Raistlin stand in dem Wagenzugang, seine goldenen Augen spähten in die sonnenbestrahlten Bäume. Alles war ruhig. Die Weihnachtszeit war vorbei. Das Land war fest im Griff des Winters. Nichts rührte sich in dem schneeüberzogenen Land. Seine Gefährten waren weg, mit verschiedenen Aufgaben beschäftigt. Raistlin nickte grimmig. Gut. Er drehte sich um, ging in den Wagen hinein und schloß die Holztüren. Die Gefährten hatten hier am Stadtrand von Kenderheim für einige Tage ihr Lager aufgeschlagen. Ihre Reise näherte sich ihrem Ende. Es war ein unglaublicher Erfolg gewesen. Heute, im Schutz der Nacht, wollten sie nach Treibgut aufbrechen. Sie hatten genügend Geld, um ein Schiff zu mieten, außerdem reichte es noch für Vorräte und eine Woche Unterkunft in Treibgut. An diesem Nachmittag hatte ihre letzte Vorstellung stattgefunden.
Der junge Magier ging zum hinteren Teil des Wagens. Sein Blick blieb auf der glänzenden roten Robe haften, die an einem Nagel hing. Tika hatte sie verstauen wollen, aber Raistlin hatte sie bösartig angefaucht. Achselzuckend hatte sie das Gewand hängen gelassen und war nach draußen in den Wald gegangen, da sie dort Caramon – wie gewöhnlich – finden würde.
Raistlins Hand fuhr über das Gewand, seine Finger streichelten sehnsüchtig das glänzende Gewebe. Er bedauerte, daß dieser Lebensabschnitt vorüber war.
»Ich war glücklich«, murmelte er. »Seltsam. Es gab nicht viele Zeiten in meinem Leben, von denen ich das behaupten kann. Gewiß nicht, als ich jung war, und auch nicht in den letzten Jahren, nachdem sie meinen Körper gepeinigt und mich mit diesen Augen verflucht haben. Ich hatte danach nicht erwartet, noch einmal glücklich zu werden. Wie armselig dieses Glück ist, verglichen mit meiner Magie! Dennoch... dennoch, diese vergangenen Wochen waren Wochen des Friedens gewesen. Wochen des Glücklichseins. Vermutlich wird so eine Zeit nicht wiederkehren. Nicht nach dem, was ich tun muß...«
Raistlin hielt die Robe noch einen Moment lang in seinen Händen, zuckte dann die Schultern und warf sie in eine Ecke.
Dann ging er weiter in den Wagen, wo er einen Teil mit einem Vorhang für sich abgetrennt hatte. Sorgfältig zog er den Vorhang hinter sich zu.
Hervorragend. Er würde für ein paar Stunden seine Ruhe haben – bis zum Abend. Tanis und Flußwind waren Jagen gegangen. Caramon angeblich auch, aber alle wußten, daß das nur eine Ausrede war, um mit Tika allein zu sein. Goldmond bereitete Proviant für die Reise vor. Niemand würde ihn stören. Der Magier nickte zufrieden.
Er setzte sich an einen kleinen Tisch, den Caramon für ihn gebaut hatte, und zog vorsichtig aus einer inneren Tasche seines Gewandes einen ganz gewöhnlich aussehenden Beutel hervor den Beutel, der die Kugel der Drachen enthielt. Seine mageren Finger zitterten, als er an der Schnur zog und den Beutel öffnete. Raistlin griff hinein und holte die Kugel der Drachen hervor.
Er hielt sie mühelos in seiner Handfläche und untersuchte sie eingehend nach Veränderungen.
Nein. In ihr wirbelte ein blasses Grün. Sie fühlte sich kalt an.
Lächelnd hielt Raistlin die Kugel in einer Hand fest, während er mit der anderen unter dem Tisch wühlte. Endlich fand er, was er gesucht hatte – ein grobgeschnitztes, dreibeiniges Holzgestell.
Er hob es hoch und stellte es auf den Tisch. Es war nichts Besonderes – Flint hätte sicher eine höhnische Bemerkung dazu gemacht. Aber Raistlin verfügte weder über die Liebe noch die Geschicklichkeit, mit Holz zu arbeiten. Er hatte es heimlich angefertigt, allein hinten im Wagen während der langen Tage ihrer Reise. Nein, es sah nicht besonders schön aus, aber das war ihm egal. Für seinen Zweck würde es ausreichen.
Er legte die Kugel auf das Gestell. Die Kugel, jetzt nur so groß wie eine Murmel, wirkte darauf fast lächerlich, aber Raistlin lehnte sich zurück und wartete geduldig. Wie er erwartet hatte, begann die Kugel bald größer zu werden. Oder nicht?
Vielleicht schrumpfte er zusammen! Raistlin konnte es nicht sagen. Er wußte nur, daß die Kugel plötzlich die richtige Größe hatte. Wenn etwas anders war, dann lag es daran, daß er zu klein war, zu unbedeutend, um sich mit dieser Kugel in einem Raum aufzuhalten.
Der Magier schüttelte den Kopf. Er mußte die Kontrolle behalten, und er war sich der subtilen Tricks der Kugel bewußt, diese Kontrolle zu verringern. Bald jedoch waren diese Tricks nicht mehr subtil. Raistlins Kehle zog sich zusammen. Er hustete, verfluchte seine schwachen Lungen. Er holte bebend Luft, zwang sich, tief und regelmäßig zu atmen.
Entspannen, dachte er. Ich muß mich entspannen. Ich fürchte mich nicht. Ich bin stark. Sieh, was ich getan habe! Stumm begann er, auf die Kugel einzureden: Sieh meine Macht, die ich erhalten habe! Denk daran, was ich im Düsterwald getan habe.
Denk daran, was ich in Silvanesti getan habe. Ich bin stark. Ich fürchte mich nicht.
Die Farben der Kugel wirbelten sanft. Sie antwortete nicht.
Der Magier schloß einen Moment seine Augen, um die Kugel nicht zu sehen. Als er sich wieder unter Kontrolle hatte, öffnete er sie wieder und betrachtete die Kugel mit einem Seufzer. Der Augenblick war gekommen.
Die Kugel der Drachen hatte nun ihre ursprüngliche Größe erreicht. Er konnte fast Loracs verhutzelte Hände vor sich sehen, die auf ihr gelegen hatten. Der junge Magier erbebte unwillkürlich. Nein! Hör auf! sagte er sich, und sofort verschwand dieses Bild aus seinen Gedanken.
Er entspannte sich wieder, atmete regelmäßig, seine Stundenglasaugen waren auf die Kugel gerichtet. Dann streckte er langsam seine schlanken, metallfarbenen Finger aus. Nach kurzem Zögern legte Raistlin seine Hände auf das kalte Kristall der Kugel der Drachen und sprach die uralten Worte.
»Ast bilak moiparalan/Suh akvlar tantangusar.«
Wieso wußte er, was zu sagen war? Wieso wußte er, welche Worte die Kugel dazu bringen würden, sich seiner Anwesenheit bewußt zu werden? Raistlin wußte es nicht. Er wußte nur, daß er irgendwie und irgendwo in sich die Worte wußte! Die Stimme, die zu ihm in Silvanesti gesprochen hatte? Vielleicht. Es war einerlei.
Wieder sagte er laut die Worte.
»Ast bilak moiparalan/Suh akvlar tantangusar!«
Langsam wurde die treidelnde grüne Farbe von unzähligen Wirbeln übertönt, gleitenden Farben, die ihn schwindeln machten. Der Kristall war in seinen Handflächen so kalt, daß die Berührung schmerzte. Raistlin hatte die beängstigende Vision, daß das Fleisch seiner Hände angefroren an der Kugel hängenblieb. Er biß die Zähne zusammen, ignorierte den Schmerz und wiederholte flüsternd die Worte.
Die Farben hörten auf zu wirbeln. Ein Licht glühte in ihrer Mitte, ein Licht, das weder schwarz noch weiß war, alle Farben, und doch keine. Raistlin schluckte, bekämpfte das aufsteigende Würgen in seiner Kehle.
Aus dem Licht griffen zwei Hände hervor! Er hatte das dringende Bedürfnis, seine eigenen zurückzuziehen, aber bevor er sich bewegen konnte, hielten die zwei Hände seine in einem starken, festen Griff. Die Kugel verschwand! Der Raum verschwand! Raistlin sah nichts um sich herum! Kein Licht. Keine Dunkelheit. Nichts! Nichts... außer den zwei Händen, die seine festhielten. Aus schierem Entsetzen heraus konzentrierte sich Raistlin auf diese Hände.
Menschlich? Elfisch? Alt? Jung? Er konnte es nicht sagen.
Die Finger waren lang und schlank, aber ihr Griff war der Griff des Todes. Wenn sie ihn loslassen würden, würde er in die Leere fallen und treiben, bis ihn barmherzige Dunkelheit zerstören würde. Doch während er an diesen Händen haftete, wurde Raistlin klar, daß diese Hände ihn näher heranzogen, ihn heranzogen, in... in...
Raistlin kam zu sich, als hätte jemand kaltes Wasser über sein Gesicht gespritzt. Nein, teilte er dem Geist der Hände mit.
Ich komme nicht mit! Obwohl er sich fürchtete, den rettenden Griff zu verlieren, fürchtete er noch mehr, irgendwo hingezogen zu werden, wo er um keinen Preis hin wollte. Er würde nicht locker lassen. Ich werde die Kontrolle behalten, sagte er dem Geist der Hände. Er verstärkte seinen eigenen Griff und nahm seine ganze Kraft, seinen ganzen Willen zusammen und zog die Hände zu sich!
Die Hände hielten inne. Einen Moment lang wetteiferten die beiden Willen, miteinander verwoben in einem Kampf um Leben und Tod. Raistlin spürte die Kraft aus seinem Körper weichen, seine Hände schwächer werden, seine Handflächen begannen zu schwitzen. Er spürte, wie die Hände der Kugel ihn ganz langsam wieder zogen. Er litt Höllenqualen, als er in seinem zerbrechlichen Körper jeden Blutstropfen aufbot, jeden Nerv konzentrierte, jeden Muskel opferte, um die Kontrolle zurückzugewinnen.
Langsam... langsam... gerade als er dachte, daß sein klopfendes Herz in seiner Brust zerspringen oder sein Gehirn in Feuer explodieren würde, hörten die Hände auf zu ziehen. Sie behielten immer noch ihren festen Griff bei, so wie er seinen festen Griff beibehielt. Aber die beiden Händepaare kämpften nicht mehr miteinander. Seine Hände und die der Kugel blieben miteinander verbunden, jedes respektierte den anderen – keines suchte Vorherrschaft.
Die Ekstase des Sieges, die Ekstase der Magie strömte durch Raistlin und sprudelte hervor, hüllte ihn in warmes, goldenes Licht ein. Sein Körper entspannte sich. Zitternd spürte er, daß die Hände ihn sanft hielten, ihn unterstützten, ihm Kraft gaben.
Was bist du? fragte er stumm. Bist du gut? Böse?
Weder noch. Ich bin nichts. Ich bin alles. Die Essenz der Drachen, vor langer Zeit gewonnen, das bin ich.
Wie funktionierst du? fragte Raistlin. Wie kontrollierst du die Drachen?
Wenn du es befiehlst, werde ich sie zu mir rufen. Sie können meinem Ruf nicht widerstehen. Sie werden gehorchen.
Werden sie von ihren Meistern weiter abhängen? Werden sie meinem Befehl gehorchen?
Das hängt von der Stärke des Meisters und dem Band zwischen den beiden ab. In einigen Fällen ist es so stark, daß der Meister die Kontrolle über den Drachen behalten kann. Aber die meisten werden tun, was du von ihnen verlangst. Sie können nicht anders.
Damit muß ich mich näher befassen, murmelte Raistlin, der spürte, daß er schwächer wurde. Ich verstehe nicht...
Sei unbesorgt. Ich helfe dir. Nun, da wir miteinander verbunden sind, kannst du meine Hilfe oft in Anspruch nehmen. Ich kenne viele, seit langem vergessene Geheimnisse. Sie können dir gehören.
Was für Geheimnisse?... Raistlin merkte, wie er das Bewußtsein verlor. Die Anspannung war zu stark. Er rang mit sich, seinen Griff an den Händen zu behalten, aber schaffte es nicht.
Die Hände hielten ihn sanft fest, so wie eine Mutter ein Kind festhält.
Entspanne dich, ich lasse dich nicht fallen. Schlaf. Du bist müde.
Sag es mir! Ich muß es wissen! schrie Raistlin stumm.
Du mußt dich ausruhen, ich werde dir nur soviel sagen: In der Bibliothek des Astinus von Palanthas befinden sich Bücher, Hunderte von Büchern, von den alten Magiern in den Tagen der Verlorenen Schlacht dorthin gebracht. Für alle, die sich diese Bücher ansehen, scheinen sie nur Enzyklopädien der Magie zu sein, langweilige Geschichten von Magiern, die in den Höhlen der Zeit gestorben sind.
Raistlin sah die Dunkelheit auf sich zukommen. Er klammerte sich an die Hände.
Was enthalten die Bücher wirklich? wisperte er.
Dann wußte er es, und mit diesem Wissen stürzte die Dunkelheit über ihm zusammen wie die Welle eines Ozeans.
In einer Höhle in der Nähe des Wagens, im Schatten verborgen, gewärmt von der Hitze ihrer Leidenschaft, lagen sich Tika und Caramon in den Armen. Tikas rotes Haar klebte in kleinen Locken an ihrem Gesicht und an ihrer Stirn, ihre Augen waren geschlossen, ihre Lippen geöffnet. Ihr weicher Körper in ihrem bunten Rock und ihrer weißen puffärmeligen Bluse preßte sich an Caramon. Ihre Beine waren um ihn geschlungen, ihre Hand liebkoste sein Gesicht, ihre Lippen berührten seine.
»Bitte, Caramon«, flüsterte sie. »Das ist Quälerei. Wir begehren uns doch. Ich habe keine Angst. Bitte liebe mich!«
Caramon schloß seine Augen. Sein Gesicht glänzte vom Schweiß. Der Schmerz seiner Liebe erschien ihm unmöglich zu ertragen. Er könnte dem ein Ende bereiten, alles in süßer Ekstase beenden. Einen Moment lang zögerte er. Tikas duftendes Haar war an seiner Nase, ihre weichen Lippen an seinem Hals.
Es wäre so einfach... so wunderschön...
Caramon seufzte. Er schloß seine starken Hände fest um Tikas Handgelenke. Dann zog er sie von seinem Gesicht weg und schob das Mädchen beiseite.
»Nein«, sagte er, seine Leidenschaft machte ihm zu schaffen.
Er rollte sich herum und erhob sich. »Nein«, wiederholte er.
»Es tut mir leid. Ich wollte es nicht so – daß die Dinge sich so entwickeln.«
»Ich aber!« weinte Tika. »Ich habe keine Angst! Nicht mehr.«
Nein, dachte er und preßte seine Hände gegen seinen pochenden Kopf. Ich fühle dich in meinen Händen wie einen gefangenen Hasen zittern.
Tika begann die Kordel an ihrer weißen Bluse aufzuziehen.
Da sie durch ihre Tränen nichts sehen konnte, riß sie so wild an ihr, daß sie zerriß.
»Nun! Sieh nur!« Sie warf die silberne Schnur weg. »Jetzt habe ich meine Bluse ruiniert! Ich muß sie flicken. Sie werden natürlich alle wissen, was passiert ist! Oder sie glauben es zu wissen! Ich... ich... oh, was hat das für einen Sinn!« Vor Enttäuschung weinend, bedeckte Tika ihr Gesicht mit ihren Händen.
»Es ist mir egal, was sie von mir denken!« sagte Caramon. Er tröstete sie nicht. Er wußte, wenn er sie wieder berührte, würde er seine Leidenschaft nicht mehr zurückhalten können. »Außerdem denken sie überhaupt nichts. Es sind unsere Freunde. Sie kümmern sich um uns...«
»Ich weiß!« weinte Tika. »Es ist Raistlin, nicht wahr? Er mag mich nicht. Er haßt mich!«
»Sag das nicht, Tika.« Caramons Stimme war fest. »Wenn er das täte und auch wenn er stärker wäre, wäre das egal. Es wäre mir egal, was jemand sagen oder denken würde. Die anderen möchten, daß wir glücklich sind. Sie verstehen nicht, warum wir – wir kein Paar sind. Tanis sagte mir direkt ins Gesicht, ich wäre ein Narr.«
»Er hat recht.« Tikas Stimme war durch ihr tränennasses Haar gedämpft.
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht.«
Irgend etwas in Caramons Stimme ließ das Mädchen aufhören zu weinen. Sie sah zu ihm hoch, als Caramon sich ihr zuwandte.
»Du weißt nicht, was mit Raist in den Türmen der Erzmagier geschehen ist. Keiner von euch weiß das. Keiner von euch wird das je erfahren. Aber ich weiß es. Ich war dabei. Ich habe es gesehen. Sie machten mich sehen!« Caramon erschauderte, legte beide Hände über sein Gesicht. Tika blieb still. Als er sie dann wieder ansah, holte er tief Atem. »Sie sagten, daß ›seine Kraft die Welt retten wird‹. Welche Kraft? Innere Kraft? Ich bin die äußere Kraft! Ich... ich verstehe es nicht, aber Raist sagte mir in dem Traum, daß wir zusammen eine Person wären, von den Göttern verflucht und in zwei Körper gesteckt. Wir brauchen uns gegenseitig – zumindest jetzt.« Das Gesicht des Mannes verdüsterte sich. »Vielleicht wird sich das eines Tages ändern. Vielleicht wird er eines Tages die äußere Kraft finden...«
Caramon verstummte. Tika schluckte und fuhr sich mit der Hand über ihr Gesicht. »Ich...«, begann sie, aber Caramon ließ sie nicht aussprechen.
»Warte eine Minute«, sagte er. »Laß mich zu Ende reden. Ich liebe dich, Tika, so wahr wie ein Mann eine Frau in der Welt lieben kann. Ich würde gern Liebe mit dir machen. Wenn wir nicht in diesen idiotischen Krieg verstrickt wären, würde ich dich heute heiraten. In dieser Minute. Aber ich kann nicht.
Denn wenn ich es tue, dann gehe ich dir gegenüber eine Verpflichtung ein, der ich mich mein ganzes Leben lang widmen möchte. Du mußt an erster Stelle in all meinen Gedanken sein.
Du verdienst nicht weniger als das. Aber ich kann diese Verpflichtung nicht eingehen, Tika. Meine erste Verpflichtung gilt meinem Bruder.« Tikas Tränen flossen wieder – dieses Mal nicht um sich selbst, sondern um ihn. »Ich muß dich freigeben, damit du jemanden findest, der...«
»Caramon!« Ein Schrei brach durch die süße Stille des Nachmittags. »Caramon, beeil dich!« Es war Tanis.
»Raistlin!« sagte der Krieger, und ohne ein weiteres Wort rannte er aus der Höhle.
Tika stand einen Moment da und sah ihm nach. Dann versuchte sie seufzend ihr feuchtes Haar zu kämmen.
»Was ist los?« Caramon platzte in den Wagen. »Raist?«
Tanis nickte, sein Gesicht war ernst.
»Ich fand ihn so vor.« Der Halb-Elf zog den Vorhang zurück.
Caramon schob ihn beiseite.
Raistlin lag auf dem Boden, seine Haut war weiß, sein Atem flach. Blut tröpfelte aus seinem Mund. Caramon kniete nieder und hob ihn in seinen Armen auf.
»Raistlin?« flüsterte er. »Was ist passiert?«
»Das ist passiert«, sagte Tanis grimmig zeigend.
Caramon sah hoch, sein Blick kam bei der Kugel der Drachen zum Stehen – die jetzt die Größe hatte, die Caramon in Silvanesti gesehen hatte. Sie lag auf dem Gestell, das Raistlin gebaut hatte, ihre Farben wirbelten ohne Unterbrechung, während er hinsah. Caramon hielt vor Entsetzen den Atem an.
Furchtbare Visionen über Lorac durchfluteten ihn. Lorac wahnsinnig, sterbend...
»Raist!« stöhnte er und umarmte seinen Bruder.
Raistlins Kopf bewegte sich schwach. Seine Augenlider flatterten, und er öffnete seinen Mund.
»Was?« Caramon beugte sich über ihn, der Atem seines Bruders fühlte sich an seiner Haut eiskalt an. »Was?«
»Mein...«, flüsterte Raistlin. »Zaubersprüche... der uralten.. . mein... mein...«
Der Kopf des Magiers hing schlaff herab, seine Worte erstarben. Aber sein Gesicht war ruhig, glatt und entspannt. Sein Atem kam regelmäßiger.
Raistlins dünne Lippen teilten sich zu einem Lächeln.