12

Mehr als eine Woche war seit dem Duell am Himmel vergangen, und die Orks hatten beängstigende Fortschritte gemacht. Das Hauptlager war von Gräben und Erdwällen umgeben, doch waren die Verteidigungsanlagen noch nicht lückenlos. Dafür hatten allerdings die ersten Geschütze wieder das Feuer auf die Stadt eröffnet. Mehr als das, was man sah, beunruhigte alle, was sich hinter den Erdhügeln verbergen mochte. Unmengen von Brettern und Balken waren auf Karren dorthin geschafft worden, und immer mehr glaubten, daß von dort Tunnel unter die Ostmauer getrieben wurden.

»Wir brauchen endlich Klarheit!« Lysandra war von ihrem Sitz in der Offiziersversammlung aufgesprungen. »Mag sein, daß ein Ausfall gefährlich ist, aber langsam drehen mir die Rekruten durch. Wenn die Schwarzpelze dieses Spielchen noch ein wenig weiter treiben, ergeben sich die Bürger noch freiwillig.«

»Meine Rede«, stimmte ihr Oberst von Blautann zu. »Ein Ausfall kann gar nicht so gefährlich sein wie die Ungewißheit, die uns langsam alle wahnsinnig macht.«

»Ja, Wahnsinn!« Der Zwerg Himgi hatte das Wort ergriffen. »Jeder, der da hinaus ins Feuer der Orks reitet, muß wahnsinnig sein. Wer von uns weiß schon, wie viele Fallgruben sie nachts heimlich ausgehoben haben? Wer weiß, was sie sich sonst noch ausgedacht haben? Sicher ist nur: Sie wollen, daß wir herauskommen. Sie wollen uns mit ihrer Geheimnistuerei provozieren! Und jeder Soldat sollte wissen, daß es niemals klug ist, das zu tun, was der Gegner gerne möchte.«

»Aus dir spricht doch nur die Angst. Wäre ich so klein wie du, würde ich die Welt sicher auch ängstlicher sehen. Ich denke, daß die Orks in ihrem Lager sitzen und sich über unsere Feigheit totlachen, weil wir uns nicht trauen, einen Ausfall zu unternehmen, bevor sie ihre Arbeiten vollendet haben. Sind sie erst einmal fertig, wird es wirklich zu spät sein.« Der junge Gernot Brohm hatte gesprochen. Der Patriziersohn mit dem dunklen Lockenschopf brannte darauf, endlich wieder in die Schlacht zu ziehen. Seit seiner Verletzung beim Kampf am Fluß war er noch nicht wieder zum Einsatz gekommen.

Darrag saß an der Tafel und sagte nichts. Er war still geworden. Zwar kam der Schmied regelmäßig zu den Offiziersversammlungen und erfüllte auch sonst all seine Pflichten, doch schien es, als sei das Feuer verloschen, das einst in ihm brannte. Er hatte sich völlig in sich zurückgezogen.

Zerwas hob in feierlicher Geste seinen Pokal. »Ruhe!« rief er mit schallender Stimme über das Gemurmel im Saal. »Auch ich denke, wir sollten schnell einen Angriff führen. Am besten noch heute nacht. Wir können uns nicht leisten, länger zu warten. Es mag sein, daß dies ein Fehler ist und daß die Orks genau darauf warten. Doch sicher ist auch, daß wir unsere Autorität verlieren werden, wenn wir nichts unternehmen. Ich weiß, daß viele meiner Bürgerwehrsoldaten schon lange hinter vorgehaltener Hand darüber tuscheln, wir seien Feiglinge. Laßt uns unseren Kämpfern beweisen, daß wir den Mut zur Schlacht nicht verloren haben. Auf unseren Sieg!« Zerwas trank den Pokal in einem Zug leer und warf ihn über seine Schulter.

»Das ist ein Wort!« rief Oberst von Blautann und tat es ihm gleich. Auch Lysandra und Gernot Brohm erhoben sich von ihren Sitzen. Schließlich stand mehr als die Hälfte der Männer und Frauen, die Offiziersränge bekleideten.

Da erhob sich Marcian. »Nun, es sieht so aus, als könnte man euch nicht mit guten Worten von dieser Dummheit abhalten. Dann laßt uns gemeinsam überlegen, wie dieses Unternehmen so gut wie möglich durchzuführen ist. Und du, Zerwas, sollst das Oberkommando innehaben!« Mit überheblicher Geste bedankte sich der Vampir.

Dies mochte eine Gelegenheit sein, ihn loszuwerden, dachte Marcian und lächelte freundlich zurück.


Kolon stand auf dem Erdwall der Schanze vor dem Andergaster Tor. Bald würden sie kommen; dessen war er sich völlig sicher. Schon vor zwei Nächten hatte er die Speerschleudern in Position bringen lassen. Verborgen hinter den hölzernen Schutzwänden standen die Aale, wie sie die Soldaten wegen der langen Speere nannten, die diese Geschütze verschossen, bereit, jeden Ausfall zu einem Blutbad werden zu lassen. Er hatte dafür gesorgt, daß die besten Bogenschützen der Armee auf die Schanzen direkt vor den Toren der Stadt verteilt waren. Sollten die Greifenfurter nur kommen! Kolon erwartete sie sehnsüchtig. Diesmal würden sie es sein, die eine Niederlage erlitten.

Der Zwerg legte den Kopf in den Nacken und schaute zu den verblassenden Sternen. Er brauchte den Angriff. Es fiel ihm immer schwerer, Sharraz Garthai noch davon zu überzeugen, daß es besser wäre, wenn die Menschen zuerst angriffen. Schon hatte er befehlen müssen, die Ostmauer zu beschießen, um den Sturm der Orks vorzubereiten. Sharraz Garthai befürchtete, seine Autorität zu verlieren. Er brauchte dringend einen Erfolg.

Kolon verachtete die Orks. Sie waren strohdumm. Wäre er nicht hier, würden sie vermutlich immer noch mit Wurfankern und Leitern versuchen, die Mauern der Stadt zu überrennen. Doch so etwas mußte anders angepackt werden. Man mußte Finten wagen und den Feind verwirren. Der Kampf um eine Stadt war im Grunde von einem Schwertkampf nicht sehr verschieden. Es gab nur drei Wege, den Gegner zu vernichten. Er konnte an einer Vielzahl kleiner Schläge zugrunde gehen, doch das hieße, eine lange Belagerung führen. Statt dessen bestand auch die Möglichkeit einen Angriff mit solcher Kraft voranzutreiben, daß ihm einfach nichts entgegenzusetzen war, doch dafür hatte Sharraz Garthai zu wenige Krieger, und dann gab es noch den dritten Weg: Man mußte einen Schlag führen, der völlig unerwartet kam und tödlich traf. Genau das würde geschehen. Kolon hatte lange mit Gamba über dessen Möglichkeiten beraten, und sie hatten gemeinsam einen Plan ausgeheckt, der den sicheren Untergang der Stadt bedeutete. Zunächst war auch Sharraz Garthai davon überzeugt gewesen, doch nun dauerte ihm das alles zu lange. Auch wenn er die Belagerung leitete, so war er doch wie die meisten seines Volkes zu ungeduldig.

Angestrengt lauschte Kolon in die Morgendämmerung. Hatte er nicht gerade ein Pferd wiehern gehört? Jetzt war es wieder still, bis auf das Zwitschern der Vögel, die im hohen Gras ihre Nester hatten. Der Zwerg versuchte, im Zwielicht das Stadttor auszumachen. Doch vergebens. Es mochte noch eine halbe Stunde dauern, bis die Sonne aufging.

Da war das Geräusch wieder. Das konnte kein Zufall mehr sein. Der Zwerg hob den Arm und winkte. Zehn Orks standen hinter ihm unten am Erdwall bereit. Sie würden nun ausschwärmen und leise ihre Kameraden wecken. Jetzt durfte es noch keine Horn- und Trommelsignale geben.

Aus den Augenwinkeln sah Kolon, wie sich eine Gestalt über die Böschung schwang und zu den hölzernen Schutzwänden hinüberlief. Dort schliefen direkt neben den Geschützen die Bedienungsmannschaften. Noch wenige Augenblicke und alle waren in Alarmbereitschaft. Schon kamen die ersten Bogenschützen auf den Erd wall und kauerten sich hinter die Brustwehr. Im Morgendunst war ein leises Knirschen zu hören. Das Geräusch der Stadttore, die sich in ihren Angeln bewegten. Er hatte recht gehabt. Sie kamen.

Kolon drehte sich um und ließ prüfend den Blick über das Lager der Orks schweifen. Alle Krieger waren mittlerweile geweckt. Er lachte leise, diesmal würden die Greifenfurter diejenigen sein, die eine Überraschung erlebten. Bis zum Hauptlager durchzukommen war unmöglich. Kolon war sich völlig sicher, an alles gedacht zu haben. Neben ihm kauerte ein Ork mit einem ausgehöhlten Mammutstoßzahn. Sobald Kolon es befahl, würde er ein Hornsignal geben, und die Bogenschützen eröffneten das Feuer. Aber erst mußten die Feinde näher kommen. Wieder spähte der Zwerg angestrengt ins Zwielicht. Eine lange Reihe Reiter durchquerte das Tor. Fast völlig lautlos nahmen sie Aufstellung. Dann folgten Fußsoldaten. Sie sollten vermutlich die Reiter abschirmen. In geschlossener Formation kamen die Infanteristen nun langsam auf die Schanze zumarschiert. Kolon griff nach der schweren Armbrust, die vor ihm auf der Brustwehr lag und gab dem Ork mit dem Horn ein Zeichen. Ein dumpfer, quäkender Ton zerriß die Stille des Morgens. Für einen Augenblick schienen die Menschen in ihrem Vormarsch zu stokken.

Der Zwerg hörte, wie die hölzernen Schutzwände ins Gras fielen. Dann war das scharfe Klacken der zurückschnellenden Sicherungsbügel der Speerschleudern zu vernehmen. Er hatte den Geschützbedienungen eingeschärft, zunächst auf die Reiter zu schießen. Das Fußvolk wäre Sache der Bogenschützen, die sich nun neben ihm erhoben. Von einem Augenblick zum anderen war die Luft erfüllt vom Sirren der Bogensehnen und Pfeile. Schon hörte man die ersten Schreie Getroffener durch die Nacht gellen und das Wiehern von Pferden im Todeskampf. Kolon spannte seine Armbrust. Noch immer rückten die Fußsoldaten vor. Der Zwerg ließ sich Zeit. Er wollte einen Offizier. Dann erkannte er einen Jüngling mit Locken. Er trug einen runden Schild und einen Küraß, soweit Kolon es im schwachen Licht erkennen konnte. Sorgfältig zielte er, legte den Zeigefinger an den Abzugsbügel und schoß. Der Bolzen riß den Mann von den Beinen. Er taumelte gegen die rückwärtigen Reihen und brach dann endgültig zusammen. Rings um ihn entstand Verwirrung. Die Fußsoldaten waren keine vierzig Schritt mehr vorn Graben der Bastion entfernt.

Kolon griff nach dem Köcher mit den Bolzen und spannte seine Waffe erneut. Unter den Menschen brach nun endgültig Panik aus. Viele warfen die Schilde weg und rannten um ihr Leben. Schon wollten die ersten Orks die Böschung hinunterstürmen, den Graben durchqueren und ihnen nachsetzen, als die Stimme des Zwerges den Lärm der Schlacht übertönte. »Alles bleibt auf dem Posten! Wer hier ohne meinen Befehl die Verfolgung beginnt, den schieße ich nieder. Denkt an die Reiter! Im offenen Gelände sind wir ihnen nicht gewachsen.«

Die meisten hielten zögernd an und blickten mißtrauisch herüber. Kolon legte ruhig seine Armbrust an und zielte auf einen Ork, der den Graben durchquert hatte und gerade die gegenüberliegende Böschung erklomm. Kolon schoß. Mit einem Schrei stürzte der Krieger nieder, versuchte sich in der weichen Erde festzuklammern und rutschte sterbend die Böschung herunter. »Alles zurück auf die Posten!« Die Orks gehorchten ihm.

Jetzt kamen die Reiter zurück. Offensichtlich war ihnen der Durchbruch mißglückt. Ihre Reihen hatten sich gehörig gelichtet. »Vergeßt die Fußsoldaten, schießt nur noch auf die Reiter.' Feuer.'« kommandierte der Zwerg. Wieder war das harte Klacken der entsicherten Speerschleudern zu hören. Wie Blitze fuhren die Geschosse zwischen die Menschen, rissen Roß und Reiter zu Boden. Kolon fiel ein blonder Offizier mit wallendem blauen Umhang auf. Er versuchte, ein Trüppchen Reiter um sich zu sammeln. Offensichtlich wollte er eine Attacke auf die Geschützstellungen reiten, um so das Feuer auf sich zu ziehen und den anderen den Rückzug durch das Tor zu erleichtern.

Hastig spannte der Zwerg seine Armbrust und drehte an der Kurbel, die über einen ausgeklügelten Mechanismus den stählernen Bogen der Waffe spannte. Dann stützte er die Armbrust auf die Brustwehr auf, um sorgfältiger zielen zu können. Er wollte den Kopf dieses blonden Reiters. Nervös spannte er den Finger am Abzug und schoß, doch im selben Moment bäumte sich das Pferd des Reiters auf. Der Bolzen schlug dem Hengst in die Brust, der noch ein zweites Mal stieg und dann zusammenbrach. Geschickt sprang der Reiter aus dem Sattel und rollte sich im Gras ab. Schnell war er wieder auf den Beinen. Einer der Männer aus seinem Gefolge stieg ab und überließ ihm sein Pferd. Schon saß der Reiter wieder im Sattel, und sein Befehl zum Angriff schallte über das Schlachtfeld.

Respektvoll pfiff Kolon durch die Zähne. Die Ritter hatten Mut. Es mochten vielleicht zwanzig sein, die auf die Stellung der Orks zugaloppierten. Die Wahrscheinlichkeit, diesen Angriff zu überleben, war gering, doch ihr Plan ging auf. Alle Bogenschützen ringsherum konzentrierten ihr Feuer auf die näherkommenden Reiter. Auch die Bedienungsmannschaften der Speerschleudern richteten ihre Geschütze neu aus, um den Rittern, die auf die befestigten Schanzen zuhielten, in die Flanken zu schießen.

Pferde strauchelten, von Pfeilen durchbohrt. Ritter wurden von Speeren aus dem Sattel gerissen und mehrere Schritt hinter ihre Reittiere geschleudert, doch noch immer hielten die Überlebenden auf die Schanze zu. Sie mußten jetzt weniger als fünfzig Schritt entfernt sein. Wieder spannte Kolon seine schwere Armbrust. Auf diese Distanz würde er treffen. Bedächtig zog er einen Bolzen aus dem Köcher an seiner Hüfte. Einen Augenblick betrachtete er das massige kleine Holzgeschoß mit seiner kantigen stählernen Spitze. Du wirst ein Heldenleben beenden, dachte er und legte den Bolzen ein. Als er aufblickte, um zu zielen, sah er, wie der Ritter samt Pferd zur Seite gerissen wurde. Ein Speer hatte Roß und Reiter getroffen. Diesmal gelang es dem Blondschopf nicht, sich abzurollen. Er verschwand unter dem stürzenden Pferdeleib. Eine rothaarige Frau riß ihren Schimmel hart herum und sprang aus dem Sattel. Sie kniete neben dem gefallenen Ritter. Kolon kniff die Augen zusammen, um besser zu sehen. Noch immer war das Morgenlicht schwach und hatte kaum die Kraft, die Dunkelheit zu vertreiben. Es schien, als wäre dem Reiter der Speer durch den Oberschenkel geschlagen, so daß er regelrecht an sein totes Pferd genagelt war. Die Frau mit dem wehenden weißen Umhang machte sich an dem Schaft zu schaffen. Rings um sie wendeten nun die wenigen überlebenden Reiter ihre Pferde, um dem tödlichen Feuer der Orks zu entgehen. Nur zwei blieben bei ihr und versuchten, sie mit den Schilden von den Pfeilen der Gegner abzuschirmen. Mit einem Schwerthieb durchtrennte sie den Speer kurz über dem Bein des Reiters, dann löste sie den Schenkel aus der tödlichen Verklammerung. Einige Speere schossen kurz über ihren Kopf hinweg. Einer der zurückgebliebenen Ritter wurde getroffen. Ein Speer schlug ihm glatt durch den Unterleib, doch die anderen hatten Glück.

Kolon fluchte. Diese barbarischen Hinterwäldler. Immer, wenn es darauf ankam, schossen sie daneben. Aus Orks würde man wohl niemals vernünftige Artilleristen machen. Er würde dieses Schauspiel nun beenden. Soeben versuchte die Rothaarige, mit einem anderen den Pferdeleib wegzurollen und den Ritter endgültig zu befreien. Sorgfältig zielte der Zwerg und schoß. Einen Atemzug später sah er, wie es die Frau nach hinten riß. Zufrieden schmunzelte er. Doch dann richtete sie sich wieder auf. Kolon schrie vor Wut und fluchte in der Sprache der Zwerge auf den Schmied, der diese Rüstung gefertigt hatte. Der Bolzen mußte an ihrem Küraß abgeglitten sein, ohne ihn zu durchschlagen. Wieder machte sie sich an dem Pferd zu schaffen. Um sie und den letzten verbliebenen Streiter schlugen die Geschosse ein. Jetzt hatten sie den Ritter mit dem blauen Umhang befreit. Der Zwerg blickte zum Stadttor hinüber. Die drei mußten mehr als zweihundert Schritt laufen, um die rettenden Mauern zu erreichen. Das würden sie nicht schaffen. Selbst wenn alle Orks blind wären und ziellos ihre Pfeile abfeuern würden, konnten sie die Strecke bis zum Tor unmöglich überleben. Kolon fühlte sich wie der Kommandant eines Erschießungskommandos. Die drei hatten es gewagt, ihm zu trotzen. Dafür würden sie nun sterben! »Schießt sie nieder und holt euch ihre Skalps!« schrie Kolon auf orkisch seinen Kriegern zu, die den Befehl mit begeistertem Geschrei aufnahmen. Der Zwerg musterte die schwarzbehaarten Kreaturen, die er kommandierte. Früher hatte er Orks als Abschaum betrachtet, heute sah er sie anders. Sie waren zwar undisziplinierte Barbaren, doch gute Kämpfer. Die meisten menschlichen Soldaten waren den Hieben eines wütenden Orks nicht gewachsen. Und so würde es auch den Greifenfurtern ergehen. Heute war der Tag, an dem die Stadt fallen würde.

Vor dem Andergaster Tor waren nur noch wenige Reiter. Fast alle hatten sich hinter die schützenden Mauern geflüchtet. Ein großer Mann in schwarzer Rüstung ließ seinen Rappen steigen. Er rief etwas, doch auf die Entfernung konnte Kolon seine Worte nicht verstehen. Dann ließ der Schwarze sein Schwert über dem Kopf kreisen und wies auf die Stellung der Orks. Er riß das Pferd herum und kam auf sie zugaloppiert. Die anderen folgten. Dicht an seiner Seite fiel noch ein zweiter Mann in schimmerndem Plattenpanzer und mit wehendem roten Umhang auf. Das mußte Marcian sein!

Kolon lächelte böse. Sollten sie nur kommen! Sie wären nur mehr Futter für seine Geschütze. Die drei Überlebenden hatten inzwischen hinter den Kadavern toter Pferde Deckung gesucht, um nicht dem Beschuß der Orks ausgesetzt zu sein.

Unter den angreifenden Reitern ertönte ein Hornsignal. In weit ausgefächerter Linie galoppierten sie auf die Schanze zu. Die meisten trugen nur leichte Lederrüstungen und waren mit Bögen bewaffnet.

Kolon gab erneut den Befehl zu schießen. Wie Hornissen im ersten Licht der Sonne blinkend flogen die geölten Speere der Geschütze auf die Reiter zu. Einer durchschlug den Hals eines Pferdes und drang tief in die Brust des Reiters. Auch die Bogenschützen verrichteten ihr tödliches Handwerk. Dichte Schauer von Pfeilen flogen den Angreifern entgegen. Das mußten Wahnsinnige sein.

Als sie die drei hinter den gestürzten Pferden erreicht hatten, zügelten die Bogenschützen ihre Pferde und erwiderten das Feuer. Ein bunt gefiederter Pfeil schlug dicht vor dem Zwerg in die Brustwehr ein. Einige der Orks schrien getroffen auf und stürzten. Diese Hunde schossen elend gut. Doch sie würden der Übermacht der Orks nicht lange standhalten.

Wieder hielten die Speere der Geschütze tödliche Ernte unter den Reitern. Mittlerweile waren die Verletzten von den Anführern auf die Pferde gezogen worden. Kolon legte auf den Mann in der Rüstung an. Das war ein Göttergeschenk, daß der Kommandant der Stadt jetzt unmittelbar vor ihm stand. Er mußte sorgfältig zielen. Traf der Bolzen nicht genau auf die schweren Eisenplatten des Harnischs, würde er wirkungslos abgleiten. Jetzt Zusammen mit einem Schauer von anderen Pfeilen flog der Bolzen des Zwergs auf sein Ziel zu. Der Ritter riß seinen Schild hoch. Fünf oder sechs Pfeile fing er so ab. Doch der Bolzen mußte den Schild durchschlagen haben. Ein Horn ertönte. Der Mann wendete sein Pferd. Er schwankte im Sattel.

»Treffer!« Kolon hüpfte hinter der Brustwehr auf und ab. Dann beruhigte er sich wieder. Jetzt würde er dem Kerl den Rest geben. Wieder drehte er die Kurbel seiner Armbrust und beobachtete, wie sich der stählerne Bogen langsam spannte. Die Reiter hatten gewendet. Sie holten alles aus ihren Pferden heraus, um endlich wieder in die Sicherheit der Stadtmauern zu gelangen. Der Ritter in der schwarzen Rüstung und Marcian fielen zurück. Der Schwarze hatte die rothaarige Frau zu sich auf den Sattel gezogen und der Kommandant den Offizier mit dem blauen Umhang. Dadurch waren sie wesentlich langsamer geworden. Rund um sie schlugen Speere ein.

Dann zerstob neben Kolon ein Teil der Brustwehr aus festgestampfter Erde. Zwei Orks wurden schreiend von der Schanze gefegt. Sie mußten auf der Stadtmauer ein Geschütz in Stellung gebracht haben. Kolon war vor Schreck die Armbrust losgegangen. Fluchend spannte er den Bogen erneut. Gleich waren die Reiter außerhalb der Reichweite. Schon öffneten sich die Tore der Stadt. Kolon schoß, doch die Wahrscheinlichkeit, auf diese Distanz noch zu treffen, war gering. Er hatte gefehlt. Der Zwerg hob den Arm. Es war sinnlos, noch weiter zu schießen. »Feuer einstellen!«

Langsam senkten die Orks die Bögen. »Holt euch eure Beute!« Der Zwerg wußte, daß die meisten der Krieger darauf brannten, sich die Skalps der Toten zu holen. »Kommt aber nicht zu dicht an die Mauer. Artilleristen, nehmt die Rotze auf der Mauer unter Feuer.« Das Geschütz mit der geraden Schußbahn konnte ihnen gefährlich werden. Die Schanzen waren zu weit von der Stadt entfernt, als daß sie von einem einzelnen Geschütz ernsthaft bedroht werden konnten. Doch wagten sich seine Männer aufs freie Feld, sah die Sache schon anders aus. Schon schwärmten die ersten Krieger durch den Graben auf das Schlachtfeld zu. Die Morgensonne beschien Dutzende von toten Pferden und Reitern, die in grotesker Verrenkung am Boden lagen. Dieser Ausfall war die Greifenfurter teuer zu stehen gekommen. Schon begannen die Orks, die Verwundeten niederzumachen, die auf der Walstatt liegen geblieben waren. Auch Kolon hatte sich über die Schanze hinab in den Graben rutschen lassen. Er wollte den Kopf des gelockten Offiziers.

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