6 Das Treffen von Weißstein. Eine wichtige Person

Das Treffen von Weißstein fand am achtundzwanzigsten Dezember statt, an einem Tag, der in Solamnia als der Tag des Hungers bekannt war, in Erinnerung an die Leiden der Menschen im ersten Winter nach der Umwälzung. Fürst Gunther fand diesen Tag, der sich durch Fasten und Meditation auszeichnete, für dieses Treffen angebracht.

Es war nun schon einen Monat her, daß die Armee nach Palanthas aufgebrochen war. Die Nachrichten, die Gunther erhielt, waren nicht gut. Ein Bericht hatte ihn früh am Morgen des Achtundzwanzigsten erreicht. Nachdem er ihn zweimal gelesen hatte, seufzte er schwer und runzelte die Stirn, dann schob er den Brief in seinen Gürtel.

Das Treffen von Weißstein hatte erst kurz vorher begonnen, eine Versammlung, die durch die Ankunft der Flüchtlingselfen im südlichen Ergod und das Auftauchen der Drachenarmeen im nördlichen Solamnia noch dringlicher wurde. Da dieses Treffen schon einige Monate zuvor geplant worden war, waren alle Mitglieder, sowohl die stimmberechtigten als auch die beratenden, anwesend. Die stimmberechtigten Mitglieder waren die Ritter von Solamnia, die Gnomen, die Hügelzwerge, die dunkelhäutigen, seefahrenden Bewohner des nördlichen Ergods und ein Vertreter der im Exil lebenden solamnischen Bevölkerung von Sankrist. Beratende Mitglieder waren die Elfen, die Bergzwerge und die Kender. Diese Mitglieder durften zwar ihre Meinung äußern, aber nicht abstimmen.

Das erste Treffen war jedoch nicht gut verlaufen. Einige der alten Fehden und Feindlichkeiten zwischen den vertretenen Rassen waren aufgeflammt. Arman Kharas, Vertreter der Bergzwerge, und der Hügelzwerg Dunkan Hammerfels mußten an einem Punkt mit Gewalt zurückgehalten werden, oder es wäre wieder Blut geflossen. Alhana Sternenwind, Vertreterin der Silvanesti in Abwesenheit ihres Vaters, hatte sich geweigert, während der ganzen Sitzung auch nur ein Wort zu sagen. Alhana war nur wegen Porthios, von den Qualinesti, gekommen. Sie befürchtete eine Allianz zwischen den Qualinesti und den Menschen und war entschlossen, das zu verhindern.

Alhana brauchte sich aber keine Sorgen zu machen. So groß war das Mißtrauen zwischen Menschen und Elfen, daß sie nur aus Höflichkeit miteinander sprachen. Nicht einmal Fürst Gunthers leidenschaftliche Rede, in der er erklärte, »Unsere Einigkeit begründet den Frieden, unsere Spaltung beendet die Hoffnung!«, hinterließ einen Eindruck.

Porthios' Antwort darauf war, den Menschen die Schuld für das Wiederauftauchen der Drachen zu geben. Die Menschen sollten sich also selbst aus diesem Unglück befreien. Kurz nachdem Porthios seine Position klargemacht hatte, erhob sich Alhana hochmütig und verließ den Saal, hinterließ bei den anderen Versammelten keine Zweifel an der Position der Silvanesti.

Der Bergzwerg Arman Kharas hatte erklärt, daß sein Volk erst dann zur Hilfe bereit wäre, wenn der Streitkolben von Kharas gefunden worden sei, um die Bergzwerge zu vereinigen.

(Niemand wußte zu der Zeit, daß die Gefährten den Streitkolben bald zurückbringen würden.) Gunther war also gezwungen, das Hilfsangebot der Zwerge mit Vorbehalt zu sehen. Die einzige Person, die wirklich Hilfe anbot, war Kronin Distelknot, der Führer der Kender. Da es das Letzte war, was irgendein zurechnungsfähiges Land wollte, nämlich die »Hilfe« einer Kenderarmee, wurde dieses Angebot mit einem höflichen Lächeln entgegengenommen, während man hinter Kronins Rücken entsetzte Blicke tauschte.

Das erste Treffen löste sich also auf, ohne daß viel erreicht wurde.

Gunther setzte in dieses zweite Treffen höhere Hoffnungen.

Die Entdeckung der Kugel der Drachen stellte natürlich alles in ein helleres Licht. Vertreter beider Elfengruppen waren gekommen. Sogar die Stimme der Sonnen war dabei und hatte einen Menschen mitgebracht, der sich als Kleriker von Paladin bezeichnete. Gunther hatte von Sturm bereits eine Menge über ihn gehört und freute sich darauf, ihn kennenzulernen. Gunther war sich aber nicht sicher, wer die Silvanesti vertreten würde.

Vermutlich der Fürst, der während des geheimnisvollen Verschwindens von Alhana Sternenwind zu ihrem Regenten ernannt worden war.

Die Elfen waren zwei Tage zuvor in Sankrist angekommen.

Ihre Zelte standen draußen auf den Feldern, farbenfrohe Flaggen flatterten gegen den grauen, stürmischen Himmel. Weitere Rassen wurden nicht erwartet. Man hatte nicht die Zeit gehabt, eine Botschaft an die Bergzwerge zu senden, und von den Hügelzwergen hieß es, daß sie gegen die Drachenarmeen um ihr Leben kämpften; kein Bote konnte sie erreichen.

Gunther hoffte, daß dieses Treffen Menschen und Elfen im großen Kampf gegen die Drachenarmeen vereinigen würde.

Aber seine Hoffnungen wurden zerschlagen, noch bevor die Versammlung begann.

Nachdem er den Bericht über die Armee in Palanthas studiert hatte, verließ Gunther sein Zelt, um die Lichtung von Weißstein zum letzten Mal zu begutachten. Aber Wills, sein Gefolgsmann, kam ihm hinterhergerannt.

»Herr«, stieß der alte Mann hervor, »kehrt sofort um.«

»Was ist denn los?« fragte Gunther. Aber der alte Gefolgsmann war völlig außer Atem und konnte nicht antworten.

Seufzend ging der solamnische Fürst in sein Zelt zurück, wo er Fürst Michael in voller Rüstung nervös auf und ab schreitend vorfand.

»Was ist los?« fragte Gunther. Ihn verließ der Mut, als er die ernste Miene des jungen Fürsten sah.

Michael trat zu ihm und ergriff seinen Arm. »Mein Fürst, wir haben erfahren, daß die Elfen die Rückgabe der Kugel der Drachen verlangen. Falls wir sie nicht zurückgeben, werden sie gegen uns Krieg führen, um sie gewaltsam zu erobern!«

»Was?« fragte Gunther ungläubig. »Krieg! Gegen uns! Das ist lächerlich! Sie können doch nicht... Bist du dir sicher? Wie zuverlässig ist diese Information?«

»Sehr zuverlässig, leider, Fürst Gunther.«

»Mein Fürst, das ist Elistan, Kleriker von Paladin«, sagte Michael. »Bitte verzeiht mir, daß ich ihn nicht vorher vorgestellt habe, aber ich war so durcheinander, da er mir diese Nachricht überbracht hat.«

»Ich habe eine Menge über Euch gehört, mein Herr«, sagte Fürst Gunther und reichte dem Mann seine Hand.

Die Augen des Ritters musterten Elistan neugierig. Gunther wußte nicht, was er von einem angeblichen Kleriker Paladins eigentlich erwartet hatte, vielleicht einen kurzsichtigen, blassen, dürren Mann. Gunther war nicht auf diesen hochgewachsenen, gutgebauten Mann vorbereitet, der mit den besten Rittern in die Schlacht reiten könnte. Das uralte Symbol von Paladin – ein Platinmedaillon, auf dem ein Drache eingraviert war – hing um seinen Hals.

Gunther rief sich alles ins Gedächtnis, was er von Sturm über Elistan erfahren hatte, einschließlich der Absicht des Klerikers, zu versuchen, die Elfen vom Bündnis mit den Menschen zu überzeugen. Elistan lächelte müde, als ob er jeden Gedanken Gunthers lesen könnte. Auf Gunthers letzte Gedanken antwortete er.

»Ja, ich habe versagt. Ich konnte sie zwar überzeugen, am Treffen teilzunehmen, aber ich befürchte, sie sind nur hier, um Euch ein Ultimatum zu stellen: entweder freiwillige Rückgabe der Kugel an die Elfen oder Kampf, um sie zurückzuerobern.«

Gunther sank in einen Stuhl und winkte schwach mit einer Hand, damit auch die anderen Platz nahmen. Vor ihm auf einem Tisch lagen Karten von den Ländern Ansalons ausgebreitet, in denen das schleichende Vorrücken der Drachenarmeen markiert war. Gunthers Blick ruhte auf den Karten, dann wischte er sie plötzlich auf den Boden.

»Wir könnten genausogut jetzt aufgeben!« stieß Gunther hervor. »Und den Drachenfürsten eine Botschaft senden: ›Bemüht euch nicht zu kommen, um uns zu vernichten. Wir schaffen das ganz gut allein.‹«

Wütend warf er den Bericht auf den Tisch. »Hier! Aus Palanthas. Die Leute bestehen darauf, daß die Ritter die Stadt verlassen. Die Palanthianer verhandeln mit den Drachenfürsten, und die Gegenwart der Ritter beeinträchtigt ernsthaft ihre Position. Sie weigern sich, uns jegliche Hilfe zu geben. Und so sitzt eine Armee von tausend Palanthianern untätig herum!«

»Und was macht Fürst Derek, Herr?« fragte Michael.

»Er und die Ritter und tausend Gefolgsleute, Flüchtlinge aus den besetzten Gebieten Trotyls, sichern den Turm des Oberklerikers südlich von Palanthas«, sagte Gunther müde. »Dieser Turm bewacht den einzigen Paß durch die Vingaard-Berge. Wir werden Palanthas eine Zeitlang beschützen, aber wenn die Drachenarmeen durchkommen...« Er stockte. »Verdammt«, flüsterte er und schlug seine Faust auf den Tisch. »Mit zweitausend Männern könnten wir diesen Paß halten! Diese Dummköpfe! Und jetzt das!« Er zeigte in Richtung der Elfenzelte.

Gunther seufzte und legte seinen Kopf in die Hände. »Nun, was rätst du uns, Kleriker?«

Elistan schwieg einen Moment, dann: »In den Scheiben von Mishakal steht geschrieben, daß das Böse, durch seine Natur bedingt, sich immer gegen sich selbst richten wird. Folglich wird es genau das Gegenteil bewirken.« Er legte seine Hand auf Gunthers Schulter. »Ich weiß nicht, was bei dem Treffen herauskommen wird. Meine Götter haben mir das vorenthalten.

Vielleicht wissen sie es selbst nicht; daß die Zukunft der Welt im Gleichgewicht ist, und was wir hier entscheiden, wird maßgebend sein. Ich weiß nur dies: Geh nicht schon mit der Niederlage im Herzen in das Treffen, denn das wird der erste Sieg des Bösen sein.«

Dann erhob sich Elistan und verließ schnell das Zelt, Gunther saß schweigend da, nachdem der Kleriker gegangen war. Ihm war, als ob die ganze Welt still war. Der Wind hatte sich gelegt. Die Gewitterwolken hingen schwer und tief und dämpften alles, so daß selbst der Trompetenruf, der die Morgendämmerung ankündigte, dünn wirkte. Ein Rascheln unterbrach seine Konzentration. Michael sammelte langsam die Karten auf.

Gunther hob seinen Kopf und rieb seine Augen.

»Was denkst du?«

»Worüber? Über die Elfen?«

»Über den Kleriker«, sagte Gunther und starrte aus der Zeltöffnung.

»Es ist sicher nicht das, was ich erwartet habe«, antwortete Michael, sein Blick folgte Gunthers. »Eher wie die Geschichten, die wir über die alten Kleriker gehört haben, jene, die die Ritter in den Tagen vor der Umwälzung geführt haben. Er ist diesen Scharlatanen, die wir jetzt haben, überhaupt nicht ähnlich. Elistan ist ein Mann, der neben dir auf dem Schlachtfeld stehen, mit einer Hand Paladins Segen herabflehen und mit der anderen seine Keule schwingen würde. Er trägt ein Medaillon, das man, seitdem die Götter uns verlassen haben, nicht mehr gesehen hat. Aber ist er wirklich ein Kleriker?« Michael zuckte die Schulter. »Um mich zu überzeugen, ist mehr als ein Medaillon notwendig.«

»Ich stimme dir zu.« Gunther erhob sich und ging zur Zeltöffnung. »Nun, die Zeit ist fast gekommen. Bleib hier, Michael, falls noch mehr Berichte eintreffen.« Er wollte gerade gehen, als er im Zelteingang stehen blieb. »Es ist schon merkwürdig, Michael«, murmelte er, seine Augen folgten Elistan, der nun nur noch ein kleiner Schatten war. »Wir waren immer ein Volk gewesen, das hoffnungsvoll zu den Göttern geschaut hat, ein Volk des Glaubens, das der Magie mißtraute. Doch jetzt sehen wir hoffnungsvoll zur Magie, und wenn eine Möglichkeit auftaucht, unseren Glauben zu erneuern, bezweifeln wir sie.«

Fürst Michael antwortete nicht. Gunther schüttelte den Kopf und ging nachdenklich zur Lichtung von Weißstein.

Wie Gunther sagte, waren die solamnischen Menschen immer gläubige Anhänger der Götter gewesen. Vor langer Zeit, in den Tagen vor der Umwälzung, war die Lichtung von Weißstein eines der heiligen Zentren der Anbetung gewesen. Das Phänomen des weißen Steins hatte schon immer Neugierige angezogen. Istars Königspriester selbst hatte den riesigen weißen Stein gesegnet, der sich inmitten einer ewig grünen Lichtung erhob, ihn für heilig erklärt und allen Sterblichen verboten, ihn zu berühren.

Selbst nach der Umwälzung, als der Glaube an die alten Götter versiegte, blieb die Lichtung ein heiliger Ort. Vielleicht weil nicht einmal die Umwälzung ihn in Mitleidenschaft gezogen hatte. Es hieß, daß der Boden um den Weißstein einstürzte und auseinanderklaffte, der Weißstein aber unzerstört blieb, als das feurige Gebirge vom Himmel stürzte.

So ehrfurchteinflößend war der Anblick des weißen Steins, daß selbst jetzt niemand wagte, sich ihm zu nähern oder ihn zu berühren. Niemand konnte sagen, über welch seltsame Kräfte er verfügte. Man wußte nur, daß die Luft um den Weißstein immer frühlingshaft warm war. Egal, wie kalt der Winter war, das Gras der Weißsteinlichtung war immer grün.

Obwohl sein Herz schwer war, entspannte sich Gunther, als er die Lichtung erreichte und die warme süße Luft einatmete.

Einen Moment lang spürte er noch einmal die Berührung von Elistans Hand auf seiner Schulter, die in ihm das Gefühl inneren Friedens geweckt hatte.

Er blickte sich schnell um und stellte fest, daß alles bereit war. Massive Holzstühle mit Schnitzereien an den Rückenlehnen waren aufgestellt. Für die stimmberechtigten Mitglieder des Treffens standen fünf an der linken Seite des Weißsteins, für die beratenden Mitglieder drei an der rechten. Polierte Bänke für die Zeugen, wie es der Maßstab verlangte, standen dem Weißstein und den Mitgliedern gegenüber.

Einige Zeugen waren bereits erschienen. Die meisten Elfen, die mit der Stimme und dem Silvanesti-Lord gereist waren, hatten ihre Plätze eingenommen. Die zwei einander entfremdeten Elfenrassen saßen dicht nebeneinander, weit von den Menschen entfernt, die nun auch die Reihen füllten. Alle saßen schweigend da, einige in Erinnerung an den Tag des Hungers; andere, wie die Gnomen, die diesen Feiertag nicht begingen, in Ehrfurcht vor diesem Platz. Die Sitze in der ersten Reihe waren für Ehrengäste oder jene reserviert, die vor der Versammlung reden sollten.

Gunther sah den ernstblickenden Sohn der Stimme, Porthios, mit einem Gefolge von Elfenkriegern eintreten. Sie nahmen ihre Sitze vorne ein. Gunther fragte sich, wo Elistan blieb. Er war von den Worten des Mannes (auch wenn es ein Scharlatan sein sollte) beeindruckt gewesen und hoffte, daß er sie wiederholen würde.

Als er vergeblich nach Elistan Ausschau hielt, bemerkte er drei seltsame Gestalten, die sich in der ersten Reihe niederließen: es waren der alte Magier mit seinem zerknitterten Hut, sein Kenderfreund und ein Gnom, den sie vom Berg Machtnichts mitgebracht hatten. Die drei waren erst die Nacht zuvor von ihrer Reise zurückgekehrt.

Gunther war gezwungen, seine Aufmerksamkeit wieder auf den Weißstein zu richten. Die beratenden Mitglieder traten ein.

Es waren nur zwei, Lord Quinath von den Silvanesti und die Stimme der Sonnen. Gunther musterte die Stimme neugierig, da er einer der wenigen auf Krynn war, die sich noch an das Entsetzen der Umwälzung erinnerten.

Die Stimme ging tief gebeugt. Sein Haar war grau, sein Gesicht hager. Aber als er Platz genommen hatte und seinen Blick auf die Zeugen richtete, sah Gunther, daß die Augen des Elfen lebhaft und fesselnd waren. Lord Quinath, der neben ihm saß, war Gunther bekannt. Er hielt ihn für arrogant und stolz wie Porthios von den Qualinesti, aber nicht so intelligent.

Bei Porthios dachte Gunther, daß er den ältesten Sohn der Stimme ganz sympathisch hätte finden können. Porthios verfügte über alle Merkmale, die die Ritter bewunderten, mit einer Ausnahme – sein hitziges Temperament.

Gunthers Beobachtungen wurden unterbrochen, denn nun war die Zeit für die stimmberechtigten Mitglieder gekommen, ihre Plätze einzunehmen, und dazu gehörte Gunther. Zuerst kam Mir Kar-Thon aus dem nördlichen Ergod, ein dunkelhäutiger Mann mit eisgrauem Haar und den Armen eines Riesen. Dann folgte Serdin Mar-Thasal, der die Exilanten von Sankrist vertrat und schließlich Fürst Gunther, Ritter von Solamnia.

Als Gunther saß, warf er einen letzten Blick in die Runde.

Der riesige Weißstein glitzerte hinter ihm, warf seine eigenen seltsamen Strahlen, denn die Sonne würde heute nicht scheinen.

An der anderen Seite des Weißsteins saßen die Stimme und Lord Quinath, ihnen gegenüber die Zeugen. Der Kender wirkte gedämpft, seine kurzen Beine baumelten von der hohen Bank.

Der Gnom wühlte sich durch einen Berg Papiere; Gunther schauderte und hoffte, daß man um einen gerafften Bericht bitten konnte. Der alte Magier gähnte und kratzte sich am Kopf, während er sich geistesabwesend umschaute.

Alles war bereit. Auf Gunthers Zeichen hin erschienen zwei Ritter mit einem goldenen Gestell und einer Holzkiste. Ein fast tödliches Schweigen brach über die Menge, als sie das Erscheinen der Kugel der Drachen beobachtete.

Die Ritter blieben direkt vor dem Weißstein stehen. Einer der Ritter stellte das Gestell auf den Boden. Der andere stellte die Kiste ab, schloß sie auf und holte vorsichtig die Kugel der Drachen hervor, die nun wieder ihre ursprüngliche Größe hatte.

Ein Murmeln ging durch die Menge. Die Stimme der Sonnen bewegte sich unruhig und warf finstere Blicke. Sein Sohn Porthios wandte sich um und flüsterte einem Elfenlord etwas zu. Alle Elfen waren bewaffnet, wie Gunther bemerkte. Kein gutes Zeichen, wenn man das Elfenprotokoll kennt.

Ihm blieb jedoch nichts anderes übrig, als fortzufahren. Fürst Gunther Uth Wistan rief das Treffen zur Ordnung, indem er verkündete: »Laßt uns das Treffen von Weißstein beginnen.«

Nach ungefähr zwei Minuten war es für Tolpan offensichtlich, daß sich die Dinge in einem wahren Durcheinander befanden.

Noch bevor Fürst Gunther seine Willkommensrede beenden konnte, erhob sich die Stimme der Sonnen.

»Meine Ansprache wird kurz sein«, erklärte der Elfenführer mit einer Stimme, die den stahlgrauen Gewitterwolken gleichkam. »Die Silvanesti, die Qualinesti und die Kaganesti haben eine Konferenz einberufen, kurz nachdem die Kugel aus unserem Lager entfernt wurde. Es war das erste Mal seit den Sippenmord-Kriegen, daß sich die Mitglieder der drei Gemeinschaften getroffen haben.« Er machte eine Pause, um diesen letzten Worten besonderen Nachdruck zu verleihen. Dann fuhr er fort.

»Wir haben entschieden, unsere eigenen Differenzen außer acht zu lassen in Anbetracht unserer gemeinsamen Auffassung, daß die Kugel der Drachen in die Hände der Elfen gehört und nicht in die Hände der Menschen oder einer anderen Rasse auf Krynn. Folglich sind wir vor das Treffen von Weißstein getreten, um zu bitten, uns die Kugel der Drachen auszuhändigen.

Als Entschädigung garantieren wir, daß wir sie in unser Land mitnehmen und dort sicher aufbewahren, solange es notwendig ist.«

Die Stimme setzte sich wieder, seine dunklen Augen fuhren über die Menge, das Schweigen wurde nun von einem Gemurmel durchbrochen. Die anderen Mitglieder, die neben Fürst Gunther saßen, schüttelten die Köpfe, ihre Gesichter waren grimmig. Der dunkelhäutige Führer des nördlichen Ergods flüsterte Fürst Gunther etwas zu, seine geballten Fäuste betonten seine Worte.

Fürst Gunther, der einige Minuten lang zugehört und genickt hatte, erhob sich, um zu antworten. Seine Rede war kühl, ruhig und höflich. Aber zwischen den Zeilen war herauszuhören, daß die Ritter die Elfen lieber im Abgrund sehen würden, als ihnen die Kugel der Drachen auszuhändigen.

Die Stimme, der die Botschaft eindeutig verstand, erhob sich.

Er sprach nur einen Satz, aber er brachte die Zeugen auf die Beine.

»Dann, Fürst Gunther«, sagte die Stimme, »erklären die Elfen, daß wir uns von nun an im Krieg befinden!«

Menschen und Elfen rannten auf die Kugel der Drachen zu, die auf dem Ständer lag, ihr milchigweißes Inneres wirbelte sanft. Gunther rief immer wieder zur Ordnung auf und schlug mit dem Schwertknauf auf den Tisch. Die Stimme sprach einige Worte in der Elfensprache und starrte seinen Sohn Porthios streng an. Endlich kehrte wieder Ruhe ein.

Aber die Atmosphäre war angespannt wie vor einem Sturm.

Gunther redete. Die Stimme antwortete. Die Stimme redete.

Gunther antwortete. Der dunkelhäutige Seemann verlor die Geduld und machte einige schneidende Bemerkungen über Elfen. Der Lord der Silvanesti gab ihm sarkastische Erwiderungen zurück. Einige Ritter verschwanden, nur um bis an die Zähne bewaffnet wieder zu erscheinen. Sie stellten sich in der Nähe von Gunther auf, ihre Hände an den Waffen. Die Elfen, von Porthios geführt, erhoben sich und stellten sich um ihre Führer.

Gnosch, der sein Manuskript fest in der Hand hielt, erkannte, daß er wohl gar nicht um seinen Bericht gebeten werden würde.

Tolpan sah sich verzweifelt nach Elistan um. Er hoffte immer noch, daß der Kleriker kommen würde. Elistan konnte diese Leute beruhigen. Oder vielleicht Laurana. Wo war sie? Die Elfen hatten dem Kender kühl gesagt, daß man von seinen Freunden nichts gehört hätte. Sie und ihr Bruder waren offenbar in der Wildnis verschollen. Ich hätte sie nicht verlassen dürfen, dachte Tolpan. Ich sollte nicht hier sein. Warum, warum hat mich dieser verrückte alte Magier hierhergebracht? Ich bin so nutzlos! Vielleicht könnte Fizban etwas unternehmen! Tolpan sah den Magier hoffnungsvoll an, aber Fizban schlief fest!

»Bitte, wach auf!« bat Tolpan und schüttelte ihn. »Irgendjemand muß irgend etwas machen!«

In diesem Moment hörte er Fürst Gunther schreien: »Die Kugel der Drachen gehört rechtmäßig nicht Euch! Laurana und die anderen wollten sie uns bringen, aber sie erlitten Schiffbruch! Ihr habt versucht, sie mit Gewalt auf Ergod zu behalten, und Eure eigene Tochter...«

»Erwähnt nicht meine Tochter!« unterbrach die Stimme mit einer tiefen, barschen Stimme. »Ich habe keine Tochter mehr.«

Etwas brach in Tolpan zusammen. Verwirrte Erinnerungen an Laurana, die verzweifelt gegen den bösartigen Zauberer kämpfte, der die Kugel bewachte, Laurana, die gegen Drakonier kämpfte, Laurana, die ihren Bogen auf den weißen Drachen abgeschossen hatte, Laurana, die ihn so liebevoll gepflegt hatte, als er todkrank daniederlag. Von ihrem eigenen Volk verstoßen zu werden, während sie verzweifelt daran arbeitete, es zu retten, während sie soviel geopfert hatte...

»Seid still!« hörte Tolpan sich selbst schreien. »Seid sofort still, und hört mir zu!«

Zu seinem Erstaunen hörten alle auf zu reden und starrten ihn an.

Da er nun seine Zuhörerschaft hatte, wurde Tolpan klar, daß er überhaupt nicht wußte, was er diesen wichtigen Leuten sagen sollte. Aber er wußte, er mußte etwas sagen. Trotz allem, dachte er, es war mein Fehler – ich habe über diese verdammten Kugeln gelesen. Er schluckte, glitt von seiner Bank und ging auf den Weißstein und die zwei feindlichen Gruppen zu, die um ihn herum standen. Einen Moment lang hatte er den Eindruck, daß Fizban unter seinem Hut grinste.

»Ich... ich...«, stammelte der Kender und überlegte, was er nun sagen sollte. Aber eine plötzliche Inspiration rettete ihn.

»Ich verlange das Recht, mein Volk zu vertreten«, sagte Tolpan stolz, »und nehme meinen Platz bei den beratenden Mitgliedern ein.«

Er warf seinen langen Zopf über die Schulter und ging auf die Kugel der Drachen zu. Der Weißstein ragte hoch über ihm.

Tolpan starrte auf den Stein, erbebte, dann richtete er seinen Blick auf Gunther und die Stimme der Sonnen.

Und dann wußte Tolpan, was er zu tun hatte. Er begann vor Angst zu zittern. Er – Tolpan Barfuß – der in seinem Leben nie Angst gehabt hatte! Er hatte Drachen ohne jedes Zittern gegenübergestanden, aber das Wissen, was er nun tun würde, erschreckte ihn. Seine Hände fühlten sich an, als ob er Schneebälle ohne Handschuhe formte. Seine Zunge war so lang, als ob sie nicht ihm gehörte. Aber Tolpan war entschlossen. Er mußte nur weiterreden, sie davon abhalten, seinen Plan zu erkennen.

»Ihr habt uns Kender nie sehr ernst genommen, nicht wahr«, begann Tolpan, seine Stimme kam ihm sehr laut und schrill vor.

»Und ich kann euch keine Schuld dafür geben. Wir haben keinen ausgeprägten Sinn für Verantwortung, vermute ich, und wir sind vermutlich zu neugierig – aber, ich frage euch, wie soll man etwas herausfinden, wenn man nicht neugierig ist?«

Tolpan sah, wie das Gesicht der Stimme zu Stahl wurde, selbst Fürst Gunther blickte finster. Der Kender näherte sich der Kugel.

»Wir verursachen eine Menge Ärger, denke ich, ohne es zu beabsichtigen, und gelegentlich passiert es, daß einige von uns gewisse Dinge erwerben, die ihnen nicht gehören. Aber es gibt eine Sache, die Kender wissen, und...«

Tolpan fing an zu rennen. Schnell und behende wie eine Maus schlüpfte er durch die Hände, die versuchten, ihn zu fangen, und erreichte die Kugel der Drachen innerhalb von Sekunden. Gesichter tauchten verschwommen auf, Münder öffneten sich und schrien ihn an. Aber sie kamen zu spät.

Mit einer einzigen schnellen Bewegung schleuderte Tolpan die Kugel der Drachen gegen den riesigen Weißstein.

Der runde, glänzende Kristall – sein Inneres wirbelte erregt hing einige lange Sekunden in der Luft. Tolpan fragte sich, ob die Kugel die Macht hätte, den eigenen Flug aufzuhalten. Aber das schien nur sein Eindruck zu sein.

Die Kugel der Drachen schlug gegen den Stein und zerschmetterte, zerbrach in tausend funkelnde Stücke. Einen Moment lang hing eine milchigweiße Rauchkugel in der Luft, als ob sie verzweifelt versuchte, zusammenzubleiben. Dann wurde auch sie von der warmen Brise der Lichtung erfaßt und auseinandergerissen.

Es setzte ein gespanntes, schreckliches Schweigen ein.

Der Kender stand da und sah ruhig und gelassen auf die zerschmetterte Kugel der Drachen.

»Wir wissen«, sagte er mit leiser Stimme, die wie ein winziger Regentropfen in das fürchterliche Schweigen fiel, »daß wir nicht uns, sondern die Drachen bekämpfen sollen.«

Keiner rührte sich. Keiner sprach. Dann gab es einen Aufprall.

Gnosch war ohnmächtig geworden.

Das Schweigen brach – fast so zerschmetternd wie das Zerspringen der Kugel. Fürst Gunther und die Stimme stürzten gleichzeitig auf Tolpan zu. Einer hielt den Kender an der linken, der andere an der rechten Schulter fest.

»Was hast du getan?« Fürst Gunthers Gesicht war aschgrau, seine Augen wild, als er den Kender mit zitternden Händen ergriff.

»Du hast den Tod über uns gebracht!« Die Finger der Stimme gruben sich in Tolpans Fleisch wie die Klauen eines Raubvogels. »Du hast unsere einzige Hoffnung zerstört!«

»Und dafür wird er der erste sein, der stirbt!«

Porthios stand mit seinem glitzernden Schwert in der Hand über dem niedergekauerten Kender. Der Kender duckte sich zwischen dem Elfenkönig und dem Ritter, sein kleines Gesicht war blaß, seine Miene trotzig. Er hatte gewußt, daß für dieses Verbrechen der Tod die Strafe sein würde.

Tanis wird über mein Handeln unglücklich sein, dachte Tolpan traurig. Aber zumindest wird er erfahren, daß ich mutig gestorben bin.

»Nun, nun, nun...«, sagte eine verschlafene Stimme. »Niemand wird sterben! Zumindest nicht im Moment. Hör auf, mit dem Schwert herumzufuchteln, Porthios! Du könntest jemanden verletzen.«

Tolpan lugte zwischen den vielen Armen und den glänzenden Rüstungen hindurch und sah Fizban, der gähnend über den Körper des Gnomen stieg und auf sie zutrottete. Elfen und Menschen machten ihm den Weg frei, als ob eine unsichtbare Macht sie dazu zwingen würde.

Porthios wirbelte zu Fizban herum. Er war so wütend, daß ihm der Speichel über die Lippen lief und seine Worte kaum zu verstehen waren.

»Hüte dich, alter Mann, oder dir wird es genauso ergehen!«

»Ich sagte, hör auf, mit dem Schwert herumzufuchteln«, schnappte Fizban wütend und deutete auf die Waffe.

Porthios ließ die Waffe mit einem wilden Schrei fallen. Er umklammerte seine brennende Hand und starrte erstaunt auf das Schwert – aus dem Knauf waren Dornen gewachsen! Fizban stellte sich neben den Elfenlord und musterte ihn wütend.

»Du bist ein feiner junger Mann, aber man hätte dich ein wenig mehr Respekt vor Älteren lehren sollen. Ich habe dir gesagt, daß du das Schwert weglegen sollst, und das war mein Ernst! Vielleicht glaubst du mir beim nächsten Mal!« Fizbans unheilvoller Blick wanderte zu der Stimme. »Und du, Solostaran, warst vor ungefähr zweihundert Jahren ein guter Mann. Hast es geschafft, drei feine Kinder aufzuziehen – ich sagte, drei feine Kinder. Erzähl mir nicht so einen Unsinn, daß du keine Tochter hast. Du hast eine, und sie ist ein gutes Mädchen. Mehr Verstand als ihr Vater. Muß nach ihrer Mutter kommen. Wo war ich stehengeblieben? O ja. Und du hast auch Tanis, den Halb-Elfen, großgezogen. Du weißt, Solostaran, mit diesen vier jungen Leuten könnten wir diese Welt noch retten. Jetzt sollen sich alle hinsetzen. Ja, du auch, Fürst Gunther. Komm schon, Solostaran, ich helfe dir. Wir alten Männer sollten zusammenhalten. Zu schade, daß du so ein verdammter Narr bist.«

In seinen Bart murmelnd, führte Fizban den erstaunten Elfen zu seinem Platz. Porthios, dessen Gesicht vor Schmerzen verzogen war, taumelte mit Hilfe seiner Krieger zu seinem Sitz.

Langsam setzten sich die versammelten Elfen und Ritter hin und murmelten vor sich hin – alle warfen düstere Blicke auf die zerschmetterte Kugel der Drachen, die neben dem Weißstein lag.

Fizban half der Stimme auf seinen Stuhl, warf Lord Quinath einen finsteren Blick zu, der gedacht hatte, etwas sagen zu müssen, aber dann schnell entschied, den Mund zu halten. Zufrieden ging der alte Magier zum Weißstein zurück, wo Tolpan benommen und verwirrt stand.

»Du«, Fizban sah den Kender an, als ob er ihn noch nie gesehen hätte, »gehst zu dem armen Burschen.« Er zeigte mit einer Hand zum Gnomen, der immer noch ohnmächtig war.

Mit zitternden Knien ging Tolpan langsam zu Gnosch, kniete sich neben ihn, erfreut, etwas anderes als diese wütenden Gesichter zu sehen.

»Gnosch«, flüsterte er schwach und streichelte den Gnomen an der Wange, »es tut mir leid. Wirklich. Ich meine, wegen deiner Lebensaufgabe und der Seele deines Vaters und alles. Aber es schien nichts anderes möglich zu sein.«

Fizban drehte sich langsam um und musterte die versammelte Gruppe, während er seinen Hut nach hinten schob. »Ja, ich werde euch jetzt eine Lektion erteilen. Ihr habt es verdient, jeder einzelne von euch, also sitzt jetzt nicht herum mit selbstgerechten Blicken. Dieser Kender«, er zeigte auf Tolpan, der zusammenzuckte, »hat mehr Verstand unter diesem lächerlichen Zopf als ihr alle zusammen. Wißt ihr, was mit euch geschehen wäre, wenn der Kender nicht so viel Mut gehabt hätte, das zu tun, was er getan hat? Wißt ihr das? Nun, ich sage es euch. Ich will mich nur hinsetzen...« Fizban sah sich geistesabwesend um.

»Ah ja, da...« Zufrieden nickend setzte sich der alte Magier auf den Boden und lehnte seinen Rücken an den heiligen Weißstein!

Die versammelten Ritter keuchten erschrocken auf. Gunther sprang hoch, entsetzt über diese Entweihung.

»Kein Sterblicher darf den Weißstein berühren!« schrie er.

Fizban drehte langsam seinen Kopf, um den wütenden Ritter zu mustern. »Noch ein Wort«, verkündete der alte Magier feierlich, »und dein Schnurrbart fällt ab. Jetzt setz dich hin und halt den Mund!«

Eine Geste des alten Mannes brachte Gunther zum Schweigen. Der Ritter konnte nur noch zu seinem Platz zurückkehren.

»Wo war ich stehengeblieben, bevor ich unterbrochen wurde?« knurrte Fizban. Er blickte sich um, und sein Blick fiel auf die zerbrochenen Teile der Kugel. »O ja. Ich wollte euch eine Geschichte erzählen. Einer von euch hätte natürlich die Kugel gekriegt. Und ihr hättet sie genommen – entweder, um sie ›sicher‹ aufzubewahren oder um ›die Welt zu retten‹. Ja, es stimmt, sie ist in der Lage, die Welt zu retten, aber nur, wenn man sie zu gebrauchen versteht. Wer von euch verfügt über das Wissen? Wer hat die Kraft? Die Kugel wurde von den größten und mächtigsten Magiern geschaffen. Von allen mächtigsten – versteht ihr? Sie wurde von den Magiern mit den Weißen Roben und den Schwarzen Roben geschaffen. Sie birgt die Essenz des Bösen und des Guten. Die Roten Roben brachten beide Essenzen zusammen und banden sie mit ihrer Kraft. Nur wenige gibt es heutzutage, die die Macht und die Kraft haben, die Kugel zu verstehen, ihre Geheimnisse zu ergründen und die Herrschaft über sie zu gewinnen. Nur wenige in der Tat«, Fizbans Augen glänzten, »und keiner ist hier anwesend!«

Es herrschte völliges Schweigen, ein tiefes Schweigen, als sie dem alten Magier lauschten.

»Einer von euch hätte die Kugel genommen und sie benutzt, und ihr hättet herausgefunden, daß ihr ins Unglück geraten seid.

Ihr wärt so zerbrochen, so wie der Kender die Kugel zerbrochen hat. Da die Hoffnung nun zerschlagen wurde, kann ich euch sagen, daß nun eine neue geboren ist...«

Ein plötzlicher Windstoß ergriff den Hut des alten Magiers und blies ihn von seinem Kopf. Wütend knurrend kroch Fizban nach vorn, um ihn aufzuheben.

Gerade als sich der Magier vorbeugte, brach die Sonne durch die Wolken. Silber blitzte auf, gefolgt von einem splitternden, ohrenbetäubenden Krachen, als ob sich das Land gespalten hätte.

Halb geblendet vom Licht blinzelten die Anwesenden und erstarrten in Angst und Ehrfurcht vor dem schrecklichen Anblick, der sich ihnen bot.

Der Weißstein war zerbrochen.

Der alte Magier lag vor ihm ausgestreckt, seinen Hut in seiner Hand, seinen anderen Arm über den Kopf gelegt. Über ihm ragte eine lange Waffe aus glänzendem Silber aus dem Stein.

Sie war von dem silbernen Arm eines schwarzen Mannes geworfen worden, der hinüberging, um sich neben sie zu stellen.

Er war von drei Leuten begleitet: einer in Lederrüstung gekleideten Elfenfrau, einem alten weißbärtigen Zwerg und Elistan.

Im gelähmten Schweigen der Menge zog der schwarze Mann die Waffe aus den gesplitterten Resten des Steins. Er hielt sie hoch über seinen Kopf, und die silberne Spitze funkelte hell in der Sonne.

»Ich bin Theros Eisenfeld«, rief der Mann mit dunkler Stimme, »und im letzten Monat habe ich dies geschmiedet!« Er schüttelte die Waffe in seiner Hand. »Ich habe geschmolzenes Silber aus einer Quelle entnommen, die tief verborgen ist im Herzen des Monuments des Silbernen Drachen. Mit dem silbernen Arm, den mir die Götter geschenkt haben, habe ich diese Waffe geschmiedet, so wie es vorausgesagt wurde. Und ich bringe sie euch – allen Völkern auf Krynn -, damit wir uns verbünden und das große Unheil bekämpfen, das uns für ewig in die Dunkelheit bringen will.

Ich bringe euch – die Drachenlanze!«

Damit schleuderte Theros die Waffe tief in den Boden. Aufrecht und glänzend blieb sie zwischen den Splittern der Kugel stecken.

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