Flotte versucht möglicherweise auch, das Schiff zu vernichten.«

»Umso besser, das macht es leichter für uns. Wir helfen der Flotte, es zu zerstören, und danach zerstören wir die Flotte.«

Desjanis Vorschlag war einfach, aber effektiv. »Wir werden sehen, was passiert«, gab er schließlich zurück. »Ich gebe zu, ich fühle mich versucht. Aber ich werde das Schlachtschiff nicht beschießen, wenn es unsere Schiffe in Ruhe lässt.«

Sie machte eine unzufriedene Miene, dann nickte sie. »Das Feuer auf sie zu eröffnen, während sie sich an einen Waffenstillstand halten, wäre das, was ein Syndik tun würde, nicht wahr? Also gut, dann werden wir uns zivilisiert verhalten und nur töten, wenn wir von ihnen provoziert werden.«

»Sie sind eine interessante Frau, Tanya.« Geary rieb sich die Augen. »Ich glaube, ich werde mal versuchen, ob ich jetzt schlafen kann.«

Vielleicht war es Erschöpfung, vielleicht aber auch Erleichterung darüber, dass in nächster Zeit mit einer Entscheidungsschlacht zu rechnen war, auf jeden Fall hatte er diesmal keine Probleme mit dem Einschlafen. Dass er nur vier statt der erhofften fünf Stunden Schlaf bekam, lag daran, dass eine Nachricht der Eingreiftruppe einging.

Duellos wirkte entspannt. Für Geary war es immer noch schwierig sich vorzustellen, dass der Captain inzwischen auf der Brücke der Inspire saß, war doch die Courageous bei Heradao zerstört worden. »Ich habe vor, an dem Schlachtschiff mit seiner Eskorte aus drei Kreuzern vorbeizufliegen. Die Syndik-Flotte ist derzeit so angeordnet, dass die Schlachtschiffe den äußeren Rand bilden, während sich die Schlachtkreuzer in der Mitte befinden. Dadurch ist das eine sehr harte Nuss, die wir da knacken müssen. CEO Shalin mag ja ehrlos und verabscheuenswürdig sein, aber er ist auch schlau. Ich will sehen, was ich tun kann, um ihn aufzuhalten und ihm wehzutun, aber wir brauchen die Schlachtschiffe unserer Flotte, wenn wir richtig auf die Syndiks einprügeln wollen. Duellos Ende.«

Geary konnte für mindestens einen Tag jeden Gedanken an Schlaf abschreiben, also verließ er sein Quartier und begab sich auf die Brücke.

Desjani saß noch immer auf ihrem Platz und schien die ebenfalls anwesende Senatorin Costa beharrlich zu ignorieren. Die konzentrierte sich ihrerseits ganz auf ihr Display.

»Stimmt das?«, fragte sie, als sie Geary sah. »Unsere Eingreiftruppe zieht in zwei Stunden gegen den Feind ins Gefecht?«

»Ganz so ist es nicht«, erklärte er, während er sich hinsetzte. »In etwas weniger als zwei Stunden wird unsere Eingreiftruppe auf das Syndik-Schlachtschiff treffen, das auf dem Weg zur Primärwelt ist. Wir haben nicht vor, auf das Schiff zu schießen, es sei denn, es eröffnet das Feuer auf uns.«

»Dann wird es so bald noch keine Schlacht geben?« Costa wirkte enttäuscht.

»Ich will es nicht hoffen. Ich brauche alles, was diese Schlachtkreuzer beim Kampf mit der Syndik-Flotte in die Waagschale werfen können. Außerdem sind Schlachtschiffe verdammt zähe Ziele, selbst wenn eines nur von drei Eskorten begleitet wird.«

»Wir haben gerade eine Verhandlungspause, und ich bin auf die Brücke gekommen, weil ich gehofft hatte, aus erster Hand mitzuerleben, wie unsere tapferen Matrosen sich dem Feind in den Weg stellen«, beklagte sich Costa.

Er sah zu Desjani, die so tat, als würde sie von dieser Unterhaltung gar nichts mitbekommen. »Senatorin, die Eingreiftruppe wird fast eine Lichtstunde von uns entfernt auf den Feind treffen, was bedeutet, dass wir erst eine Stunde später zu sehen bekommen, was sich dort abspielt.«

Costa legte die Stirn in Falten. »Ja… natürlich… Das… das versteht sich von selbst. Geben Sie mir bitte Bescheid, bevor die Eingreiftruppe auf die Syndik-Flotte trifft. Ich nehme an, der Angriff wird auf das Zentrum der feindlichen Formation erfolgen, wo sich deren Schlachtkreuzer befinden.«

»Nein, Senatorin, das werden wir nicht machen.«

»Sie sagten doch gerade eben, dass Schlachtschiffe zähe Ziele sind. Mir ist klar, dass Schlachtkreuzer nicht dafür ausgelegt sind, sich mit Schlachtschiffen zu messen. Warum sollen unsere Schlachtkreuzer dann nicht deren Schlachtkreuzer attackieren?«

Erst nachdem er tief durchgeatmet hatte, um sich zu beruhigen, erwiderte Geary: »Zum einen stehen unseren neun Schlachtkreuzern sechzehn feindliche gegenüber, zum anderen würde sich unsere Eingreiftruppe dem Beschuss von allen Seiten aussetzen, sollte sie versuchen, mitten in die Formation zu fliegen – nicht nur von den Schlachtschiffen am Rand der Formation, sondern auch von der immensen Menge der Eskortschiffe. Allein die einundsechzig Schweren Kreuzer würden für die Eingreiftruppe eine große Herausforderung darstellen.«

»Warum ist unsere Eingreiftruppe denn nur so klein?«

Geary sah abermals zu Desjani, die sich bestens zu amüsieren schien. Rione sprach davon, dass Politiker und Offiziere irgendwann aufgehört haben, miteinander zu reden. Wenn das hier ein Beispiel für diese Unterhaltungen ist, kann ich gut verstehen, dass sie das Reden eingestellt haben, dachte er. Sobald er ihr ein Detail erklärte, stellte sie sofort weitere Fragen, ohne irgendetwas von dem zu berücksichtigen, was sie aus den Antworten gelernt haben sollte. Vielleicht lag die Lösung darin, so vage Antworten zu geben, dass die Senatorin sich keine Details herauspicken konnte. »Das war meine Entscheidung als Flottenbefehlshaber, Senatorin.«

Nachdem sie eine Weile über diese Erklärung nachgedacht hatte, stand Costa auf. »Ich kehre besser zu den Verhandlungen zurück.«

Als sie gegangen war, drehte sich Geary zu Desjani um. »Das haben Sie mir eingebrockt.«

»Ich habe die Senatorin nur wissen lassen, dass es bestimmte Fragen gibt, auf die besser der Flottenkommandant antworten sollte, Sir.«

»Vielen Dank, Captain. Ich werde mich zu gegebener Zeit revanchieren.«

Desjani sah ihn wachsam an. »Sind Sie in Sorge? Duellos wird nicht den Kern der Formation angreifen. Vor einem Jahr hätten wir das wohl noch so gemacht, aber jetzt nicht mehr.«

»Und Kattnig? Wenn er mit der Adroit mitten durch die Formation prescht, wie viele Schiffe werden ihm dann folgen?«

»Hoffentlich nicht viele. Wann haben Sie zuletzt etwas gegessen?«

»Ich… habe keine Ahnung.«

Sie zog ein paar Verpflegungsriegel hervor. »Es reicht nicht, wenn Sie Ihrem Körper Schlaf geben, er braucht auch Nahrung.«

Zögerlich nahm er die Riegel entgegen, da er sich nur zu gut an einige der widerwärtig schmeckenden Sorten erinnerte, die er während der Rückkehr der Flotte in Allianz-Gebiet hatte essen müssen. »Bulgorin?«

»Die sind ziemlich gut. Ich habe zwar keine Ahnung, wo man Bulgorin isst, aber es ist nicht übel.«

»Was steckt da drin?«

»Weiß ich nicht und will ich auch gar nicht wissen. Essen Sie einfach. Für die nächsten zwölf Stunden wenigstens müssen Sie hellwach sein, also braucht Ihr Körper Nahrung.«

»Ja, Ma’am.«

Mit zusammengekniffenen Augen sah sie ihn an. »Wenn Sie nicht in Bestform sind, Admiral, werden Ihre Leute und Ihre Schiffe darunter leiden.«

Dem konnte er nicht widersprechen, also aß Geary die Riegel auf, die für Verpflegungsriegel wirklich erstaunlich gut schmeckten. Anschließend versuchte er, sich zu entspannen, während er zusah, wie sich die Formationen der Allianz und der Syndikatwelten über das Display bewegten. Die Syndik-Flotte hatte auf 0,15 Licht beschleunigt, was ungefähr fünfundvierzigtausend Kilometern in der Sekunde entsprach, doch durch den Maßstab der Darstellung schienen sich die Schiffe kaum von der Stelle zu bewegen. Zoomte er einen Ausschnitt heran, um eines der Kriegsschiffe aus der Nähe zu betrachten, dann wirkte das völlig reglos, da keine anderen Objekte zu sehen waren, die ein Gefühl für die Geschwindigkeit hätten vermitteln können.

Die Syndiks näherten sich kontinuierlich dem Schlachtschiff, das seinerseits auf 0,12 Licht beschleunigt hatte. Eigentlich hätte das Schiff viel stärker beschleunigen müssen. Möchte wissen, welche Veränderungen der Exekutivrat über die Jahre hinweg an dem Schiff vorgenommen hat, damit er dort in Luxus schwelgen kann, während wichtige Elemente wie der Antrieb in ihrer Leistung eingeschränkt worden sind.

Er musste ungewollt laut gedacht haben, da Desjani sofort erwiderte: »Das würde einiges erklären. Unsere Sensoren schätzen die Masse deutlich höher ein als bei vergleichbaren Schlachtschiffen der Syndiks. An der Panzerung kann es nicht liegen, die erscheint nicht massiver als üblich. Es muss sich irgendetwas Schweres im Inneren befinden.«

»Eine Festung?«

»Das würde ich auch sagen. Etwas mit sehr dicken Außenwänden aus dem dichtesten Material, das die Syndiks auftreiben konnten, ohne gleich mit Radioaktivität zu tun zu haben. Die Syndik-Führer wollten einen Ort schaffen, an dem sie sich im Ernstfall einschließen konnten.«

»Diese Idioten!«, knurrte Geary. »Damit machen sie das Schiff noch schwerer, sodass es Verfolgern gar nicht mehr entkommen kann! Als ob sie dadurch hinter ihren dicken Mauern geschützt wären!«

Die Begegnung zwischen Eingreiftruppe und Syndik-Schlachtschiff hatte fast schon etwas Enttäuschendes an sich. Beide Formationen passierten einander in hohem Tempo und außerhalb der Waffenreichweite. Aber nur zwei Lichtminuten hinter dem Schlachtschiff folgte die Syndik-Flotte.

»Verdammt.« Geary ballte frustriert die Fäuste. »Die Syndiks bleiben bei 0,15 Licht!«

Desjani machte eine hilflose Geste. »Sie überholen das Schlachtschiff im schrägen Winkel, weshalb ihre relative Geschwindigkeit zu dem Schiff bei nur 0,08 Licht liegt. Langsam genug, um Ziele zu erfassen.«

»Aber Duellos wird seine Geschwindigkeit extrem drosseln müssen, sonst kreuzen sich ihre Wege bei 0,3 Licht. Wie viele Treffer will er da landen?«

Desjani gab die Frage an die Gefechtswachhabende weiter, die den Kopf schüttelte. »Der Ausgleich der relativistischen Störung würde nicht ausreichen, Admiral. Die Trefferwahrscheinlichkeit liegt bei maximal fünf Prozent, vermutlich aber noch weit darunter.«

»Er bremst ab«, meldete Desjani.

Auf seinem Display sah Geary die gleiche Information. Vor einer Stunde und fünf Minuten hatte Duellos seine Schiffe so drehen lassen, dass die Antriebseinheiten nach vorn wiesen, um die Geschwindigkeit so schnell zu drosseln, wie es die Struktur der Schiffe und die Trägheitsdämpfer erlaubten.

»Duellos hat bis zuletzt gewartet«, erklärte sie bewundernd. »Auf diese Weise sollte er eine passable kombinierte Geschwindigkeit erreichen, um die Schiffe zeitig wieder drehen zu lassen, damit sie im Vorbeiflug auf die Syndiks feuern können.«

Geary musste zugeben, dass die vertraute Kastenformation der Syndiks diesmal sehr geschickt aufgebaut war. Der CEO hatte die Schiffe zu einem flachen Kasten angeordnet, dessen Breitseite nach vorn zeigte. Jede Ecke setzte sich aus drei Schlachtschiffen zusammen, in der Mitte bildeten alle sechzehn Schlachtschiffe einen kompakten Pulk, sodass die kombinierte Feuerkraft die leichtere Panzerung und die schwächeren Schilde wettmachte. Die einundsechzig Schweren Kreuzer waren so verteilt, dass sie die ohnehin schlagkräftigen Schlachtschiffe an den Ecken sowie die Schlachtkreuzer in der Mitte ideal ergänzten. Dazwischen verteilt fanden sich die Schwärme von Leichten Kreuzern und Jägern. Es gab schlichtweg keine Schwachstelle, die von den Schlachtkreuzern der Eingreiftruppe mit Erfolg massiv unter Beschuss hätte genommen werden können. »Sieht so aus, als hätte Duellos einen Winkel gewählt, um eine der unteren Ecken zu erwischen.«

Desjani nickte. »Sie neigen dazu, auf obere Ecken zu schießen, deshalb wird er das wohl gemacht haben, um die Syndiks zu verwirren.«

»Ich neige zu den oberen Ecken?« Ein Verhaltensmuster zu entwickeln, war eine gefährliche Sache, weil der Feind mit diesem Wissen Gegenmaßnahmen ergreifen konnte.

»Ja, darüber wollte ich sowieso noch mit Ihnen reden.«

»Danke. Nächstes Mal weisen Sie mich auf so etwas früher hin.« Er sagte es in einem unbeschwerten Tonfall, aber innerlich war Geary verkrampft. Was Duellos getan hatte, war inzwischen eine Stunde her, und es gab nichts, was Geary noch hätte tun können, um in das Geschehen einzugreifen. Das wusste er zwar, doch es machte das Ganze nicht einfacher – vor allem als er sah, wie Duellos’ Formation in einer Weise auszufransen begann, die ihm nicht geplant erschien. »Was ist… die Adroit! Wohin will denn die Adroit?« Kattnig übernahm genau das, was sie alle befürchtet hatten: Er scherte aus und flog direkt auf die Syndik-Flotte zu, anstatt dem Kurs zu folgen, den Duellos vorgegeben hatte.

Aber im nächsten Moment verwandelte sich Gearys Verärgerung in Unglauben, als die Flugbahn der Adroit deutlicher wurde. »Was soll denn das?«

Nach ihrem verdutzten Tonfall zu urteilen, empfand Desjani ganz genauso: »Die Adroit dreht ab, sie entfernt sich von der Syndik-Formation.« Entsetzt drehte sie sich zu Geary um. »Er ergreift die Flucht vor dem Gefecht.«

Hilflos musste Geary mitansehen, wie die übrigen vier Schlachtkreuzer in der Division der Adroit zunächst versuchten, ihr zu folgen, dann aber auf neue Vektoren einschwenkten, da jeder der Befehlshaber versuchte, das letzte Flugmanöver zu kompensieren.

In dem extrem kurzen Zeitraum, der ihnen für eine Reaktion zur Verfügung stand, gelang dieser Versuch nicht jedem.

»Verflucht!«, zischte Desjani, als die Eingreiftruppe an der Syndik-Flotte vorbeischoss, während sich die Assert und die Agile auf Flugbahnen befanden, die sie nur noch näher an den Gegner heranführten.

Die Assert wurde zerrissen, als sie in das konzentrierte Sperrfeuer von drei Schlachtschiffen an einer der Ecken der Kastenformation geriet. Die Agile versuchte mit allen Mitteln, sich nach hinten wegzudrehen, dennoch musste sie Dutzende Treffer einstecken, die unter anderem die Steuer- und die Antriebssysteme außer Gefecht setzten und zweifellos etliche Besatzungsmitglieder das Leben kosteten.

Die Verwirrung an Bord der Schlachtkreuzer, die der Adroit gefolgt waren, sorgte dafür, dass der Schlag gegen die Syndiks nicht so intensiv ausfiel wie geplant. Ein Syndik-Schlachtschiff erzitterte unter den wiederholten Treffern, aber trotz schwerer Schäden an einer Sektion behielt es seinen Platz in der Formation bei.

Das alles spielte sich im Bruchteil von Sekunden ab, dann hatten sich die beiden Formationen auch schon wieder voneinander gelöst. Nun ließ Duellos seine Schiffe wenden, um sich neu zu formieren und um die Verfolgung der Syndiks aufzunehmen, die weiter in Richtung des Schlachtschiffs rasten.

»Vielleicht ist an Bord der Adroit irgendetwas schiefgegangen«, spekulierte Desjani, doch ihre Stimme verriet ihren anhaltenden Unglauben. »Es sind ganz neue Schiffe, vielleicht hat sich ja im Steuersystem ein Fehler eingeschlichen.«

»Ja, vielleicht. Auf jeden Fall war das Duellos’ beste Chance, diese Flotte ein wenig aufzuhalten. Das Schlachtschiff mit den ehemaligen Syndik-Führern an Bord kann sich beerdigen lassen. Es kann ansonsten nur noch kapitulieren und diese Leute vom Schiff gehen lassen.«

»Wozu es auch kommen wird«, ergänzte Desjani verbittert.

»Nein, Rione hat nicht so gedacht und ich tue das auch nicht. Solange das Schlachtschiff kämpft, haben die Offiziere eine Überlebenschance. Wenn die Führer, gegen die sie gemeutert haben, wieder an die Macht kommen, dann wird sich jeder Offizier auf diesem Schiff wünschen, er wäre tot.«

Die Flotte legte zügig die noch verbleibende Strecke zurück und änderte leicht den Kurs, sodass das einzelne Schlachtschiff mit seinen drei Schweren Kreuzern zwischen zwei Ecken und der Ansammlung von Schlachtkreuzern in der Mitte der Formation zu allen Seiten umflogen wurde. Abrupt starteten die drei Schweren Kreuzer und das Schlachtschiff Ausweichmanöver, wobei Letzteres nach links abdrehte, um den Flugbewegungen der in seinem Nacken sitzenden Flotte etwas entgegenzusetzen.

»Damit haben sie zu lange gewartet«, merkte Desjani an, als die Flotte die fliehenden Kriegsschiffe überholte. Zwei Schwere Kreuzer verwandelten sich in Wolken aus Trümmerteilen, als die vormaligen Kameraden das Feuer auf sie eröffneten. Der dritte Kreuzer erzitterte unter Dutzenden Treffern, dann zerbrach er in mehrere Teile, die sich um ihre Achse drehten und davontrieben.

Auch angesichts der überlegenen Feuerkraft war das Syndik-Schlachtschiff nicht in der Lage, zügig zu beschleunigen. Es machte einen Satz vorwärts, dann fielen die Schilde aus, und die Panzerung wurde an mehreren Stellen durchbrochen. Immerhin setzte es sich energisch genug zur Wehr, um einen Schlachtkreuzer und zwei Schwere Kreuzer außer Gefecht zu setzen.

Im Vorbeiflug an dem einzelnen Schlachtschiff bremste die Syndik-Flotte ab und wurde so langsam, dass sie die gleiche Geschwindigkeit erreichte wie das massiv beschädigte Schiff, das Dutzende von Rettungskapseln ausspuckte, die dann in alle Richtungen davoneilten.

Die Eingreiftruppe der Allianz hatte sich eben neu formiert und näherte sich der Syndik-Flotte, die sich um das einzelne Schlachtschiff scharte.

»Vorfahren, steht uns bei«, flüsterte Desjani entsetzt. »Die eröffnen das Feuer auf ihre eigenen Rettungskapseln.«

»Was will Shalin damit erreichen?«, wunderte sich Geary. »In den Kapseln könnten sich die Mitglieder des alten Exekutivrats befinden!«

Er hatte Rione nicht auf die Brücke kommen hören und bemerkte ihre Anwesenheit erst, als sie zu reden begann: »CEO Shalin räumt die Konkurrenz aus dem Weg. Er geht davon aus, die Macht an sich reißen zu können, weil er über die letzte nennenswerte Syndik-Streitmacht verfügt. Ich hatte mich schon gewundert, wann er endlich erkennt, welche Gelegenheit sich ihm hier bietet. Jetzt hat er es ja wohl getan.«

»Dann wird er auch versuchen, den neuen Exekutivrat zu eliminieren.«

»Wenn er an uns vorbeikommt, dann ja.«

»Das wird er aber nicht. Warum befolgen die anderen seinen Befehl, auf Rettungskapseln zu schießen, die Syndiks an Bord haben?«

Desjani lachte finster auf. »Einige von ihnen machen das nicht. Sehen Sie sich seine Formation an.«

Die Kastenformation, die wegen des abrupten Bremsmanövers schon ein wenig aus den Fugen geraten war, begann sich in die Länge zu ziehen, da einzelne Kriegsschiffe ihren Platz verließen. Geary wünschte, seine Flotte wäre näher am Geschehen und hätte nicht noch einige Stunden Flug vor sich. »Wir könnten sie erledigen, solange dieses Chaos in ihren Reihen herrscht.«

»Die müssen sich entscheiden, auf welcher Seite sie stehen wollen«, gab Desjani zu bedenken. »Wie viele Seiten stehen ihnen im Moment eigentlich zur Verfügung? Drei?«

»Zwei«, antwortete Rione. »Nachdem Shalin zweifellos alle Mitglieder des alten Exekutivrats getötet hat, existiert diese Seite nicht länger. Jetzt haben die anderen nur noch die Wahl zwischen ihm und dem neuen Exekutivrat.«

»Wenn ich nahe genug herankomme«, brummte Geary, »werde ich alles unternehmen, dass für die Syndiks nur noch eine Seite zur Wahl steht.«

»Und ich werde mich wieder den Verhandlungen widmen. Ich muss herausfinden, wie sich die Ermordung des alten Exekutivrats auf die Einstellung des Nachfolgers ausgewirkt hat.«

Während Rione die Brücke verließ, öffnete sich neben Geary ein Fenster, das Lieutenant Iger zeigte, der ihn erfreut ansah. »Admiral, wir haben es.«

»Was haben Sie?«

»Das Flaggschiff der Flotte, Sir. Normalerweise ist es nicht möglich, das Flaggschiff zu identifizieren, weil es im lokalen Netzverkehr versteckt wird, aber jetzt gehen die Mitteilungen in alle Richtungen, da es eine Art internen Disput gibt, und dabei konnten wir das Flaggschiff ausfindig machen. Es ist dieser Schlachtkreuzer, Sir.« Eines der Schiffe auf Gearys Display leuchtete im gleichen Moment etwas heller als der Rest.

»Hervorragend.« Geary merkte, wie er den Mund zu einem wölfischen Grinsen verzog. »Sorgen wir dafür, dass wir es im Auge behalten.« Abermals überprüfte er die Entfernungen und Zeiten. Während des Kampfs zwischen der Syndik-Flotte und dem Schlachtschiff war der Abstand der Allianz-Flotte zum Ort des Geschehens weiter zusammengeschmolzen. Die überlebenden Syndik-Schiffe folgten nach wie vor dem Vektor, auf dem sie sich befunden hatten, bevor Verwirrung darüber entstanden war, wessen Befehle sie ausführen sollten. Die Zeit bis zum Zusammentreffen belief sich jetzt nur noch auf knapp über vier Stunden.

Duellos war deutlich näher, aber seine Eingreiftruppe jagte unverändert den Syndiks hinterher, die mit etwas mehr als 0,1 Licht durchs All rasten. Fast eine Stunde würde es noch dauern, bis Duellos in einer Position war, um erneut das Feuer auf die Flotte zu eröffnen.

Aber sollte er dann überhaupt so vorgehen? Geary widmete sich wieder dem Durcheinander, das in der Syndik-Formation weiter um sich griff. Selbst wenn jegliche Ordnung aufgegeben werden sollte, würde Duellos die Formation nicht aufbrechen können. Ganz im Gegenteil…!

»Captain Duellos, hier spricht Admiral Geary. Verringern Sie Ihre Geschwindigkeit, damit Sie nicht so schnell zur Syndik-Flotte aufschließen. Die Syndiks streiten gerade darüber, wem sie sich anschließen sollen. Wenn Sie nun ein paar Treffer landen, könnte es sein, dass sie ihre Diskussion einstellen und sich geschlossen gegen den gemeinsamen Feind wenden. Ich möchte, dass Sie Ihre Geschwindigkeit so anpassen, dass Sie in dem Moment von der einen Seite angreifen können, in dem wir von der anderen Seite die Flotte erreichen. Ich betone ausdrücklich: Dieser Befehl bedeutet kein mangelndes Vertrauen in Sie oder in Ihre Schiffe. Beobachten Sie die Syndik-Flotte genau, und wenn Sie glauben, dass sich eine entscheidende Gelegenheit ergibt, dann haben Sie meine Erlaubnis, auch nach eigenem Ermessen in Aktion zu treffen, bevor der Rest der Flotte in Feuerreichweite ist. Geary Ende.«

Aktuelle Daten von Duellos’ Schiffen gingen ein, die alle nur leichtere Schäden erlitten hatten. Die Agile übermittelte dagegen einen viel umfangreicheren Schadensbericht. Geary musste sich einen Fluch verkneifen, als er die Angaben las, dann rief er die Tanuki. »Captain Smyth, machen Sie bitte eines Ihrer Hilfsschiffe bereit, um es zur Agile zu schicken, sobald wir die Bedrohung durch die Syndik-Flotte abgestellt haben. Die Agile muss so bald wie möglich wieder einsatzbereit sein.«

Sekunden später ging Smyths Antwort ein. »Ich verstehe, dass Sie die Agile retten wollen. Ich werde die Witch schicken, Sir, aber ich muss Ihnen schon jetzt sagen, dass mir nicht gefällt, welche Daten die Agile mir über ihre strukturellen Schäden sendet. Das könnte mehr sein, als wir zu leisten imstande sind.«

»Verstanden.« Geary starrte finster auf sein Display. »Die Leute, die ein so lachhaftes Design für ein Kriegsschiff absegnen, sollten mit dem Ding persönlich in die Schlacht ziehen.«

Desjani verzog den Mund. »Die Agile wurde wegen des Handelns eines Flottenoffiziers so zusammengeschossen.«

»Wir wissen noch nicht, warum die Adroit den Kurs geändert hat.«

»Empfangen wir keine aktuellen Statusmeldungen von der Adroit?«

»Doch.«

»Weisen diese Meldungen auf irgendwelche Probleme mit den Steuersystemen hin?«, hakte sie nach.

»Nein. Die Kursänderung erfolgte aufgrund eines Befehls, der an den Steuerkontrollen eingegeben wurde. Ich weiß bloß nicht, aus welchem Grund dieser Befehl erteilt wurde.«

»Ist das wichtig?« Sie hielt kurz inne. »Ich habe über Beowulf gelesen, auch über Kattnigs übriges Verhalten in der jüngsten Zeit. Ich habe mich gefragt, warum ein Offizier, der auf so schlimme und blutige Schlachten zurückblicken kann, sich aufführt wie ein frischgebackener Ensign, der große Reden schwingt, insgeheim aber völlig verunsichert ist, weil er nicht weiß, wie er sich in einem echten Gefecht verhalten wird.«

»Ich weiß, es klingt nicht nach dem gleichen Offizier.«

»Vielleicht ist er der ja nicht mehr«, redete Desjani ganz leise weiter. »Vielleicht hat er zu viel Blutvergießen gesehen und zu viele Schiffe verloren. Vielleicht war Beowulf für ihn eine brutale Schlacht zu viel, und er hat es einfach nicht mehr ausgehalten. So etwas kommt vor.«

Geary sah sie erstaunt an. »Ich dachte, bei der medizinischen Untersuchung fällt so was auf.«

»Nicht immer. Das ist so wie bei einer Verhörzelle, die einem nur das sagt, was jemand für wahr hält. Wenn jemand sich selbst davon überzeugt hat, dass es ihm gut geht, dann wird das auch so angezeigt.« Sie schüttelte leicht den Kopf. »Womöglich wusste Kattnig es gar nicht richtig, sondern er hat nur vermutet, dass er die Nerven verloren hat. Aber durch sein Handeln haben wir mindestens ein Schiff verloren, vielleicht sogar zwei.«

»Wir haben noch immer nicht…« Er unterbrach sich und schaute weg.

»Captain Duellos hat das vorübergehende taktische Kommando über die Adroit, aber er besitzt nicht die Autorität, um Kattnig das Kommando zu entziehen und ihn in Schutzhaft zu nehmen. Sie schon. Sie müssen das jetzt machen.«

Geary drehte sich abrupt zu ihr um und musterte sie wütend. »Es dauert über eine Stunde, bis der Befehl ihn erreicht. Warum sind Sie so darauf versessen, Kattnig schlechtzureden? Er hat eine tadellose Personalakte, und der Ärztestab hat ihn für gesund erklärt.«

»Er hatte eine tadellose Personalakte. Wenn er zu weit getrieben worden ist, dann lag es in seiner Verantwortung, diese Tatsache zu erkennen, bevor sie Menschenleben kosten konnte.«

»Wenn ihm jetzt das Kommando entzogen wird, dann wird das für die meisten so aussehen, als hätte ich ihn zum Feigling gestempelt. Warum wollen Sie so vorschnell urteilen und einen Mann zerstören, der der Allianz so viel gegeben hat?« Sein Ton wurde mit jedem Wort hitziger.

Desjanis Augen flammten auf, dann beugte sie sich vor bis in seine virtuelle Privatsphäre, um ihm zuzuzischen: »Er hat sich bereits selbst zerstört, Admiral Geary. Sie wissen, wie diese Flotte ist und wie wir denken. Können Sie etwas so Simples immer noch nicht verstehen? Kattnig hat sich öffentlich entehrt, indem er dem Gefecht ausgewichen ist. Offiziere und Matrosen sind seinetwegen umgekommen. Aber er ist kein großmäuliger Dummkopf wie Numos. Kattnig weiß, was er getan hat, und er weiß auch, wie jeder von ihm denkt und welches Schicksal ihn erwartet. Was wird ein ehrbarer Mann tun, der sich mit einem solchen Schicksal konfrontiert sieht? Ein Mann, der bereits über seine Grenzen getrieben wurde?«

Dann begriff er, was sie meinte. »Ihm muss das Kommando entzogen und er muss verhaftet werden, damit er vor sich selbst geschützt wird.«

»Ja, Admiral Geary. Und Sie täten gut daran, mir nie wieder zu unterstellen, ich könnte es auf die Vernichtung eines guten Offiziers abgesehen haben!« Dann wich sie zurück und lehnte sich in ihrem Sessel nach hinten, während sie wutentbrannt auf ihr Display schaute.

Er versuchte, ruhiger zu werden, dann rief er die Adroit. »Captain Kattnig wird mit sofortiger Wirkung das Kommando entzogen, er ist in Schutzhaft zu nehmen. Der XO der Adroit übernimmt vorläufig das Kommando.« Nachdem er die Verbindung beendet hatte, sagte er zähneknirschend: »Es tut mir leid, Captain Desjani. Ich hätte das nicht sagen sollen. Es war unprofessionell von mir, Ihnen so etwas zu unterstellen, insbesondere mit Blick darauf, wie gut ich Sie kenne.«

Desjani nickte, schaute aber weiter stur geradeaus.

»Eines Tages werde ich es schon noch schaffen, dass ich Ihnen beim ersten Mal richtig zuhöre, wenn Sie mir etwas Wichtiges zu sagen haben.«

Ihr Gesicht nahm einen etwas sanfteren Ausdruck an. »Das glaube ich erst, wenn ich es sehe.«

»Glauben Sie, der Befehl wird die Adroit noch rechtzeitig erreichen?«

»Nein. Aber ich hoffe, ich irre mich.«

»Ich glaube nicht, dass Sie sich irren.« Eine Weile saßen sie schweigend da und sahen mit an, wie die verschiedenen Formationen auf den Displays langsam zusammenrückten.

Mit einer kombinierten Geschwindigkeit von fast 0,25 Licht näherten sie sich der Syndik-Flotte und der Eingreiftruppe. Als Folge davon dauerte es nur eineinhalb Stunden, bis sie sahen, wie Duellos auf Gearys Befehl hin seine Schiffe leicht abbremsen ließ. Während die Eingreiftruppe auf den neuen Vektor einschwenkte, nickte Desjani zufrieden. »Wenn sich nichts verändert, wird die Eingreiftruppe die Syndik-Flotte fast zur gleichen Zeit erreichen.«

Die Syndik-Formation war nicht weiter zerfallen, aber sie hatte sich auch nicht wieder zusammengeschlossen. Die Schiffe folgten weiter einem Kurs, der sie zur Primärwelt führte. Zuvor sollte es aber noch ein Zusammentreffen mit der Allianz-Flotte geben. »Was hat er vor?«, wunderte sich Desjani. »Will er an uns so vorbeirasen wie an Duellos’ Schiffen und den Planeten erreichen, um den neuen Exekutivrat ebenfalls zu ermorden?«

»So leicht wird der Exekutivrat nicht zu finden sein, immerhin hat er einen ganzen Planeten zur Verfügung, um irgendwo unterzutauchen.« Geary stützte das Kinn auf eine Hand auf und dachte nach. »Rione sprach davon, dass CEO Shalin mich persönlich tot und geschlagen sehen will.«

»Diese Vermutung ist nicht gerade eine überwältigende Leistung«, meinte Desjani daraufhin.

Er beschloss, auf ihre Erwiderung nicht einzugehen. »Was ich damit sagen will: Er könnte einen Plan schmieden, wie er mich schlagen kann.«

Desjani überlegte kurz, dann sagte sie: »Das ist möglich. Als er das letzte Mal dieser Flotte unter Ihrem Kommando gegenüberstand, da verloren wir… einen Schlachtkreuzer.«

»Es war die Repulse«, stellte er mit fester Stimme klar.

»Ja, Sir. Aber Shalin könnte denken, dass das sehr wohl ein Sieg über uns war. Wir haben bei dem Hinterhalt schwere Verluste erlitten und mussten nach Corvus entkommen, um uns neu zu formieren. Seitdem hat er nicht wieder gegen Sie gekämpft. Er könnte also durchaus der der Meinung sein, dass er der bessere Befehlshaber ist.« Sie nickte wieder, mehr zu sich selbst als in seine Richtung. »Erst die Allianz-Flotte besiegen, dann den neuen Exekutivrat eliminieren, und dann könnte er die Führung der Syndikatwelten für sich reklamieren. Das ist zwar verrückt, aber er könnte es für machbar halten. Das würde erklären, warum er uns nicht wieder ausweicht, während die Flotte immer noch darüber diskutiert, wem sie folgen soll. Er will uns aus dem Weg räumen.«

Das passte sehr gut. Geary erinnerte sich an Captain Falcos Worte, wie der Kampfgeist mühelos eine zahlenmäßige Unterlegenheit wettmachen kann. Zudem war Falco nicht der Einzige in der Allianz-Flotte, der so dachte. Die Syndiks hatten bei vorangegangenen Schlachten mit der Flotte demonstriert, dass sie die gleiche Einstellung vertraten. »Vielleicht hat er sogar keine andere Wahl mehr. Er muss vorpreschen, denn wenn er eine Pause macht, wenn er zögert oder wenn er einen Rückzug befiehlt, wird er nicht länger in der Lage sein, die Flotte zusammenzuhalten.«

Desjani Lachen hatte etwas Boshaftes an sich. »Und wenn er nur einfach nicht schnell genug rennt, werden die Wölfe, die er jetzt noch anführt, über ihn herfallen und ihn zerfleischen.«

»Also ist er verzweifelt, aber auch gerissen genug, um immer noch am Leben zu sein.« Im Geiste begann er, sich auszumalen, was Shalin tun könnte und wie er darauf reagieren müsste. Seine Überlegungen wurden nach kurzer Zeit jedoch unterbrochen, da eine Mitteilung von der Adroit einging.

Er erkannte die Frau, die ihn auf der Brücke der Adroit sitzend anschaute. Sie war Kattnigs XO, seine Stellvertreterin auf dem Schlachtkreuzer. Als Geary bei Varandal durch die Adroit geführt worden war, hatte sie einen ruhigen und kompetenten Eindruck auf ihn gemacht. Jetzt sah sie mit ernster Miene drein, so als müsse sie um Beherrschung ringen. »Hier ist Commander Yavina Lakova, vorübergehende Befehlshaberin der Adroit. Ich muss zu meinem Bedauern mitteilen, dass… Captain Kattnig tot ist. Er war im Besitz einer den Vorschriften entsprechenden Handfeuerwaffe. Aus ihr hat sich ein… ein Schuss gelöst. Die erste Einschätzung der Situation ergibt, dass er in seinem Quartier die Waffe überprüft hat, und dabei hat sich… versehentlich ein Schuss gelöst. Der Tod ist vermutlich sofort eingetreten. Das ereignete sich eine halbe Stunde vor Eintreffen Ihres Befehls betreffend Captain Kattnig, daher war ich nicht mehr in der Lage, diesen Befehl auszuführen. Abgesehen davon ist die Adroit kampfbereit. Ich werde das Kommando führen, bis Sie etwas anderes entscheiden. Lakova Ende.«

Der Bildschirm erlosch, Geary kniff die Augen zu und atmete tief durch. »Sie hatten recht«, sagte er zu Desjani.

»Verdammt, verdammt, verdammt. Und so etwas nach diesem ehrenvollen Dienst…«

»Der Befehl, ihm das Kommando zu entziehen, traf zu spät ein. Heißt das, dass er offiziell nie in Kraft getreten ist?«

»Könnte sein.«

»Es liegt in meiner Verantwortung, die Diensttauglichkeit der mir unterstellten Offiziere zu beurteilen. Ich habe versagt.«

Sie schaute ihn ernst an. »Geben Sie sich nicht die Schuld. Er ist vom Ärztestab der Flotte untersucht worden, und seinen Offizieren ist auch nichts aufgefallen.«

»Trotzdem bin ich dafür verantwortlich.«

»Dann tun Sie für ihn, was Sie noch können. Es wird eine offizielle Untersuchung der Todesursache geben, und Sie müssen dem Ergebnis zustimmen oder es ablehnen.«

Geary starrte ins Nichts, während er über ihre Worte nachdachte. »Die XO der Adroit hat Kattnigs Tod als Unfall hingestellt. Wird die Flottenbürokratie das akzeptieren?«

»Wenn der Flottenadmiral diese Einschätzung teilt, bleibt der Bürokratie gar keine andere Wahl. Es liegt außerdem auch im Ermessen des Flottenadmirals, ob das Verhalten der Adroit im Gefecht kurz vor dem Unfall Gegenstand einer Untersuchung wird oder nicht.«

»Ich wüsste nicht, welchen Sinn eine Untersuchung jetzt noch haben sollte. Das ist das Mindeste, was er verdient hat.«

»Ja, das finde ich auch«, sagte Tanya wieder sehr ernst. »Sie können sich um diese Dinge später immer noch kümmern. Wir fliegen ins Gefecht, konzentrieren Sie sich darauf.«

»Stimmt, Tanya. Danke.«

Sie hatte sich wieder ihrem Display zugewandt, aber er hörte sie murmeln. »Sie haben mir ja tatsächlich beim ersten Mal zugehört.«

Allmählich nahm die Syndik-Formation wieder ein kompakteres Aussehen an. »Unsere Einschätzung auf der Grundlage der Muster des Komm-Verkehrs ist die, dass der Syndik-CEO, der diese Flotte befehligt, zunächst nur ein Drittel aller Schiffe hinter sich hatte«, meldete Lieutenant Iger. »Dieses Drittel stellte einen harten Kern, während die restlichen beiden Drittel vorwiegend unentschlossen waren. Er scheint sie nun alle überzeugt zu haben, zumindest so weit, dass sie seine Autorität nicht infrage stellen.«

Nur noch vier Lichtminuten trennten die Allianz-Flotte von den Syndiks. »Das werden sie noch bereuen«, gab Geary zurück. »Vielen Dank, Lieutenant. An alle Schiffe im Hauptpulk der Allianz-Flotte: Hier spricht Admiral Geary. Nehmen Sie bei Zeit zwei eins Ihren Platz in der modifizierten Formation Fox Five ein.«

»Sie greifen noch mal auf dieses Manöver zurück?«, staunte Desjani. »Gibt es von den Syndiks, die Kaliban überlebt haben, keine Berichte über diese Schlacht?«

»Die gibt es ganz sicher«, stimmte Geary ihr zu. »Ich werde nicht die Strategie von dort wiederholen, auch wenn diese Syndiks glauben werden, dass ich genau das vorhabe.«

Bei Zeit zwei eins teilte sich die Flotte auf und bildete drei flache Ovale. Das größte Oval mit der Dauntless in seiner Mitte war dem Feind zugewandt und bestand neben dem Flaggschiff aus den drei weiteren Schlachtkreuzern der Division sowie aus zwölf Schlachtschiffen und zwanzig Schweren Kreuzern. Das war Fox Five One. Das Oval, das sich über der Hauptformation anordnete und aus den restlichen sieben Schlachtkreuzern bestand, würde Fox Five Two sein, während sich die verbliebenen dreizehn Schlachtschiffe sowie alle Schweren Kreuzer in Fox Five Three zusammenfanden. Die Leichten Kreuzer und die Zerstörer waren auf Fox Five One und Fox Five Two aufgeteilt, während die fünf Hilfsschiffe eine weitere Formation bildeten, Fox Five Four, die unterhalb der Hauptformation in Stellung ging. Das Oval dieser Hauptformation war dem Feind zugewandt, während die ovalen Formationen gleich darüber und darunter im rechten Winkel angeordnet waren. Das Gesamtbild erinnerte an eine dreiseitige Schachtel, die an zwei Seiten offen war und deren Oberseite zu den Syndiks wies. »Keine Eskorte für die Hilfsschiffe?«, fragte Desjani.

»Die gesamte Flotte bildet ihre Eskorte«, erwiderte Geary. »Diesmal bin ich davon überzeugt, dass die Syndiks nicht von ihrem Kurs abweichen werden, um auf die Hilfsschiffe zuzuhalten.« Dann richtete er sein Augenmerk wieder auf die Eingreiftruppe, die seit dem missglückten Schlag gegen die Syndik-Flotte nur noch aus den vier vollwertigen Schlachtkreuzern aus Duellos’ Division und den drei verbliebenen Kriegsschiffen der Adroit-Klasse – Adroit, Auspice und Ascendant – bestand. Die Eingreiftruppe verfügte noch immer über eine beträchtliche Feuerkraft, aber die musste gegen die Masse der Syndik-Schiffe mit Sorgfalt eingesetzt werden.

Als die Allianz-Flotte ihre neue Formation eingenommen hatte, waren die Syndiks keine zwei Lichtminuten mehr entfernt. In gut zehn Minuten würden sie in Feuerreichweite sein. Die Kastenformation der Syndiks war wieder intakt, wenn man vom Fehlen eines Schlachtkreuzers absah, der beim Kampf mit dem Syndik-Schlachtschiff zerstört worden war. Wie zuvor waren die Syndik-Schlachtkreuzer in der Mitte versammelt, während die Schlachtschiffe an jeder Ecke kleine Gruppen bildeten. Er kommt direkt auf mich zu. Er erwartet von mir, dass ich die Ränder seiner Formation ausdünne, wie sonst auch – und wie ich es vor allem mit dem Einsatz dieser Formationen bei Kaliban gemacht habe. Es gibt einen Gegenzug, wenn ich diese Taktik benutze; ein Gegenzug, der ihn in die Lage versetzen würde, sich den Weg genau durch die Mitte der Formation zu bahnen und seinen Angriff auf die Dauntless zu konzentrieren, auf das Flaggschiff der Flotte, auf dem sich der Mann befindet, der Shalin um den erhofften Ruhm gebracht hat.

Und du glaubst immer noch, du bist schlauer als ich, Shalin. Du hältst dich für schlauer als alle anderen, und du hasst mich mit Leib und Seele. Arroganz und Hass sind eine schlechte Kombination. Das wird dich teuer zu stehen kommen.

»Also dann, Geschwindigkeit reduzieren, um Ziele erfassen zu können. Alle Einheiten in den Formationen Fox Five One, Fox Five Two, Fox Five Three und Fox Five Four gehen bei Zeit drei null herunter auf 0,04 Licht. Alle Einheiten in Fox Five Two: Drehen Sie die Formation bei Zeit drei neun um null neun fünf Grad nach unten und beschleunigen Sie auf 0,06 Licht. Alle Einheiten in Fox Five Three: Drehen Sie die Formation bei Zeit drei sieben um null sieben fünf Grad nach oben und beschleunigen Sie auf 0,06 Licht. Alle Einheiten in Fox Five Four: Ändern Sie den Kurs bei Zeit vier null um null neun null Grad nach oben.« Er hielt kurz inne, um Luft zu schnappen. »Captain Duellos, beschleunigen Sie, um auf Ihrem gegenwärtigen Kurs Kontakt mit dem Feind herzustellen. Feuern Sie auf alle Ziele, die sich Ihnen bieten.«

Desjani sah erschrocken auf ihr Display. »Sie zielen nicht auf die Ränder seiner Formation ab, um ihn zu zermürben?«

»Richtig. Das erwartet er nämlich von mir. Er denkt, ich habe es auf den oberen oder den unteren Rand abgesehen.« Er grinste Desjani an. »Ich habe da eine Angewohnheit.«

Sie begann zu lächeln, als sie in Gedanken das Manöver durchspielte. »Er hat das vor, was Sie in der ersten Schlacht bei Lakota gemacht haben, richtig?«

»Vermutlich ja. Falls es stimmt, wird er sich auf die Mitte dieser Formation konzentrieren, wo sich die Dauntless befindet – und wo er mich findet.«

Die Dauntless hatte sich gedreht, nun lief ein Zittern durch das Schiff, als die Antriebseinheiten sich abmühten, die Geschwindigkeit zu reduzieren. Geary spürte die Anstrengung, hörte die Schiffsstruktur unter dem Druck ächzen. Er wusste, wenn jetzt die Trägheitsdämpfer versagten, würde es das Schiff zerreißen, und jeder an Bord würde unter dem ungeheuren Druck zerquetscht werden. Rings um die Dauntless herum waren die übrigen Schiffe der Allianz-Flotte mit dem gleichen Manöver befasst.

Das würde der Syndik-Commander auch erwarten. Geary hatte wiederholt unmittelbar vor dem Kontakt die Geschwindigkeit verändert, und diesmal war es nötig, dass seine Schiffe langsamer wurden, da er sich bei einem Beschleunigungsvorgang jede Chance genommen hätte, beim Gegner auch nur einen einzigen Treffer zu landen.

Die Dauntless drehte sich abermals, um den Bug zum Feind hin auszurichten, während nur noch wenige Minuten bis zum Kontakt blieben. Die Unterformationen über und unter der Hauptformation drehten sich fast parallel zu ihr, wobei die Schlachtkreuzer der oberen Unterformation gleich dahinter abtauchten, während gleichzeitig die untere Schlachtschiff-Unterformation davor aufstieg. Ganz am Ende dieser Anordnung stiegen die Hilfsschiffe steil nach oben, um sich aus der Schusslinie der Syndiks zu begeben. »Alle Einheiten: Feuern Sie nach eigenem Ermessen, sobald sich der Feind in Reichweite Ihrer Waffen befindet.«

In den letzten Sekunden vor dem Kontakt veränderte sich auch die Syndik-Formation und schrumpfte zu einem deutlich kompakteren Block zusammen, der auf das Zentrum der Allianz-Formation zielte. »Hätten wir auf die Ränder gezielt«, stellte Desjani fest, »dann wären wir viel zu weit nach außen konzentriert gewesen, um Treffer zu landen, da er seine Formation zusammengezogen hat. Gut eingeschätzt, Admiral. Waffen«, rief sie dem Wachhabenden zu, »zielen Sie auf das feindliche Flaggschiff.«

»Eine Minute bis zum Kontakt«, meldete der Steuer-Wachhabende.

Flugkörper schossen aus den Kriegsschiffen hervor und erfüllten das Gebiet zwischen Syndiks und Allianz-Schiffen, Augenblicke später gefolgt von einem Sperrfeuer aus Kartätschen und Höllenspeeren. Dann feuerten die Schlachtschiffe und die Schlachtkreuzer auf Allianz-Seite ihre Nullfeld-Waffen ab.

Anstatt dem auf die ursprünglichen Ränder der Syndik-Flotte gerichteten Beschuss durch die Allianz-Unterformationen ausgewichen zu sein und auf die einzelne, dünne Schicht der Hauptformation zu treffen, sahen sich die Syndiks drei Ebenen aus feindlichen Kriegsschiffen gegenüber, wobei sich die erste und die letzte Lage mit hohem Tempo in fast rechtem Winkel zur Flugrichtung der Syndiks bewegten. Das machte es schwierig, auf die Schiffe zu zielen, die ihrerseits keine Schwierigkeiten hatten, ihre Waffen auf den Vektor auszurichten, dem die Syndik-Flotte folgte.

Grelle Blitze zuckten durch das All, als Geschosse ihre Ziele trafen und Schiffe explodierten, während sich die Syndiks ihren Weg durch die erste Unterformation bahnten, in der sich mehr Schlachtschiffe befanden, als die Syndik-Flotte insgesamt zu bieten hatte. Danach trafen sie auf die Hauptformation mit fast genauso vielen Schlachtschiffen und einigen Schlachtkreuzern, nur um dann zur dritten Unterformation weitergereicht zu werden, die mit den restlichen Schlachtkreuzern und den zahlreichen Eskortschiffen weiter auf die bereits geschwächten Syndik-Kriegsschiffe einprügelten.

Dicht hinter den Syndiks führte Duellos die Eingreiftruppe in einem atemberaubenden, nur den Bruchteil einer Sekunde dauernden Manöver mitten durch die Allianz-Flotte hindurch, um dann die Syndiks von hinten kommend unter Beschuss zu nehmen.

Weniger als eine Sekunde war seit dem Aufeinandertreffen der beiden Streitmächte vergangen, da hatten sie sich auch schon wieder getrennt. Geary spürte, wie die Dauntless immer noch von den feindlichen Treffern zitterte, aber er versuchte, sich nicht auf die Schäden am Flaggschiff zu konzentrieren, sondern sich anzusehen, was die Flottensensoren über den Verlauf dieser Auseinandersetzung zu melden hatten.

»Alles Gute auf dem Weg in die Hölle«, zischte Desjani mit Blick auf ihr Display, während sie die Schadenskontrolle koordinierte.

Geary wusste, was sie mit dieser Bemerkung meinte. Die fünfzehn verbliebenen Syndik-Schlachtkreuzer waren zerstört worden, darunter auch das Flaggschiff. Alle waren sie in Stücke gerissen worden oder in Explosionen vergangen, da sie dem Beschuss der Schlachtkreuzer und Schlachtschiffe der Allianz nichts hatten entgegensetzen können. CEO Shalin würde nun doch nicht über die Syndikatwelten herrschen.

Von den zwölf Syndik-Schlachtschiffen waren nur noch sechs in der Lage, sich quälend langsam weiterzubewegen, doch sie wurden im nächsten Moment von Duellos’ Eingreiftruppe eingeholt, die ihrer Existenz ein Ende setzte. Die übrigen Schlachtschiffe waren schon zuvor kampf- und flugunfähig geschossen worden, und mittlerweile quollen ganze Schwärme aus Rettungskapseln aus ihnen hervor.

Die fast zweihundert Jäger waren auf weniger als ein Dutzend reduziert worden, da die kleinen Kriegsschiffe in der auf einen eng begrenzten Raum konzentrierten Feuerkraft chancenlos gewesen waren. Zehn Leichte Kreuzer hatten überlebt, fünf davon verfügten noch über die volle Leistungsfähigkeit, und fast zwanzig Schwere Kreuzer waren nach wie vor einsatzbereit, da sie mit ihrer geringen Größe dem auf die Schlachtschiffe und die Schlachtkreuzer gerichteten Beschuss hatten ausweichen können, zugleich aber groß genug gewesen waren, um die Waffen zu überleben, die die kleineren Schiffe fast ausgelöscht hatten.

Duellos meldete sich und machte einen zufriedenen Eindruck. »Wir könnten vielleicht ein wenig Hilfe bei ein paar von den Schlachtschiffen gebrauchen, aber davon abgesehen ist alles sehr gut gelaufen. Es interessiert Sie vielleicht, dass in dem Moment, als sich meine Formation Ihrer näherte, von den Sensoren die höchste jemals registrierte Feuerdichte in einem Gefecht gemessen wurde und wir davor gewarnt wurden, unseren Kurs beizubehalten.«

Die Inspire entfernte sich momentan wieder, die Distanz betrug aber noch weniger als eine Lichtminute, sodass eine annähernd normale Unterhaltung möglich war. »Das gehört mit zu den Dingen, die ich lieber nicht wiederholen möchte. Ich werde jetzt die Flotte wenden lassen, wenn Sie also Unterstützung benötigen, geben Sie Bescheid.«

Er erteilte die notwendigen Befehle, um die vier Unterformationen, die im Augenblick weit verstreut waren, wieder zu einer Einheit zusammenzufügen, dann zwang er sich dazu, sich dem Unerfreulichen zu widmen. Die Witch war unterwegs zur beschädigten Agile und wurde vom Schlachtschiff Guardian begleitet, was genügen sollte, nachdem die Syndik-Flotte nun aufgehört hatte zu existieren.

Auf Gearys Display zeugten rote Symbole und umfangreiche Textmeldungen von dem Preis, den die Allianz-Flotte für den Sieg über die Syndiks hatte zahlen müssen.

Die Schlachtschiffe und Eskortschiffe der Unterformation Fox Five Three hatten die vorderste Linie gebildet und waren von der ganzen Wucht der angreifenden Syndiks getroffen worden. Erst jetzt wurde Geary bewusst, dass die Dreadnaught zu dieser Formation gehörte. Er hatte seine Nichte in eine tödliche Gefahr geschickt, ohne es zu bemerken, so sehr war er darauf konzentriert gewesen, seine Strategie zu planen und umzusetzen. Die Dreadnaught war zwar in Mitleidenschaft gezogen worden, hatte aber keine Schäden davongetragen, die für das Schiff eine Bedrohung darstellten. Die Orion, die immer noch vom Pech verfolgt wurde, hatte es schlimm getroffen, und sie würde einiges an Reparaturen benötigen, um wieder einsatzbereit zu sein. Die vier Schlachtschiffe Fearless, Resolution, Redoubtable und Warspite schienen allesamt zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein, sie hatten die schwersten Schäden erlitten.

In der Hauptformation hatten die Syndiks versucht, vor allem die vier Schlachtkreuzer zu treffen, da sie wohl davon ausgegangen waren, dass sich Geary auf einem dieser Schiffe befand. Die Daring hatte es von allen am schlimmsten erwischt, aber die Dauntless war alles andere als unversehrt geblieben. »Wie viele Tote?«, fragte er Desjani.

Sie seufzte. »Zehn werden bestätigt, drei weitere Besatzungsmitglieder befinden sich in kritischem Zustand. Alle Schäden können innerhalb einer Woche repariert werden, dann sind wir wieder voll einsatzbereit.«

Wenn man das mit der Zahl der Schiffe multiplizierte, aus denen sich die Flotte zusammensetzte, war der Preis für diesen Sieg auch dieses Mal viel zu hoch ausgefallen.

Erstaunlicherweise hatte in der dritten Formation ausgerechnet die Invincible die meisten Treffer abbekommen. Man könnte fast meinen, die Invincible zieht feindliches Feuer magnetisch an, dachte er erschrocken.

So wie die Schlachtschiffe in Fox Five Three hatte es auch die Eskortschiffe besonders schwer erwischt, weshalb Geary erst gar keine Zerstörer oder Leichten Kreuzer in dieser Formation untergebracht hatte. Vier Schwere Kreuzer – die Menpo, die Hoplite, die Bukhtar und die Squamata – waren entweder komplett zerstört worden oder hatten so massive Schäden erlitten, dass eine Reparatur nicht mehr möglich war. Weitere elf Schiffe waren erheblich unter Beschuss geraten. In den anderen Unterformationen hatte es zwanzig Zerstörer und sechs Leichte Kreuzer erwischt, nicht zu vergessen der Schlachtkreuzer Assert, den sie vor diesem Zusammentreffen verloren hatten.

»Es hätte noch viel schlimmer kommen können«, stellte Desjani fest.

»Das sagen Sie meistens.«

»Weil es meistens auch stimmt. Wir haben die Syndiks hier in ihrem Heimatsystem aufgerieben, und für den Augenblick sind von ihrer Flotte nur noch diese Schweren Kreuzer und ein paar Eskortschiffe übrig, die alle um ihr Leben rennen.«

Geary sah auf und bemerkte das Grinsen auf den Gesichtern der Wachhabenden. Er wusste, dass man in diesem Moment überall in der Flotte an die Verluste dachte, die ihnen von den Syndiks zugefügt worden, bevor Geary das Kommando übernommen hatte. Diese Frauen und Männer freuten sich, dass sich das Glück ihnen zugewandt hatte und dass es ihnen gelungen war, Vergeltung an dem CEO zu üben, der für das Massaker verantwortlich gewesen war. Er versuchte, die Melancholie abzuschütteln, die ihn bei dem Gedanken an die vielen Gefallenen überkam, die die Gefechte hier und in den anderen Systemen gefordert hatten.

Es war ihm noch nicht ganz gelungen, die Freude zu teilen, die auf der Brücke der Dauntless herrschte, da meldete der Ablauf-Wachhabende verdutzt: »Das Hypernet-Portal bricht zusammen.«

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