»Sagen Sie ihnen, sie sollen es in Ruhe lassen!«, verlangte Geary.
Die Bilder von General Charban und der Gesandten Rione, die die ganze Zeit darum bemüht waren, mit den Spinnenwölfen zu kommunizieren, sahen sich kurz an. »Wir sind uns nicht sicher, ob wir bereits in der Lage sind, ihnen etwas Derartiges zu vermitteln«, antwortete Charban diplomatisch.
»Dann versuchen Sie es. Sie haben doch diese zivilen Experten, die mit Ihnen zusammenarbeiten, nicht? Vermitteln Sie ihnen gemeinsam eine entsprechende Nachricht. Wir wollen nicht, dass das Kriegsschiff der Bärkühe zerstört wird. Es gehört uns!«
Etliche Kriegsschiffe der Spinnenwölfe hatten sich um das flugunfähige Superschlachtschiff geschart, aber da es noch immer über Schilde, Panzerung und Waffen verfügte, verharrten die Spinnenwölfe in sicherer Entfernung zu ihm. Die übrigen dagegen prügelten buchstäblich auf jene Bärkuh-Kriegsschiffe ein, die unverändert beschleunigten und auf den Sprungpunkt zuhielten. Sie würden noch fast einen Tag benötigen, ehe sie dort eintrafen, auch wenn sie sich noch so sehr beeilten. Doch die Spinnenwölfe wollten sicherstellen, dass sie es sich nicht noch einmal anders überlegten.
Nachdem Geary die Verbindung zu Charban und Rione beendet hatte, lehnte er sich zurück und rieb sich die Stirn. Nur widerstrebend ließ er seinen Blick zum Display wandern, um sich die neuesten Informationen anzusehen. Die Allianz-Flotte fand allmählich wieder zusammen, um ihre Wunden zu lecken. Zerstörer und Leichte Kreuzer jagten durch das weitläufige Gebiet, in dem sich die jüngste Schlacht abgespielt hatte, um die Rettungskapseln der zerstörten Allianz-Schiffe einzusammeln. Geary hatte bislang nicht ein einziges zerstörtes Schiff der Spinnenwölfe entdecken können, was für ihn angesichts der eigenen Verluste Anlass für eine gewisse Verbitterung gewesen war. Doch dann spielte er die Aufzeichnung vom letzten Sturm auf die Bärkühe ab und musste feststellen, dass die Spinnenwölfe sich ihm angeschlossen hatten und mit ins Herz der Kik-Armada geflogen waren, um die Front des Gegners zu knacken. Dabei hatten sie selbst auch etliche Schiffe verloren. Die kleinen Rettungsboote dieser Schiffe waren gleich nach dem Ausstoß von anderen Spinnenwolf-Schiffen aufgelesen worden.
Ein anderer Eindruck hatte sich aber inzwischen als zutreffend erwiesen: Von keinem der Bärkuh-Kriegsschiffe war ein Rettungsboot oder auch nur eine einzige Rettungskapsel gestartet worden. Er überprüfte den Status der Bergung der Rettungskapseln seiner eigenen Flotte und sah, dass die für diese Aufgabe abgestellten Leichten Kreuzer zügig vorankamen. Aber was war… »Ist das ein Spinnenwolf-Schiff, das da eine unserer Rettungskapseln an Bord nimmt?« Er wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Mit Dankbarkeit? Empörung? Furcht?
»Die Kapsel ist schwer beschädigt«, antwortete Desjani. »Sie stammt von der Balestra. Vielleicht wollen die Spinnenwölfe sich erkundigen, ob jemand Hilfe benötigt. Die Quarte ist auf dem Weg zu dieser Kapsel, aber sie wird sie erst in einer halben Stunde erreichen.«
»Sehen Sie zu, dass Sie mit jemandem in dieser Kapsel Kontakt aufnehmen«, ordnete Geary an. »Geben Sie mir Bescheid, sobald Sie etwas erreicht haben.«
Wegen der großen Entfernungen musste Geary fast zehn Minuten warten, ehe vor ihm ein Bild auftauchte, das aufgrund der beschädigten Komm-Ausrüstung der Kapsel verzerrt war. Er konnte das Innere der Kapsel sehen, in der sich die Überlebenden der Balestra aufhielten. Sie und die Kapsel trugen deutliche Spuren, die sie bei der Zerstörung ihres Leichten Kreuzers davongetragen hatten.
Einige Insassen waren so schwer verletzt, dass sie nur reglos dalagen, während andere damit beschäftigt waren, verletzte Kameraden zusammenzuflicken oder beschädigte Geräte zu reparieren. Geary sah, dass die Schränke offen standen und man die Notfallausrüstung größtenteils entnommen hatte — Werkzeuge, medizinische Vorräte, Ersatzteile. Auch die zwei Rollen Klebeband, die zur Standardausstattung einer jeden Rettungskapsel gehörten, waren bereits in Gebrauch, und an einer Stelle der Bordwand klebte ein Stück von diesem Band, zweifellos um einen Riss oder eine Schwachstelle zu verschließen. An anderer Stelle kam das Klebeband bei der Reparatur in einer geöffneten Konsole zum Einsatz, und ein Besatzungsmitglied versorgte in aller Eile die klaffende Brustwunde eines Verletzten, dessen geschienter Arm soeben von einem anderen Matrosen verbunden wurde.
An der Luftschleuse standen zwei Gestalten in Weltraumrüstung. Auch wenn die Spinnenwölfe selbst bei Menschen Abscheu auslösten, entsprachen die Raumanzüge in ihrem Aussehen sehr dem eleganten Erscheinungsbild ihrer Schiffe. Zwar konnte man die sechs Gliedmaßen deutlich erkennen, doch die Schutzanzüge verhinderten, dass man etwas von ihren Körpern zu sehen bekam.
»Hier ist Chief Petty Officer Madigan, Gefechtssysteme des Leichten Kreuzers Balestra«, meldete sich ein Matrose, dessen Gesicht auf einer Seite von einer schweren Prellung überzogen war. »Die… die… Aliens sind an Bord gekommen, aber sie tun nichts anderes als uns zu beobachten. Die Lage ist hier stabil, trotzdem müssen wir schnellstens abgeholt werden. Ähm… Senioroffizier an Bord der Kapsel ist Lieutenant Junior Grade Sidera, aber sie ist derzeit bewusstlos.«
Geary atmete erleichtert aus. »Chief Madigan, ein Leichter Kreuzer ist auf dem Weg zu Ihnen. Halten Sie durch. Ich glaube, die Spinnenwölfe sind an Bord gekommen, um festzustellen, ob Sie irgendwelche Hilfe benötigen. Ich schicke Ihnen einen Schlachtkreuzer rüber.« Es war das schnellste Schiff, über das er verfügte, und zudem war es mit einer großen Krankenstation und zahlreichen Ärzten ausgestattet. Es sollte noch einige Minuten dauern, bis Chief Madigan diese Worte hören würde, aber es schien, dass er die Situation unter Kontrolle hatte. »Gute Arbeit. Wir holen Sie so bald wie möglich ab.«
»Die Dragon«, sagte Desjani. »Dieser Schlachtkreuzer ist ihnen am nächsten.«
Er schickte die Dragon auf den Weg, dann kniff er die Augen zu und versuchte, sich wieder auf andere Dinge zu konzentrieren.
»Wie heißt dieser Stern?«, fragte Desjani, die einen müden, aber erleichterten Eindruck machte. Die Dauntless hatte weitere Schäden davongetragen, doch es waren nur ein paar Verwundete zu beklagen und wenigstens keine Toten.
»Weiß ich nicht«, erwiderte Geary. »Ist das wichtig?«
»Schiffe sind hier gestorben, Admiral, und ebenso Matrosen. Wir sollten einen Namen für den Ort haben, an dem sie ums Leben gekommen sind.«
Wieder schloss er die Augen, diesmal jedoch, weil es ihm so peinlich war, dass er daran nicht gedacht hatte. Eigentlich hätte dieser Stern einen düsteren Namen verdient, doch er war das Grab für viele Menschen geworden, und sein Name sollte ihrem Opfer und ihrem Mut entsprechen. Ein Name, der etwas darüber aussagte, dass Menschen hier gekämpft hatten, weit jenseits ihrer eigenen Grenzen. »Gibt es einen Stern namens Honor?«
»Honor?«, wiederholte Desjani und durchsuchte die Datenbank. »Nein, Admiral. Es ist ein ungewöhnlicher Name für einen Stern.«
»Es ist für die Gefallenen«, erklärte er.
»Verstehe.« Sie hielt kurz inne, dann brachte sie ein Lächeln zustande. »Es ist ein guter Name, um ihr Andenken zu ehren. Bitte um Erlaubnis, in der Datenbank der Flotte diesem Stern den Namen Honor zuzuweisen.«
»Erlaubnis erteilt.«
Jane Geary hatte die Attacke auf die feindliche Armada überlebt, doch die Dreadnaught war dabei schwer beschädigt worden. Captain Badaya, der einen ungewohnt kleinlauten Eindruck machte, hatte erklärt, Jane Geary sei auf eigene Initiative mit ihrem Schiff losgezogen, während er noch immer nach einer Lösung gesucht hatte, mit der er seine übrigen Kriegsschiffe retten konnte. Die Orion, die bereits bei Pandora arg in Mitleidenschaft gezogen worden war, hatte erneut einige Treffer abbekommen, doch Commander Shen hatte sichtlich verärgert darauf beharrt, sein Schiff sei nach wie vor gefechtsbereit.
Die Schäden an der Dreadnaught, der Relentless, der Reprisal, der Superb und der Splendid bestätigten einmal mehr die alte Maxime, dass Schlachtschiffe zwar eine Weile benötigten, um dorthin zu gelangen, wo sie gebraucht wurden, doch dort einmal angekommen, waren sie nur erstaunlich schwer totzukriegen. Wäre der Commander der Bärkühe jedoch auf die Idee gekommen, auch nur eines seiner Superschlachtschiffe mit ein paar Eskortschiffen aus der Armada zu nehmen und es auf diese sechs ramponierten Schlachtschiffe zu hetzen, hätten sie diese Schlacht vermutlich nicht überstanden.
Die Quarte erreichte die beschädigte Rettungskapsel der Balestra, woraufhin sich bei der Annäherung des Leichten Kreuzers die beiden Spinnenwölfe in ihr eigenes Schiff zurückzogen, das daraufhin einen gewaltigen Satz machte und in die eigenen Reihen zurückkehrte. Die Dragon war noch gut zwanzig Minuten von der Quarte und der Kapsel entfernt, kam aber kontinuierlich näher.
Geary musste an das medizinische Personal überall in der Flotte denken, das sich mit einer regelrechten Flut von Verletzten konfrontiert sah. In den Krankenstationen würden sich die Besatzungsmitglieder drängen, die medizinisch versorgt werden wollten. Mittlerweile war es so, dass kaum eine Verletzung so schwer war, dass sie von den Ärzten nicht mehr behandelt werden konnte. Und doch war es eben nicht immer möglich, genau das Richtige zu unternehmen, um einen Verletzten zu retten. »Wie schaffen die das nur?«, fragte er sich halblaut, woraufhin Desjani sich mit fragender Miene zu ihm umdrehte, da sie diesmal seine Gedanken nicht hatte lesen können. »Die Ärzte, die Schwestern, die Sanitäter, sie alle«, erklärte er. »Manchmal können sie tun, was sie wollen, und trotzdem sterben Leute, denen sie zu helfen versuchen. Wie schaffen sie es nur weiterzumachen?«
Nach kurzem Überlegen fragte Desjani: »Wie schaffen Sie es nur weiterzumachen, wenn Sie noch so sehr Ihr Bestes geben können, und trotzdem sterben Leute?«
Der Treffer hatte gesessen, aber er begriff die Logik hinter ihrer Erwiderung. »Ich schätze, ich halte mir vor Augen, wie viel schlimmer die Dinge sein könnten, wenn ich nicht alles in meiner Macht Stehende versuchen würde.«
»Ja, so geht es mir auch. Üblicherweise.«
Captain Smythe stellte zum wiederholten Mal unter Beweis, wie wertvoll er für Geary war, indem er den gewaltigen Reparaturaufwand quer durch die gesamte Flotte koordinierte und seine Ingenieure mit genügend Koffein und Schokolade versorgte, damit sie weiterarbeiteten. (Die Speise der Götter«, erklärte Smythe unaufgefordert. »Wenn in den alten Mythen von Nektar und Ambrosia die Rede ist, dann meinen die eigentlich Kaffee und Schokolade.«) Die acht Hilfsschiffe hatten inzwischen an den am schlimmsten zugerichteten Kriegsschiffen angedockt oder befanden sich auf dem Weg dorthin.
Commander Lommand von der Titan hatte sein Rücktrittsgesuch eingereicht, was von Geary prompt abgelehnt und um den Befehl an den Kapitän ergänzt worden war, er solle lieber seine äußerst talentierten Leute daransetzen, die Schiffe zu reparieren, unter anderem auch sein eigenes.
Das Verwaltungssystem der Flotte ließ einen weiteren Alarm aufblinken, die nüchterne Erklärung dazu besagte, dass der verfügbare Lagerraum für totes Personal erschöpft sei und man Beerdigungen vornehmen sollte, um das Problem zu lösen. Während Geary diesen Ratschlag las, wusste er nur zu gut, dass er sein Display weder mit Fäusten noch mit irgendwelchen Gegenständen traktieren konnte, da alles wirkungslos die virtuelle Anzeige durchdringen würde. Dennoch fühlte er sich versucht, etwas in dieser Art zu unternehmen.
»General Charban, Gesandte Rione, nachdem wir den Spinnenwölfen klargemacht haben, dass sie die Finger von diesem letzten Superschlachtschiff lassen sollen, müssen wir so schnell wie möglich herausfinden, ob wir unsere Toten in diesem Sternensystem sicher beerdigen können.«
Rione schaute zur Seite, während Charban bedächtig nickte. »Ich verstehe, Admiral.«
Zweifellos hatte der Mann verstanden, überlegte Geary. Die Bodenstreitkräfte hatten während des Krieges oftmals verheerende Verluste erlitten, wenn sie um ganze Welten kämpften und dabei große Teile eben dieser Welten verwüsteten. Wie viele Soldaten hatte Charban während seiner Dienstzeit verloren? Wie viele dieser Soldaten hatten ihr Leben bei der Eroberung einer Welt verloren, die beim nächsten Strategiewechsel schon wieder aufgegeben und verlassen wurde? Oder die von den Bodentruppen verlassen werden musste, bevor die Syndik-Kriegsschiffe aus dem Orbit den Tod auf sie herabregnen lassen konnten?
Geary hatte das ganze Jahrhundert verschlafen, während die Frauen und Männer um ihn herum von diesen Opfern geprägt worden waren. Desjani machte ihm von Zeit zu Zeit — bei manchen Gelegenheiten wütender als bei anderen — klar, dass er ihre Einstellung nicht verstehen konnte, auch wenn sie von ihm an jene Dinge erinnert werden mussten, an die ihre Vorfahren geglaubt hatten, bevor sie in die Fänge dieses Krieges geraten waren.
Und nun waren noch mehr aus ihren Reihen bei einer Schlacht ums Leben gekommen, die so unerbittlich verlaufen war wie jedes beliebige Gefecht zu Kriegszeiten. Er hatte es geschafft, ihnen dabei zu helfen, diesen Krieg zu überleben. Würde er nun auch sicherstellen können, dass diese Männer und Frauen den Frieden überlebten?
»Admiral«, meldete sich Rione aus dem Konferenzraum an Bord der Dauntless, in dem hektisch daran gearbeitet wurde, mit den Spinnenwölfen kommunizieren zu können. »Wir haben den Leuten hier begreiflich machen können, dass wir uns um das letzte Superschlachtschiff kümmern.«
»Den Leuten hier?«, wiederholte er ratlos, dann begriff er. »Sie meinen die Spinnenwölfe?«
»Ja, Admiral.« Ihr Tonfall hatte jetzt etwas Tadelndes an sich. »Wir müssen sie als Leute betrachten, weil sie Leute sind.«
»Außergewöhnlich hässliche Leute«, murmelte Desjani.
Er warf ihr einen warnenden Blick zu, ehe er sich wieder Riones Bild zuwandte. »Danke, ich werde mein Bestes versuchen.«
Rione lächelte ihn gequält an. »Ich kann verstehen, dass Ihnen das schwerfallen wird. Das können Sie mir glauben.«
»Denken Sie und General Charban daran, dann und wann eine Pause einzulegen. Sie arbeiten jetzt schon seit Stunden ununterbrochen.« Als Riones Bild verschwunden war, beugte sich Geary über sein Display. Er musste seine Schiffe in die Nähe des Superschlachtschiffs der Kiks bringen, damit die Spinnenwölfe keinen Zweifel daran haben konnten, dass die Menschen das Schiff für sich beanspruchten.
Einige der Allianz-Schiffe waren erst seit einer halben Stunde unterwegs zum Superschlachtschiff, als ein weiteres Mal ein Alarm losging. Geary, der insgeheim noch immer mit einer gewaltigen Selbstzerstörungsaktion rechnete, zuckte zusammen, als hätte ihn etwas gestochen.
Aber es war keine Markierung zu sehen, die besagte, dass sich das Schiff in eine sich rasch ausweitende Trümmerwolke verwandelt hatte. Vielmehr war die feindliche Einheit noch vorhanden, wenngleich sie zu etwas ganz anderem geworden war als zuvor. »Was haben wir denn jetzt?«
Ein Teil des feindlichen Schiffs war herausgerissen worden, was Geary einen Moment lang vermuten ließ, dass sich im Inneren eine Explosion ereignet hatte, die zu schwach gewesen war, um das Schiff völlig zu zerstören, die aber genügt hatte, um ein Stück herauszusprengen. Aber nach wenigen Sekunden wurde deutlich, dass das losgelöste Teil über einen eigenen Antrieb verfügte und eine Form aufwies, die es wie eine kleinere Version der Bärkuhschiffe aussehen ließ. Dort, wo es größtenteils im Rumpf des Superschlachtschiffs verborgen gewesen war, fand sich nun ein Abdruck, der dem kleineren Schiff entsprach.
»Rettungsschiff«, meldete Lieutenant Castries prompt. »Es beschleunigt und hält auf den Sprungpunkt zu.«
Sie waren also schließlich doch noch auf ein Fluchtschiff gestoßen — aber nur dieses eine? Das zudem noch für solche Geschwindigkeiten ausgelegt war. »Bestimmt werden sie nicht die gesamte Crew da untergebracht haben«, überlegte Geary.
»Ganz bestimmt nicht«, bestätigte Desjani. »Das wäre schlicht unmöglich!«
Die Allianz-Schiffe waren immer noch zu weit entfernt, um das Rettungsschiff abzufangen, doch die Spinnenwölfe stürzten sich bereits voller Eifer auf ihre neue Beute.
»Wollen wir sie dazu auffordern, das Rettungsschiff in Ruhe zu lassen?«, fragte Desjani.
»Ich glaube kaum, dass die Zeit noch dafür reicht«, antwortete er. Allein eine Nachricht bei den Spinnenwölfen ankommen zu lassen, dauerte so lange, dass sie bis dahin mit ihren ersten Schiffen ihr neues Ziel bereits abgefangen hatten.
Desjani nickte und kniff die Lippen zusammen. »Ich vermute, sie werden jetzt das Wrack in Stücke schießen.«
»Könnte sein.« Stirnrunzelnd betrachtete Geary sein Display. »Für ein Rettungsschiff ist das Ding riesig, aber es ist nicht mal halb so groß wie ein Zerstörer.«
»Masse und Länge liegen ungefähr bei einem Drittel«, stimmte sie ihm zu. »Lieutenant Castries, geben Sie mir eine Schätzung, wie viele Kiks sich an Bord dieses Rettungsschiffs befinden könnten.«
Nach ein paar Sekunden kam die Antwort: »Unsere Systeme schätzen, dass dieses Schiff maximal hundert Kreaturen von der Größe der Kiks fassen kann. Vorausgesetzt, sie stehen dort dicht gedrängt und die Ausrüstung beansprucht in etwa genauso viel Platz wie bei unseren Schiffen. Mindestens sollten sie Platz für zwanzig Kiks haben.«
»Maximal hundert.« Desjani verzog das Gesicht. »Die Crew dieses Superschlachtschiffs könnte mühelos in die Tausende gehen.«
»Vielleicht werden viele Abläufe automatisch gesteuert«, überlegte Geary, schüttelte dann aber den Kopf. »Nein, einige der Videos haben uns das Innere ihrer Schiffe gezeigt, und überall drängten sich die Bärkühe. Aber höchstens hundert von ihnen können sich vom Schiff retten.« In diesem Moment wurde ihm die Antwort klar. »Die Offiziere! Der Befehlshaber und sein Stab, vielleicht noch seine Familie, sofern die mit an Bord gekommen ist. Die Führer dieses Teils der Herde, die sich in Sicherheit bringen, während sie die Herde sich selbst überlassen.«
»Wir sollten sie ›Herdenführer‹ nennen«, sagte Desjani grimmig. »Offiziere sollten ihre Besatzung niemals im Stich lassen, und es gibt keinen Hinweis darauf, dass es noch irgendein anderes Rettungsschiff gibt.«
»Manche Bärkühe sind offenbar gleicher als andere«, stellte Geary fest. »Was uns nicht überraschen sollte. Immerhin wussten wir, dass sie Anführer haben, und die können leicht eine elitäre Kaste bilden.«
»So wie bei den Syndiks.«
»Vielleicht ja. In gewisser Hinsicht.« Aber wenigstens hatten die ihre Kriegsschiffe mit genügend Rettungskapseln ausgerüstet. Allerdings konnten sie auch nicht auf dreißig Milliarden Bärkühe zurückgreifen, die auf ihrer Welt dicht an dicht gedrängt lebten.
»Diese Herdenführer wollen zwar davonlaufen, aber weit werden sie nicht kommen«, meinte Desjani lächelnd und ließ ein leises Lachen folgen. »Zu viele Spinnen versperren ihnen den Weg.«
Tatsächlich näherten sich die Spinnenwolfschiffe dem Rettungsschiff auf einer Vielzahl von gekrümmten Vektoren, dass es aussah, als würde sich ein Spinnennetz um die Flüchtenden legen.
Für ein Schiff von dieser Größe verfügte es über bemerkenswert leistungsfähige Schilde. Aber es konnte nicht allzu gut gepanzert sein, wenn es flink und beweglich sein wollte, und es besaß nur wenige Waffen, aus denen es jetzt auf die immer näher kommenden Kriegsschiffe der Spinnenwölfe feuerte.
Ein Dutzend Spinnenwolfschiffe hieb auf das flüchtende Schiff ein und ließ zuerst die Schilde kollabieren. Dann durchdrangen die Treffer die Außenhülle und sorgten offenbar für eine Überhitzung des Antriebs. Als die Spinnenwölfe sich wieder zurückzogen, war von dem feindlichen Schiff nur noch eine auseinanderdriftende Trümmerwolke übrig.
»Wir können wohl davon ausgehen, dass die Spinnen keine Gefangenen machen wollten«, merkte Desjani an. »Warum ist der Commander weggelaufen? An Bord ihres Superschlachtschiffs wären sie alle sicherer aufgehoben gewesen.«
»Dieses Schiff ist dem Untergang geweiht«, entgegnete Geary. »Vielleicht ist er in Panik geraten, aber vielleicht erleben wir ja gleich auch die Selbstzerstörung mit, und er wollte bloß nicht so enden.«
»Jetzt hat er ein ganz ähnliches Ende genommen«, stellte Desjani zynisch fest und deutete auf die Überreste des Rettungsschiffs. »Hmm. Sie wären an dem Punkt längst in Sicherheit gewesen. Unsere Berechnungen ergeben: Selbst im schlimmsten Fall wäre das Schiff bei einer Explosion des Superschlachtschiffs außer Reichweite des zerstörerischen Radius gewesen. Warum ist es noch nicht explodiert?«
»Eine Sprengfalle? Etwas in der Art, das Captain Smythe bei der Invincible vorgeschlagen hatte? Womöglich haben die Bärkühe ihr Superschlachtschiff so vorbereitet, dass es hochgeht, sobald wir an Bord kommen.«
»Oder irgendetwas ist nicht nach Plan verlaufen«, hielt sie dagegen. »Oder die an Bord zurückgebliebenen Kiks wollen nicht in die Luft gesprengt werden. Oder sie haben eine Selbstzerstörung gar nicht in Erwägung gezogen. Ich habe mir die Aufzeichnungen der Schlacht angesehen, und Tatsache ist, dass keines ihrer flugunfähig geschossenen Schiffe die Selbstzerstörung ausgelöst hat. Die Spinnenwölfe haben jedes Schiff zerstört, das zwar nicht mehr flugtauglich, in jeder anderen Hinsicht aber noch intakt war.«
»Wann hatten Sie denn eine Gelegenheit, sich die Aufzeichnungen der Schlacht anzusehen?«, wunderte sich Geary und dachte darüber nach, was er seit dem Ende des Gefechts alles getan hatte.
»In meiner großzügig bemessenen Freizeit. Hier eine Sekunde, da eine Sekunde… da kommt ganz schön was zusammen.«
Geary ballte die Fäuste. »Wir haben immer noch die Chance, das Ding in die Finger zu bekommen.«
»Ja«, pflichtete Desjani ihm bei. »Aber jeder, der sich an Bord begibt, wird mit dem Risiko konfrontiert, dass das Superschlachtschiff erst dann gesprengt wird. Und mit dem Risiko, auf Tausende von Bärkühen zu treffen, die vermutlich bis zum Tod kämpfen werden, weil sie nicht bei lebendigem Leib gefressen werden wollen, was wir ihrer Meinung nach schließlich mit ihnen vorhaben. Habe ich Ihnen schon mal erzählt, warum ich kein Marine geworden bin?«
»Ich weiß, Sie haben früher mal Enterteams angeführt«, sagte Geary, der sich an Desjanis Ehrenabzeichen erinnerte. Sie hatte bislang nur vage über diesen Teil ihrer Vergangenheit gesprochen.
»Als ich noch jung und dumm war.« Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Noch immer keine Selbstzerstörung. Hey, mir ist was eingefallen. Die Taktiken und Waffen der Spinnenwölfe allein hätten nicht ausgereicht, um diese Armada zu besiegen, auch wenn die Spinnenwölfe irgendeinen Weg kennen müssen, um die Kiks aufzuhalten.«
»Davon sprachen Sie bereits.«
»Wirklich? Das hier ist mir gerade erst eingefallen. Vielleicht haben die Kiks noch nie Schiffe in feindseligen Systemen verloren. Ihre Schlachten haben sie allesamt zu Hause ausgetragen, oder sie müssen jede Einheit, die nicht vom Gegner in die Luft gesprengt wurde, wieder mit nach Hause genommen haben. Sie haben gar keinen Ablaufplan, um ihre Schiffe zu sprengen, weil so etwas noch nie vorgekommen ist. Ich meine, sehen Sie sich das Ding doch nur an.« Dabei deutete sie auf das Bild des Superschlachtschiffs. »Würde man erwarten, dass so etwas hilflos im Raum treibt?«
»Als ganz so hilflos würde ich es nicht bezeichnen. Waffen und Schilde arbeiten noch. Und was ist mit dem kleinen Schiff, das die Flucht ergreifen wollte?«
»Ja, gutes Argument. Die Führer an Bord dieses Dings müssen einen Grund gehabt haben, der sie zu der Annahme veranlasste, dass sie irgendwie entkommen mussten, wenn es hart auf hart kam. Könnte das da das Flaggschiff der Armada gewesen sein?«
»Das wäre denkbar.« Ein Flottenbefehlshaber musste im Notfall in der Lage sein, das Flaggschiff zu verlassen und auf ein anderes Schiff zu wechseln. »Aber selbst wenn Sie recht haben, sollte die Crew in der Lage sein, die Selbstzerstörung auf irgendeine Weise auszulösen. Wir können es einfach nicht mit Gewissheit sagen.«
Desjani deutete mit einem Nicken auf ihr Display. »Die Überlebenden der Armada steuern immer noch auf den Sprungpunkt zu. Einundvierzig Schiffe. Ich bin froh, dass die Spinnenwölfe sie auf dem Weg dorthin verfolgen, weil nicht mal ich im Moment dazu Lust hätte. Aber wenn das letzte Kik-Schiff das System verlassen hat und das Superschlachtschiff ist immer noch intakt, müssen wir entscheiden, ob wir das Risiko eingehen und versuchen wollen, die Kontrolle darüber zu übernehmen.«
»Ich werde das entscheiden müssen«, korrigierte Geary sie.
Das Bild von General Carabali deutete auf das Display in Gearys Quartier. »Geht es um dieses Schiff da?«
»Ja, General.« Geary zoomte das Display. »Können Ihre Marines es erobern?«
»Ob wir das können, Admiral, das ist hier nicht die Frage. Wir können das bestimmt. Die Frage, auf die es ankommt und auf die ich Ihnen keine Antwort geben kann, ist die, wie teuer uns das zu stehen kommt.«
Das war allerdings die entscheidendere Frage. »Ich verstehe. Unter diesem Gesichtspunkt benötige ich Ihre Einschätzung, ob wir versuchen sollten, es zu erobern?«
Carabali hielt inne und überlegte kurz. »Es gibt da eine Menge unbekannter Faktoren. Wir haben nur eine ungefähre Vorstellung vom individuellen kämpferischen Geschick der Kiks, die auf einigen abgefangenen Videos basiert. Aber Sie wissen so gut wie ich, dass Filme nicht zwangsläufig die Realität abbilden. Außerdem haben wir keine Ahnung, ob wir Spielfilme oder Dokumentationen zu sehen bekommen haben. Und wir können auch nichts dazu sagen, wie viele Kiks sich an Bord dieses Schiffs befinden. Weniger als tausend würde ich nicht schätzen, aber es können erheblich mehr sein. In einem Schiff von dieser Größe können sich auch zehntausend Kiks aufhalten, wenn sie so viele mitnehmen wollten.«
»Zehntausend?«, fragte Geary verblüfft. »So groß schätzen Sie die Crew ein?«
»Nein, Sir, das ist unsere maximale Schätzung. Die plausibelste Zahl bewegt sich irgendwo zwischen fünf-und sechstausend. Das sind mehr als genug Kiks.« Carabali unterbrach kurz, um zu ihrem eigentlichen Gedankengang zurückzufinden. »Wir wissen nichts über den Grundriss des Schiffs. Normalerweise begeben sich meine Leute bei einem solchen Einsatz zuerst zu kritischen Bereichen, um die Kontrolle über die Maschinen, die Brücke und so weiter zu erlangen. Wir wissen nicht, wo wir die auf diesem Schiff finden und wie die entsprechenden Geräte aussehen.«
»Wir wissen ja nicht mal, ob sie Abteile in der Art haben, wie wir sie kennen«, musste Geary zugeben.
»Der Grundriss des Schiffs…« Sie zuckte mit den Schultern. »Die Kiks sind viel kleiner als wir, und ein Korridor könnte dann für einen Marine in Gefechtsrüstung verdammt eng werden. Selbst wenn wir ihnen in Sachen Feuerkraft überlegen sein sollten, kann es sich als schwierig erweisen, diese Feuerkraft zum Einsatz zu bringen. Das alles ergibt eine sehr komplizierte Operation, die mehr dem Sturm auf ein Fort gleicht als einem Entervorgang auf einem Raumschiff.«
Es war kein erfreuliches Bild, aber immerhin hatte Carabali nicht gesagt, es sei nicht machbar. Genau genommen hatte sie gesagt, es sei machbar. Die Frage war nach wie vor die, ob der Nutzen einer Eroberung dieses Schiffs es rechtfertigte, derartige Risiken einzugehen. Captain Smythe und die zivilen Experten hatten sich alle schon dafür ausgesprochen, da sie von der Aussicht begeistert waren, einen solchen Fang nach Informationen über die Bärkühe und ihre Technologie zu durchsuchen.
Es war denkbar, dass man dabei auf Hinweise stieß, mit deren Hilfe die Menschheit in die Lage versetzt wurde, selbst diese Abwehrvorrichtung gegen orbitale Bombardements zu entwickeln und einzusetzen. Der Wert allein dieser Errungenschaft rechtfertigte fast jeden Preis und fast jedes Opfer. »Aber Sie können es machen.« Diesmal waren Gearys Worte keine Frage, sondern eine Feststellung.
»Ja, Sir. Vorausgesetzt, die Kiks jagen das Schiff nicht in die Luft, bevor wir die Kontrolle darüber erlangen. Bevor die Landeoperation beginnen kann, müssen wir die externen Verteidigungsvorrichtungen reduzieren. Und danach benötigen wir direkte Unterstützung. Das heißt, ein Großteil der Flotte muss sich in der Nähe des riesigen Schiffs aufhalten, wo sie im Falle einer verspäteten Selbstzerstörung ebenfalls in Gefahr gerät.«
»Verstanden.« Er würde also einen erheblichen Teil seiner begrenzten Anzahl an Schiffen und Marines zur Verfügung stellen müssen. Wenn die Bärkühe nur darauf warteten, die Menschen in eine Falle zu locken, dann konnten sie einen vernichtenden Schlag landen, indem sie im richtigen Moment die Selbstzerstörung ihres Schiffs aktivierten. Es bestand die Gefahr, dass er verheerende Verluste erlitt und keinerlei neue Erkenntnisse gewann. Aber wenn er kein Risiko einging, würde er ganz sicher keine neuen Erkenntnisse gewinnen können — und das im Angesicht einer Gelegenheit, die sich so vielleicht nie wieder ergeben würde.
»Beginnen Sie mit Ihrer Planung«, befahl Geary ihr. »Gehen Sie davon aus, dass Sie jegliche Unterstützung bekommen, die ich Ihnen geben kann. Ich werde jedes erforderliche Kriegsschiff einsetzen, um die Verteidigungsanlagen der Aliens zu zerstören, bevor Ihre Marines reingehen. Es wird eine Drecksarbeit werden, aber ich weiß, Sie können sie erledigen.«
Carabali salutierte und lächelte zynisch. »Dafür haben Sie ja die Marines, damit die die Drecksarbeit übernehmen, die sonst keiner erledigen kann. Wann wollen Sie meinen Plan sehen, Admiral?«
»So bald wie möglich, aber lassen Sie sich genügend Zeit, um alles richtig zu machen. Wir müssen erst unsere beschädigten Schiffe reparieren, also werden wir noch eine Weile hier verweilen.«
»Verstanden, Sir. Unsere Planung wird in diesem Fall durch den Mangel an Detailwissen vereinfacht. Wir werden vieles spontan entscheiden müssen, wenn wir erst mal in diesem Ding sind. Zum Glück sind Marines darin besonders gut.«
Geary setzte sich hin, nachdem Carabalis Bild verschwunden war, und legte die Hände vors Gesicht, während er darüber nachdachte, wie viele Männer und Frauen bereits in diesem Sternensystem umgekommen waren — und wie viele noch als Folge dieser Entscheidungen würden sterben müssen.
Das Superschlachtschiff drehte sich langsam um seine Achse, während es gemächlich durchs All trieb. Die Seite wurde sichtbar, an der sich das Rettungsschiff befunden hatte. Dort waren nur wenige Hinweise auf Schäden zu erkennen, ausgenommen am Heck, wo die Hauptantriebseinheiten durch mindestens einen schweren Treffer zerrissen worden waren. »Deren Maschinenräume könnten zerstört worden sein«, hatte Captain Smythe zu bedenken gegeben. »Wenn das zutrifft, werden sie gezwungen gewesen sein, ihren Hauptantrieb abzuschalten.«
»Und wieso arbeiten dann die Schilde und die Waffen noch?«, hatte Geary wissen wollen.
»Eine sekundäre Energiequelle speziell für diesen Zweck. Schilde und Waffen benötigen weniger Energie als ein Hauptantrieb bei voller Leistung. Sie könnten über mehrere sekundäre Energiequellen verfügen, die jeweils verschiedene Funktionen unterstützen. Nach unseren Maßstäben zwar nicht effizient, aber als Reserve eine sehr praktische Sache, wenn man darauf zurückgreifen kann.«
Die Allianz-Flotte hatte eine stationäre Position in der Nähe des Superschlachtschiffs eingenommen, die meisten Schiffe hielten sich dreißig Lichtsekunden entfernt in einer Gruppe auf. Dadurch wurden die Wege zwischen den verschiedenen Einheiten auf ein Minimum reduziert. Shuttles flogen zwischen den Schiffen hin und her, um Ersatzteile und Reparaturteams zu befördern. Viel näher am Superschlachtschiff hielten sich sämtliche Schlachtschiffe und die Hälfte der Schlachtkreuzer auf, und obwohl sie sich alle durchs All bewegten, machten sie als Ganzes betrachtet den Eindruck, sich nicht von der Stelle zu rühren.
Die Gefechtssysteme der Flotte und Captain Smythes Ingenieure hatten berechnet, wie groß der zerstörerische Radius vermutlich sein würde, sollte es zu einer Explosion des Superschlachtschiffs kommen. Geary hatte noch einmal die Hälfte dazugerechnet und seine Schlachtschiffe außerhalb dieses Gebiets platziert. Die Schlachtkreuzer wahrten sogar noch etwas mehr Distanz.
Gut zehn Lichtminuten und damit erheblich weiter entfernt hatten sich die Schiffe der Spinnenwölfe wieder zu einer wunderschön gestalteten Formation angeordnet, um aus sicherer Entfernung das Treiben der Menschen zu beobachten. Offensichtlich hielten sie sich an die zuvor getroffene Vereinbarung, dass das Superschlachtschiff Eigentum der Menschen war, die damit verfahren konnten, wie sie wollten.
Keiner der Menschen, die mit den Spinnenwölfen »redeten«, hatte einen Eindruck davon gewinnen können, was die Aliens davon hielten, dass die Menschen das Kriegsschiff der Bärkühe erobern wollten. Die Tatsache, dass sie nun so großen Abstand hielten, ließ deutlich erkennen, wie wenig sie daran interessiert waren, an dieser Eroberung mitzuwirken. Und ebenso wenig wollten sie in das hineingezogen werden, was die Menschen mit ihrer Vorgehensweise womöglich auslösen würden.
»Vielleicht sind sie klüger als wir«, hatte Charban angemerkt.
Rione war direkter gewesen und hatte unter vier Augen mit Geary gesprochen. »Ich weiß, Ihnen ist bewusst, was mit diesen Tausenden von Marines geschehen kann, wenn Sie sie auf das Schiff schicken.«
»Dessen bin ich mir nur zu gut bewusst«, hatte er erwidert. »Welchen Preis würden Sie bezahlen, um in den Besitz dieser Abwehrvorrichtung zu gelangen, die ein Bombardement aus dem All ablenken kann?«
Sie hatte die Verärgerung in seinem Tonfall bemerkt. »Da ist doch noch etwas. Was ist es?«
Geary hatte sie eindringlich angesehen. »Sie haben mir mehr oder weniger deutlich bestätigt, dass die Regierungen der Callas-Republik und der Rift-Föderation nicht wollen, dass ihre Kriegsschiffe heimkehren.«
»So etwas habe ich nie gesagt.«
»Sie haben nicht gesagt, dass ich mich irre, als ich die Möglichkeit zur Sprache brachte, bevor diese Flotte Varandal verließ. Eine Möglichkeit, auf die ich gekommen war, weil Sie mir entsprechende Anspielungen hingeworfen hatten. Anspielungen der Art, dass die Regierungen diesen Kriegsschiffen nicht über den Weg trauen würden, weil sie in meinem Namen handeln könnten, wenn ich zum Staatsstreich aufrufe. Oder weil sie auf eigene Faust einen Staatsstreich in die Wege leiten könnten. Ich vermute, in der Allianz-Regierung gibt es viele Leute, die diese Flotte hier aus den gleichen Gründen fürchten. Deshalb haben sie uns auch in der Hoffnung auf diese Mission geschickt, dass wir niemals zurückkehren werden. Jetzt muss ich an die Schiffe, die Männer und die Frauen denken, die nicht mehr heimkehren können, und ich bin wirklich sehr betrübt darüber, dass zu Hause Leute sitzen, die sich sehr darüber freuen würden, wenn sie davon wüssten.«
Es dauerte lange, bis sie antwortete: »Ich hätte auch nichts anderes von Ihnen erwartet. Mein Ziel war es nie, dieser Flotte und diesen Menschen zu schaden. Und ich habe auch niemals dazu beigetragen, ein solches Ziel zu erreichen, ganz gleich, was andere von mir verlangt haben.«
»Sagen Sie mir, wer diese anderen sind.«
»Das kann ich nicht, weil ich es nicht mit Gewissheit weiß. Sie sind schlau genug, Mittelsmänner zu benutzen, die ich mit niemandem in Verbindung bringen kann. Es tut mir leid, Admiral. Es tut mir leid für diejenigen, die ums Leben gekommen sind, weil einige ihrer eigenen Führer ihnen nicht vertrauen. Aber andere vertrauen ihnen. Verfallen Sie nicht in den Irrglauben, die Allianz-Regierung würde gegen Sie arbeiten. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass viele Gehirne versuchen, diese Regierung zu kontrollieren. Manche von denen sind Ihre Verbündeten, und viele von ihnen wollen nur das Beste für die Allianz, vertreten aber unterschiedliche Auffassungen, wie dieses Beste aussieht.«
Mittlerweile saß Geary wieder auf der Brücke der Dauntless und fragte sich, ob er hier tatsächlich das Richtige tat, auch wenn er wusste, dass er gar keine andere Wahl hatte. »Schicken Sie die Sonden los.«
Automatische Sonden wurden von mehreren Allianz-Schiffen gestartet und bewegten sich in einem gleichmäßigen, gemächlichen Tempo auf das Superschlachtschiff zu, während sie den Bärkühen die Aufforderung übermittelten, sich zu ergeben. Gleichzeitig wurde ihnen ihre Unversehrtheit garantiert. Die zivilen Experten hatten gemeinsam mit ein paar Technikern der Flotte einen Trickfilm gedreht, der die gleiche Botschaft vermittelte und der Bilder in dem Format verwendete, das von den Kiks benutzt wurde. Diese Filme wurden parallel zu den Audiobotschaften gesendet.
Dieselbe Mitteilung war schon zuvor an das Superschlachtschiff übermittelt worden, jedoch ohne eine Reaktion zu bewirken. War die übrige Crew des Kik-Schiffs tot? Oder weigerte man sich auch weiterhin, mit den Menschen zu reden?
Auf einmal schossen Partikel- und Laserstrahlen aus der Hülle des Kik-Schiffs, und innerhalb von Sekunden wurde eine Sonde nach der anderen zerstört oder unbrauchbar geschossen, bis alle Systeme tot waren. »Dann werden wir es auf die harte Tour machen müssen«, sagte Geary.
»Wen wundert’s?«, gab Desjani zurück. Sie war seit einer Weile schlecht gelaunt, weil sie sich darüber ärgerte, dass es vor allem die Aufgabe der Schlachtschiffe in der Flotte war, die Verteidigung des Gegners zu dezimieren, während Schlachtkreuzer wie die Dauntless tatenlos zusehen mussten.
»Captain Armus«, sagte Geary.
Das Gesicht des Befehlshabers der Colossus tauchte vor Geary in der Luft auf. Armus war ein solider, fantasieloser und so präzise agierender Mann, dass er nur einen Schritt davon entfernt war, zu langsam zum vernünftigen Handeln zu sein. Das konnte oftmals ein Problem darstellen, aber bei dieser Art von Angriffen waren solche Eigenschaften eine wahre Tugend, weshalb Geary Armus auch für diese Operation das Kommando über die Schlachtschiffe übertragen hatte.
»Meine Eingreiftruppe ist bereit«, meldete Armus.
»Beginnen Sie das Bombardement.«
Armus salutierte auf jene leicht ungelenke Art jener Senioroffiziere, die die meiste Zeit ihrer Karriere in einer Flotte gedient hatten, in der der Salut zu einem vergessenen Ritual geworden war. Dann verschwand sein Bild wieder.
Rings um das hilflose Superschlachtschiff richteten die Allianz-Schlachtschiffe ihren Bug auf das neue Ziel aus und näherten sich ihrem Ziel, wobei die Schilde mit maximaler Leistung arbeiteten und die Waffen feuerbereit waren. Die Dreadnaught, die Orion, die Superb und die Splendid mit ihren geschwächten Schilden und den umfassenden Schäden hatten den Befehl erhalten, im Hintergrund zu warten, bis der größte Teil der Verteidigungseinrichtungen des gegnerischen Schiffs ausgeschaltet war. Falls erforderlich, konnten sie aber immer noch früher zum Einsatz kommen. Auch wenn er die angeschlagenen nicht mitzählte, verfügte Geary über neunzehn Schlachtschiffe, die er gegen das einzelne Superschlachtschiff vorgehen lassen konnte. So riesig und mächtig das Kik-Kriegsschiff auch sein mochte, konnte es derzeit nicht manövrieren, und es war der Feuerkraft hoffnungslos unterlegen, die allmählich näher rückte. Mit einem gewissen Stolz sah er mit an, wie sich seine Schlachtschiffe nach Divisionen geordnet dem Feind näherten. Er hatte diese Schiffe schon oft in eine Schlacht geführt, aber nur selten war es ihm möglich gewesen zu beobachten, wie majestätisch sie in den Kampf zogen. Die Gallant, die Indomitable, die Glorious und die Magnificent; die Dreadnaught, die von den jüngsten Gefechten gezeichnet war, die Orion so in Mitleidenschaft gezogen wie ihr Schwesterschiff, die Dependable und die Conqueror; die Warspite, die Vengeance, die Revenge und die Guardian; die Fearless, die Resolution und die Redoubtable; die Colossus, die Encroach, die Amazon und die Spartan; die Relentless, die Reprisal, die Superb und die Splendid, alle vier ebenfalls erheblich beschädigt. Irgendwie ließen die Wunden diese Schlachtschiffe noch beeindruckender erscheinen, noch bedrohlicher — wie Kriegsveteranen, die sich auch durch ihre Kriegsverletzungen nicht davon abhalten ließen, noch einmal in die Schlacht zu ziehen.
Das Superschlachtschiff musste im vorangegangenen Gefecht und bei der Abwehr der lästigen Spinnenwölfe alle Raketen verbraucht haben, da es nun erneut nur mit Partikel- und Laserstrahlen reagierte. Doch die Allianz-Schiffe erwiderten das Feuer noch nicht, sondern ließen die Treffer von den Schilden absorbieren, während die Sensoren die exakten Positionen aller Waffen an der Hülle des Bärkuh-Schiffs ermittelten.
»Sie konzentrieren ihren Beschuss nicht«, stellte Geary fest. Seine Hauptsorge war gewesen, gebündelte Salven könnten auf die am stärksten in Mitleidenschaft gezogenen Schlachtschiffe gerichtet werden. Doch die Kiks schossen beliebig auf alles, was sich um sie herum bewegte. Dadurch bekam keines der Schiffe genug Treffer gleichzeitig ab, um in Gefahr zu geraten.
»Keine Anführer«, erwiderte Desjani. »Ihre Anführer haben das Schiff verlassen, also kann ihnen niemand sagen, wen oder was sie am besten angreifen sollen. Sie wählen ihre Ziele nach dem Zufallsprinzip aus.«
Nachdem die Positionen aller Waffen auf der Hülle des Kik-Schiffs festgestellt waren, erteilte Armus den Feuerbefehl. Dreiundzwanzig Schlachtschiffe eröffneten gleichzeitig das Feuer und schickten ein gewaltiges Sperrfeuer aus Kartätschen und schwereren kinetischen Projektilen auf den Weg, denen der Gegner ohne Antrieb nicht ausweichen konnte. Die Kartätschen trafen von allen Seiten auf die Hülle, die Schilde flammten grellweiß auf, als die Masse der Kugelgeschosse in Energie umgewandelt wurde. Die Schilde begannen zu flackern, und an verschiedenen Stellen zeigten sich Schwachpunkte, die schnell größer wurden.
Die Schlachtschiffe der Allianz ließen hastige Salven aus Höllenspeeren folgen, die die Überreste der Schilde durchbrachen, sich in die Panzerung bohrten und überall dort einschlugen, wo Waffen festgestellt worden waren. Die Schilde kollabierten schließlich vollständig, und dann war es die Hülle des Superschlachtschiffs selbst, die unter der Hitze der aufprallenden Höllenspeere zu glühen begann.
Überraschenderweise feuerten die überlebenden Kiks weiter aus allen Waffen, die noch halbwegs funktionstüchtig waren, weil sie wohl immer noch hofften, den Angriff der Menschen zurückschlagen zu können.
»Wow«, hauchte Desjani.
»Es ist erstaunlich viel Feuerkraft, die da auf ein einziges Ziel gerichtet ist«, sagte Geary zustimmend.
»Nun, ich dachte eigentlich mehr an die Tatsache, dass das Ziel in Anbetracht dieser Feuerkraft immer noch dort ist und weiterhin das Feuer erwidern kann«, entgegnete sie. In ihrer Stimme schwang widerwilliger Respekt vor einem Feind mit, der sich in einer solch ausweglosen Situation immer noch gegen seine Angreifer behauptete.
Der Beschuss vonseiten des Superschlachtschiffs ebbte immer schneller ab, bis er ganz endete, da die Waffen der Allianz-Schiffe jedes Geschütz vernichteten, sobald es zu feuern begann. Das Sperrfeuer der Allianz hielt noch mehrere Sekunden lang an, dann kam es zum Erliegen, wenn man von einer letzten rachsüchtigen Salve absah, die die Dreadnaught abfeuerte, während sie mit der Orion, der Superb und der Splendid zu den anderen Schlachtschiffen aufschloss.
Wieder tauchte Captain Armus vor Geary auf und machte eine zufriedene, aber keine erkennbar erfreute Miene. Geary vermutete, dass dem Mann ein solcher Gesichtsausdruck völlig fremd war. »Die externen Verteidigungsanlagen des feindlichen Schiffs sind ausgeschaltet worden«, meldete er.
»Sehr gut. Hervorragende Arbeit, Captain Armus. Halten Sie Ihre Schlachtschiffe in Position, um eingreifen zu können, falls auf die Marines das Feuer eröffnet wird. Zerstören Sie jede Waffe, sobald sie zu feuern beginnt.«
Armus nickte bedächtig, salutierte wieder, und dann war sein Bild auch schon verschwunden.
»General Carabali«, ordnete Geary an. »Sie können Ihren Angriff beginnen.«
Die vier Sturmtransporter lösten sich aus der Flotte, die Tsunami und die Typhoon näherten sich dem immer noch langsam rotierenden Superschlachtschiff von der einen, die Haboob und die Mistral von der gegenüberliegenden Seite, sodass sich alle fünf Schiffe wie in einem erhabenen Tanz bewegten.
»Warum teilt Carabali ihre Streitmacht auf?«, wollte Desjani wissen. »Ist das nicht unpraktisch, wenn wir kaum etwas darüber wissen, wie es im Inneren dieser Blechdose aussieht?«
»Das hat zum Teil damit zu tun, dass wir keine Deckpläne kennen«, erklärte Geary. »Carabali will nicht in irgendwelche Engpässe geraten, weil dann zu viele Marines mit ihrem Vorrücken ins Stocken geraten. Indem sie von zwei Seiten kommen, kann sie eine solche Situation vermeiden.«
General Charban hatte von allen unbemerkt in der Zwischenzeit die Brücke betreten, um sich eine Pause von den anhaltenden Bemühungen zu gönnen, mit den Spinnenwölfen zu kommunizieren. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, und ihm war anzusehen, welche Gefühle und Erinnerungen ihm durch den Kopf gingen, als er sah, wie der Angriff der Marines seinen Lauf nahm. »Macht sie dem Feind nicht auch die Verteidigung schwerer, wenn sie von mehr als nur einer Seite kommt?«, fragte der General.
»Ja, das war der andere Grund.« Geary hatte überlegt, ob er Charban vorab einen Blick auf Carabalis Plan werfen lassen sollte, war er doch ein Offizier mit viel Erfahrung mit Bodeneinsätzen. Letztlich hatte er sich aber dagegen entschieden, was nicht nur damit zu tun hatte, dass er sich lieber auf die Kommunikationsbemühungen mit den Spinnenwölfen konzentrieren sollte. Die Einsätze von Marines unterschieden sich in einigen wichtigen Punkten von einem Angriff, der von Bodentruppen durchgeführt wurde. Außerdem war Charban nicht in einer militärischen Funktion mit der Flotte mitgereist. Es kam nie etwas Gutes dabei heraus, wenn man die Grenzen der Zuständigkeit verwischte.
Außerdem war es völlig egal, wessen Rat er einholte, überlegte Geary. Die Verantwortung lag am Ende bei ihm allein.
»Sie haben dreitausend Marines in dieser Flotte?«, fragte Charban. »Wie viele davon kommen bei dieser Operation zum Einsatz?«
»Bei der ersten Welle sind es zweitausend«, antwortete er. »Tausend von jeder Seite. General Carabali hält fünfhundert in Reserve, und die restlichen fünfhundert sind auf den großen Schiffen verteilt, um notfalls den Angriff zu unterstützen.«
»Zweitausend«, wiederholte Charban. »Gegen wie viele Aliens? Bald werden wir wissen, gegen wie viele Bärkühe sich ein einzelner Marine zur Wehr setzen kann.«
Geary musste sich ein Lachen verkneifen, als er die ironische Spitze eines Soldaten gegen den legendären Stolz der Marines der Flotte erkannte, die von sich glaubten, im Gefecht jeder noch so großen Zahl an Gegnern gewachsen zu sein.
Desjani dagegen erlaubte sich ein Lachen, dann drehte sie sich zu Charban um und lächelte ihm zu. Sie hatte ihn nicht gemocht, sie hatte seinen Widerwillen nicht verstanden, Gewalt anzuwenden, wenn sie das für notwendig hielt. Aber ihr waren Leute sympathisch, die im Angesicht einer solchen Situation noch einen Witz reißen konnten.
Scharenweise schossen Shuttles aus den Sturmtransportern hervor, bildeten eine lange Reihe und nahmen Kurs auf das Superschlachtschiff, als wären sie Adler, die auf ihre Beute zugeschossen kamen.
Vereinzelt wurden vom Gegner Partikel- oder Laserstrahlen abgefeuert, zum Teil aus Waffen, die das Feuer eingestellt hatten, bevor sie entdeckt und vernichtet werden konnten, oder die bislang noch gar nicht zum Einsatz gekommen waren.
Ein paar Shuttles wurden von vereinzelten Treffern durchgeschüttelt, doch die Schlachtschiffe hatten den Feind im Auge behalten, und so wurden die Höllenspeerbatterien erneut geöffnet, um das Abwehrfeuer innerhalb von Sekunden zum Verstummen zu bringen.
Acht Shuttles waren getroffen worden, zwei von ihnen hatten schwere Schäden erlitten. Geary hörte, wie der Sturmkoordinator befahl: »Shuttles 1210 und 4236: Anflug abbrechen und zur Basis zurückkehren. Alle anderen Shuttles fliegen weiter.«
Der Pilot von Shuttle 1210 erwiderte irritiert: »Wiederholen Sie, ich habe Sie nicht verstanden.«
»Anflug abbrechen und zur Basis zurückkehren.«
»Tut mir leid, ich kann Sie nicht verstehen«, wiederholte der Pilot. »Setze Anflug fort.«
»Hier ist 4236«, meldete sich eine andere Stimme. »Ich habe immer noch die Kontrolle. Bitte um Erlaubnis, den Anflug fortsetzen zu dürfen. Das ist sicherer als eine Umkehr zur Basis.«
Alle anderen hatten 1210 und 4236 gehört, und sofort flogen die übrigen Shuttles wieder in Reih und Glied, da niemand aus der Formation ausbrechen wollte, während die schwerer in Mitleidenschaft gezogenen Kameraden sich verbissen auf ihren Positionen hielten.
Auch wenn der Feindbeschuss einmal mehr verstummt war, wurden die Hauptantriebseinheiten der Dreadnaught für einen Moment gezündet, um das Schlachtschiff etwas näher an den Feind heranzubringen.
Geary öffnete einen speziellen Kanal, der eine private Unterhaltung mit dem Befehlshaber jedes beliebigen Schiffs der Flotte ermöglichte. »Captain Jane Geary, hier spricht Admiral Geary«, sagte er. »Sie müssen nichts mehr beweisen, Ihre Taten in diesem System sprechen für sich. Kehren Sie auf die Ihnen zugewiesene Position an der Seite ihrer Kameraden zurück.«
Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern beendete die Verbindung und lehnte sich zurück.
Desjani sah ihn von der Seite an. Der spezielle Kanal hatte automatisch ein Privatsphärenfeld um Gearys Platz herum aktiviert, das jeden anderen daran hinderte, etwas von dem mitzubekommen, was er redete. Desjani war zweifellos neugierig, was er zu Jane Geary gesagt hatte.
Die Bugsteuerdüsen der Dreadnaught wurden gezündet und brachten das Schiff zurück auf seine ursprüngliche Position.
»Also gut«, sagte Desjani. »Ich geb’s auf. Was haben Sie ihr gesagt?«
»Dass sie sich keine Gedanken machen soll, noch irgendwem beweisen zu müssen, dass sie eine echte Geary ist.«
»Wollen wir hoffen, dass sie sich das merkt, Admiral. Wenn Sie sich auf den Angriff der Marines konzentrieren wollen, kann ich die externe Situation für Sie im Auge behalten.«
»Ich sollte mich…« Er sollte sich nicht auf einen Bereich konzentrieren und alles andere um sich herum ignorieren. Und erst recht sollte er sich nicht in die Details einer Marines-Operation vertiefen und darüber vergessen, was sich rund um seine Schiffe abspielte. Aber nirgendwo war ein Gefecht auszutragen, im gesamten Sternensystem gab es keine feindselige Streitmacht, und die Spinnenwölfe waren so weit entfernt, dass sie keinen Überraschungsangriff einleiten konnten, selbst wenn sie auf einmal aus unerfindlichen Gründen aggressiv werden sollten.
»Sie müssen mehr darüber erfahren, wie Marines vorgehen«, machte Desjani ihm klar. »Sie sind jetzt ein Admiral, und Sie können nur dann richtig etwas erfahren, wenn Sie ihnen bei ihrem Einsatz zusehen.«
»Sie haben recht«, lenkte Geary ein.
»Ich habe immer recht«, murmelte sie und fügte dann deutlich lauter hinzu: »Ich behalte das Geschehen im Auge, während Sie die Marines überwachen, Admiral.«
Kein Offizier der Flotte würde eine solche Vorgehensweise anzweifeln. So groß auch ihr Respekt vor den Marines war, hatten sie kein grenzenloses Vertrauen zu ihnen, wenn sie sich mit ihnen auf einem Schiff befanden. Die Marines waren anders. Sie waren anders ausgebildet und sie hatten andere Erfahrungen gesammelt. Manchmal drückten sie auf irgendwelche Knöpfe, auf die sie nicht drücken sollten, weil sie gar nicht wussten, was sie damit auslösten. Jeder würde froh sein, wenn er wusste, dass der Admiral den Marines über die Schulter sah.
Natürlich hegten Marines die gleiche Einstellung gegenüber Matrosen, und zweifellos wünschte General Carabali, sie könnte das Handeln der Flottenoffiziere überwachen.
Geary öffnete das Fenster, das ihm den Blick durch die Kameras der Marines ermöglichte. Im ersten Moment stutzte er, da er so viele Ebenen gleichzeitig angezeigt bekam wie noch nie zuvor. Allerdings hatte er auch nie zuvor eine Operation von solchen Ausmaßen mitgemacht, bei der so viele Marines in eine solche Anzahl von Trupps, Zügen, Kompanien und Bataillonen eingeteilt worden waren. Er konnte das Bild eines Bataillonskommandanten antippen, und sofort bekam er die ihm unterstellten Kompaniekommandanten angezeigt, darunter die Zugkommandanten und die Truppkommandanten, bis er bei den einzelnen Marines angelangt war. Er konnte auch ein riesiges Fenster aktivieren, das winzige Bilder von Hunderten Marines zeigte, die alle auf dem Weg zum Schiff der Bärkühe waren. Und wenn er wollte, konnte er auch eine direkte Verbindung mit General Carabali herstellen und mit ihr sprechen.
Allerdings wollte er jetzt nicht mit ihr reden, um sie nicht abzulenken. Sie hatte genug damit zu tun, ihre Truppen zu befehligen. Er wollte auch mit keinem der Marines reden, deshalb nahm er seine andere Hand weg, damit sie sich nicht länger in der Nähe der Komm-Kontrollen befand, die er versehentlich berühren könnte. Er musste wissen, was da vor sich ging. Er musste mehr über die Vorgehensweise der Marines herausfinden, aber er musste nicht einzelnen Leuten sagen, wie sie ihre Arbeit zu erledigen hatten, wenn sie selbst das viel besser wussten.
Ein kleineres Fenster an einer Seite irritierte Geary, bis ihm klar wurde, dass er dort aus der Sicht der Shuttles mitverfolgen konnte, wie die sich dem Superschlachtschiff näherten. Er tippte auf eines der Bilder und bekam eine riesige Ansicht des Schiffs der Bärkühe zu sehen, dessen Hülle den Ausschnitt in allen Richtungen ausfüllte, was es so erscheinen ließ, als würde das Shuttle auf eine gigantische, leicht gewölbte Wand zufliegen. War das eine verschlossene Luke? Es sah für ihn nach einer Frachtluke aus. Daneben schien sich eine Art Personalzugang zu befinden, der deutlich kleiner war als die Luke — und sehr viel kleiner als eine Öffnung, die für Menschen vorgesehen war. Sollte ein Marine in Gefechtsrüstung da wirklich hindurchpassen?
Das Shuttle kam zum Stillstand, nachdem die Bugsteuerdüsen aktiviert worden waren, und schwebte dann dicht vor dem Superschlachtschiff im All. Der Abstand war so gering, dass Geary die Narben von Treffern der abgelaufenen Schlacht erkennen konnte. Er sah auch eine Stelle, bei der es sich um einen Schildgenerator gehandelt haben musste, der vom Beschuss der Schlachtschiffe außer Gefecht gesetzt worden war.
Alles war völlig ruhig, so als würde auf dem Schiff niemand mehr leben — wie ein Wrack, das nur noch von Toten bevölkert wurde.
Es war durchaus möglich. Das Abwehrfeuer, das sie beobachtet hatten, konnte von einem Computersystem automatisch eröffnet worden sein.
Allerdings glaubte Geary so wenig daran wie die Marines.
Während er das Superschlachtschiff virtuell aus der unmittelbaren Nähe beobachtete, fragte er sich unwillkürlich, wie es wohl wäre, sollte es sich in diesem Moment selbst zerstören. Der Gedanke ließ ihm einen eisigen Schauer über den Rücken laufen. Rasch schaute er sich nach etwas anderem um, das ihn von einer möglichen Entwicklung ablenken würde, gegen die er jetzt ohnehin nichts mehr unternehmen konnte.
Sein Blick fiel auf Bilder, die mehr Aktivität versprachen, also tippte er mehrere von ihnen an, die in den Vordergrund rückten. Sie zeigten ihm die Blickwinkel verschiedener Marines, die sich auf der Hülle des feindlichen Schiffs befanden. Die Symbole am Bildrand verrieten ihm, dass es sich bei ihnen um Gefechtsingenieure handelte. Er sah ihnen zu, wie sie Sprengladungen auf der Hülle platzierten, dann veränderte sich das Bild rasch, da sie sich hastig zurückzogen und zusammenkauerten. Einen Augenblick später ging ein Zittern durch das Bild, da ein Teil einer Luke aus der Schiffshülle herausgesprengt worden war. Die Vibrationen der Explosionen breiteten sich auf der Oberfläche aus und schüttelten die Marines durch, die sich dort festhielten.
Die Aussicht veränderte sich in schwindelerregendem Tempo, da die Ingenieure sich zur Luke umdrehten. Gleich darauf waren wüste Flüche zu hören. »Wir sind nicht durch!«, »Wie dick ist das Zeug?«
Dann ging ein Befehl von Carabali ein, der in den Gefechtsrüstungen eines jeden Ingenieurs zu hören war: »Verdoppeln Sie die Sprengladungen.«
Die Leute arbeiteten zügig weiter und benötigten das anfeuernde »Macht schon!« ihres Truppführers eigentlich nicht, während sie neue Sprengladungen anbrachten, um die Panzerung des Superschlachtschiffs aufzubrechen. Diese Verzögerung hatte den Flugplan der Shuttles durcheinandergebracht, die sich nun dicht vor dem Superschlachtschiff drängten, da es für sie keinen Platz gab, um die Marines abzusetzen. Das Bild zuckte abermals hin und her, da die Gefechtsingenieure in aller Eile auf Abstand zu den befestigten Sprengladungen gingen. »Die Lunte brennt!«
Wie alt war diese Warnung bloß, und worauf hatte sie sich wohl ursprünglich einmal bezogen?, fragte sich Geary. Vielleicht ging der Satz auf eine Zeit zurück, in der jemand mit einer offenen Flamme eine Zündschnur angezündet hatte. Mittlerweile war es nur noch die Standardwarnung vor einer bevorstehenden Explosion.
Das Bild zitterte erneut, diesmal länger als zuvor. Jubelrufe ertönten, als die Marines dorthin zurückkehrten, wo nun Löcher in der gepanzerten Luke klafften.
»Noch fünf! Da, da und da! Dann wird das Stück rausbrechen. Los!«
Geary schaute zu den anderen Fenstern und sah eine ähnliche Szene an all den Stellen, an denen die Marines versuchten, sich den Weg in das feindliche Schiff freizusprengen. Nach und nach entstanden so Löcher in der Hülle, die groß genug waren, damit die Marines sich ins Innere ziehen konnten.
Er öffnete ein anderes Fenster, das ihm zeigte, was einer der Marines zu sehen bekam, der soeben in eine Art Frachtbereich gelangt war. Es gab dort kein Licht, nur schwarze, gähnende Leere. »Keine Schwerkraft! Entweder ausgefallen, oder sie haben sie abgeschaltet!« Der Marine bewegte sich zu einer Seite, um seinen Kameraden Platz zu machen, deren Infrarotlichter für geisterhafte Bilder eines Frachtraums sorgten, der eine gewisse Ähnlichkeit mit einem beliebigen Frachtraum auf einem Schiff der Allianz aufwies. Warum hätte er auch anders aussehen sollen? Die Anforderungen an einen solchen Raum waren im Grunde immer gleich, egal, von welcher Art von Kreatur er benutzt wurde.
»Keine Schwerkraft an Bord?«, hörte Geary General Charban fragen, der irgendwo hinter ihm stand. »Marines werden für so etwas ausgebildet, richtig?«
»Ja, richtig«, antwortete Desjani. »Sie kämpfen lieber in einem Schwerkraftfeld, aber mit null g kommen sie auch zurecht.« Es klang fast so, als sei sie stolz darauf, dass die Marines mit einer Situation umgehen konnten, für die Bodentruppen gar nicht erst ausgebildet wurden. Geary hatte sie über das Verhalten und die Einstellungen der Marines klagen hören, aber wenn man mit Außenstehenden zu tun hatte, die den Bodentruppen oder der Luftmacht angehörten, dann waren die Flotte und die Marines sich auf einmal so nah wie Waffenbrüder und -schwestern.
Die Marines, auf die sich Geary bis gerade eben konzentriert hatte, bewegten sich zügig, aber behutsam weiter, um das Abteil zu sichern. Ihre im Helmvisier gespiegelten Displays zeigten ihnen dabei alles an, was irgendwie ungewöhnlich oder verdächtig aussah. In diesem Fall, bei dem sie an allen Schotten und Decken von fremdartigen Geräten umgeben waren, die vermutlich nur allzu bekannte Funktionen erfüllten, wurde fast alles mit einer Warnung belegt, was nicht eine glatte Oberfläche war. Vereinzelt war es sogar so, dass scheinbar schmucklose Bereiche der Wände, der Decke und des Bodens irgendetwas an sich hatten, das die Sensoren in der Gefechtsrüstung der Marines anschlagen ließ.
»Druckausgleichsschalter?«, überlegte einer der Marines in der Einheit, in der sich Geary umsah.
»Kann schon sein«, erwiderte der Sergeant. »Vielleicht auch nur eine Vorrichtung, um Fracht zu bewegen. Aber vielleicht auch nicht. Also Finger weg.«
»Was zum Teufel ist denn das?«
»Wenn ihr nicht wisst, was etwas ist, dann fasst es nicht an! Und jetzt hört schon auf, euch wie Touristen zu benehmen, und haltet lieber Ausschau nach den Luftschleusen und den dazugehörigen Steuerungen!«
Geary wechselte von einer Einheit zur anderen, bekam aber überall fast die gleichen Bilder zu sehen. Einheiten in den Abteilen, zu denen die Ingenieure den Weg freigesprengt hatten. Marines, die sich in der Schwerelosigkeit bewegten und nach Luken suchten, durch die sie tiefer ins Schiff vordringen konnten. »Hab eine gefunden!«, rief plötzlich einer von ihnen. »Ist das die Steuerung? Die ist ja richtig tief unten angebracht, fast schon auf dem Deck.«
»Bist du hirntot, oder was? Das sind ganz kurze Typen, schon vergessen?«
»Klappe halten«, ging ein Corporal dazwischen. »Hey, Sarge, das sieht ganz danach aus. Bloß eine Art Messerschalter, kein Knopf.«
»Lieutenant?«
»Warten Sie. Okay, Sergeant. Der Captain sagt, wir sollen die Luke öffnen, aber wir sollen uns darauf gefasst machen, dass sie uns auf der anderen Seite empfangen. Waffen ziehen.«
»Alles klar. Sichert die Luke, ihr Schlafmützen. Kezar, Schalter umlegen.«
Geary wartete und sah mit an, wie Corporal Kezar den Messerschalter nach oben schob.«
Und er wartete weiter.
»Es tut sich nichts, Sarge.«
»Das sehe ich auch. Lieutenant?«
»Mit keinem der Schalter lässt sich eine Luke öffnen, Sergeant. Lassen Sie Ihren Hacker ran.«
»Cortez! Machen Sie das Ding auf.«
Ein weiterer Marine hockte sich vor den Schalter, zog mit einigen Mühen die Abdeckung herunter und spähte in die Öffnung. Sofort schaltete Geary um, weil er wissen wollte, was Cortez sah, aber er hatte keine Ahnung, was er da vor sich hatte.
Wieder war die Stimme des Lieutenants zu hören. »Wie sieht’s aus? Können Sie die Steuerung umgehen?«
»Ich weiß ja nicht mal, was da die Steuerung sein soll!«, protestierte Private Cortez. »Dieser Kasten sieht so aus, als könnte er es sein…«
»Dann finden Sie den Zugang, suchen Sie nach Kabeln oder…«
»Lieutenant, ich sehe da nichts weiter als diesen Schalter, und Drähte gibt es in dem Ding schon gar nicht. Da ist nur irgendeine Masse drin… was ist das für ein Zeug? Sieht aus wie Gel oder so was.«
»Sie können nicht… was ist…?« Der Lieutenant musste nun auch gesehen haben, was Cortez und Geary betrachteten. »Wie zum Teufel funktioniert dieses Zeugs?«
»Keine Ahnung, Lieutenant. Ich weiß nur, ich kann mich nicht in etwas einhacken, das nicht auf die Weise arbeitet, die uns vertraut ist.«
Ähnliche Unterhaltungen spielten sich auch bei den anderen Gruppen ab, die ins Schiff vorgedrungen waren. »Captain, wir werden die Luftschleusen heraussprengen müssen«, meldete der Lieutenant, nachdem er sich mit seinem Sergeant beratschlagt hatte.
»Sind die Öffnungen nach draußen wieder verschlossen?«
»Sir, das weiß ich nicht, aber wir können im Vakuum ohne Weiteres…«
»Unser Befehl lautet, das Schiff so intakt wie möglich einzunehmen, und es gibt eine Menge Dinge, die mit einem Vakuum nicht so gut klarkommen wie unsere Gefechtsrüstungen«, sagte der Captain. »Warten Sie. Colonel, wir müssen wissen, ob die Löcher in der Hülle hier in diesem Bereich inzwischen versiegelt worden sind.«
»Yuhas! Wir benötigen grünes Licht, damit wir die Schleusen aufsprengen können!«
Fast eine Minute verstrich, und weitere Marines ließen über die Befehlskette die Frage durchreichen, ob sie den Weg ins Innere des Schiffs freisprengen durften.
»Colonel Yuhas meldet, seine Gefechtsingenieure hätten gesagt, wir können hier weitermachen«, kam schließlich die erlösende Antwort von weiter oben. »Sprengt ein Loch ins Schott, nicht in die Luke. Wir wissen nicht, wie sie versiegelt oder verriegelt ist. Das kommt vom Brigadekommando. Alle sollen sich den Weg ins Innere freisprengen, dabei aber die Luftschleusen meiden. Wir hinken weit hinter unserem Zeitplan hinterher. Los, los, wir müssen da rein.«
»Wie sieht es aus?«, erkundigte sich Desjani.
»Sie sprengen die inneren Schotte, um weiter vorzudringen«, berichtete Geary ihr.
»Ach, deshalb haben sie Löcher in die Hülle gesprengt und sie mit Notfall-Luftschleusen wieder geschlossen. Schon irgendwelche Kiks gesehen?«
»Nein.« Er überflog hundert Bilder gleichzeitig, als sich die Marines den Weg in tiefer gelegene Gänge und Abteile freisprengten. »Leer.«
Egal, in welche Sektion die Marines auch vordrangen, an Bord des Superschlachtschiffs schien sich keine Besatzung mehr zu befinden. Die Soldaten hetzten durch Gänge, die weder so breit noch so hoch waren wie die auf einem von Menschen benutzten Schiff, die aber immer noch genug Platz boten, um zwei Marines nebeneinander gehen zu lassen. Kleinere Gänge kreuzten die Hauptverbindungswege in recht regelmäßigen Intervallen, ähnlich wie auf von Menschen konstruierten Schiffen. Entlang der Decke verliefen Rohre und Belüftungsschächte, an denen die Marines sich festhalten konnten, die durch die Schwerelosigkeit trieben. Je weiter sie vorrückten, umso mehr verteilten sich die Marines auf den Decks, indem sie auch nach links und rechts vorstießen.
»Haltet weiter Ausschau nach Abteilungen mit Kontrollpulten, nach dem Maschinenraum, der Brücke und so weiter«, ermahnte ein Major seine Einheit.
»Es sieht alles gleich aus«, wandte ein frustrierter Captain ein. »Es finden sich zwar überall Symbole und Beschriftungen, aber die lassen sich mit nichts vergleichen, was es bei uns an Bord gibt. Die können alles Mögliche bedeuten.«
»Keine Ventilation«, meldete ein anderer Offizier. »Die Luft scheint in Ordnung zu sein. Sie kann von Menschen geatmet werden, auch wenn der Luftdruck niedriger ist, als es für uns Menschen angenehm wäre. Auf jeden Fall haben sie die Ventilation abgeschaltet.«
»Von den Kreaturen sollen sich ein paar Tausend an Bord befinden«, murmelte eine andere Marine, die ihre Waffe in einen leeren Durchgang richtete, um dort nach möglichen Zielen zu suchen. »Wo zum Teufel sind die alle hin?«
Die winzigen Bilder, die Geary vor sich hatte, zeigten auf einmal Chaos, als die Marines an Dutzenden Stellen gleichzeitig die Antwort auf diese Frage erhielten.