11 Die Neugierde eines Kenders. Die Ritter reiten in die Schlacht

Sturm und Flint machten einen Spaziergang auf den Zinnen, an dem Abend, als Sturm zum Ritter geschlagen wurde, und tauschten ihre Erlebnisse aus.

»Ein Brunnen aus reinem Silber – wie ein Juwel glänzend im Herzen des Drachenberges«, erzählte Flint ehrfürchtig. »Und aus diesem Silber hat Theros die Drachenlanzen geschmiedet.«

»Von allen Dingen hätte ich am liebsten Humas Grabmal gesehen«, sagte Sturm ruhig. Er hielt an, seine Hand ruhte auf der uralten Steinmauer. Fackellicht schien von einem Fenster aus auf sein schmales Gesicht.

»Das wirst du«, sagte der Zwerg. »Wenn die Sache hier erledigt ist, gehen wir zurück. Tolpan hat eine Karte gezeichnet natürlich ist es keine gute Karte...«

Während er weiter über Tolpan murrte, musterte Flint seinen anderen alten Freund mit Sorge. Das Gesicht des Ritters war ernst und melancholisch – für Sturm nicht ungewöhnlich. Aber es lag etwas Neues darin, eine Ruhe, die nicht aus dem Ernst rührte, sondern aus Verzweiflung.

»Wir werden dort zusammen hingehen«, fuhr er fort und versuchte, seinen Hunger zu vergessen. »Du und Tanis und ich. Und der Kender natürlich. Vermutlich auch Caramon und Raistlin. Ich habe es nie für möglich gehalten, daß ich diesen mageren Magier vermissen würde, aber ein Magier könnte jetzt ganz nützlich sein. Aber es ist auch ganz gut, daß Caramon nicht hier ist. Kannst du dir sein Gejammer vorstellen, wenn er ein paar Mahlzeiten ausfallen lassen müßte?«

Sturm lächelte geistesabwesend, seine Gedanken waren weit weg. Als er sprach, war es offensichtlich, daß er kein Wort des Zwerges wirklich gehört hatte.

»Flint«, begann er, seine Stimme war leise und gedämpft, »wir brauchen nur einen warmen Tag, damit die Straße wieder passierbar ist. Wenn dieser Tag kommt, nimm Laurana und Tolpan und bring sie weg. Versprich mir das.«

»Wir sollten hier alle verschwinden, wenn du mich fragst!« schnappte der Zwerg. »Zieh die Ritter nach Palanthas zurück. Die Stadt können wir selbst gegen Drachen verteidigen. Ihre Gebäude sind aus solidem Stein. Nicht wie hier!« Der Zwerg blickte verächtlich zu dem von Menschen gebauten Turm. »Palanthas könnte verteidigt werden.«

Sturm schüttelte den Kopf. »Die Bewohner lassen es nicht zu. Sie interessieren sich nur für ihre wunderschöne Stadt. Solange sie denken, daß man sie verschont, werden sie nicht kämpfen. Nein, wir müssen hierbleiben.«

»Du hast aber keine Chance«, argumentierte Flint.

»Doch, haben wir«, erwiderte Sturm, »wenn wir aushalten können, bis die Versorgungslinien wieder eingerichtet sind. Wir haben hier genügend Männer. Darum hat die Drachenarmee noch nicht angegriffen...«

»Es gibt noch einen anderen Weg«, ertönte eine Stimme.

Sturm und Flint drehten sich um. Das Fackellicht fiel auf ein ausgemergeltes Gesicht, und Sturms Miene verhärtete sich.

»Welchen Weg meinst du, Fürst Derek?« fragte Sturm mit bewußter Höflichkeit.

»Du und Gunther glaubt, mich besiegt zu haben«, sagte Derek, die Frage ignorierend. Seine Stimme war leise und bebte vor Haß, als er Sturm musterte. »Aber das habt ihr nicht! Durch eine heldenhafte Tat werde ich die Ritter in meiner Hand haben« – Derek streckte seine gepanzerte Hand aus – »und dann seid ihr beide erledigt!« Langsam ballte er sie zur Faust.

»Mir will scheinen, daß unser Krieg hier angesichts der Drachenarmee beendet ist«, sagte Sturm.

»Komm mir nicht mit diesem selbstgerechten Gequatsche!« knurrte Derek. »Genieße deine Ritterschaft, Feuerklinge. Du hast genug dafür bezahlt. Was hast du der Elfenfrau für ihre Lügen versprochen? Heirat? Eine ehrenwerte Frau aus ihr zu machen?«

»Ich darf gemäß des Maßstabs nicht gegen dich kämpfen, aber ich brauche nicht anzuhören, wie du eine Frau beleidigst, die sowohl gut als auch mutig ist«, sagte Sturm und drehte sich auf dem Absatz um, um zu gehen.

»Läufst du immer vor mir weg!« schrie Derek. Er sprang nach vorn und faßte nach Sturms Schulter. Sturm wirbelte wütend herum, seine Hand lag an seinem Schwert. Derek griff nach seiner Waffe, und einen Moment lang sah es aus, als wäre der Maßstab vergessen. Aber Flint legte seine Hand auf die seines Freundes, um ihn zurückzuhalten. Sturm holte tief Atem und nahm sie vom Schwertknauf.

»Sag, was du zu sagen hast, Derek!« Sturms Stimme bebte.

»Du bist erledigt, Feuerklinge. Morgen führe ich die Ritter in die Schlacht. Kein Herumschleichen mehr in diesem elenden Steingefängnis. Morgen abend wird mein Name zur Legende werden!«

Flint sah beunruhigt zu Sturm hoch. Aus dem Gesicht des Ritters war alles Blut gewichen. »Derek«, sagte Sturm leise, »du bist verrückt! Sie sind Tausende! Sie werden euch in Streifen schneiden!«

»Ja, das möchtest du wohl gern sehen, nicht wahr?« knurrte Derek. »Sei morgen bereit, Feuerklinge.«

In dieser Nacht entschied der frierende, hungrige und gelangweilte Tolpan, daß die beste Ablenkung vom Hunger die Erforschung der Umgebung sei. Hier gibt es viele Möglichkeiten, um Dinge zu verstecken, dachte Tolpan. Das ist eines der seltsamsten Gebäude, die ich je gesehen habe.

Der Turm des Oberklerikers erhob sich solide gegen die westliche Seite des Westtor-Passes, dem einzigen Gebirgspaß durch das Habbakuk-Gebirge, der das östliche Solamnia von Palanthas trennte. Wie die Drachenfürstin wußte, mußte jemand, der Palanthas nicht über diese Straße zu erreichen versuchte, entweder Hunderte von Meilen um das Gebirge herum, oder durch die Wüste oder auf dem Seeweg anreisen. Und Schiffe, die in Paladins Tore fuhren, waren ein leichtes Ziel für die ›feuerwerfenden‹ Katapulte der Gnomen.

Der Turm des Oberklerikers war im Zeitalter der Allmacht gebaut worden. Flint wußte eine Menge über die Architektur jener Zeit – die Zwerge hatten bei den Entwürfen und dem Bau der meisten Gebäude mitgewirkt. Aber sie hatten diesen Turm weder gebaut noch entworfen. Flint fragte sich, wer ihn wirklich gebaut hatte – für ihn mußte die Person entweder betrunken oder verrückt gewesen sein.

Eine äußere Steinmauer, als Achteck geformt, bildete die Grundlage des Turms. Jeder Punkt der achteckigen Mauer wurde von einem Geschützturm gekrönt. Auf der Mauer zwischen den Geschütztürmen verliefen Zinnen. Eine innere, achteckige Mauer bildete die Grundlage einer Reihe von Türmen und Stützpfeilern, die anmutig nach oben zum zentralen Turm ragten.

Dies war ein ziemlich normaler Entwurf, aber was den Zwerg verwirrte, war das Fehlen von inneren Verteidigungspunkten.

Drei große Stahltüren befanden sich in der äußeren Mauer, statt einer Tür, was vernünftiger wäre, da drei Türen eine unglaubliche Anzahl von Männern zur Verteidigung erforderlich machten. Jede Tür führte in einen engen Hof, an dessen anderem Ende sich ein kleines Fallgatter befand, wovon es direkt zu einem riesigen Korridor ging. Alle drei Korridore führten ins Innere des Turms.

»Man könnte genausogut den Feind zum Tee einladen!« hatte der Zwerg gemurrt. »So eine dumm gebaute Festung habe ich noch nie gesehen.«

Niemand betrat den Turm. Für die Ritter war er tabu. Der einzige, der den Turm betreten durfte, war der Oberkleriker, und da es keinen Oberkleriker gab, würden die Ritter die Turmmauern mit ihrem Leben verteidigen, aber keiner von ihnen durfte seinen Fuß in seine heiligen Hallen setzen.

Ursprünglich hatte der Turm lediglich den Paß bewacht und ihn nicht blockiert. Aber die Palanthianer hatten später am Hauptgebäude noch angebaut, so daß der Paß abgeriegelt war. In diesem Anbau lebten nun die Ritter und die Gefolgsleute. Niemand dachte daran, den Turm zu betreten.

Niemand außer Tolpan.

Angetrieben von seiner unersättlichen Neugier und seinem nagenden Hunger nahm der Kender seinen Weg auf der äußeren Mauer. Die Wachen beäugten ihn vorsichtig, hielten mit der einen Hand ihre Schwerter und mit der anderen ihre Geldbeutel.

Aber sie entspannten sich, sobald er vorbeigegangen war, und Tolpan konnte die Stufen hinuntergleiten und in den zentralen Hof gehen.

Hier gab es nur Schatten. Es brannten keine Fackeln, keine Wache war aufgestellt. Breite Stufen führten nach oben zu den Stahlgittern. Tolpan wanderte auf den Stufen auf den großen, offenen Torbogen zu und spähte neugierig durch die Gitter.

Nichts. Er seufzte. Es war so dunkel, als würde er in den Abgrund selbst starren.

Enttäuscht versuchte er, das Gitter nach oben zu schieben mehr aus Gewohnheit als aus Hoffnung, denn nur Caramon oder zehn Ritter hätten die Kraft, es zu heben.

Zum Erstaunen des Kenders begann sich das Gitter mit einem fürchterlichen Quietschen zu bewegen! Tolpan brachte es zum Halten. Der Kender sah ängstlich nach oben zu den Zinnen, erwartete die gesamte Garnison auf ihn losdonnern zu sehen, um ihn festzunehmen. Aber offenbar lauschten die Ritter nur dem Knurren ihrer leeren Mägen.

Tolpan wandte sich wieder dem Gitter zu. Zwischen den scharfen Eisenspitzen und den Steinen war ein kleiner Freiraum – groß genug für einen Kender. Tolpan verschwendete keine Zeit, um sich über die Konsequenzen Gedanken zu machen. Er schlängelte sich unter den Eisenspitzen durch.

Dann fand er sich in einem riesigen Korridor wieder. Er konnte jedoch nicht viel erkennen. Aber an den Mauern waren alte Fackeln. Nach einigen Sprüngen bekam Tolpan eine zu fassen und zündete sie mit Flints Zunderbüchse an, die er zufällig in seinem Beutel gefunden hatte.

Jetzt konnte Tolpan den Korridor deutlich sehen. Er verlief direkt in das Herz des Turms. Seltsame Säulen reihten sich an allen Seiten wie ungleichmäßige Zähne. Hinter einer Säule sah er nur eine Nische.

Der Korridor selbst war leer. Enttäuscht ging Tolpan weiter in der Hoffnung, etwas Interessantes zu finden. Er kam zu einem zweiten Gitter, das zum Verdruß des Kenders bereits geöffnet war. »Alles Einfache bedeutet mehr Ärger, als es wert ist«, hieß ein altes Kendersprichwort. Tolpan trat durch dieses Gitter in einen zweiten Korridor, der enger als der erste war, aber mit den gleichen seltsamen zahnähnlichen Säulen an beiden Seiten.

Warum einen Turm bauen, den man so einfach betreten kann? fragte sich Tolpan. Die äußere Mauer war gewaltig, aber erst einmal passiert, könnten fünf betrunkene Zwerge diesen Platz einnehmen. Tolpan spähte nach oben. Und warum so hoch? Der Hauptkorridor war viele Meter hoch!

Vielleicht waren die Ritter früher Riesen gewesen, spekulierte der Kender interessiert, während er weiterschlich und in jede Tür spähte und in jeder Ecke stöberte.

Am Ende des zweiten Korridors stieß er auf ein drittes Gitter. Dieses unterschied sich jedoch von den anderen beiden und war so seltsam wie der ganze übrige Turm. Es bestand aus zwei Hälften, die zusammenglitten, um sich in der Mitte zu treffen.

Am merkwürdigsten war, daß ein großes Loch direkt in der Mitte eingeschnitten war!

Tolpan kroch durch dieses Loch und betrat einen kleineren Raum. Ihm gegenüber waren zwei große Stahltüren. Er wollte sie öffnen und war erstaunt, sie verschlossen zu finden. Keines der Gitter war verschlossen gewesen. Es gab nichts zu beschützen.

Nun, zumindest gab es etwas, was ihn beschäftigt hielt und von seinem leeren Magen ablenkte. Er kletterte auf eine Steinbank und steckte die Fackel in eine Wandhalterung, dann begann er seine Beutel zu durchsuchen. Schließlich fand er den Satz mit Dietrichen, der das Geburtsrecht eines jeden Kenders ist. »Warum den Zweck der Tür beleidigen, indem man sie verschließt?« war ein Lieblingsspruch der Kender.

Schnell wählte Tolpan den richtigen Dietrich aus und machte sich an die Arbeit. Das Schloß war einfach. Es machte klick, und Tolpan verstaute zufrieden sein Werkzeug, als die Tür sich nach innen öffnete. Der Kender stand einen Moment da, horchte aufmerksam. Er konnte nichts hören. Er sah auch nichts, als er nach innen spähte. Er kletterte auf die Steinbank, holte seine Fackel und schlich vorsichtig durch die Stahltür.

Er hielt seine Fackel hoch und erkannte, daß er sich in einem großen, kreisrunden Raum befand. Tolpan seufzte. Der große Raum war leer außer einem verstaubten Gegenstand mitten im Raum, der einem alten Springbrunnen glich. Zudem fand seine Reise hier ihr Ende, denn obwohl es noch zwei weitere Türen gab, die aus dem Raum führten, war es dem Kender klar, daß sie zu den beiden anderen Korridoren zurückführten. Das war das Herz des Turms. Dies war der heilige Ort. Dafür dieses ganze Theater.

Nichts.

Tolpan ging durch den Raum und leuchtete mit seiner Fackel hier und dort. Schließlich ging der verstimmte Kender zum Brunnen, um ihn zu untersuchen, bevor er den Raum wieder verlassen wollte.

Als Tolpan sich näherte, sah er, daß es sich überhaupt nicht um einen Brunnen handelte, aber der Staub war so dick, daß er nichts richtig erkennen konnte. Der Gegenstand war so hoch wie der Kender. Die runde Oberfläche wurde von einem schlanken dreibeinigen Gestell getragen.

Tolpan untersuchte alles aufmerksam, dann holte er tief Luft und blies so fest, wie er konnte. Der Staub flog in seine Nase, und er mußte kräftig niesen und ließ dabei fast die Fackel fallen. Einen Moment lang konnte er überhaupt nichts sehen. Dann setzte sich der Staub, und er sah, was da vor ihm stand. Sein Herz sprang in seine Kehle.

»O nein!« stöhnte Tolpan. Er wühlte in einem Beutel, zog ein Taschentuch hervor und rieb an dem Gegenstand. Der Staub fiel leicht ab, und er wußte jetzt, was es war. »Verdammt!« sagte er verzweifelt. »Ich hatte recht. Was soll ich jetzt nur machen?«

Am nächsten Morgen ging die Sonne rot auf und schimmerte durch einen Rauchnebel, der sich über der Drachenarmee erhob.

Im Hof des Turms des Oberklerikers hatten sich die Schatten der Nacht noch nicht gelüftet, als hundert Ritter ihre Pferde bestiegen, ihre Gurte anzogen, nach ihren Schildern riefen oder ihre Rüstungen anschnallten, während tausend Fußleute umhereilten und ihren angemessenen Platz in der Linie suchten.

Sturm, Laurana und Fürst Alfred standen in einem dunklen Türeingang und beobachteten schweigend, wie Fürst Derek, der seine Männer anlachte und ihnen Witze erzählte, in den Hof ritt.

Der Ritter sah in seiner Rüstung prächtig aus. Seine Männer hatten gute Laune, der Gedanke an die Schlacht ließ sie ihren Hunger vergessen.

»Du mußt sie aufhalten, mein Fürst«, sagte Sturm ruhig.

»Das kann ich nicht!« antwortete Fürst Alfred und zog seine Handschuhe an. Sein Gesicht wirkte im Morgenlicht verhärmt.

Er hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. »Der Maßstab gibt ihm das Recht, diese Entscheidung zu treffen.«

Vergeblich hatte Alfred mit Derek gestritten, versucht, ihn zu überzeugen, noch einige Tage zu warten! Der Wind begann sich bereits zu drehen und brachte warme Luft aus dem Norden.

Aber Derek hatte nicht nachgegeben. Er würde hinausreiten und die Drachenarmee auf dem Schlachtfeld herausfordern. Daß die Drakonier in der Überzahl waren, darüber lachte er nur verächtlich. Seit wann kämpfen Goblins wie die Ritter von Solamnia? Die Ritter waren in den Goblin- und Ogerkriegen an der Vingaard-Burg vor hundert Jahren zahlenmäßig fünfzig zu eins unterlegen gewesen.

»Aber du kämpfst auch gegen Drakonier«, warnte Sturm.

»Sie sind nicht wie die Goblins. Sie sind intelligent und erfahren. In ihren Reihen sind Magier, und ihre Waffen sind die besten auf Krynn. Selbst wenn sie tot sind, haben sie die Macht zu töten...«

»Ich denke, ich werde mit ihnen fertig, Feuerklinge«, unterbrach Derek ihn barsch. »Und jetzt schlage ich vor, daß du deine Männer weckst und ihnen sagst, daß sie sich bereitmachen sollen.«

»Das werde ich nicht tun«, antwortete Sturm entschlossen.

»Und ich werde meinen Männern auch nicht befehlen, zu gehen.«

Derek erblaßte vor Wut. Einen Moment lang konnte er nicht sprechen. Selbst Fürst Alfred wirkte schockiert.

»Sturm«, begann Alfred langsam, »weißt du, was du tust?«

»Ja, mein Fürst«, antwortete Sturm. »Wir sind die einzigen zwischen der Drachenarmee und Palanthas. Wir wagen nicht, diese Garnison unbemannt zu lassen. Ich behalte mein Kommando hier.«

»Einen direkten Befehl mißachten«, sagte Derek schweratmend. »Du bist Zeuge, Fürst Alfred. Dieses Mal gehört mir sein Kopf!« Er stolzierte weg. Fürst Alfred folgte ihm mit grimmigem Gesicht und ließ Sturm zurück.

Am Ende überließ Sturm seinen Männern die Entscheidung.

Entweder konnten sie bei ihm bleiben, ohne selbst ein Risiko zu tragen – denn sie gehorchten nur dem Befehl ihres Offiziers oder sie konnten Derek begleiten. Es war die gleiche Möglichkeit, erwähnte er, die auch Vinas Solamnus seinen Männern vor langer Zeit eingeräumt hatte, als die Ritter gegen den korrupten Kaiser von Ergod rebelliert hatten. Die Männer brauchten nicht an diese Legende erinnert zu werden. Sie sahen es als ein Zeichen, und wie auch bei Solamnus entschieden die meisten, bei ihrem Hauptmann zu bleiben, den sie bewunderten und respektierten.

Jetzt sahen sie mit grimmigen Gesichtern zu, wie ihre Freunde sich auf den Ritt vorbereiteten. Es war der erste offene Bruch in der langen Geschichte der Ritterschaft, und der Moment war schmerzlich.

»Bedenke es noch einmal, Sturm«, sagte Fürst Alfred, als der Ritter ihm auf sein Pferd half. »Fürst Derek hat recht. Die Drakonier sind nicht so gut ausgebildet wie die Ritter. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, daß wir erfolgreich sind.«

»Ich bete, daß das stimmt, mein Herr«, sagte Sturm standhaft.

Alfred musterte ihn traurig. »Wenn es stimmt, Feuerklinge, wird Derek dafür sorgen, daß du für diese Sache angeklagt und hingerichtet wirst. Und Gunther wird ihn nicht aufhalten können.«

»Diesen Tod würde ich gern auf mich nehmen, mein Fürst, wenn ich dadurch aufhalten kann, was, wie ich befürchte, eintreten wird«, erwiderte Sturm.

»Verdammt, Mann!« explodierte Fürst Alfred. »Wenn wir besiegt werden, was willst du dann durch dein Hierbleiben erreichen? Du könntest nicht einmal eine Armee von Gossenzwergen mit deinen wenigen Männern aufhalten! Angenommen, die Straßen werden frei! Du wirst nicht in der Lage sein, den Turm zu halten, bis aus Palanthas Verstärkung kommt.«

»Zumindest können wir für Palanthas Zeit für die Evakuierung der Bürger herausschinden, wenn...«

Fürst Derek Kronenhüter drängte sein Pferd zwischen die seiner Männer. Er starrte auf Sturm herab, seine Augen glitzerten aus den Schlitzen seines Helms, dann hob er seine Hand um Ruhe.

»Gemäß dem Maßstab, Sturm Feuerklinge«, begann Derek, »beschuldige ich dich hiermit der Verschwörung und...«

»Zum Abgrund mit dem Maßstab!« knurrte Sturm, der seine Geduld verlor. »Wohin hat uns denn der Maßstab gebracht? Zersplittert, eifersüchtig, verrückt! Selbst unsere eigenen Leute ziehen es vor, mit den Armeen unseres Feindes zu verhandeln! Der Maßstab hat versagt!«

Ein tödliches Schweigen fiel über die Ritter im Hof, das nur von dem ruhelosen Tänzeln eines Pferdes oder dem Klirren einer Rüstung unterbrochen wurde.

»Bete um meinen Tod, Sturm Feuerklinge«, sagte Derek leise, »oder ich werde deine Kehle bei der Hinrichtung persönlich aufschlitzen!« Ohne ein weiteres Wort spornte er sein Pferd an und trabte zur Spitze der Kolonne.

»Öffnet die Tore!« rief er.

Die Morgensonne kletterte über den Rauch und stieg am blauen Himmel hoch. Der Wind blies aus dem Norden und ließ die Flagge an der Turmspitze flattern. Rüstungen blitzten auf.

Schwerter schlugen gegen Schilde und Trompeten ertönten, als die Männer durch die offenen Tore stürmten.

Derek hob sein Schwert hoch in die Luft. Nach seinem Schlachtton galoppierte er vorwärts. Die Ritter hinter ihm wiederholten die Herausforderung und ritten auf das Schlachtfeld, wo vor langer Zeit Huma in seinen glorreichen Sieg geritten war. Die Gefolgsleute marschierten, ihre Schritte stapften laut auf den Pflastersteinen. Einen Moment lang schien es, daß Fürst Alfred Sturm und den jungen Rittern etwas sagen wollte. Aber er schüttelte nur den Kopf und ritt fort.

Die Tore schlossen sich hinter ihm. Die schwere Eisenstange wurde vorgeschoben. Sturms Männer rannten zu den Zinnen.

Sturm stand mitten im Hof, sein ausgemergeltes Gesicht war ohne jeden Ausdruck.

Der junge und gutaussehende Kommandant der Drachenarmee in der Abwesenheit der Finsteren Herrin war gerade erwacht, um sein Frühstück einzunehmen und einen weiteren langweiligen Tag zu beginnen, als ein Kundschafter in das Lager galoppierte.

Kommandant Bakaris starrte voller Abscheu auf den Kundschafter. Der Mann ritt wild durch das Lager, sein Pferd warf Kochtöpfe und Goblins um. Drakonierwachen sprangen auf die Füße, schüttelten die Fäuste und fluchten. Aber der Kundschafter ignorierte sie.

»Die Fürstin!« schrie er und glitt vor dem Zelt vom Pferd.

»Ich muß die Fürstin sehen.«

»Die Fürstin ist nicht da«, sagte der Helfer des Kommandanten.

»Ich vertrete sie«, schnarrte Bakaris. »Was ist los?«

Der Kundschafter sah sich schnell um, da er keinen Fehler begehen wollte. Aber es gab weder von der fürchterlichen Finsteren Herrin noch von ihrem blauen Drachen ein Zeichen.

»Die Ritter reiten auf das Feld zu!«

»Was?« Der Kiefer des Kommandanten sackte herunter.

»Bist du sicher?«

»Ja!« Der Kundschafter sprach unzusammenhängend. »Habe sie gesehen! Hunderte auf Pferden! Wurfspieße und Schwerter. Tausend zu Fuß.«

»Sie hatte recht!« sagte Bakaris leise voller Bewunderung.

»Jetzt haben die Dummköpfe den Fehler begangen!«

Er rief nach seinen Dienern und eilte zu seinem Zelt zurück.

»Blast zum Alarm«, befahl er und rasselte seine Befehle herunter. »Laßt die Hauptmänner in fünf Minuten zum letzten Befehlsempfang antreten.« Seine Hände zitterten vor Aufregung, als er seine Rüstung anlegte. »Und schickt den Flugdrachen nach Treibgut mit einer Nachricht für die Fürstin.«

Goblindiener rannten in alle Richtungen, und bald ertönten die Hörner, die im ganzen Lager widerhallten. Der Kommandant warf einen letzten schnellen Blick auf die Karte, dann ging er zum Treffen mit seinen Offizieren.

Zu schade, dachte er kühl beim Gehen. Der Kampf wird vermutlich vorüber sein, wenn sie die Nachricht erhält. Wie schade. Sie wollte doch so gern bei dem Fall des Turms des Oberklerikers dabei sein. Aber, überlegte er weiter, vielleicht werden wir morgen die Nacht gemeinsam in Palanthas verbringen sie und ich.

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