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Die Renceinseln der Marschgemeinden sind ziemlich klein, selten größer als siebzig Meter im Quadrat. Sie bestehen durch und durch aus den verwobenen Stämmen der Rencepflanze und schwimmen im Sumpf. Sie sind im allgemeinen etwa zwei Meter dick und ragten vielleicht einen Meter aus dem Wasser. In dem Maße, wie die Rencestengel unter der Insel abbrechen oder verfaulen, werden oben neue Schichten angefügt.

Um eine unerwünschte Fortbewegung der Insel zu verhindern, gibt es im allgemeinen mehrere lange Marschranken, die das Gebilde an starken Rencewurzeln festhalten. Es ist gefährlich, eine solche Leine festzumachen, weil die Sumpftiere so überaus raubgierig sind.

Soll die Insel weiterschwimmen, kappt man die Ranken einfach, und die Gemeinschaft teilt sich auf in eine Gruppe, die die langen Staken bedient, und in eine zweite Gruppe, die in kleinen Rencebooten vorausfährt und den Weg freihaut. Die Insel wird entweder vom Ufer aus angetrieben oder von ihrer Mitte her, wo es vier von Korbgeflecht geschützte quadratische Löcher gibt, durch die die langen Stangen ebenfalls in den Sumpfboden gestakt werden können. So läßt sich die Insel auch im Kriegsfall bewegen, ohne die stakenden Männer und Frauen äußeren Angriffen, etwa Pfeilattacken, auszusetzen. Bei Kämpfen versammeln sich die Bewohner hinter einer korbähnlichen Brustwehr, die sich um die mittleren Inselbrunnen zieht; in einem solchen Fall werden auch die niedrigen Rencehütten eingerissen, damit der Gegner keine Deckung findet, und alle Nahrungsmittel und Wasservorräte werden bei den Brunnen gelagert, die sodann eine Art Festung bilden und besonders gegen die Speere der anderen Rencebauern Schutz bieten. Leider nützt dieses System wenig bei einem gut organisierten Angriff überlegen bewaffneter Krieger, wie sie etwa aus Port Kar kommen, während jene, derer sie sich erwehren könnten – nämlich die anderen Rencebauern – selten angreifen. Seit fünfzig Jahren hatte es in den großen Deltasümpfen keine Feindseligkeiten mehr zwischen den Bauern gegeben; die Gemeinschaften leben oft in gut gehüteter Isolation und haben genügend Sorgen mit den »Steuereintreibern« von Port Kar, um sich auch noch um ihre Nachbarn zu kümmern.

»Du bist also auf dem Weg nach Port Kar?« fragte Ho-Hak und musterte mich von oben bis unten.

Er saß auf dem Riesenpanzer einer Vosksorp, der eine Art Thron bildete.

Ich kniete vor ihm, nackt und gefesselt. Zwei Marschranken waren mir zusätzlich um den Hals gebunden worden.

»Ja«, sagte ich. »Ich wollte nach Port Kar.«

»Wir mögen die Männer aus Port Kar nicht«, sagte Ho-Hak.

Um seinen Hals zog sich ein schwerer rostiger Eisenkragen, an dem noch ein Stück Kette hing. Vermutlich hatten die Rencebauern keine Werkzeuge, um den Kragen zu entfernen. Ho-Hak mochte ihn schon seit Jahren tragen. Er war zweifellos ein Sklave, der wahrscheinlich von einer Galeere Port Kars in die Marsch geflohen war.

»Ich bin nicht aus Port Kar«, sagte ich.

»Welches ist deine Heimstadt?«

Ich schwieg. Meine Identität, die Tatsache, daß ich Tarl Cabot war und daß ich den Priesterkönigen diente, ging diese Menschen nichts an. Ich kam aus dem Sardargebirge und wußte nur, daß ich nach Port Kar reisen und mich dort mit Samos, dem ersten Sklavenhändler der Stadt, in Verbindung setzen mußte.

»Du bist ein Geächteter«, sagte Ho-Hak.

Ich zuckte die Achseln; es stimmte, daß mein Schild und meine Kleidung keine Stadtzeichen trugen.

Ho-Haks rechtes Ohr zuckte. Seine Ohren waren ungewöhnlich groß und hatten sehr lange Läppchen, die von schweren Ringen noch mehr in die Länge gezogen wurden. Kein Zweifel – er hatte als Ruderer auf einer Galeere gedient, wovon auch seine breiten muskulösen Schultern zeugten, aber er war ein ungewöhnlicher Sklave, ein Exote, der von seinen Erzeugern sicher für höhere Aufgaben ausersehen gewesen war als für die Arbeit auf der Ruderbank.

»Du bist ein Exote«, stellte ich fest.

Ho-Haks Ohren neigten sich nach vorn, aber er schien nicht ärgerlich zu sein. Er hatte braunes Haar und braune Augen; das lange Haar war hinter seinem Kopf mit einer Renceschnur zusammengebunden. Er trug eine ärmellose Tunika aus Rencetuch.

»Ja«, sagte Ho-Hak. »Ich wurde für einen Sammler gezüchtet. Dem habe ich den Hals umgedreht und bin geflohen. Später fing man mich wieder ein und schickte mich auf die Galeeren.«

»Und von dort bist du wieder geflohen.«

»Und dabei«, sagte Ho-Hak und betrachtete stolz seine ungeheuren Pranken, »habe ich sechs Männer getötet.«

»Und dann kamst du in die Sümpfe?«

Er musterte mich. »Ja, und ich trage in mir die Erinnerung an ein Dutzend Jahre auf den Galeeren und meinen Haß auf alle Dinge, die mit Port Kar zusammenhängen.« Mehrere Rencebauern waren zusammengekommen, Männer mit Sumpfspeeren. Dicht neben mir stand das blonde Mädchen, das der Lockvogel in der Falle gewesen war. Hoch aufgerichtet, eine freie Frau neben einem niederen Sklaven, so stand sie neben mir. Über der Schulter trug sie die vier Vögel, die sie im Sumpf erlegt hatte. Auch andere Frauen waren zu sehen und hie und da Kinder.

»Entweder ist er aus Port Kar«, sagte sie, »oder er wollte nach Port Kar gehen, um dort zu bleiben. Weshalb sonst sollte er dorthin wollen?«

Ho-Hak schwieg lange Zeit. Er hatte einen breiten Kopf und ein massiges, ruhiges und nicht unintelligentes Gesicht.

Ich hörte den Schrei eines Haustarsks, der von einem Kind über die Insel gejagt wurde. Junge Marschgänse piepsten im Schilf. Gezähmte Vögel dieser Gattung wanderten auf der Insel herum und zupften an den Renceschichten herum.

In der Gruppe befanden sich mehrere bedeutend aussehende Männer, bei denen es sich – wie ich erfuhr – um die Anführer anderer Renceinseln aus der Umgebung handelte.

Jede Renceinsel bietet etwa fünfzig bis sechzig Menschen Raum. Die Männer mehrerer Inseln hatten bei meiner Verfolgung zusammengearbeitet. Gewöhnlich leben solche Gemeinschaften allein, doch der Tag der Herbst-Tag- und Nachtgleiche rückte heran, und mit ihm der erste Se’Kara, der große Festtag des Jahres. Zu dieser Zeit ist der größte Teil der jährlichen Renceernte eingebracht, und große Vorräte Rencepapier liegen bereit.

Zwischen Se’Kara und der Wintersonnenwende, die am ersten Se’Var eintritt, wird das Rence verkauft, an Händler, die in das Delta vordringen, oder auf Handelsplätzen am Rand des Sumpfgebiets. Auch am ersten Se’Var wird ein Fest gefeiert, dann jedoch auf den einzelnen Renceinseln. Ist die Jahresernte verkauft, streben die Inseln so schnell wie möglich wieder auseinander, um den »Steuereintreibern« aus Port Kar kein einladendes Ziel zu bieten. Ohnehin war das Risiko im Se’Kara schon groß genug. Die unverkauften Rencevorräte auf den Inseln stellten einen erheblichen Wert dar, wenn dieser Schatz auch ziemlich unhandlich war.

Hier jedoch mußte etwas Besonderes vorgehen, denn ich entdeckte fünf oder sechs Inselführer in der Runde. Sogar im Se’Kara ist es selten, daß mehr als drei Inseln zum Feiern zusammenkommen. Dabei wird viel Rencebier getrunken, gekocht und fermentiert aus zerdrückten Rencesamen und dem weißlichen Mark der Pflanze; dazu Gesang, Spiele, Wettbewerbe und das Freien um die Mädchen. Warum hatten sich so viele Renceinseln hier zusammengefunden? Sicher rechtfertigte die Gefangennahme eines Durchreisenden eine solche Massierung von Inseln nicht. Was also mochte der Grund sein?

»Er ist ein Spion«, sagte einer der Männer neben Ho-Hak.

Ich fragte mich, was es auf den Renceinseln auszuspionieren gab.

Ho-Hak schwieg noch immer. Er saß auf seiner Thronmuschel und betrachtete meine Waffen, die zu seinen Füßen lagen.

Ich bewegte mich etwas in meinen Fesseln, die mich sehr beengten.

»Halt still, Sklave!« sagte das Mädchen neben mir heftig.

»Er kommt aus Port Kar«, sagte sie wieder, »oder er wollte ein Port Karer werden! Was macht es für einen Unterschied?«

Aber Ho-Hak sagte nichts, auch schien er kaum Notiz von dem Mädchen zu nehmen.

Ärgerlich nahm sie die Hände aus meinem Haar.

Ho-Hak schien sich ganz auf meinen ledergeschützten Langbogen zu konzentrieren. Schließlich beugte er sich vor und löste das Leder von dem gelben Bogen aus weichem Ka-la-na-Holz. Das Tuch mit den Feder- und Flugpfeilen fiel auf die geflochtene Oberfläche der Insel.

Zwei oder drei Männer hielten hörbar den Atem an. Wahrscheinlich hatten sie noch nie einen Langbogen gesehen.

Ho-Hak stand auf. Der Bogen war größer als die meisten der Anwesenden.

Er reichte dem blonden Mädchen die Waffe.

»Spann ihn«, befahl er.

Ärgerlich warf sie ihre Sumpfgänse zu Boden und nahm den Bogen. Sie ergriff das Holz mit der linken Hand, stemmte das untere Ende gegen den Spann ihres linken Fußes, nahm die mit Seide verflochtene Hanfsehne in die rechte Hand und begann sich abzumühen. Wütend warf sie den Bogen schließlich zu Boden.

Ho-Hak musterte mich, und seine großen Ohren neigten sich leicht in meine Richtung. »Dies ist ein Bogen der Bauern, nicht wahr?« fragte er. »Großer Bogen genannt oder auch Langbogen?«

»Richtig«, sagte ich.

»Vor langer Zeit«, fuhr er fort, »hörte ich einmal in einem Dorf in den Vorbergen des Thentisgebirges von einem solchen Bogen singen.«

Ich schwieg. Ho-Hak gab die Waffe an den Mann mit dem Perlenstirnband weiter. »Spann den Bogen«, sagte er.

Der Mann gab seinen Sumpfspeer an einen Begleiter weiter und wandte sich dem Bogen zu. Zuversichtlich nahm er ihn in die Hand. Doch der Ausdruck des Selbstvertrauens schwand schnell. Sein Gesicht rötete sich, die Adern traten an seiner Stirn hervor, und schließlich stieß er einen Wutschrei aus und warf Ho-Hak den Bogen zu.

Dieser betrachtete die Waffe, stemmte sie gegen den Spann seines linken Fußes, nahm den Bogen in die linke und die Schnur in die rechte Hand.

Ein anerkennendes Murmeln wurde laut, als er die Waffe spannte.

Ich sah ihn bewundernd an. Er war sehr stark; er hatte den Bogen glatt gespannt. Seine Kräfte mochten zwar nur von dem Dienst auf den Galeeren herrühren – aber enorm waren sie trotzdem.

»Gut gemacht«, sagte ich.

Ho-Hak nahm nun den Lederschurz zur Hand und befestigte ihn an seinem linken Unterarm, damit seine Haut vor der zurückschnellenden Sehne geschützt wurde; dann bedeckte er auch seine Finger mit dem dafür vorgesehenen Lederstück. Schließlich wählte er einen Flugpfeil, legte ihn auf die Sehne und zog ihn bis zur Spitze durch.

Er hielt den Pfeil in die Höhe, richtete ihn in einem Winkel von etwa fünfzig Grad in den Himmel. Dann kam das klare, schnelle, singende Aufblitzen in der Sehne, und der Pfeil sirrte davon.

Die Männer und Frauen ringsum schrien bewundernd und verblüfft auf, denn sie hatten so etwas nicht für möglich gehalten.

Der Pfeil war im Himmel verschwunden, schien in die Wolken entstiegen zu sein. Die Gruppe schwieg ehrfürchtig.

Ho-Hak löste die Bogensehne. »Hiermit«, sagte er, »verteidigen Bauern ihren Besitz.«

Er blickte in die Runde, legte den Bogen wieder zu Boden und rollte ihn in das Leder. Dann wandte er sich an mich. »Verstehst du mit dieser Waffe umzugehen?«

»Ja.«

»Paßt auf, daß er nicht entkommt«, sagte Ho-Hak.

Ich spürte die Spitzen zweier Sumpfspeere im Rücken. »Er wird nicht fliehen«, sagte das Mädchen und zwängte ihre Finger in die Schlinge, die ohnehin eng genug meinen Hals umschloß. Ich spürte ihre Knöchel. Sie regte mich auf, weil sie tat, als hätte sie mich ganz allein gefangen.

»Gehörst du zu den Bauern?« fragte Ho-Hak.

»Nein«, sagte ich. »Ich bin Krieger.«

»Mit einem solchen Bogen«, sagte Ho-Hak zu dem Mann mit dem Perlen-Stirnband, »könnten wir uns von den Söldnern Port Kars befreien.«

»Das ist eine Waffe für Bauern«, sagte der Mann mit dem Stirnband, der den Bogen nicht hatte spannen können. »Und ich bin kein Bauer. Ich gehöre zum Rencevolk.«

»Ich auch!« rief das Mädchen, und die anderen fielen ein.

»Außerdem«, wandte ein anderer Mann ein, »haben wir kein Metall für die Pfeilspitzen und auch kein Pfeilholz, und das Ka-la-na wächst nicht im Sumpf. Wir haben auch keine Sehnen für solche Waffen.«

»Und wir haben kein Leder«, sagte ein dritter.

»Wir könnten Tharlarion töten«, bemerkte Ho-Hak, »und uns Leder beschaffen. Vielleicht lassen sich auch die Zähne des Sumpfhais zu Pfeilspitzen schärfen.« »Fehlen uns immer noch Ka-la-na, Sehnen und das Pfeilholz.«

»Wir könnten solche Dinge eintauschen«, sagte Ho-Hak. »Es gibt Bauern, die am Rande des Deltas leben, besonders im Osten.«

Der Mann mit dem Stirnband lachte. »Du bist nicht hier im Rence geboren.«

»Nein«, erwiderte Ho-Hak. »Das stimmt.«

»Aber wir sind hier geboren. Wir sind das Rencevolk.«

Zustimmendes Gemurmel der Runde. Wieder saß Ho-Hak reglos auf seinem Thron.

»Was soll aus mir werden?« fragte ich.

»Foltern wir ihn zum Fest«, schlug der Mann mit dem Stirnband aus Perlen vor.

Ho-Haks Ohren legten sich flach an. Er musterte den Sprecher gleichmütig. »Wir sind nicht aus Port Kar«, sagte er.

Der Mann mit dem Stirnband zuckte die Achseln und merkte, daß sein Vorschlag auf keine große Begeisterung stieß, was mir natürlich nicht mißfiel.

»Also«, wiederholte ich, »was soll mein Schicksal sein?«

»Wir haben dich nicht hergebeten«, sagte Ho-Hak.

»Gebt mir meinen Besitz zurück«, sagte ich, »dann reise ich weiter und belästige euch nicht mehr.«

Ho-Hak lächelte.

Das Mädchen neben mir lachte, ebenso der Mann mit dem Stirnband.

»Bei uns ist es Sitte«, sagte Ho-Hak, »unseren Gefangenen aus Port Kar die Wahl freizustellen.«

»Und was wäre das für eine Wahl?« fragte ich.

»Natürlich wirst du den Sumpftharlarion gefesselt zum Fraß vorgeworfen«, sagte Ho-Hak. Ich erbleichte.

»Die Entscheidung für dich ist einfach.« Er musterte mich. »Entweder wirst du lebendig ins Wasser geworfen – oder, wenn du möchtest, töten wir dich vorher.«

Verzweifelt bäumte ich mich in meinen Fesseln auf. Ungerührt beobachteten mich die Rencebauern. Vielleicht eine volle Ehn lang kämpfte ich gegen die Ranken, doch sie waren zu fest.

»Von den Körpern bleibt selten etwas übrig«, bemerkte Ho-Hak.

»Es ist schade, daß er so schnell sterben soll«, bemerkte das Mädchen.

»Stimmt«, sagte der Mann mit dem Stirnband. »Foltern wir ihn zum Fest.«

»Nein«, sagte das Mädchen und starrte mich wütend an. »Behalten wir ihn lieber als Sklaven!«

Ho-Hak musterte mich.

»Ist das nicht eine schönere Rache?« zischte sie. »Daß er den Rencebauern als Lasttier dient? Er soll den ganzen Tag arbeiten, jede Stunde. Er soll unseren Haß auf Port Kar zu spüren bekommen!«

»Wie kommt es«, fragte ich das Mädchen, »daß du die Einwohner dieser Stadt so haßt?«

»Schweig, Sklave!« schrie sie, schob ihre Finger tiefer in die Schlinge um meinen Hals und drehte sie herum, bis ich nicht mehr schlucken oder atmen konnte. Die Gesichter ringsum verschwammen. Es wurde dunkel um mich.

Dann zog sie ihre Hand zurück, ich holte keuchend Atem.

»Ich würde sagen, wir werfen ihn den Sumpftharlarion zum Fraße vor«, sagte der Mann mit dem Stirnband.

»Nein«, sagte ich tonlos. »Nein.«

Ho-Hak starrte mich an. Er schien überrascht zu sein. »Nein, nein«, wiederholte ich, und mir war, als spräche ein anderer. Ich begann zu schwitzen und hatte Angst. Ich wollte nicht sterben.

Ho-Hak blickte mich seltsam an. Seine großen Ohren neigten sich vor, beinahe fragend.

»Du bist Krieger?« fragte Ho-Hak.

»Ja«, antwortete ich.

Ich hätte mir gewünscht, den Respekt dieses ruhigen, starken Mannes zu gewinnen, vor allen Dingen seinen Respekt, der einmal ein Sklave gewesen war und der nun vor mir auf seinem Thron saß.

»Die Zähne der Tharlarion sind schnell, Krieger. Wenn du möchtest, töte ich dich vorher.«

»Aber ich will nicht sterben.«

Beschämt senkte ich den Blick. Es wollte mir scheinen, als hätte ich mich selbst aufgegeben, als hätte ich mein bisheriges Leben verraten, meine Stadt Ko-ro-ba entehrt und die Klinge, die ich geführt hatte, beschmutzt. In Ho-Haks Augen war ich ein Nichts, ein Sklave.

»Ich hatte dich anders eingeschätzt«, sagte Ho-Hak. »Ich hatte angenommen, du gehörtest der Kaste der Krieger an.«

Ich vermochte nicht zu antworten.

»Wie ich sehe, gehörst du wirklich nach Port Kar.«

Ich wagte nicht, den Kopf zu heben, so beschämt war ich.

»Möchtest du Sklave sein?« fragte Ho-Hak. Die Frage war grausam, aber fair.

Ich senkte den Kopf noch tiefer. »Ja«, sagte ich.

Die Umstehenden waren amüsiert, ganz deutlich hörte ich das Lachen des Mannes mit dem Stirnband und auch das verächtliche Lachen des Mädchens neben mir, ein Lachen, das mich besonders schmerzte. »Sklave«, sagte Ho-Hak.

»Ja«, sagte ich, »… Herr.« Das Wort kam mir stockend über die Lippen.

»Vielleicht werfe ich dich jetzt trotzdem in den Sumpf.«

Mir war in diesem Augenblick gleichgültig, was aus mir wurde. Ich hatte das Gefühl, etwas verloren zu haben, das ich höher einschätzte als mein Leben. Wie konnte ich jemals wieder eine gute Meinung von mir haben? Nach goreanischer Sitte ist ein Sklave kaum mehr als ein Tier. Etwas stimmte nicht mit mir – ich hatte das unwürdige Sklavendasein dem ehrenhaften Tod vorgezogen.

»Ist hier jemand, der diesen Sklaven besitzen möchte?« hörte ich Ho-Hak fragen.

»Gib ihn mir«, vernahm ich. Es war die klare, durchdringende Stimme des Mädchens, das neben mir stand.

»Er gehört dir«, entschied Ho-Hak.

Die Scham brannte mir auf dem Gesicht.

»Bringt Rencebrei!« rief das Mädchen.

Eine Frau verließ die Gruppe und holte eine Handvoll feuchten Brei. Auf einem flachen Stein gebacken, wird eine Art Kuchen daraus.

»Öffne den Mund, Sklave«, sagte das Mädchen.

Ich gehorchte, und zum Vergnügen der Zuschauer schmierte mir das Mädchen den Brei in den Mund.

»Du bist von deiner Herrin gefüttert worden«, sagte sie, als ich gegessen hatte.

»Meine Herrin hat mich gefüttert«, erwiderte ich.

»Wie heißt du, Sklave?« fragte sie.

»Tarl.«

Sie versetzte mir einen heftigen Schlag über den Mund. »Ein Sklave hat keinen Namen«, sagte sie.

Dann wanderte sie einmal um mich herum. »Dein Rücken ist kräftig. Du bist kräftig, aber dumm.« Sie lachte. »Ich werde dich Bosk nennen.«

Der Bosk ist ein großes gehörntes Tier der goreanischen Ebenen. Es wird südlich des Äquators von den Wagenvölkern in Herden gezüchtet.

»Ich bin Bosk«, sagte ich gehorsam. Die Menge lachte.

»Ich denke mir«, sagte der Mann mit dem Stirnband, »daß du einen Mann als Sklaven vorgezogen hättest, einen Mann, der stolz ist und den Tod nicht fürchtet.«

Ich senkte den Kopf. Er hatte recht. Ich hatte den Tod gefürchtet und mich für die Sklaverei entschieden. Ich war kein Mann. Ich war nicht mehr ich selbst.

»Du kannst nur der Sklave einer Frau sein«, stellte Ho-Hak fest.

»Weißt du, was ich mit dir mache?« fragte das Mädchen.

»Nein«, erwiderte ich.

»In zwei Tagen, bei unserem Fest, setze ich dich als Preis für die Mädchen aus.«

Unter den Begeisterungsrufen der Umstehenden zerrte sie mich hoch. Ungeschickt stolperte ich hinter dem Mädchen her, meiner Herrin.

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