Ich hatte Rence gesammelt, und Telima hatte mit Sumpfried das Boot geflochten. Während sie arbeitete, untersuchte ich meine Waffen.
Das Mädchen hatte sie im Rence versteckt gehabt, wo sie den Gegnern verborgen geblieben waren. Ich besaß nun wieder mein Schwert, die gehärtete doppelschneidige Klinge aus vorzüglichem goreanischem Stahl, die mich bereits bei der Belagerung Ars begleitet hatte, dazu die Schneide und das runde Bosklederschild; ich verfügte auch über den einfachen Helm ohne Insignien mit dem Y-förmigen Sehschlitz und meine alte, fleckige Kriegertunika und natürlich über den großen, weichen Langbogen mit Pfeilen.
Ich zählte die Geschosse – insgesamt siebzig. Fünfzig waren Federpfeile, zwanzig Flugpfeile. Der goreanische Federpfeil ist etwas über einen Meter lang, während der Flugpfeil nur achtzig Zentimeter mißt. Beide haben Metallspitzen und sind mit drei Halbfedern aus den Flügeln der Voskmöven versehen.
Ich hatte Telima gebeten, das Boot stabiler und breiter zu machen als gewöhnlich. Ich war kein Rencebauer, und wenn ich den Bogen abfeuerte, mußte ich stehen und durfte das Gleichgewicht nicht verlieren.
Als das Fahrzeug schließlich fertig war, war ich zufrieden, und kaum eine Ahn nach unserer Rückkehr zur Insel stakte uns Telima vom Ufer los, steuerte uns hinter den großen Barken der Sklavenhändler her.
Die Pfeile lagen vor mir, lose aufgereiht in dem großen Ledertuch. In meiner Hand ruhte der riesige Bogen, dessen Sehne ich noch nicht eingehängt hatte. Die Linie der sechs Barken hatte die Fahrt verlangsamt, hatte schließlich gestoppt, die Ruder halb eingezogen, wartend. Es ist sogar für ein kleines Renceboot manchmal schwierig, sich durch das dichte Schilf und den Rencebewuchs einen Weg zu bahnen.
Vom Flaggschiff war ein kleines Holzboot ausgesetzt und nach vorn geschickt worden. Zwei Sklaven standen am Heck des flachen Fahrzeugs und stakten es voran. Zwei weitere Sklaven hockten im Bug und hantierten mit langen Stangen, an deren Enden Klingen blitzten; sie schnitten den Weg für die nachfolgenden Barken frei – eine Passage, die für die Schiffe und ihre breit ausladenden Ruder ausreichen mußte.
Die sechste Barke begann etwas nach Lee abzutreiben, bewegte sich im Halbkreis herum. Ihr Rudermeister brüllte wütend auf und wandte sich an den Steuermann, der sich nicht rührte. Er hatte in der Mittagshitze des Deltas seinen Helm abgesetzt.
Der Rudermeister verlor die Beherrschung, sprang die Stufen zum Ruderdeck empor und packte wütend den Arm des Steuermanns und schüttelte ihn. Abrupt ließ er los, und der Steuermann stürzte leblos zu Boden.
Der Rudermeister schrie angstvoll auf und rief Krieger hervor, die auf dem Ruderdeck zusammenliefen.
Der Pfeil meines Langbogens hatte den Kopf des Mannes glatt durchbohrt und war hundert Meter weiter unsichtbar im Sumpf niedergegangen.
Die Männer konnten sich nicht erklären, was geschehen war. Unsicher sahen sie sich um. Der Sumpf war still. Nur in der Ferne war das Pfeifen einer Marschgans zu hören.
Geschickt steuerte Telima das Boot durch das Schilf, brachte uns ungesehen in die Nähe der schweren, langsamen Barken, die durch ihren Tiefgang durch die Sumpfvegetation besonders behindert wurden. Es gab Augenblicke, da waren wir nur wenige Meter von den Booten entfernt, ständig in Bewegung, doch vorzüglich gedeckt durch das dichte Schilf.
Wir passierten die fünfte Barke, dann die vierte und dritte. Ich hörte die Rufe der Verwirrung, die von Boot zu Boot weitergegeben wurden.
Bald hatten wir den Bug der ersten Barke, des Flaggschiffs, erreicht. Die Krieger aus Port Kar drängten sich mittschiffs und am Heck und blickten nach hinten, um zu sehen, was los war. Auch einige Rudersklaven standen auf und schauten zurück. Auf dem schmalen Vorderdeck standen unter dem hohen, gebogenen Bug der Offizier und Henrak und starrten ebenfalls nach hinten. Auf dem hohen Bug, an dem das dunkelhaarige Mädchen festgebunden war, stand ein Ausguck, den ich mir nun zum Ziel nahm.
Ich stand auf dem kleinen Boot, die Beine gespreizt, den Kopf nach links gewandt. Ich zog den Pfeil durch, bis seine Federn an meiner Wange lagen; ich hielt den Atem an und zielte. Dann ließ ich die Sehne los.
Auf die kurze Entfernung durchstieß der Pfeil mühelos den Körper. Während der Mann keinen Laut von sich gab, schrie das Mädchen am Bug laut auf. Wasser spritzte.
Die vier Sklaven in dem kleinen Boot stießen ebenfalls erschreckte Rufe aus. Auf der anderen Seite der Barke wurde das Wasser aufgewühlt, doch der Mann blieb stumm; wahrscheinlich war er schon tot, als er vom Schiff fiel. Auf der Barke lief der Offizier mit dem goldverzierten Helm an die Reling, während das Mädchen am Bug hysterisch kreischte. Lautlos setzte Telima unser Boot wieder in Bewegung, stakte zurück zur letzten Barke.
»Schneidet!« hörte ich den Offizier den Sklaven in dem kleinen Boot zurufen, die sofort hektisch die Arbeit wieder aufnahmen.
Den ganzen Nachmittag hindurch umkreisten Telima und ich wie lauernde Sleen ohne Eile die Reihe der Barken und gaben ganz nach Belieben weitere Pfeilschüsse ab. Zuerst nahm ich mir die Steuermänner vor, und bald fand sich niemand mehr, der auf das Ruderdeck steigen wollte.
Nach einiger Zeit sprangen Krieger in das kleine Boot, um den Sklaven beim Freimachen des Wegs zu helfen, doch diese Männer waren eine leichte Beute für meine Pfeile.
Und war die Bahn einigermaßen frei und wagte es ein Rudermeister, seinen Sitz einzunehmen, um die Rudersklaven anzutreiben, so endete er prompt mit einer Pfeilspitze im Herzen. Nun wagte sich auch niemand mehr auf den Platz des Rudermeisters.
Bei Einbruch der Dunkelheit entzündeten die verängstigten Männer aus Port Kar zu ihrem Unglück Fackeln auf den Barken; denn im Schein der Flammen fanden die Pfeile des Langbogens mühelos ihr Ziel.
Daraufhin wurden die Flammen wieder gelöscht, und angstvoll warteten die Männer aus Port Kar in der Dunkelheit auf den Morgen.
Wir hatten von verschiedenen Seiten und zu verschiedenen Zeiten zugeschlagen, und Telima hatte oft das Pfeifen der Marschgans erklingen lassen. Die Männer von Port Kar wußten im Gegensatz zu mir genau, daß sich die Rencebauern durch diese Laute verständigen, so daß die Wirkung recht befriedigend war, zumal Telimas Rufe ständig durch echte Gänse beantwortet wurden. Die Männer an Bord der Barken mußten annehmen, von Rencebauern völlig eingekreist zu sein.
Von Zeit zu Zeit erwiderten sie mein Feuer, doch ihre Pfeile fielen harmlos in den Sumpf. Nur selten kam ein Geschoß in gefährliche Nähe, weil Telima ständig unsere Position veränderte.
In der Dunkelheit aßen Telima und ich Rencekuchen, den wir von der Insel mitgebracht hatten, und tranken Wasser.
»Wie viele Pfeile hast du noch?« fragte sie.
»Zehn.«
»Das genügt nicht.«
»Stimmt«, sagte ich, »aber wir genießen jetzt den Schutz der Dunkelheit.«
Ich hatte mir einige Sumpfranken zurechtgeschnitten und daraus eine Schlinge gemacht.
»Was willst du tun?« fragte sie.
»Bring mich zur vierten Barke«, erwiderte ich.
Wir hatten ausgerechnet, daß an Bord der Barken etwa hundert Krieger sein mußten. Davon mochten abzüglich der Ausfälle noch fünfzig Männer übrig sein – auf die sechs Barken verteilt.
Lautlos steuerte Telima die vierte Barke an.
Wie wir festgestellt hatten, waren die Krieger hauptsächlich auf die letzte und die erste Barke konzentriert.
Während des Nachmittags waren die großen Schiffe enger zusammengerückt und Bug an Heck vertäut worden, so daß die Besatzungen sich gegenseitig zu Hilfe kommen konnten. Sollte etwa in der Mitte der Schiffskette ein Enterversuch gemacht werden, konnten die Eindringenden von den Flanken her aufgerollt werden. Dieses Arrangement ließ die Barken zu einem langen, schmalen Holzfort werden.
Diese Verteidigungsmaßnahmen ließen es logisch erscheinen, daß die Angreifer – wahrscheinlich die männliche Bevölkerung einer oder vielleicht zweier Renceinseln – entweder die erste oder die letzte Barke angriff, um nicht zwischen zwei Fronten zu geraten.
Wir hatten nun die Bordwand der vierten Barke erreicht. Da ich keine große Streitmacht zur Verfügung hatte, schien es mir das beste, die Männer aus Port Kar für mich kämpfen zu lassen.
Dicht an der Außenwand des Schiffes stehend, von dem kleinen Boot sanft gewiegt, stieß ich ein klickendes Geräusch aus, das bedeutungslos war, aber dennoch eine erschreckende Wirkung hatte.
Ich hörte einen scharfen Atemzug, ein Laut, der mir den Standort eines Mannes verriet.
Mit meiner Schlinge zerrte ich ihn über die Reling, senkte ihn in den Sumpf und hielt ihn fest, bis ein Tharlarion mir die Last abnahm.
Die Sklaven, an ihren Bänken festgekettet, begannen Angstrufe auszustoßen.
Ich hörte Männer von beiden Seiten auf den Lärm zulaufen.
In der Dunkelheit stießen sie aufeinander, brüllend, die Waffen schwingend. Ich hörte, wie Männer, die zwischen zwei Barken danebentraten, kreischend in den Sumpf stürzten. Es wurde viel gebrüllt.
Jemand rief nach einer Fackel.
Telima steuerte uns zurück, von der Barke fort, während ich den Langbogen zur Hand nahm und einen Pfeil auflegte.
Als die Fackel aufflammte, schickte ich den Pfeil in das Herz des Mannes, der sie hielt, und er und die Fackel wirbelten herum, wie von einer Riesenfaust getroffen. In dem Durcheinander wurde ein zweiter Mann über die Bordwand gestoßen. Man forderte weitere Fackeln, doch niemand entzündete das Feuer.
Und dann ertönte das Klirren von Schwertern. »Sie sind an Bord!« kreischte jemand. »Wir werden geentert! Kämpft!«
Telima hatte uns dreißig Meter in den Sumpf hinausgestakt, und ich wartete mit schußbereitem Bogen. Doch niemand brachte eine neue Fackel.
Ich hörte Männer über den Gang zwischen den Ruderbänken laufen. Ich hörte Schmerzensschreie, die Rufe entsetzter Sklaven und Aufklatschen von Körpern im Wasser.
Aus der anderen Richtung vernahm ich eine Stimme, die weitere Männer nach vorn befahl, die Befehl gab, den Angreifern in die Flanke zu fallen. Ich ließ Telima das Boot wieder zu den Barken steuern und beteiligte mich von außen an dem Kampf, indem ich die Klinge in einen der herumwirbelnden Körper stieß und mich wieder zurückzog.
Der Lärm war unbeschreiblich. Stahl klirrte. Immer wieder stießen wir zu den Flanken der dritten und vierten Barke vor, kehrten dann in den Sumpf zurück und warteten ab.
Als mir scheinen wollte, daß das Geschrei und das Waffenklirren laut genug war, sagte ich zu Telima: »Jetzt ist Zeit zum Schlafen.«
Sie schien überrascht, gehorchte jedoch sofort, während ich die Sehne des großen Bogens aushakte.
Als sich unser Renceboot genügend weit von den Barken entfernt hatte und im Ried und Schilf verloren war, ließ ich Telima die Stange in den Morast treiben und unser Fahrzeug daran sichern.
»Wie kannst du jetzt schlafen?« fragte sie.
»Es ist Zeit zum Schlafen«, wiederholte ich. »Komm her.«
Zögernd gehorchte sie. Ich fesselte ihr die Hände mit einem Stück Sumpfranke auf den Rücken und sicherte auch ihre Fußgelenke. Dann legte ich sie ins Boot. Sie war ein intelligentes Mädchen und begriff die Notwendigkeit einer solchen Vorsichtsmaßnahme, sie sagte kein Wort.
Mich erfüllte Bitterkeit. Ich, Tarl Cabot, der ich mich selbst haßte, hatte das Vertrauen in andere Menschen verloren. Den Kampf dieses Nachmittags hatte ich für ein Kind gefochten, das mir einmal mit Freundlichkeit begegnet war, nun aber nicht mehr lebte. Ich selbst war ein Feigling, jemand, der der Farbe seiner Kriegertunika nicht mehr würdig war, der sich selbst anwiderte.
Ehe ich in den erlösenden Schlaf sank, galt mein letzter Gedanke der Tatsache, daß ich die Freiheit des ehrenvollen Todes ausgeschlagen hatte und daß ich allein war.
Vor Kälte erstarrt, erwachte ich in der ersten Morgendämmerung. Der Wind raschelte im Schilf, und über mir quiekten vier Uls, die gemächlich am Himmel entlangzogen.
Telima war bereits wach. Ich löste ihre Fesseln, und sie reckte sich wortlos. Anschließend teilten wir die restlichen Nahrungsmittel und das Wasser und aßen stumm.
Als sie sich mit dem Handrücken die letzten Krümel aus dem Gesicht wischte, sagte sie: »Du hast nur noch neun Pfeile.«
»Ich glaube nicht, daß es noch darauf ankommt«, sagte ich. »Bring uns zu den Barken.«
Sie blickte mich verständnislos an, löste das Renceboot vom Anker und zog den Pfahl aus dem Morast. Dann stakte sie uns zu den Barken, die im Morgenlicht verlassen und grau wirkten. Langsam umkreisten wir die sechs schwerfälligen Schiffe. Als wir etwa eine Ahn gewartet hatten, befahl ich Telima, die sechste Barke anzusteuern.
Ich spannte den großen Bogen und steckte mir die neun Pfeile in den Gürtel. An meiner Hüfte hing das Kurzschwert. Mehrere Ehn lang verhielten wir unter dem hohen Heck der letzten Barke. Dann bedeutete ich Telima, ihren Ruderstab an der Schiffswand entlangzuführen. Es gab ein hohles Geräusch.
Keine Reaktion.
Nun nahm ich den Helm aus dem Bündel zu meinen Füßen und hob ihn über die Reling der Barke. Nichts geschah. Kein Laut war zu hören.
Ich führte unser kleines Boot vorsichtig an der Barke entlang, zum Bug, wo mich das Sklavenmädchen, das dort festgebunden war, nicht sehen konnte. Vorsichtig legte ich den Bogen ab und nahm auch die Pfeile aus dem Gürtel. Ich ließ auch den Schild liegen, der mich nur beim Klettern behindert hätte.
Ich setzte den Helm auf und hob langsam den Kopf, bis ich über die Reling blicken konnte. Durch den Bug vom Heck der fünften Barke geschützt, kletterte ich schließlich an Bord. Ich war Herr über das Schiff.
»Schweig!« sagte ich zu der Sklavin am Bug.
Sie hätte fast aufgeschrien und versuchte zu sehen, wer da hinter ihr gesprochen hatte. Doch ihre Fesseln waren zu eng.
Sklaven, an ihre Sitze gekettet, ausgemergelt, starrten mich an. »Still«, sagte ich. Die Gefangenen von den Renceinseln lagen dichtgepackt zwischen den Ruderbänken, mit den Köpfen zum Heck.
»Wer ist da?« flüsterte einer.
»Still«, zischte ich.
Ich blickte über die Reling zu Telima hinunter und gab ihr ein Zeichen, mir meinen Schild zu reichen, dann den Langbogen und die letzten neun Pfeile. Dann winkte ich das Mädchen an Bord und ließ sie das Boot an der großen Barke festbinden.
»Das Beiboot der Barken ist fort«, sagte sie.
Ich schwieg. Natürlich hatte ich das gesehen, sonst wäre ich nicht so schnell an Bord gegangen. »Folge mir«, sagte ich.
An Bord der sechsten Barke fanden sich keine Männer aus Port Kar, doch als ich vom Vorderdeck des sechsten Schiffs auf das Heck des nächsten hinüberstieg, sah ich tote Krieger. In einigen steckten Pfeile meines Langbogens. Die meisten jedoch waren offenbar an Speer- und Schwertwunden gestorben, während viele andere zweifellos in der Verwirrung über Bord gedrängt worden waren.
Ich deutete auf die Toten. »Hol mir die Pfeile«, sagte ich.
So marschierten wir die Kette der Barken ab – ich voraus, mit Schild und Schwert, gefolgt von Telima, einem Rencemädchen, das meinen Langbogen und die Pfeile trug und diesem Bündel weitere blutige Pfeile hinzufügte.
Nirgends fanden wir einen lebendigen Mann aus Port Kar. Die sich noch hatten retten können, waren offenbar mit dem kleinen Boot geflohen. Wahrscheinlich waren sie noch während des Kampfes oder kurz danach in der Stille, die der Vorläufer eines neuen fürchterlichen Angriffes sein konnte, über die Bordwand geklettert und in verzweifelter Hast in die Dunkelheit geflohen.
Wir standen nun auf dem Vorderdeck der ersten Barke.
»Sie sind alle tot«, sagte Telima mit erstickter Stimme.
»Geh aufs Ruderdeck«, befahl ich ihr. Sie gehorchte.
Über mir war das schlanke, dunkelhaarige Mädchen an den Bug gebunden.
»Bitte«, flehte sie und versuchte den Kopf zu wenden. »Wer ist da?«
Ich antwortete nicht, sondern wanderte den Gang zwischen den Ruderbänken entlang, bis ich das Ruderdeck erreichte.
»Danke, Krieger«, flüsterte mir Telima zu.
Ich deutete auf ein Stück Schnur, das auf Deck lag. Sie legte den Langbogen und die Pfeile ab und reichte mir die Schnur, mit der ich sie fesselte, ehe ich mich im Schneidersitz auf das Ruderdeck setzte und meine Pfeile zählte. Ich hatte nun wieder fünfundzwanzig Geschosse, achtzehn Federpfeile und sieben Flugpfeile. Ich legte den Bogen neben mich und breitete die Pfeile vor mir auf den Planken aus.
Dann stand ich auf und wanderte nach hinten, bis ich die sechste Barke erreichte. Die Sklaven auf ihren Ruderbänken rührten sich kaum.
»Gib mir Wasser«, flüsterte ein gefesselter Rencebauer, aber ich ging achtlos an ihm vorüber.
Die Mädchen an den Bugsprieten waren so angebunden, daß sie nur den Himmel über dem Sumpf sehen konnten; aber sie hätten mich auch so nicht erkannt, ebensowenig wie die gefesselten Rencebauern, die übereinandergeworfen zwischen den Ruderern lagen. Ich trug meinen Helm, der keine Insignien hatte.
Niemand sprach. Ich hörte nicht einmal das Rasseln einer Kette. Als ich das Ruderdeck der sechsten Barke erreichte, blickte ich zurück und überschaute die Schiffe. Sie gehörten nun mir.
Irgendwo weinte ein Kind.
Ich kehrte zum Vorderdeck der sechsten Barke zurück, löste dort das kleine Renceboot, stieg hinein und stakte es langsam zur ersten Barke vor. Dort machte ich an der Steuerbordseite des Bugs fest, stieg wieder an Bord, begab mich auf das Ruderdeck und nahm Platz auf dem Sessel des Rudermeisters.
Telima kniete gefesselt auf der Treppe, die zu mir heraufführte.
»Ich hasse die Rencebauern«, sagte ich.
»Hast du sie deshalb vor den Männern aus Port Kar gerettet?« fragte sie.
Ich starrte sie wütend an. »Ein Kind war freundlich zu mir.«
»Du hast dies alles wegen des Kindes getan?«
»Ja.«
»Und doch bist du nun grausam gegenüber einem Kind, das gefesselt und hungrig ist.«
Es stimmte. Ich hörte ein Kind weinen – auf der zweiten Barke, wie ich nun erkannte.
Wütend stand ich auf. »Ich bin hier der Herr. Wenn ich will, bringe ich euch alle nach Port Kar und verkaufe euch!«
»Das Kind«, sagte sie, »hat Schmerzen. Es ist bestimmt hungrig und durstig.«
Ich machte kehrt und sprang zur zweiten Barke hinüber. Dort fand ich das Kind, einen etwa fünfjährigen Jungen, blond und blauäugig, wie viele Rencebauern. Ich band ihn los und nahm ihn auf die Arme. Dann befreite ich auch seine Mutter und sagte ihr, sie solle dem Kind zu essen und zu trinken geben.
Nachdem das erledigt war, führte ich beide auf das Ruderdeck der ersten Barke, um sie im Auge zu behalten, und nahm wieder den Platz des Rudermeisters ein.
»Danke«, sagte Telima, aber ich antwortete nicht.
In meinem Herzen war Haß auf die Rencebauern, denn sie hatten mich zum Sklaven gemacht. Sie hatten mich gelehrt, mich selbst in einem Licht zu sehen, das mir neu war, sie hatten mir eine Illusion geraubt, die mir lieb und wert gewesen war. Sie hatten mir den Halt geraubt.
Ich zog meine goreanische Klinge und legte sie über die Knie.
»Ich bin hier der Ubar«, sagte ich.
»Ja«, sagte Telima, »hier bist du Ubar.«
Ich starrte auf den Sklaven, der auf der Steuerbordseite die erste Bank anführte, und er erwiderte meinen Blick.
Seine Füße waren an einen Balken gekettet, der längs im Schiff verlief und an Deck festgemacht war; an Backbord fand sich ein ähnlicher Balken. Er war barfuß und trug Lumpen. Sein Haar war verfilzt, und um seinen Hals zog sich ein Eisenkragen.
»Herr?« fragte er.
Ich starrte ihn eine Zeitlang an. Dann fragte ich: »Wie lange bist du schon Sklave?«
Verwirrt antwortete er: »Sechs Jahre.«
»Was warst du früher?«
»Aalfischer.«
»Welche Stadt?«
»Von der Insel Cos.«
Ich musterte einen anderen Mann. »Aus welcher Kaste stammst du?«
»Aus der Kaste der Bauern«, sagte er stolz. Er war ein großer, breitschultriger Mann mit gelbem, zottigem Haar; er trug ebenfalls einen Sklavenkragen.
»Hattest du einen Heimstein?« fragte ich.
»Sogar einen eigenen, in meiner Hütte«, sagte er.
»Bei welcher Stadt hast du gelebt?«
»Bei Ar«, sagte er.
»Ich war einmal in Ar«, sagte ich und blickte über den Sumpf. Dann wandte ich mich wieder an den Fischer. »Wo werden die Schlüssel für die Ketten aufbewahrt?«
»Er hängt in der Armlehne deines Sessels.«
Ich untersuchte die breite Armstütze und fand rechts eine kleine Schiebetür, hinter der sich Lappen, Schnur und ein schwerer Metallschlüssel befanden.
Ich nahm den Schlüssel und löste die Ketten des Aalfischers und des Bauern.
»Ihr seid freie Männer!« sagte ich.
Eine lange Zeit saßen sie reglos auf ihrer Bank.
»Ihr seid freie Männer!« wiederholte ich.
Mit lautem Lachen sprang der Bauer plötzlich auf und schlug sich gegen die Brust. »Ich bin Thurnock!« rief er. »Ein Bauer!«
»Du verstehst mit dem Langbogen umzugehen?« fragte ich.
»Thurnock weiß gut zu schießen.«
Der andere Mann erhob sich nun ebenfalls. »Mein Name ist Clitus«, sagte er. »Ich bin Fischer. Ich kann ein Schiff nach den Sternen lenken und kenne mich mit Netz und Dreizack aus.«
»Ihr seid frei«, sagte ich noch einmal.
»Ich bin dein Mann!« rief der Bauer.
»Ich auch«, sagte der Fischer, »ich will dir folgen.«
»Sucht mir bei den gefesselten Rencebauern einen Mann, der Ho-Hak genannt wird, und bringt ihn her.«
»Ja«, sagten sie.
Ich wollte Hof halten.
Telima, die auf der Treppe unter mir kniete, blickte auf. »Welches Vergnügen will sich mein Ubar mit seinen Gefangenen machen?« fragte sie.
»Ich verkaufe euch alle in Port Kar«, sagte ich.
Sie lächelte. »Natürlich kannst du tun, was dir beliebt.«
Ich starrte sie wütend an, nahm das Schwert und hob ihr Kinn mit der Klinge an.
Dann ließ ich die Waffe fallen, packte die Schultern des Mädchens und hob sie hoch. »Ich könnte dich umbringen«, sagte ich. »Ich hasse dich! Du hast mich vernichtet!« Und ich stieß sie so heftig von mir, daß sie die Treppe hinabstolperte.
Tränen standen ihr in den Augen, als sie mich ansah. »Du bist nicht vernichtet, Ubar«, sagte sie, während ich wütend wieder Platz nahm. »Wenn hier jemand vernichtet wurde, dann ich.«
»Rede keinen Unsinn«, erwiderte ich aufgebracht.
Ich schämte mich, daß ich so grob gewesen war, aber das durfte ich nicht zeigen. Im Grunde meines Herzens wußte ich, daß es ein Verrat an mir selbst gewesen war – ich allein war schuldig, nicht sie. Ich hatte meinen Heimstein entehrt und die Klinge, die ich trug.
In diesem Augenblick kehrten Thurnock und Clitus zurück. Zwischen sich führten sie Ho-Hak, der an Händen und Füßen gefesselt war und noch immer seinen rostigen Sklavenkragen mit dem Kettenende trug.
Ich setzte meinen Helm ab.
»Ich wußte, daß du es warst«, sagte er. »Es waren über hundert.«
»Du hast gut gekämpft, Ho-Hak«, sagte ich. »Nur mit einem Ruderblatt.«
»Nicht gut genug«, sagte er und sah mich an. »Warst du allein?«
»Nein«, sagte ich und deutete mit einer Kopfbewegung auf Telima.
»Gut gemacht, Frau«, sagte Ho-Hak.
Sie hob den Kopf und lächelte ihn an.
»Warum kniet die Frau, die dir geholfen hat, gefesselt zu deinen Füßen?«
»Ich traue ihr nicht«, sagte ich, »ebensowenig wie euch.«
»Was hast du mit uns vor?« fragte Ho-Hak.
»Hast du keine Angst, daß ich dich gefesselt den Tharlarion vorwerfe?«
»Nein«, sagte Ho-Hak.
»Du bist ein mutiger Mann.«
»Es liegt nicht an meinem Mut«, erwiderte Ho-Hak. »Ich weiß nur, daß du mich nicht ins Wasser stoßen wirst.«
»Woher willst du das wissen?«
»Niemand, der nur mit einem Mädchen als Helferin gegen hundert Männer kämpft, kann so handeln.«
»Ich verkaufe euch alle in Port Kar!« rief ich.
»Vielleicht«, sagte Ho-Hak, »aber ich glaube es nicht.«
»Aber ich habe dich und all die anderen nur zu Sklaven gewonnen, damit ich mich an euch rächen kann, weil ihr mich zum Sklaven gemacht habt. Reiche Beute für Port Kar!«
»Das glaube ich dir nicht«, sagte Ho-Hak.
»Er hat es allein für Eechius getan«, sagte Telima.
»Eechius ist auf der Insel umgekommen«, sagte Ho-Hak.
»Eechius hat ihm ein Stück Rencekuchen gegeben, als er am Pfahl stand. Er hat nur für ihn gekämpft.«
Ho-Hak starrte mich an, Tränen in den Augen. »Ich bin dir dankbar, Krieger«, sagte er.
Ich verstand seine Reaktion nicht. »Schafft ihn fort!« befahl ich.
Thurnock und Clitus schleiften Ho-Hak auf das zweite Schiff, zu den anderen Sklaven.
Ich war wütend. Ho-Hak hatte nicht um Gnade gefleht. Er hatte sich nicht erniedrigt wie ich. Er war ein Dutzendmal mehr Mann als ich. Ich haßte die Rencebauern! Ich war der Liebe der beiden Frauen meines Lebens nicht mehr würdig – Talena, die sich einmal bereitgefunden hatte, meine Freie Gefährtin zu sein, und Vella, Elizabeth Cardwell von der Erde, die ihre Liebe einem Mann geschenkt hatte, der Verachtung und Spott verdiente. Und ich war der Wertschätzung meines Vaters Matthew Cabot nicht mehr würdig, der Administrator von Ko-ro-ba war, und auch nicht der Freundschaft meines Waffenmeisters, des Älteren Tarl, oder meines kleinen Freundes Torm, des Schriftgelehrten. Ich konnte meinen Freunden nicht mehr unter die Augen treten, Kron aus Tharna, Andreas aus Tor, Kamchak von den Tuchuks, Relius und Ho-Sorl aus Ar – keinem mehr. Sie alle mußten mich nun verachten.
Ich hob den Kopf. »Ich reise nach Port Kar!« sagte ich.
Thurnock kreuzte die mächtigen Arme auf der Brust und nickte, auch Clitus gab sein Einverständnis. »Ich folge dir.«
»Baut ein Floß«, sagte ich. »Es muß groß genug sein für Nahrungsmittel und Wasser und mehr als zwei Männer. Und dann seht zu, was wir hier vielleicht mitnehmen wollen.«
Die Männer machten sich an die Arbeit. Ich blieb allein auf dem Platz des Rudermeisters zurück und barg das Gesicht in den Händen.
Hier war ich Ubar, doch meine Herrschaft fiel mir schwer. Ich hätte sie gern wieder gegen den Mythos Tarl Cabot eingetauscht und den Traum, der zerronnen war.
Als ich den Kopf hob, war ich ein harter, verbitterter Mann. Ich war Ubar in diesem Reich aus sechs Schiffen. Wie nie zuvor erkannte ich die wahre Natur des Menschen. In meinem Elend hatte ich es herausgefunden. Und ich sah mich plötzlich als Narr, daß ich bestimmten Regeln gefolgt war, daß ich mir Ideale gesetzt hatte.
Was konnte über der Macht der Schwertklinge stehen? Waren Ehre, Loyalität und Tapferkeit nicht nur die Selbsttäuschung von Ignoranten, ein Traum für Narren? War nicht allein derjenige klug, der aufpaßte und dann nahm, was er bekommen konnte? Gold und Macht und Frauen?
Ich war ein kräftiger Mann – ein Mann, der sich in einer Stadt wie Port Kar durchaus behaupten konnte.
»Das Floß ist fertig«, meldete Thurnock und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Wir haben Nahrungsmittel und Wasser gefunden«, sagte Clitus, »und auch Waffen und Gold.«
»Gut«, sagte ich.
»Was ist mit Sklavinnen?« erkundigte sich Thurnock.
Ich blickte zum Bug der ersten Barke, an der das schlanke dunkelhaarige Mädchen hing. Ich wandte den Kopf und musterte den zweiten Bug und den dritten, an dem ebenfalls Mädchen hingen, die mich im Augenblick tiefster Erniedrigung verspottet hatten. Ich lachte. Sie hatten sich Ketten und Halsband der Sklavin wahrlich verdient.
»Bringt die Mädchen vom zweiten und dritten Bug«, befahl ich.
Thurnock grinste. »Die sind wirklich schön!« sagte er bewundernd und machte sich mit seinem Begleiter auf den Weg.
Ich drehte mich um, schritt langsam durch das Schiff und erstieg das Vordeck.
Das Mädchen, das dort am Bug hing, konnte mich nicht sehen; mein Kopf war etwa einen Fuß unter ihren Zehen.
»Wer ist da?« fragte sie.
»Sei still, Sklavin«, sagte ich.
Dann durchschnitt ich ihre Fußfessel, stieg auf die Reling des Vordecks, stützte mich am Bugspriet ab und löste auch ihre Halsfessel und schließlich das Seil um ihre Hüfte. Dann drehte ich sie, ihre Arme waren um den Bug gefesselt, langsam herum, bis sie schließlich auch auf der Reling stand.
Sie schrie auf, als sie mich erblickte.
»Ja, ich bin es!« sagte ich und lachte. Grob hob ich ihr Kinn hoch, wie sie es mit mir am Tanzkreis gemacht hatte. »Du bist ein hübsches Ding, nicht wahr?« fragte ich.
Ihre Augen musterten mich entsetzt.
Mit heftiger Bewegung löste ich ihre Handfessel und zerrte sie von der Reling, so daß sie vor mir auf das Deck fiel. Dann stieß ich sie mit dem Fuß zur Seite und spuckte ihr ins Gesicht. Zum Zeichen ihrer Unterwerfung ließ ich sie die Arme überkreuz heben und fesselte sie ihr zusammen.
Dann kehrte ich zum Heck zurück, gefolgt von meiner Sklavin. Auf dem Ruderdeck warteten bereits das blonde grauäugige und das kleine dunkelhaarige Mädchen.
»Gefallen Sie euch?« wandte ich mich an Thurnock und Clitus.
»Schönheiten sind das!« sagte Thurnock. »Schönheiten!«
»Bitte!« sagte das blonde Mädchen.
»Sie gehören euch!« sagte ich.
»Ja!« rief Clitus und wandte sich dem kleineren Mädchen zu.
»Ist das Floß fertig?« fragte ich.
»O ja!« dröhnte Thurnock.
»Wir haben es zusammen mit dem Renceboot vorn am Steuerbordbug festgemacht.«
»Wie heißt du?« wandte ich mich an das schlanke Mädchen, das meine Sklavin geworden war.
»Midice«, sagte sie, »wenn es meinem Herrn gefällt.«
»Der Name mißfällt mir nicht«, sagte ich. »Ich werde dich so nennen.«
»Wie heißt du?« bellte Thurnock die große Sklavin an, die erschreckt zusammenfuhr.
»Thura«, antwortete sie.
»Ha!« rief er und schlug sich auf den Schenkel. »Thura! Ich heiße Thurnock! Wenn wir nicht zusammenpassen!«
Dem Mädchen schien dieser Zufall nicht sehr zu gefallen.
»Ich gehöre zur Kaste der Bauern«, sagte er stolz.
Das Mädchen schwieg; die Rencebauern hielten wenig von dieser Kaste, die zur niedrigsten auf Gor zählte.
Clitus hatte seinem Mädchen inzwischen die Sklavenfessel angelegt und erkundigte sich ebenfalls nach ihrem Namen.
»Ula«, sagte sie, »wenn es meinem Herrn gefällt.«
»Ist mir egal, wie du heißt«, sagte er, und das Mädchen senkte den Kopf.
Ich musterte die Frau und das Kind, die ich schon befreit hatte. Da sagte Telima, die noch immer gefesselt am Fuß der Rudertreppe kniete: »Wolltest du uns nicht alle nach Port Kar schaffen, um uns als Sklaven zu verkaufen?«
»Sei still«, sagte ich barsch und wandte mich wieder an die Frau und das Kind. »Wenn wir fort sind, befreit ihr eure Leute. Sagt Ho-Hak, daß ich drei Frauen mitgenommen habe. Das ist nicht zuviel für das, was mir angetan wurde.«
»Ein Ubar«, sagte Telima, »braucht niemandem Rechenschaft abzulegen.«
Ich packte ihre Oberarme und hielt sie in die Höhe.
Sie blieb völlig ungerührt.
»Diesmal wirfst du mich wohl die Treppe hinauf?« fragte sie trotzig.
»Der Mund dieses Rencemädchen ist wahrhaftig so groß wie das ganze Delta«, sagte Clitus.
»Stimmt«, bemerkte Telima.
Ich setzte sie wieder ab.
Dann sagte ich zu der Frau mit dem Kind: »Ich werde auch die Sklaven auf den Bänken befreien.«
»Die Sklaven sind gefährlich«, sagte sie und sah sich angstvoll um.
»Alle Männer sind gefährlich«, erwiderte ich.
Ich nahm den Schlüssel zu den Sklavenketten und warf ihn einem der Männer zu. »Wenn wir fort sind, befreist du dich und die anderen – auf allen Barken.«
Ungläubig blickte er auf den Schlüssel in seiner Hand. »Ja«, flüsterte er.
Die anderen Sklaven starrten mich wortlos an.
»Die Rencebauern werden euch sicher helfen, im Sumpf zu leben«, fuhr ich fort, »wenn ihr das wünscht. Wenn nicht, führen sie euch an den Rand des Deltas – fort von Port Kar.«
Die Sklaven schwiegen, und ich wandte mich zum Gehen. Da erklang eine Stimme.
»Mein Ubar«, sagte Telima.
Ich drehte mich um.
»Du reist doch nach Port Kar, nicht wahr?« fragte Telima.
»Ja.«
»Das ist interessant. Ich will auch dorthin.«
»Nein, kommt nicht in Frage.«
»Nimm mich mit«, sagte sie. »Als viertes Sklavenmädchen.«
»Nein!«
Sie musterte mich irritiert. Dann trat sie vor mich hin, kniete nieder und hielt mir ihre überkreuz gefesselten Handgelenke entgegen.
»Ich unterwerfe mich«, sagte sie.
»Du bist eine Närrin!«
Sie hob lächelnd den Kopf. »Du kannst mich ja einfach zurücklassen.«
»So geht das aber nicht«, sagte ich.
»Ach«, sagte sie, »ich dachte, du hättest die alten Regeln aufgegeben.«
»Vielleicht sollte ich dich töten!«
»Ein Mann aus Port Kar würde das vielleicht tun«, sagte sie.
»Oder vielleicht sollte ich dich mitnehmen und dir die Bedeutung des Sklavenkragens zeigen.«
»Ja«, lächelte sie, »oder das.«
Ich war angenehm berührt. Ich hatte sie nicht gezwungen, daß sie meine Sklavin wurde, doch aus unerfindlichem Grunde hatte sie sich mir freiwillig unterworfen. Meine Haßgefühle begannen wieder zu erwachen, meine Erinnerung an das, was sie mir angetan hatte, die Erniedrigungen, die ich ihr zu verdanken hatte.
»Ich hätte eigentlich erwartet, daß du nie wieder nach Port Kar wolltest«, sagte ich.
»Ich würde dir überallhin folgen«, sagte sie, »… sogar nach Port Kar.«
Das verstand ich nicht recht.
»Fürchtest du mich nicht?« fragte ich.
Sie sah mich an, ohne Angst, und schüttelte den Kopf.
»Ich bin ein Mann, wie er nach Port Kar gehört«, sagte ich.
»Trifft das auf mich nicht ebenso zu?« fragte sie.
Ich erinnerte mich an die Grausamkeit, mit der sie mich behandelt hatte. »Ja«, sagte ich, »so könnte man sagen.«
»Dann, Herr, wollen wir unsere Stadt aufsuchen.«