12

»Die Zeit verändern!« sagte Tolpan ungeduldig, schlüpfte über die Gartenmauer in den heiligen Tempelbereich und ließ sich in ein Blumenbeet fallen. Einige Kleriker spazierten im Garten und unterhielten sich erfreut über das Nahen des Heiligen Abends. Um ihre Unterhaltung nicht zu unterbrechen, unternahm Tolpan das, was er als höflich ansah, und legte sich platt zwischen die Blumen, bis sie vorbeigegangen waren, obwohl es bedeutete, daß seine blauen Hosen schmutzig wurden.

Es war ziemlich angenehm, zwischen den roten Heiligabendrosen zu liegen, die ihren Namen erhalten hatten, weil sie nur in der Zeit des Heiligen Abends blühten. Es war warm, zu warm, sagten die meisten Leute. Tolpan grinste. Er empfand die Wärme als herrlich.

Er lauschte interessiert den Klerikern. Die Gesellschaften um den Heiligen Abend mußten wunderbar sein, dachte er und zog kurz in Betracht, daran teilzunehmen. Die erste fand heute abend statt. Sie würde nicht lange dauern, weil jeder genügend Schlaf bekommen wollte, um für die großen Gesellschaften gerüstet zu sein, die am nächsten Tag in der Morgendämmerung beginnen und tagelang dauern würden.

Caramon sollte morgen kämpfen – die Spiele bildeten einen Höhepunkt der Festlichkeiten zum Heiligen Abend. Bei diesem Kampf würden die Mannschaften bestimmt werden, die das Recht hätten, im Endkampf anzutreten – das letzte Spiel des Jahres, bevor der Winter zur Schließung der Arena zwang. Die Gewinner dieses letzten Spiels würden die Freiheit erhalten. Natürlich war bereits entschieden, wer morgen gewinnen würde – Caramons Mannschaft. Aus irgendeinem Grund hatten diese Neuigkeiten Caramon in eine schlimme Depression versetzt.

Tolpan schüttelte den Kopf. Er würde diesen Mann niemals verstehen. Dieses ganze Geschmolle über Ehre. Trotz allem war es doch nur ein Spiel. Jedenfalls erleichterte es die Dinge. Es würde für Tolpan einfach sein, sich wegzuschleichen und sich zu vergnügen.

Aber dann seufzte der Kender. Nein, er hatte wichtige Angelegenheiten zu erledigen – die Umwälzung aufzuhalten war wichtiger als eine Gesellschaft. Er würde sein Vergnügen dieser großen Sache opfern.

Sich als aufopfernd und ehrenhaft empfindend, funkelte er die Kleriker gereizt an und wünschte, sie verschwänden endlich. Schließlich gingen sie in den Tempel. Einen Seufzer der Erleichterung ausstoßend, richtete sich Tolpan auf und wischte den Schmutz von sich ab. Er pflückte eine Heiligabendrose, steckte sie als Schmuck zu Ehren der Zeit in seinen Haarknoten und glitt in den Tempel.

Auch dieser war für die Festlichkeit geschmückt, und seine Schönheit und Pracht raubten dem Kender den Atem. Er sah sich entzückt um und bewunderte die unzähligen Heiligabendrosen, die in Gärten auf ganz Krynn gezüchtet und dann hierhergebracht wurden, um die Korridore des Tempels mit ihrem süßen Duft zu füllen. Körbe mit seltenen und exotischen Früchten standen auf fast jedem Tisch – Geschenke aus ganz Krynn, um von allen im Tempel genossen zu werden. Teller mit Kuchen und Bonbons standen daneben. An Caramon denkend, stopfte Tolpan seine Beutel voll, glücklich malte er sich die Freude des großen Mannes aus. Er konnte sich nicht vorstellen, daß Caramon angesichts eines in Kristallzucker gewälzten Mandelplätzchens depressiv bleiben würde.

Tolpan streifte, in Glückseligkeit verloren, durch die Gänge. Er vergaß fast den Grund seines Kommens und mußte sich ständig an seine wichtige Mission erinnern. Niemand schenkte ihm Beachtung. Jeder, der an ihm vorbeiging, war mit der bevorstehenden Feier, den Geschäften der Regierung oder der Kirche oder beidem beschäftigt. Nur wenige schenkten Tolpan einen zweiten Blick. Gelegentlich starrte ihn ein Wächter streng an, aber Tolpan lächelte freudig, winkte und ging weiter.

Endlich fand er sich in dem Korridor wieder, der nicht geschmückt oder mit fröhlichen Leuten gefüllt war, in dem nicht die Klänge der Chöre widerhallten, die ihre Hymnen zum Heiligen Abend einübten. In diesem Korridor waren die Vorhänge immer zugezogen. Er war kalt, finster und abstoßend, jetzt mehr denn je im Gegensatz zum Rest der Welt.

Tolpan schlich sich durch den Korridor. Sich dicht an die Tür lehnend, die er gesucht hatte, hörte er Raistlin sprechen, und seinen Worten entnahm er, daß er einen Gast hatte.

Verdammt, war Tolpans erster Gedanke, jetzt muß ich warten, bis diese Person geht. Und ich befinde mich auch noch auf einer wichtigen Mission. Ich frage mich, wie lange es dauern wird. Er legte sein Ohr an das Schlüsselloch und schreckte hoch, als er eine Frauenstimme dem Magier antworten hörte.

»Diese Stimme klingt vertraut«, flüsterte der Kender und drückte sich noch enger an die Tür, um besser hören zu können. »Natürlich! Crysania! Ich frage mich, was sie hier sucht.«

»Du hast recht, Raistlin«, hörte Tolpan sie mit einem Seufzer sagen, »es ist hier viel erholsamer als in diesen protzigen Korridoren. Beim ersten Mal war ich verängstigt. Du lächelst? Aber es stimmt. Dieser Korridor schien so düster und verlassen und kalt. Aber jetzt sind die Gänge des Tempels von einer erstickenden Wärme erfüllt. Selbst der festliche Schmuck macht mich depressiv. Ich sehe so viel Verschwendung, vergeudetes Geld, mit dem man den Notleidenden helfen könnte.«

Sie verstummte, und Tolpan hörte ein Rascheln. Da niemand etwas sagte, hörte der Kender zu lauschen auf und legte die Augen an das Schlüsselloch. Er konnte das Zimmer recht gut überblicken. Die schweren Vorhänge waren zugezogen, aber das Innere von sanftem Kerzenlicht erleuchtet. Crysania saß auf einem Stuhl mit dem Gesicht zur Tür. Das raschelnde Geräusch, das er gehört hatte, rührte offensichtlich von einer ungeduldigen oder enttäuschten Bewegung her. Ihr Kopf ruhte in ihrer Hand, und der Ausdruck ihres Gesichts war verwirrt.

Aber das war es nicht, was den Kender die Augen aufreißen ließ. Crysania hatte sich verändert! Verschwunden waren die einfachen schmucklosen Roben, die strenge Frisur. Sie war zwar wie die anderen Klerikerinnen in weiße Roben gekleidet, aber diese waren mit feinen Stickereien verziert. Ihre Arme waren bloß, aber ein schmales goldenes Band schmückte einen Arm, ließ ihre makellose weiße Haut hervortreten. Ihr Haar fiel weich um ihre Schultern. Ihre Wangen waren leicht gerötet, ihre Augen warm, und ihr Blick ruhte auf der schwarzgekleideten Gestalt, die ihr mit dem Rücken zu Tolpan gegenübersaß.

»Hm«, murmelte der Kender interessiert. »Tika hatte recht!«

»Ich weiß nicht, warum ich hierhergekommen bin«, hörte Tolpan Crysania nach einem Augenblick sagen.

Ich aber, dachte der Kender fröhlich und legte schnell das Ohr ans Schlüsselloch, um besser hören zu können.

Sie fuhr fort: »Ich bin von solcher Hoffnung erfüllt, wenn ich dich besuchen komme, aber immer gehe ich unglücklich. Ich will dir die Wege der Rechtschaffenheit und der Wahrheit zeigen und dir beweisen, daß wir nur durch das Befolgen dieser Wege hoffen können, Frieden auf unsere Welt zu bringen. Aber immer wendest und drehst du meine Worte nach deinem Belieben.«

Raistlin murmelte leise etwas, das Tolpan nicht verstehen konnte. Der Kender hörte, wie sich Crysania auf ihrem Stuhl bewegte, und riskierte einen schnellen Blick. Der Magier stand dicht bei ihr, eine Hand ruhte auf ihrem Arm. Als sie sprach, lag in ihrer Stimme so viel Hoffnung und Liebe und Freude, daß es Tolpan ganz warm wurde.

»Ist das dein Ernst?« fragte Crysania den Magier. »Berühren meine armseligen Worte etwas in dir? Nein, sieh nicht weg! Ich kann in deinem Gesicht lesen, daß du darüber nachgedacht hast. Wir sind uns so ähnlich! Ich wußte es von Anfang an, als ich dir begegnete. Ah, du lächelst wieder, du verhöhnst mich... Ich kenne die Wahrheit. Du hast mir das Gleiche im Turm gesagt. Du hast gesagt, daß ich genauso ehrgeizig bin wie du. Du hast recht. Wir führen beide ein einsames Leben, nur unseren Studien gewidmet. Wir öffnen niemandem unser Herz, nicht einmal jenen, die uns am nächsten stehen. Du umgibst dich mit Dunkelheit, aber, Raistlin, die Wärme, das Licht...«

Tolpan legte schnell sein Auge ans Schlüsselloch. Er wird sie gleich küssen, dachte er aufgeregt. Das ist wundervoll! Warte, bis ich es Caramon erzähle. »Nun mach schon, du Dummkopf!« wies er Raistlin ungeduldig an, der ruhig dasaß.

Plötzlich erhob sich Raistlin aus seinem Stuhl. »Du solltest lieber gehen«, sagte er mit heiserer Stimme.

Tolpan seufzte und zog sich von der Tür zurück. Er lehnte sich gegen eine Wand und schüttelte den Kopf.

Man hörte ein tiefes rauhes Husten und Crysanias Stimme, sanft und voll Sorge.

»Es ist nichts«, sagte Raistlin, als er die Tür öffnete. »Ich fühle mich schon seit einigen Tagen nicht wohl. Errätst du nicht den Grund?« fragte er.

»Nein«, murmelte Crysania. »Was meinst du?«

»Den Zorn der Götter«, antwortete Raistlin. Es war nicht die Antwort, die Crysania erhofft hatte. Sie senkte den Kopf. Raistlin bemerkte es nicht und sprach weiter. »Ihr Zorn schlägt auf mich ein, als ob sich die Sonne diesem erbärmlichen Planeten immer mehr näherte. Vielleicht ist das der Grund, warum du so unglücklich bist.«

»Vielleicht«, murmelte Crysania.

»Morgen ist der Heilige Abend«, sprach Raistlin leise weiter. »Dreizehn Tage später wird der Königspriester seine Forderung an die Götter richten. Er und seine Minister erstellen bereits einen Entwurf. Die Götter wissen es. Sie haben ihm eine Warnung geschickt – das Verschwinden der Kleriker. Aber er hat sie nicht beachtet. Jeden Tag vom Heiligen Abend an werden die Warnzeichen deutlicher werden. Hast du jemals die ›Chroniken der letzten dreizehn Tage‹ von Astinus gelesen? Sie sind unangenehm zu lesen, und sie werden noch unangenehmer zu erleben sein.«

Crysania sah ihn an, ihr Gesicht leuchtete auf. »Dann komm doch mit uns vorher zurück«, sagte sie eifrig. »Par-Salian hat Caramon ein magisches Gerät mitgegeben, das uns zurück in unsere Zeit bringen wird. Der Kender hat es mir gesagt...«

»Was für ein magisches Gerät?« verlangte Raistlin plötzlich zu wissen, und der seltsame Ton in seiner Stimme ließ den Kender aufmerken und erschreckte Crysania. »Wie sieht es aus? Wie funktioniert es?« Seine Augen brannten fiebrig.

»Ich... ich weiß es nicht«, stammelte Crysania.

»Oh, ich kann es dir sagen«, bot Tolpan an und trat von der Wand nach vorne. »Es tut mir leid, ich wollte euch nicht erschrecken. Es ist nur so, daß ich nicht anders konnte, als mitzuhören. Einen schönen Heiligen Abend wünsche ich euch beiden übrigens.«

Sowohl Raistlin als auch Crysania starrten ihn erstaunt an. Unverfroren plapperte Tolpan weiter. »Worüber sprachen wir? Oh, das magische Gerät. Na gut«, fuhr er eiliger fort, als er sah, daß Raistlins Augen sich auf beunruhigende Weise verengten, »wenn es ausgeklappt ist, sieht es aus wie ein... ein Zepter, und es hat eine... eine Kugel an einem Ende, alles glitzert von Juwelen. Es ist ungefähr so groß.« Der Kender breitete seine Arme aus. »So ist es, wenn es ausgebreitet ist. Dann hat Par-Salian etwas damit gemacht, und es...«

»Es faltet sich selbst zusammen«, beendete Raistlin, »bis du es in deine Tasche stecken kannst.«

»Genau!« sagte Tolpan aufgeregt. »Das ist richtig! Woher weißt du das?«

»Ich bin mit diesem Gegenstand vertraut«, erwiderte Raistlin, und Tolpan bemerkte wieder einen seltsamen Ton in der Stimme des Magiers, ein Beben, eine Spannung – Angst? Oder ein Hochgefühl? Der Kender konnte es nicht ausmachen.

Crysania hatte es auch bemerkt. »Was ist es?« fragte sie.

Raistlin antwortete nicht sofort, sein Gesicht war plötzlich eine Maske, undurchdringlich, kalt. »Ich zögere mit der Antwort«, sagte er zu ihr. »Ich muß mir über diese Angelegenheit Gedanken machen.« Er warf dem Kender einen flammenden Blick zu. »Was willst du? Horchst du an Schlüssellöchern?«

»Gewiß nicht!« antwortete Tolpan beleidigt. »Ich bin gekommen, um mit dir zu reden, das heißt, wenn du und Crysania fertig seid«, fügte er hinzu.

Crysania musterte ihn mit einen recht unfreundlichen Gesichtsausdruck, empfand der Kender, dann wandte sie sich wieder Raistlin zu. »Werde ich dich morgen sehen?« fragte sie.

»Ich glaube nicht«, sagte er. »Ich werde natürlich nicht an der Gesellschaft zum Heiligen Abend teilnehmen.«

»Oh, aber ich gehe auch nicht hin...«, begann Crysania.

»Man erwartet dich«, sagte Raistlin. »Außerdem habe ich zu lange meine Studien vernachlässigt, um das Vergnügen deiner Gesellschaft zu genießen.«

»Ich verstehe«, sagte Crysania. Ihre Stimme klang kalt. Als sie sicher war, daß Raistlin nichts mehr sagen würde, verbeugte sie sich leicht, drehte sich um und ging durch den dunklen Korridor. Ihre weißen Roben schienen das Licht mitzunehmen.

»Ich sage Caramon, daß du ihm deine Grüße übersendest«, rief Tolpan ihr nach, aber Crysania drehte sich nicht um. Er wandte sich mit einem Seufzer zu Raistlin. »Leider hat Caramon keinen guten Eindruck bei ihr hinterlassen. Aber er war ein wenig durcheinander wegen des Zwergenspiritus...«

Raistlin hustete. »Bist du gekommen, um dich über meinen Bruder zu unterhalten?« unterbrach er Tolpan kalt. »Wenn das der Fall ist, kannst du gehen...«

»O nein!« widersprach Tolpan hastig. Dann grinste er den Magier an. »Ich bin gekommen, um die Umwälzung zu verhindern!«

Zum ersten Mal in seinem Leben hatte der Kender die Befriedigung, daß seine Worte dem Magier die Sprache verschlugen. Es war jedoch keine Befriedigung, die er lange genoß. Das Gesicht des Magiers lief weiß an und erstarrte, seine spiegelgleichen Augen schienen zu zerspringen. Hände, so stark wie die Klauen eines Raubvogels, gruben sich in die Schultern des Kenders. Innerhalb von Sekunden fand er sich in Raistlins Zimmer wieder. Die Tür schlug mit einem Knall zu.

»Von wem hast du diese Idee aufgeschnappt?« herrschte Raistlin ihn an.

Tolpan wich erschreckt zurück und sah sich nach einem Versteck um. »Von d...dir«, stammelte er. »Du hast etwas über mein Zurückkommen gesagt und daß ich in der Lage wäre, die Zeit zu verändern. Und ich dachte, die Umwälzung zu verhindern würde eine gute Sache sein...«

»Und wie willst du das anstellen?« fragte Raistlin. In seinen Augen brannte ein heißes Feuer.

»Nun, ich plante, die Sache erst mit dir zu besprechen«, sagte der Kender in der Hoffnung, daß Raistlin für Schmeicheleien noch empfänglich war, »und dann dachte ich – wenn du deinen Segen gibst —, daß ich einfach zum Königspriester gehe und mit ihm spreche und ihm sage, daß er wirklich einen großen Fehler macht – einen der ewigwährenden großen Fehler, wenn du verstehst, was ich meine. Und ich bin mir sicher, wenn ich es ihm erst einmal erklärt habe, wird er zuhören...«

»Da bin ich mir sicher«, sagte Raistlin, seine Stimme klang kühl. Aber Tolpan glaubte, einen Ton großer Erleichterung in ihr ausgemacht zu haben. »Also«, der Magier drehte sich um, »du hast vor, mit dem Königspriester zu reden. Und was ist, wenn er sich weigert zuzuhören? Was ist dann?«

»Vermutlich habe ich das nicht berücksichtigt«, antwortete der Kender. Er seufzte und zuckte die Schultern. »Dann gehen wir eben nach Hause.«

»Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, sagte Raistlin sanft, setzte sich auf einen Stuhl und musterte den Kender mit seinen spiegelgleichen Augen. »Eine sichere Möglichkeit! Eine Möglichkeit, wie du die Umwälzung verhindern kannst, ohne zu versagen.«

»Und die wäre?« fragte Tolpan begierig.

»Das magische Gerät«, antwortete Raistlin und streckte seine schlanken Hände aus. »Seine Kräfte sind groß, weit größer, als Par-Salian dem Idioten von meinem Bruder mitgeteilt hat. Aktiviere es am Tag der Umwälzung, und seine Magie wird das feurige Gebirge hoch oben im Himmel zerstören, so daß niemand Schaden davonträgt.«

»Wirklich?« keuchte Tolpan. »Das ist ja wundervoll!« Dann runzelte er die Stirn. »Aber wie kann ich sicher sein? Nehmen wir an, es funktioniert nicht...«

»Was hast du zu verlieren«, fragte Raistlin, »wenn es aus irgendeinem Grund versagt? Aber letzteres bezweifle ich wirklich.« Er lächelte über die Naivität des Kenders. »Es wurde immerhin von den mächtigsten Magiern geschaffen...«

»Wie die Kugeln der Drachen?« unterbrach ihn Tolpan.

»Wie die Kugeln der Drachen«, sagte Raistlin, über die Unterbrechung verärgert. »Aber wenn es versagt, könntest du es immer noch benutzen, um im letzten Augenblick zu entkommen.«

»Mit Caramon und Crysania«, fügte Tolpan hinzu.

Raistlin antwortete nicht, aber der Kender bemerkte es in seiner Aufregung nicht. Dann fiel ihm etwas ein. »Was ist, wenn Caramon vorher aufbrechen will?« fragte er besorgt.

»Wird er nicht«, antwortete Raistlin sanft. »Vertrau mir«, fügte er hinzu, als er sah, daß Tolpan Einwände erheben wollte.

Der Kender grübelte wieder nach, dann seufzte er. »Mir fiel noch etwas ein. Ich glaube nicht, daß Caramon mir das Gerät geben wird. Er läßt es niemals aus den Augen und verschließt es in einer Kommode, wenn er das Zimmer verlassen muß. Und ich bin mir sicher, daß er mir nicht glauben würde, wenn ich ihm zu erklären versuchte, warum ich es haben will.«

»Sag es ihm nicht. Der Tag der Umwälzung ist der Tag des Endkampfes«, sagte Raistlin schulterzuckend. »Wenn es kurze Zeit nicht da ist, wird es ihm gar nicht auffallen.«

»Aber das wäre Diebstahl!« widersprach Tolpan.

Raistlins Lippen kräuselten sich. »Laß uns sagen: ausleihen. Caramon würde nicht böse sein. Ich kenne meinen Bruder. Denk doch mal, wie stolz er auf dich sein wird!«

»Du hast recht«, sagte Tolpan mit glänzenden Augen. »Ich werde ein wahrer Held sein, größer als Kronin Distelknot! Wie finde ich heraus, wie es funktioniert?«

»Ich gebe dir die Anweisungen«, sagte Raistlin und erhob sich. Er begann wieder zu husten. »Komm wieder... in drei Tagen. Und jetzt... muß ich mich ausruhen.«

»Sicher«, sagte Tolpan freudig und stand auf. »Ich hoffe, es geht dir bald besser.« Er ging zur Tür. Doch dort zögerte er noch einmal. »Ich habe kein Geschenk für dich. Es tut mir leid...«

»Du hast mir ein Geschenk gegeben«, sagte Raistlin, »ein Geschenk von unermeßlichem Wert. Vielen Dank.«

»Habe ich das?« fragte Tolpan erstaunt. »Oh, du meinst, daß ich die Umwälzung verhindern will? Nun ja, nicht der Rede wert. Ich...«

Tolpan fand sich plötzlich mitten im Garten wieder, starrte auf die Rosenbüsche und einen äußerst überraschten Kleriker, der den Kender sich aus dem Nichts materialisieren sah, mitten auf dem Weg.

»Beim Bart des großen Reorx, wenn ich nur wüßte, wie das funktioniert«, sagte Tolpan nachdenklich.

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