Telima hatte mich in der Morgendämmerung geweckt und losgebunden, damit ich bei den Vorbereitungen für das Fest helfen konnte. Vier andere Renceinseln wurden am Vormittag herbeigestakt und mittels Renceflößen, die als Brücken dienten, aneinandergebunden, so daß eine große zusammenhängende Insel entstand.
Ich wurde beim Festmachen der Inseln eingesetzt und beim Empfang von Rencebooten, in denen Rencebauern von anderen Inseln zum Fest eintrafen. Ich mußte schwere Gefäße mit Rencebier transportieren, Wasserflaschen, Spieße mit Fisch, gerupfte Gänse, abgehäutete Tarsks und Körbe mit Rencemark.
Um die achte goreanische Stunde band mich Telima an einem Pfahl fest; dort stand ich und wurde von den Vorbeikommenden neugierig angestarrt und beschimpft.
Um die zehnte goreanische Stunde, die der irdischen Mittagszeit entspricht, aßen die Rencebauern kleine Kuchen, tranken Wasser und verzehrten gebratenen Fisch. Das große Fest sollte am Abend beginnen.
Etwa um diese Zeit kam ein kleiner Junge herbei und starrte mich an, einen halb aufgegessenen Rencekuchen in der Hand.
»Hast du Hunger?« fragte er.
»Ja.«
Daraufhin hielt er mir den Rencekuchen hin, und ich biß ab.
»Vielen Dank.«
Er antwortete nicht, sondern starrte mich nur an. Schließlich kam seine Mutter, gab ihm eine Ohrfeige und zerrte ihn schimpfend fort.
Die Rencebauern verbrachten den Morgen auf verschiedene Weise. Die Männer hatten mit Ho-Hak Rat gehalten, und es hatte heftige und lautstarke Diskussionen gegeben. Die Frauen dagegen waren mit den Vorbereitungen für das Fest beschäftigt.
Nachdem die Versammlung beendet war, kam einer der Männer zu mir herüber und musterte mich von Kopf bis Fuß. Es war der Mann mit dem Stirnband aus Perlen, der meinen Langbogen nicht hatte spannen können. Verwundert betrachtete ich das weiße Seidentuch, das er über der Schulter trug. Wortlos starrte er mich an, dann lachte er und ging weiter. Nun war die zwölfte goreanische Stunde angebrochen, und die Wettkämpfe, bei denen es um mich als Preis ging, waren in vollem Gang.
Die Wettbewerbe fanden meistens im Sumpf statt. Soweit ich hören und erkennen konnte, wurde viel gelacht und gescherzt. Es fanden Bootsrennen statt, Wettkämpfe mit Netzen und Speeren. Es war wirklich ein Fest.
Nach etwa einer Ahn kehrten die Mädchen und die Zuschauer in ihren Booten zur Insel zurück, legten an und näherten sich dem Pfahl, an dem ich stand. Die Mädchen, etwa dreißig bis vierzig an der Zahl, musterten mich kichernd und senkten dann den Blick.
»Die Entscheidung ist gefallen«, sagte Telima.
Die Mädchen lachten. Ein schlankes, dunkelhaariges Geschöpf trat herausfordernd vor. »Vielleicht bist du jetzt mein Sklave«, flüsterte sie.
»Vielleicht gehörst du jetzt mir«, flüsterte ein großes blondes Mädchen.
Andere Rencemädchen drängten sich heran, taten, als wären sie meine Herrin.
»Wer hat mich denn nun gewonnen?« fragte ich gepeinigt.
»Das wirst du schon noch merken«, sagte Telima. »Heute abend beim Fest.«
Das Fest hatte seinen Höhepunkt erreicht. Fackeln brannten in der Sumpfnacht – zusammengerollte, brennende Marschranken, die auf den Spitzen von Speeren steckten, Männer saßen mit untergeschlagenen Beinen im Außenkreis, während innen nach goreanischer Sitte die Frauen knieten. Es war viel gesprochen und gesungen worden. Man genoß die Feier in vollen Zügen.
Ich hatte meistens mit bedient, besonders im Kreis der Mädchen, die um mich gekämpft hatten und von denen eine mich jetzt als Sklave besaß. Ich hatte Schalen mit gebratenem Fisch herumgetragen und Holztabletts mit geröstetem Tarskfleisch und gebratene Gänse, auf Spießen aufgereiht, Rencekuchen und Flaschen mit Rencebier, die immer wieder nachgefüllt werden mußten.
Dann, als die Rencebauern in die Hände zu klatschen und zu singen begannen, kam Telima zu mir.
»An den Pfahl!« befahl sie.
Der Pfahl bildete die Mitte eines etwa zwölf Meter durchmessenden leeren Kreises inmitten der Feiernden. Telima fesselte mir die Hände hinter dem Stamm, befestigte auch meine Fußgelenke an dem Pfahl und setzte mir eine Krone aus Renceblumen auf.
Dann trat sie lachend zurück.
Ich sah in der Menge Ho-Hak, der wie die anderen in die Hände klatschte und sang, und auch den Mann mit dem Perlenband.
Plötzlich trat Schweigen ein, das von einem dröhnenden Trommeln abgelöst wurde. Und zu meiner Verblüffung kam nun Bewegung in die Rencemädchen, die lachend und kreischend, manche auch widerwillig, in den Kreis um meinen Pfahl gedrängt wurden. Die jungen Männer lachten vergnügt und klatschten in die Hände.
Ich sah, daß nicht wenige Burschen den Blick kaum von Telima zu reißen vermochten. Sie war das einzige Mädchen im Kreis, das einen goldenen Armreif trug. Allerdings achtete sie kaum auf die jungen Männer.
Der Mann an der großen Trommel begann seinen Rhythmus zu beschleunigen, andere fielen mit Riedflöten ein und mit Metallstöcken, die aneinandergeschlagen wurden. Schließlich eröffnete Telima den Tanz. Mit den Füßen stampfend, bewegte sie sich im Kreise. Soviel ich weiß, sind die Tänze der Rencemädchen einzigartig auf Gor. Sie sind voll wilder Schönheit, voll von symbolischen Gesten, die im Verlauf des Tanzes immer weiblicher und anmutiger werden. Es ist oft einsam auf den Renceinseln, und das Fest wird nur einmal im Jahr gefeiert. Bei den Rencebauern bedeutet es das Ende der Kindheit, wenn ein Mädchen zum erstenmal in den Kreis geschickt wird.
Plötzlich sah ich dicht vor mir das dunkelhaarige Mädchen mit den herrlichen schlanken Beinen.
»Sklave!« zischte sie, spuckte mir ins Gesicht und wirbelte davon.
Gleich darauf tauchte das große blonde Mädchen in der Menge auf; sie bewegte sich herausfordernd langsam.
»Vielleicht bist du jetzt mein Sklave«, sagte sie und spuckte mich ebenfalls an.
Eine nach der anderen folgten die Mädchen diesem Beispiel, verhöhnten mich, verlachten mich und wandten sich wieder ab.
Die Rencebauern grölten vergnügt und trieben die Mädchen an, die sich nicht lange um mich kümmerten, sondern ihre Aufmerksamkeit wieder den jungen Männern außerhalb des Kreises zuwandten, für die dieser Tanz bestimmt war.
Nach einer Weile sah ich, wie ein Mädchen mit hocherhobenem Kopf den Kreis verließ, gefolgt von einem jungen Mann, der mit ihr in der Dunkelheit verschwand. Wenige Ehn später tat es ihr ein anderes Mädchen nach.
Der Tanz wurde wieder wilder, die Musik dröhnte lauter, und die Mädchen drehten sich im Kreise.
Und plötzlich tanzte Telima vor mir.
Sie kam mir wie die schönste Frau vor, die ich je gesehen hatte, und mir, der ich nur ein Sklave war, zeigte sie tanzend ihre Verachtung. Sie hatte die Hände über den Kopf erhoben und musterte mich spöttisch.
Und dann band sie mich los.
»In die Hütte!« befahl sie.
Ich rührte mich nicht.
»Ja, du gehörst mir!« sagte sie und spuckte mir ins Gesicht. »In die Hütte!«
Ich stolperte durch den Reigen der tanzenden Mädchen, eilte durch die Dunkelheit zu Telimas Hütte. Langsam kroch ich hinein, setzte mich hin und stützte den Kopf in die Hände.
So saß ich lange Zeit in der Dunkelheit. Schließlich traf Telima ein. »Zünde die Lampe an«, befahl sie.
Ich gehorchte. Beim Licht der kleinen Flamme sah ich, daß sie einen Rencekuchen aß. Sie sah mich an. »Ich werde dich heute nacht nicht fesseln«, sagte sie.
Mit langsamen Bewegungen entrollte sie ihre Schlafmatte und zog ihre Tunika aus. Sie warf das Kleidungsstück in eine Ecke, beendete ihre Mahlzeit und wischte sich mit dem Arm über den Mund. Schließlich löste sie ihr Haar.
Auf der Seite liegend, das linke Knie erhoben, sah sie mich an.
»Nimm mich!« befahl sie.
»Nein«, erwiderte ich.
Sie starrte mich verblüfft an.
In diesem Augenblick ertönte von draußen der Entsetzensschrei eines Mädchens, und ganz plötzlich verstummte die Musik. Dann vernahm ich Gebrüll, Befehle, Schreie der Angst, Verwirrung, Waffengeklirr.
»Sklavenhändler!« schrie jemand. »Sklavenhändler!«