»Nicht reden jetzt«, sagte eine Stimme. Skar bäumte sich auf, versuchte hochzukommen und sank mit einem kraftlosen Stöhnen wieder zurück. Für einen Moment begann sich der Raum um ihn herum zu drehen, dann verzog sich das Bild vor seinen Augen, als betrachte er es durch einen Zerrspiegel.
»Bleib liegen«, sagte Coar. »Du mußt noch einen Augenblick Geduld haben. Die Schwäche vergeht von selbst.«
Er nickte, schloß die Augen und tastete blind nach ihrer Hand. Sie zuckte unter seiner Berührung zusammen, und für einen Augenblick wurde ihr Gesicht hart und abweisend, als hätte er eine ekelhafte Krankheit, so daß sie seine Berührung nur mit Widerwillen ertrug. Er zog die Hand zurück, befeuchtete die Lippen mit der Zunge und stemmte sich noch einmal hoch. Es ging, wenn auch mühsam. »Was ...«, sagte er stockend, »ist passiert?« Er erinnerte sich an nichts. Sie waren von Ipcearn gekommen und auf diese Lichtung hinausgeritten, und dann ... dann ... irgend etwas war mit dem Reiter neben ihm geschehen, etwas Schreckliches und Grauenhaftes, aber er konnte sich nicht mehr genau besinnen, was. Für eine halbe Sekunde stieg das Abbild einer gewaltigen, schwarzpolierten Ebene vor seinem inneren Auge empor, aber mit jedem Atemzug, den er tat, verblaßten die Erinnerungen mehr, vermischten sich Traum und Realität, bis er nicht mehr wußte, was er geträumt und was wirklich erlebt hatte.
»Du bist in ein Khtaäm-Nest geraten«, sagte Coar nach kurzem Zögern. »Du erinnerst dich nicht?«
Skar schüttelte den Kopf, nickte und schüttelte dann noch einmal den Kopf. Er erinnerte sich, aber er erinnerte sich auch nicht. Etwas schien in seinem Kopf durcheinandergeraten zu sein. Schwarzer Wald, der übergangslos in dunkle, wie Glas schimmernde Wüste überging ... eine dunkle Woge aus dürren Spinnenbeinen und Fangarmen und giftigen Stacheln ... Schmerzen ... die gellenden Schreie des Gardisten ... Er stöhnte, fuhr sich mit der Hand über die Augen und versuchte verzweifelt, Traum und Erlebtes zu trennen, aber es ging nicht. »Der ... der Mann«, sagte er mühsam. »Was ist mit ihm?«
»Er ist tot«, antwortete Coar ruhig. »Wer von einem Khtaäm angefallen wird, ist rettungslos verloren. Er war schon tot, als du zu ihm kamst.«
»Aber das stimmt nicht!« widersprach Skar. Allmählich begann er sich deutlicher zu erinnern. »Er hat noch gelebt, und ...«
»Er hat noch geatmet und sich bewegt«, unterbrach ihn Coar, »das stimmt. Doch er war bereits tot. Das ... Gift wirkte rasch, und ein Geist, der einmal in das Netz der Khtaäm verstrickt ist, findet nie wieder den Rückweg.«
Irgend etwas an ihrer Stimme gefiel Skar nicht. Zum ersten Mal, seit er sie kannte, schien sie Schwierigkeiten zu haben, in seiner Sprache zu reden, und die Worte kamen stockend und mühsam und so, als müßte sie jede Silbe genau überlegen, bevor sie sie aussprach. Er setzte sich weiter auf und betrachtete ihr Gesicht genauer. Unter ihren Augen lagen tiefe, dunkle Ringe, und die Haut wirkte wächsern und blaß.
Seine Gedanken bewegten sich immer noch träge und zähflüssig, aber nicht träge genug, daß ihm der Widerspruch in Coars Worten nicht aufgefallen wäre. »Aber ich lebe«, sagte er ruhig.
Coar antwortete nicht. Ihre Mundwinkel zuckten stärker, und ihre Hände verkrampften sich so stark, daß die Nägel tief in die Haut schnitten und ein dünner, glitzernder Blutstropfen hervorquoll. Sie schien es nicht einmal zu bemerken. »Du ... du bist sehr stark«, sagte sie nach einer Ewigkeit.
»Das ist keine Antwort«, sagte Skar. Er schlug die dünne Decke zurück, setzte sich vollends auf und beugte sich vor, um nach seinen Kleidern zu greifen. »Was ist geschehen, Coar?« sagte er.
»Nichts.« Ihre Stimme bebte, und es war nicht mehr zu übersehen, daß sie nur noch mit äußerster Beherrschung die Tränen zurückhielt. »Du ... hast Glück gehabt, Skar. Vielleicht haben auch die Götter ihre Hand über dich gehalten, auch wenn du nicht an sie glaubst. Und du wurdest rasch genug hergebracht, so daß Thoranda dir helfen konnte.« Sie stand auf, sah schweigend zu, wie er sich ankleidete, und wandte sich ab.
»Coar!« Skar trat mit einem raschen Schritt neben sie und hielt sie an der Schulter zurück. Sie wich seinem Blick aus.
»Irgend etwas ist passiert, nachdem ich weggeritten bin«, sagte er überzeugt. »Und ich möchte wissen, was.«
»Laß ... laß es dir von Del erklären«, antwortete Coar mühsam. »Er wartet draußen. Ich ... muß gehen.« Sie streifte seine Hand ab, ging rasch zur Tür und war hinaus, bevor er sie ein weiteres Mal aufhalten konnte.
Sekunden später wurde der Vorhang ein zweites Mal beiseite geschoben, und Del betrat den Raum. Ein erleichterter Ausdruck huschte über sein Gesicht, als er sah, daß Skar wach und bereits wieder auf den Beinen war. »Den Göttern sei Dank, du lebst«, stellte er fest.
Skar nickte. »Wie du siehst. Was ist passiert?«
»Passiert? Du wärst beinahe gestorben, Alter. Wenn das nicht genug ist ...«
»Das meine ich nicht«, fiel ihm Skar ins Wort. »Irgend etwas ist hier passiert, und ich möchte endlich wissen, was.« Sein Ton war scharf und aggressiv, aber Del und er waren zu lange beisammen, als daß der Jüngere seinem Benehmen noch großen Wert beigemessen hätte.
Er seufzte, schüttelte ein paarmal den Kopf und trat an Skar vorbei ans Fenster. »Hat Coar dir nichts erzählt?«, fragte er.
»Dann würde ich nicht fragen«, schnappte Skar. »Aber ich habe gemerkt, daß sie irgend etwas hat, wenn du das meinst.«
Del lachte rauh auf und drehte sich um. Seine Gestalt wurde vor dem hell erleuchteten Rechteck des Fensters zu einem schwarzen, tiefenlosen Umriß. »Daß sie irgend etwas hat«, wiederholte er betont. »Du warst zwei Tage fort, Skar, aber in diesen zwei Tagen ist eine Menge passiert. Wie war es in Ipcearn?«
Skar winkte ungeduldig ab. »Es ist alles in Ordnung«, sagte er. »Wir können gehen, sobald wir wollen. Aber darüber können wir später noch reden. Was ist hier los?« Del senkte den Blick und scharrte versonnen mit den Zehen über den Boden. Das Geräusch klang seltsam laut in der winzigen Kammer. »Kurz nachdem du aufgebrochen bist«, begann er, »überfielen die Hoger eine Patrouille.«
»Am hellen Tag?« ächzte Skar erschrocken.
»Ja. Nicht einmal weit von hier - zehn Minuten, fünfzehn, allerhöchstens. Die Reiter hatten nicht einmal die Spur einer Chance. Sie wurden niedergemacht, bis auf den letzten Mann. Es waren zwölf. Neun Gardisten, Logar, Larynn und ... und Coars Sohn.«
Skars Herz schien einen Schlag zu überspringen und dann schneller und schmerzhafter weiterzuhämmern. Für zwei, drei Sekunden hatte er das Gefühl, ersticken zu müssen. »Cornec ist ...«
»Tot«, bestätigte Del. »Vielleicht verstehst du nun, warum sie so ist. Und ich bin schuld daran.«
»Du?«
Del lächelte, aber es war ein schmerzhaftes Lächeln, verkrampft und so bitter, daß Skar sich beinahe davor fürchtete. »Sie ... Logar hat mir angeboten mitzureiten«, sagte er stockend. »Er wollte mir ... ein wenig von Cearn zeigen. Aber ich habe abgelehnt. Ich hatte keine Lust. Keine Lust!« sagte er noch einmal, und diesmal war es wie ein gequälter, unendlich schmerzhafter Aufschrei. »Verstehst du, Skar? Diese Menschen sind gestorben, weil ich keine Lust hatte, sie zu begleiten! Ich hätte ein paar von ihnen retten können, vielleicht alle, aber ich habe es nicht getan. Ich habe hiergesessen und mich mit Bernec unterhalten, während Larynn und Logar und das Kind und die anderen dort draußen von diesen Bestien zerfleischt worden sind! Es ist meine Schuld! Ganz allein!«
Die letzten Worte hatte er geschrien.
»Aber das Kind«, murmelte Skar fassungslos, »wieso war Cornec dabei? Wieso haben sie das Kind auf eine so gefährliche Mission mitgenommen.«
»Meinetwegen«, sagte Del tonlos. »Er hat erfahren, daß ich mitreite. Du weißt doch, wie er war. Er hat uns bewundert, Helden und was-weiß-ich in uns gesehen. Nachdem du weg warst, hat er Logar gebeten, dabeisein zu können, wenn wir ausreiten. Ich habe im letzten Moment abgesagt, aber er ritt mit. Niemand hat mit einem Überfall so dicht bei der Stadt gerechnet.« Er senkte den Blick und atmete ein paarmal hintereinander tief ein und aus, als hätte er plötzlich Mühe, Luft zu bekommen.
Für eine Weile war es sehr, sehr still in der kleinen Kammer. Skar versuchte vergeblich, einen klaren Gedanken zu fassen. Die Ruhe, mit der er Dels Worte aufgenommen hatte, überraschte ihn beinahe selbst. Er hätte schockiert sein müssen, traurig, verzweifelt ... irgend etwas, aber nichts davon war in seinem Inneren zu finden. Er hatte Cornec gemocht, soweit er überhaupt in der Lage war, Kinder zu mögen, und der Gedanke, daß er tot sein sollte, tot wie die zarte, noch nicht einmal ganz erwachsene Larynn, wie Logar und die anderen, erschien ihm so traurig, daß er sich einfach weigerte, ihn zu akzeptieren.
»Dann brachten sie dich«, fuhr Del nach einer Ewigkeit fort. »Ich glaube, das hat Coar den Rest gegeben. Wir dachten, du wärst verloren. Alle dachten es, auch Coar.«
»Was ist geschehen?« fragte Skar leise.
Del hob langsam den Blick. In seinen Augen glomm ein undeutbarer Ausdruck auf, etwas, das Skar noch nie an ihm gesehen hatte und das ihn schaudern ließ. Vorwurf?
»Thoranda hat dich gerettet«, sagte er so leise, daß Skar die Worte mehr erriet, als daß er sie wirklich verstand. »Du warst tot, Skar, aber sie hat dich zurückgeholt. Sie selbst ... starb daran.«
Und plötzlich erinnerte er sich wieder. Er hatte es gewußt, die ganze Zeit über, aber sein Verstand war nicht fähig gewesen, die einzelnen Teile des Mosaiks richtig zu erkennen und zusammenzusetzen. Die graue Gestalt, die er in seinem Traum gesehen hatte. Die Stimme. Thorandas Stimme. Er erinnerte sich wieder, wie alt und grau sie ausgesehen hatte, nachdem Del geheilt worden war, wie ausweichend sie auf seine Fragen nach ihrer Medizin geantwortet hatte, wie sehr ... Ihr Götter! dachte er. Das also war Thorandas Geheimnis gewesen. Ihre Kräuter und Wurzeln waren nur Beiwerk, wenig mehr als eine sanfte Unterstützung ihrer wirklichen Macht. Sie heilt mit dem Geist! Er erinnerte sich an ihre Worte: Der menschliche Körper ist ungeheuer regenerationsfähig, Skar. Man muß diese Kräfte nur wecken. Aber erst jetzt begriff er wirklich, was die alte Heilerin damit gemeint hatte. Ihr Wissen beschränkte sich nicht auf die Anwendung von Kräutern und Mixturen, sondern ging tiefer, weit über das hinaus, was die meisten anderen Menschen überhaupt über ihren Geist wußten. Ihre Kraft war unsichtbar, etwas, das vielleicht mit Magie vergleichbar war oder ihr doch so nahe kam, wie es nur ging. So also heilte sie.
Aber um welchen Preis ...
»Tot«, wiederholte er.
Del nickte. Er sah es nicht, aber er hörte, wie seine Kleider leise raschelten und Del sich bewegte. »Ich bin nicht der einzige, der etwas gutzumachen hat, Skar. Sie starb, um dich zu retten.«
»Aber warum ...?« stammelte Skar. »Sie ... Coar hat gesagt, daß ... daß es keine Rettung gibt, wenn ...«
»Die gibt es auch nicht, Skar«, murmelte Del. »Das Khtaäm verlangt sein Opfer. Sein Gift zerfrißt nicht den Körper, sondern den Geist. Es tötet dein Bewußtsein, langsam, aber unbarmherzig. Die Kraft, die nötig wäre, es zu besiegen, hat kein Mensch. Auch du nicht.« Er brach wieder ab, schwieg ein paar Sekunden und fuhr dann mit veränderter Stimme fort. »Fühlst du dich kräftig genug, um mich zu begleiten?«
Skar nickte. »Wohin?«
»Zu Bernec«, entgegnete Del. »Ich weiß, daß du ihn nicht magst, aber du solltest deine Feindschaft vergessen, wenigstens für eine Weile. Er ... hat mehr verloren als du.«
»Natürlich.« Skar bückte sich nach seinem Harnisch und legte ihn mit langsamen Bewegungen um. Er fühlte sich wie betäubt. Trotz allem war in ihm kaum Schmerz oder Verzweiflung, sondern nichts als Leere. Seit Del und er diesen Wald betreten hatten, wurden sie von einer ununterbrochenen Kette von Katastrophen begleitet. Mit ihnen schien ein Stück Enwors Einzug in Cearn gehalten zu haben, ein Teil jener Welt, den er Coar in schwärzesten Farben beschrieben hatte. Sie waren nicht die Befreier, auf die dieses Volk gewartet hatte, sondern Boten des Unheils. Plötzlich hatte Skar das Gefühl, mit einem Fluch behaftet zu sein. Er war vergiftet, verflucht. Jeder, der mit ihm zusammentraf, mußte zugrunde gehen. »Einen Moment noch«, sagte Del, als er fertig angezogen war und sich zum Ausgang wenden wollte. »Ich möchte, daß du etwas weißt, bevor wir gehen.« Skar blieb stehen. »Ja.«
»Nach dem Überfall«, begann Del, »habe ich lange nachgedacht, Skar. Sehr lange. Wir haben vereinbart, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Stehst du noch dazu?«
Skar nickte. »Mehr als vorher, Del.«
»Ich auch«, antwortete Del. »Aber noch nicht sofort. Ich bin wieder kräftig genug, um einen Ritt durch die Wüste zu überstehen, und du bist es wohl auch. Aber ich habe mich entschlossen, noch eine Weile zu bleiben.«
»Warum?«
Diesmal zögerte Del sekundenlang, ehe er antwortete. »Weil ich der Meinung bin, daß wir diesem Volk etwas schulden, Skar«, sagte er. »Ohne sie wären wir tot, beide. Thoranda hat uns beiden das Leben gerettet, erst mir und heute dir, und sie hat ihr eigenes Leben dafür geopfert. Ich gehe nicht gerne irgendwo fort, ohne meine Schulden zu bezahlen.«
»Und was«, fragte Skar neugierig, »willst du tun?«
»Das, was sie von uns verlangen. Ich werde ihnen helfen.«
»Helfen ...«, wiederholte Skar mit seltsamer Betonung. »Du vergißt, daß ich in Ipcearn war, Del. Ich habe mit dem Mann gesprochen, der die Verantwortung für dieses Volk hat. Wir können ihnen nur auf eine einzige Weise helfen. Indem wir gehen. Seit wir hier sind, ist bereits genug Unheil geschehen.«
»Auch ich kenne die Geschichte Cearns«, sagte Del. »Und ich bin auch der Meinung, das wir ihnen nicht helfen können, ihre Heimat zurückzuerobern - falls es sie überhaupt gibt. Wir haben weder die Möglichkeit noch das Recht, uns in das Schicksal dieses Volkes zu mischen. Um das zu erkennen, brauchte ich nicht bis Ipcearn zu reiten und mit den Königen zu sprechen. Aber es gibt etwas, was wir für sie tun können.«
»Und was?« fragte Skar.
»Die Hoger«, antwortete Del. »Ich werde diese schwarzen Bestien vernichten.«
»Du bist verrückt«, stieß Skar hervor. »Ich habe versprochen, mich nicht einzumischen, und ich habe dieses Versprechen auch in deinem Namen gegeben.«
»Das war, bevor Larynn und Thoranda gestorben sind«, entgegnete Del, als hätte er nur auf dieses Argument gewartet. »Vielleicht hast du mich nicht richtig verstanden, Skar, aber es ist nicht nur eine Idee von mir. Ich bin fest entschlossen. Wir sind diesen Menschen mehr schuldig, als wir jemals zurückzahlen können. Auch ich will hier weg, aber ich werde nicht gehen, bevor ich sie nicht von diesen Ungeheuern befreit habe.«
»Und wie stellst du dir das vor?« fragte Skar abfällig. »Willst du durch den Wald streifen und die Hoger einen nach dem andern erschlagen?«
»Natürlich nicht«, antwortete Del im gleichen Tonfall. »Aber wir werden einen Weg finden.«
»Oh, natürlich«, spottete Skar. »Es ist ja auch so leicht!«
»Leicht«, entgegnete Del ungerührt, »ist es sicher nicht. Aber es ist möglich. Ich werde zusammen mit Bernec und ein paar Freiwilligen zu ihren Höhlen hinausreiten. Wenn wir während des Tages aufbrechen, haben wir eine Chance. Sie sind nur nachts wirklich aktiv. Der Überfall auf Logar und seine Reiter war der erste seit Jahrzehnten, der am Tage stattfand.«
»Und was willst du dort draußen?« fragte Skar. »Außer, dich fressen zu lassen, natürlich?«
Del zuckte die Achseln. »Sie bekämpfen; irgendwie. Etwas erfahren. Informationen - ich weiß nicht. Ich weiß nur, daß ich nicht gegen einen Feind kämpfen kann, den ich nicht kenne. Ich werde dorthin gehen und nach einer schwachen Stelle suchen. Und wenn du nicht mitkommst, gehe ich allein.«
»So einfach ist das?« fragte Skar.
Del nickte: »So einfach ist das.«
Skar schwieg einen Moment. Er starrte Del durchdringend an, aber diesmal hielt er seinem Blick stand. Skar kannte ihn lange genug, um zu wissen, daß sein Entschluß längst gefaßt war. Und vielleicht, dachte er widerwillig, hatte er sogar recht. Vielleicht war es ihre Pflicht, etwas gegen diese Monster zu tun.
»Und wenn ich es nicht zulasse?« fragte er, obwohl er die Antwort längst kannte. »Wenn ich dich nicht gehen lasse? Ich bin immer noch dein Meister, vergiß das nicht.«
Del lächelte sanft. »Du kannst mich nicht halten, Skar. Ich weiß, daß du versprochen hast, dich nicht einzumischen, und ich weiß auch, daß du recht hast und das, was ich vorhabe, Wahnsinn ist. Vielleicht werde ich dabei sterben. Aber ich tue es trotzdem. Ich habe diesen Menschen mein Leben zu verdanken, und wenn ich es aufs Spiel setzen muß, um sie von dieser Plage zu befreien, so tue ich es gerne.«
Skar machte ein abfälliges Geräusch. »Wo hast du diesen Satz gelesen?« fragte er. Aber Del ließ sich auch davon nicht sichtlich beeindrucken. »Ich weiß, daß ich kein Recht dazu habe«, fuhr er fort, als hätte er Skars Worte gar nicht zur Kenntnis genommen, »aber ich bitte dich trotzdem, mich zu begleiten. Thoranda ist nicht für dich gestorben, Skar, sondern für eine Hoffnung. Enttäusche sie nicht.«
»Du ... du bist unfair«, sagte Skar hilflos.
»Ich weiß«, nickte Del. »Aber die Hoger sind auch nicht fair. Es war nicht fair, einen zehnjährigen Jungen zu töten. Komm mit mir, Skar. Begleite mich, und ich verspreche dir, daß wir hinterher ohne ein weiteres Wort aufbrechen.«
»Wenn wir noch leben.«
»Wenn wir noch leben«, bestätigte Del.