13

Hey, old friend.

What do you say, old friend?

Make it okay, old friend,

Give an old friendship a break.

Why so grim?

We’re going on forever.

You, me, him,

Too many lives are at stake …

– Stephen Sondheim,›Old Friends‹


Es war Samstagmorgen. Es hatte geklopft, und Shadow ging an die Tür.

Marguerite Olsen stand vor ihm. Sie kam nicht herein, sondern stand einfach nur da im Sonnenlicht und wirkte ernst. »Mister Ainsel …?«

»Mike, bitte«, sagte Shadow.

»Mike, ja. Möchten Sie vielleicht morgen Abend zum Essen zu uns kommen? Es gibt nichts Aufregendes, nur Spaghetti bolognese.«

»Ich mag Spaghetti bolognese.«

»Falls Sie natürlich andere Pläne haben …«

»Ich habe keine anderen Pläne.«

»Sechs Uhr.«

»Sollte ich Blumen mitbringen?«

»Wenn Sie es nicht lassen können. Aber es ist bloß eine gesellige Veranstaltung, keine romantische.«

Er duschte. Er hatte einen kurzen Spaziergang runter zur Brücke und wieder zurück unternommen. Die Sonne stand wie eine matt glänzende Vierteldollarmünze am Himmel, und bis er wieder nach Hause kam, hatte er in seinem warmen Mantel zu schwitzen begonnen. Jetzt fuhr er mit seinem Geländewagen zu Dave’s Finest Food und kaufte eine Flasche Wein. Es war eine Flasche zu zwanzig Dollar, was Shadow eine Art Qualitätsgarantie zu sein schien. Er verstand nichts von Weinen, daher kaufte er einen kalifornischen Cabernet. Damals, als er noch jünger war und man noch Stoßstangenaufkleber am Auto hatte, hatte Shadow mal einen Stoßstangenaufkleber gesehen, auf dem LIFE IS A CABERNET stand, und das hatte ihn zum Lachen gebracht.

Er kaufte eine Topfpflanze als Geschenk. Grüne Blätter, keine Blumen. Nichts, was auch nur entfernt romantisch wirkte.

Er kaufte eine Tüte Milch, die er bestimmt nicht trinken, und diverses Obst, das er bestimmt nicht essen würde.

Dann fuhr er rüber zu Mabel’s, um sich eine einzelne Pastete zum Mittagessen zu kaufen. Mabels Gesicht hellte sich auf, als sie ihn sah. »Hat Hinzelmann Sie zu fassen gekriegt?«

»Ich wusste gar nicht, dass er mich sucht.«

»Und ob. Will mit Ihnen zum Eisfischen gehen. Und Chad Mulligan wollte auch wissen, ob ich Sie gesehen habe. Seine Cousine von auswärts ist zu Besuch. Es ist eine Cousine zweiten Grades, das, was wir früher entfernte Mischpoke genannt haben. Ein richtiger Schatz. Sie werden von ihr begeistert sein.« Sie steckte die Pastete in eine braune Papiertüte, deren oberes Ende sie umfaltete, damit die Pastete schön warm blieb.

Shadow fuhr den langen Weg nach Hause einhändig, mit der anderen Hand aß er die Pastete, die Krümel ließ er auf seine Jeans und den Boden fallen. Er passierte die Bibliothek am Südufer des Sees. Bei Eis und Schnee war Lakeside eine Schwarzweißstadt. Der Frühling schien unvorstellbar weit weg zu sein: Die Rostlaube würde für immer und ewig auf dem Eis bleiben, und daneben die Eisfischerunterstände und die Pick-ups und die Spuren der Schneemobile.

Er parkte vor seinem Apartmenthaus, ging die Zufahrt entlang und stieg die Holztreppe hinauf zu seiner Wohnung. Die Stieglitze und Kleiber, die am Vogelhaus zugange waren, würdigten ihn kaum eines Blickes. Er ging in die Wohnung. Er wässerte die Pflanze und fragte sich, ob er den Wein in den Kühlschrank stellen sollte oder nicht.

Bis sechs Uhr war noch eine Menge Zeit totzuschlagen.

Einmal mehr hätte Shadow sich gewünscht, dass er in der Lage gewesen wäre, ruhig und entspannt fernzusehen. Er wollte unterhalten werden, wollte nicht nachdenken müssen, sondern einfach nur dasitzen und das Licht und die Geräusche über sich zusammenschlagen lassen. Möchtest du Lucys Titten sehen?, flüsterte etwas mit Lucystimme in seiner Erinnerung, und er schüttelte den Kopf, obwohl niemand da war, der es hätte sehen konnte.

Er war nervös, so viel war ihm klar. Es handelte sich hier um den ersten echten gesellschaftlichen Verkehr mit anderen Leuten – normalen Leuten, keinen Knackis, keinen Göttern, Kulturhelden oder Traumfiguren – seit seiner Verhaftung, seit über drei Jahren also. Er würde Konversation machen müssen, und zwar als Mike Ainsel.

Er sah auf die Armbanduhr. Es war halb drei. Marguerite Olsen hatte gesagt, er solle um sechs Uhr antreten. Hieß das, um Punkt sechs Uhr? Vielleicht ein bisschen früher? Ein bisschen später? Am Ende beschloss er, um fünf nach sechs an die Tür nebenan zu klopfen.

Shadows Telefon klingelte.

»Ja?«, sagte er.

»So meldet man sich nicht am Telefon«, knurrte Wednesday.

»Sobald ich einen Telefonanschluss bekomme, werde ich mich höflich melden«, sagte Shadow. »Was kann ich für Sie tun?«

»Ich weiß nicht«, sagte Wednesday. Es entstand eine Pause. Dann sagte er: »Etwas mit Göttern zu organisieren ist, als würde man eine Horde Katzen in geordneter Formation antreten lassen wollen. Es ist ihnen nicht von Natur aus gegeben.« Es lag etwas Trostloses, zutiefst Erschöpftes in Wednesdays Stimme, etwas, was Shadow noch nie zuvor gehört hatte.

»Was ist los?«

»Es ist schwer. Es ist so scheißschwer. Ich weiß nicht, ob es funktionieren wird. Wir könnten uns genauso gut die Kehle durchschneiden. Die eigene Kehle durchschneiden.«

»So dürfen Sie nicht reden.«

»Ja, ja. Schon gut.«

»Na ja, wenn Sie sich wirklich die Kehle durchschneiden«, sagte Shadow in einem Versuch, Wednesday aus seiner trübsinnigen Stimmung zu holen, »dann tut es ja vielleicht wenigstens nicht weh.«

»Es würde wehtun. Selbst für meinesgleichen tut Schmerz weh. Wenn man sich in der materiellen Welt bewegt und auf sie einwirkt, wirkt die Materie auch auf einen selbst ein. Schmerz schmerzt, genau wie Gier berauscht und Lust brennt. Wir sterben möglicherweise nicht leicht, und wir sterben weiß der Teufel nicht angenehm, aber wir können sterben. Sofern die Erinnerung an uns noch wach ist und wir geliebt werden, tritt etwas anderes, aber uns sehr Ähnliches, an unsere Stelle, und die ganze verdammte Chose beginnt von neuem. Wenn man uns aber vergisst, dann sind wir erledigt.«

Shadow wusste nicht, was er darauf sagen sollte. »Von wo aus rufen Sie eigentlich an?«

»Das geht Sie gar nichts an.«

»Sind Sie etwa betrunken?«

»Noch nicht. Ich muss nur immer an Thor denken. Den haben Sie nicht kennen gelernt. Groß gewachsener Typ, so wie Sie. Gutes Herz. Nicht der Hellste, aber er hat einem sein gottverdammtes letztes Hemd gegeben, wenn man ihn darum bat. Der hat sich umgebracht. Hat sich 1932 in Philadelphia eine Pistole in den Mund gesteckt und den Kopf weggepustet. Was für eine Art zu sterben für einen Gott!«

»Tut mir Leid, das zu hören.«

»Sie kümmert das einen feuchten Kehricht, mein Sohn. Er hatte viel mit Ihnen gemeinsam. Groß und dumm.« Wednesday sprach nicht weiter. Er hustete.

»Was ist also los«, fragte Shadow wieder.

»Sie haben sich gemeldet.«

»Wer?«

»Die Opposition.«

»Und?«

»Sie wollen über einen Waffenstillstand reden. Friedensgespräche. Leben und leben lassen und so ein Scheiß.«

»Und was passiert jetzt?«

»Jetzt geh ich los und trinke schlechten Kaffee mit den modernen Arschlöchern in einem Freimaurertempel in Kansas City.«

»Okay. Holen Sie mich ab, oder soll ich Sie irgendwo treffen?«

»Sie bleiben da und halten sich bedeckt. Halten Sie sich aus allem Ärger raus. Haben Sie verstanden?«

»Aber …«

Es klickte, die Leitung war tot und blieb tot. Kein Amtszeichen war zu hören, aber das war ja nichts Neues.

Nichts, als Zeit totzuschlagen. Die Unterhaltung mit Wednesday hatte Shadow irgendwie unruhig gemacht. Er erhob sich, um noch einmal einen Spaziergang zu machen, aber da es bereits dunkelte, setzte er sich wieder hin.

Shadow nahm die Protokolle des Stadtrats von Lakeside 1872-1884 zur Hand und blätterte darin, überflog die winzige Schrift, ohne richtig zu lesen, und hielt nur gelegentlich inne, um etwas genauer zu betrachten, was ihm ins Auge gefallen war.

Im Juli 1874, so erfuhr Shadow, zeigte sich der Stadtrat über die Zahl der in die Stadt kommenden ausländischen Wanderholzfäller besorgt. Ein Opernhaus sollte an der Ecke Third Street und Broadway gebaut werden. Es stehe zu erwarten, dass die im Zusammenhang mit dem Stauen des Mill Creek auftretenden Ärgernisse beseitigt würden, wenn erst aus dem Mühlteich ein See geworden sei. Der Rat billigte die Zahlung von siebzig Dollar an Mr. Samuel Samuels und fünfundachtzig Dollar an Mr. Heikki Salminen als Kompensation für ihr Land und die Unkosten, die ihnen aus der Verlegung ihres Wohnsitzes aus dem zu überfluteten Gebiet entstanden.

Shadow war bislang überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass der See künstlich angelegt worden sein könnte. Warum sollte man eine Stadt Lakeside nennen, wenn der See zunächst nur ein verdammter Mühlteich gewesen war? Er las weiter und erfuhr, dass ein Mr. Hinzelmann, ursprünglich aus Hudemühlen in Lüneburg, für das Stauprojekt zuständig war und dass der Stadtrat ihm dafür eine Summe von 370 Dollar zur Verfügung gestellt hatte, mit der Maßgabe, dass eventuelle Fehlbeträge durch Spenden auszugleichen seien. Shadow riss ein Stück Papier von der Küchenrolle ab und legte es als Lesezeichen zwischen die Seiten. Er konnte sich Hinzelmanns Vergnügen vorstellen, wenn er ihm den Hinweis auf seinen Großvater zeigte. Er fragte sich, ob dem Alten eigentlich bewusst war, dass seine Familie eine so wichtige Rolle bei der Errichtung des Sees gespielt hatte. Shadow blätterte weiter, um zu sehen, ob es noch mehr Hinweise auf das Stauprojekt gab.

Im Frühling 1876 hatte man den See im Rahmen einer Feierstunde eingeweiht – ein Vorgeschmack auf die Hundertjahrfeiern der Stadt. Der Stadtrat sprach Mr. Hinzelmann seinen Dank aus.

Shadow sah auf die Uhr. Es war halb sechs. Er ging ins Bad, um sich zu rasieren und zu kämmen. Er zog sich um. Irgendwie vergingen auch die letzten fünfzehn Minuten. Er schnappte sich den Wein und die Pflanze und ging dann nach nebenan.

Die Tür öffnete sich, schon während er noch klopfte. Marguerite Olsen sah fast so nervös aus, wie er sich fühlte. Sie nahm die Weinflasche und die Topfpflanze in Empfang und bedankte sich. Der Fernseher war an, es lief das Video von Der Zauberer von Oz. Die Szenerie war noch sepiafarben, Dorothy war noch immer in Kansas und saß mit geschlossenen Augen in Professor Marvels Wagen, während der alte Betrüger vorgab, ihre Gedanken zu lesen, und der Wirbelwind, der sie aus ihrem Leben reißen sollte, befand sich erst im Anflug. Leon saß vor dem Bildschirm und spielte mit einem Spielzeugfeuerwehrwagen. Als er Shadow sah, zuckte ein freudiger Ausdruck über sein Gesicht; er stand auf und lief, wobei er vor Aufregung über die eigenen Füße stolperte, in ein anderes Zimmer, um kurz darauf mit einem Vierteldollar, den er triumphierend in der Hand hielt, wieder hervorzustürmen.

»Achtung, Mike Ainsel!«, rief er. Dann schloss er beide Hände und gab vor, die Münze in die rechte Hand zu nehmen, die er daraufhin weit öffnete. »Ich habe sie verschwinden lassen, Mike Ainsel!«

»Stimmt«, sagte Shadow. »Und falls deine Mutter nichts dagegen hat, werde ich dir nach dem Essen zeigen, wie man es sogar noch unauffälliger machen kann.«

»Machen Sie’s ruhig gleich, wenn Sie wollen«, sagte Marguerite. »Wir warten noch auf Samantha. Ich habe sie losgeschickt, um Sauerrahm zu besorgen. Ich weiß gar nicht, wo sie so lange bleibt.«

Als wäre das ein Stichwort gewesen, erklangen auf der Veranda jetzt Schritte, und gleich darauf drückte jemand die offene Tür mit der Schulter auf. Shadow erkannte sie nicht gleich wieder, aber als sie: »Ich wusste nicht, ob du die Sorte mit Kalorien wolltest oder die, die wie Tapetenkleister schmeckt, also habe ich mich für die mit Kalorien entschieden«, sagte, da wusste er, wer sie war: die Anhalterin auf dem Weg nach Cairo.

»Das ist völlig in Ordnung«, sagte Marguerite. »Sam, das ist mein Nachbar, Mike Ainsel. Mike, das ist Samantha Black Crow, meine Schwester.«

Ich kenne dich nicht, dachte Shadow verzweifelt. Du hast mich nie gesehen. Wir sind uns völlig fremd. Er versuchte sich zu erinnern, wie er damals Schnee gedacht hatte, wie leicht und locker das gegangen war: letzt aber war er am Verzweifeln. Er streckte die Hand aus und sagte: »Freut mich.«

Sie blinzelte und sah ihm forschend ins Gesicht. Ein Augenblick der Verwirrung, dann blitzte das Wiedererkennen in ihren Augen auf, und sie verbog den Mundwinkel zu einem Grinsen. »Hallo«, sagte sie.

»Ich seh mal nach, was das Essen macht«, sagte Marguerite mit der angespannten Stimme derjenigen, der unweigerlich alles anbrennt, sobald sie die Küche nur für einen Augenblick unbeaufsichtigt lässt.

Sam entledigte sich ihres bauschigen Mantels und ihres Huts. »Sie sind also der melancholische, aber mysteriöse Nachbar«, sagte sie. »Wer hätte das gedacht?« Sie sprach mit gedämpfter Stimme.

»Und Sie«, sagte er, »sind Sam Mädchen. Können wir später über die Sache reden?«

»Wenn Sie versprechen, mir zu erzählen, was hier vorgeht.«

»Abgemacht.«

Leon zog an Shadows Hosenbein. »Zeigen Sie’s mir jetzt?«, fragte er und streckte ihm die Münze entgegen.

»Okay«, sagte Shadow. »Aber wenn ich es dir zeige, musst du immer dran denken, dass ein Meisterzauberer niemals jemand anders verrät, wie es gemacht wird.«

»Großes Ehrenwort«, sagte Leon ernst.

Shadow nahm die Münze in die linke Hand, dann führte er Leons rechte Hand und zeigte ihm, wie er damit die Münze scheinbar aufzunehmen hatte, während sie in Wirklichkeit in Shadows Hand verblieb. Anschließend ließ er Leon die entsprechenden Handgriffe wiederholen.

Nach mehreren Versuchen hatte der Junge die Bewegungen drauf. »So, jetzt kannst du den Trick immerhin zur Hälfte«, sagte Shadow. »Die andere Hälfte geht so: Richte deine Aufmerksamkeit immer auf die Stelle, wo die Münze sein soll. Gucke genau da hin. Wenn du dich so verhältst, als wär sie in deiner rechten Hand, wird niemand auf deine linke Hand achten, selbst wenn du noch so ungeschickt bist.«

Sam beobachtete das Ganze mit leicht zur Seite gelegtem Kopf, ohne etwas zu sagen.

»Essen ist fertig!«, rief Marguerite, die sich mit einer dampfenden Schüssel Spaghetti durch die Küchentür schob. »Leon, geh und wasch dir die Hände.«

Es gab knuspriges Knoblauchbrot, und gut gewürzte, kräftige Fleischsoße. Shadow sprach der Köchin seine Anerkennung aus.

»Altes Familienrezept«, sagte Marguerite. »Von der korsischen Seite unserer Familie.«

»Ich dachte, Sie sind indianischer Abstammung?«

»Dad ist Cherokee«, sagte Sam. »Der Vater von Mags Mutter kam aus Korsika.« Sam war die einzige Anwesende, die tatsächlich von dem Cabernet trank. »Dad hat sie verlassen, als Mags zehn war, und ist ans andere Ende der Stadt gezogen. Sechs Monate später bin ich zur Welt gekommen. Mama und Dad haben geheiratet, sobald seine Scheidung durch war. Als ich zehn war, ist er abgehauen. Ich glaube, seine Aufmerksamkeit reicht immer grade für zehn Jahre.«

»Na ja, er ist jetzt seit zehn Jahren in Oklahoma«, sagte Marguerite.

»Ja, und die Familie meiner Mutter, das waren europäische Juden«, fuhr Sam fort, »aus einer der Gegenden, die früher kommunistisch waren und wo jetzt nur noch Chaos herrscht. Ich glaube, ihr hat einfach die Vorstellung gefallen, mit einem Cherokee verheiratet zu sein. Röstbrot und gehackte Leber.« Sie nahm einen Schluck Rotwein.

»Sams Mutter ist eine richtig Wilde«, sagte Marguerite, halb bewundernd, halb missbilligend.

»Wissen Sie, wo sie jetzt ist?«, fragte Sam.

Shadow schüttelte den Kopf. »Sie ist in Australien. Sie hat im Internet einen Typen kennen gelernt, der in Hobart lebte. Als sie sich dann in natura getroffen haben, fand sie ihn doch eher eklig. Aber Tasmanien hat ihr richtig gut gefallen. Also lebt sie jetzt da unten, zusammen mit einer Frauengruppe; sie bringt denen bei, wie man Kleidungsstücke batikt und solche Sachen. Ist das nicht cool? In ihrem Alter?«

Shadow musste ihr da Recht geben und sicherte sich eine weitere Portion Soße.

Sam berichtete, wie die Urbevölkerung Tasmaniens von den Briten ausgerottet worden sei, und erzählte von der sich über die ganze Insel erstreckende Menschenkette, die die Wilden einfangen sollte, der aber nur ein alter Mann und ein kranker Junge in die Maschen ging. Sie erzählte von den Thylacinen, den Beutelwölfen, auch Tasmanische Tiger genannt, die von den um ihre Schafe besorgten Farmern getötet wurden; in den Dreißigerjahren kamen dann einige Politiker auf die Idee, die Thylacinen zu schützen, mussten aber feststellen, dass auch die letzten Exemplare schon abgeknallt worden waren. Sie trank ihr zweites Glas Wein aus und goss sich ein drittes ein.

»Und Sie, Mike«, sagte Sam plötzlich, die Wangen schon ein wenig gerötet, »erzählen Sie uns doch von Ihrer Familie. Was sind die Ainsels für welche?«

»Wir sind ganz langweilig«, sagte Shadow. »Von uns hat es keiner je bis Tasmanien geschafft. Sie studieren also in Madison. Wie ist das denn so?«

»Na ja, Sie wissen schon«, sagte sie. »Ich studiere Kunstgeschichte, Frauen- und Geschlechterforschung, und ich gieße meine eigenen Bronzen.«

»Wenn ich groß bin«, sagte Leon, »werde ich Zauberer. Basta. Bringen Sie mir bei, wie das geht, Mike Ainsel?«

»Klar«, sagte Shadow. »Wenn deine Mutter nichts dagegen hat.«

»Wenn wir gegessen haben und du Leon ins Bett bringst, Mags«, sagte Sam, »werde ich Mike wohl mal bitten, dass er mit mir zur Kneipe fährt, nur auf ’ne Stunde oder so.«

Marguerite zeigte kein Achselzucken. Sie bewegte nur leicht den Kopf und hob eine Augenbraue.

»Ich finde ihn interessant«, sagte Sam. »Und wir haben viel zu bereden.«

Marguerite sah Shadow an, der jedoch stark in Anspruch genommen war, sich einen imaginären Fleck roter Soße mit einer Papierserviette vom Kinn zu wischen. »Tja, ihr seid erwachsen«, sagte sie in einem Ton, der nahe legte, dass sie es keineswegs seien und, selbst wenn sie es wären, nicht sein sollten.

Nach dem Essen half Shadow Sam mit dem Abwasch – er trocknete ab –, und dann führte er Leon noch einen Trick vor: Er zählte ihm Pennys in die Hand, aber jedesmal, wenn Leon die Hand öffnete und nachzählte, war eine Münze weniger übrig, als er vorgezählt bekommen hatte. Als es an den letzten Penny ging – »Drückst du ihn auch ordentlich? Richtig fest?« –, hatte der sich, als Leon die Hand öffnete, in ein Zehncentstück verwandelt. Leons klagend und empört hervorgebrachtes »Wie haben Sie das gemacht? Mama, wie hat er das gemacht?« begleitete ihn bis auf den Flur hinaus.

Sam reichte Shadow dessen Mantel. »Kommen Sie«, sagte sie. Ihre Wangen glühten vom Wein.

Draußen war es kalt.

Shadow ging noch kurz in seine Wohnung, steckte die Protokolle des Stadtrats von Lakeside in eine Plastikeinkaufstüte und nahm sie mit. Hinzelmann war vielleicht auch in der Kneipe, und Shadow wollte ihm die Seite mit seinem Großvater zeigen.

Sie gingen nebeneinander die Zufahrt hinunter.

Er öffnete die Garagentür, und sie fing an zu lachen. »O mein Gott«, sagte sie, als sie den Geländewagen erblickte. »Paul Gunthers Auto. Sie haben Paul Gunthers Auto gekauft! Ach Gottchen.«

Shadow machte ihr die Tür auf. Dann ging er ums Auto herum und stieg selbst ein. »Sie kennen das Auto?«

»Vor zwei, drei Jahren habe ich mich hier eine Weile bei Mags aufgehalten. Ich war es, die ihn dazu überredet hat, es lila anzumalen.«

»Ach«, sagte Shadow. »Es ist immer gut, wenn man jemandem die Schuld geben kann.«

Er fuhr den Wagen auf die Straße. Stieg wieder aus und machte die Garagentür zu. Stieg ins Auto zurück. Sam sah ihn seltsam an, so als würde Stück um Stück die Selbstsicherheit aus ihr entweichen. Als er seinen Sicherheitsgurt umlegte, sagte sie: »Okay. Was ich hier mache, ist ziemlich dumm von mir, oder? Zu einem Psychokiller ins Auto steigen.«

»Ich habe Sie letztes Mal sicher zu Hause abgeliefert«, sagte Shadow.

»Sie haben zwei Männer getötet«, sagte sie. »Die Bundespolizei fahndet nach Ihnen. Und jetzt stellt sich heraus, dass Sie unter einem Decknamen Tür an Tür mit meiner Schwester wohnen. Oder ist Mike Ainsel etwa Ihr richtiger Name?«

»Nein«, sagte Shadow seufzend. »Ist es nicht.« Er sagte es äußerst ungern. Es war, als würde er etwas Wichtiges aufgeben, würde Mike Ainsel im Stich lassen, indem er ihn verleugnete; es war, als würde er sich von einem guten Freund verabschieden.

»Haben Sie die Männer getötet?«

»Nein.«

»Die sind zu mir nach Hause gekommen und meinten, man habe uns zusammen gesehen. Und der eine hat mir Fotos von Ihnen gezeigt. Wie hieß er noch – Mister Hat? Nein. Mister Town. Es war wie in Auf der Flucht. Aber ich hab so getan, als wären wir uns nie begegnet.«

»Danke.«

»Also«, sagte sie. »Erzählen Sie mir, was los ist. Ich bewahre Ihre Geheimnisse, solange Sie meine bewahren.«

»Ich kenne ja keine von Ihnen«, sagte Shadow.

»Nun, Sie wissen, dass es meine Idee war, dieses Ding hier lila anzumalen, womit ich Paul Gunther dazu gebracht habe, sich in der gesamten Gegend derart lächerlich und verächtlich zu machen, dass er sich gezwungen gesehen hat, die Stadt gleich ganz zu verlassen. Wir waren damals ziemlich bekifft«.

»Gerade das wird kaum ein Geheimnis sein«, sagte Shadow. »Das müsste in Lakeside eigentlich jeder gewusst haben. Es ist ein ausgesprochen bekifftes Lila.«

Dann sagte sie, sehr leise, sehr schnell: »Falls Sie mich umbringen wollen, tun Sie mir bitte nicht weh. Ich hätte nicht mit Ihnen hierher kommen sollen. Ich bin so scheißbescheuert. Ich kann Sie identifizieren. Herrgott.«

Shadow seufzte. »Ich habe noch nie jemanden umgebracht. Wirklich. Und jetzt fahre ich mit Ihnen zur Kneipe. Wir werden zusammen was trinken. Wenn Sie wollen, dann wende ich auch und fahre Sie nach Hause. Wie auch immer, ich kann nur hoffen, dass Sie nicht die Polizei rufen.«

Es herrschte Schweigen, während sie über die Brücke fuhren.

»Wer hat die Männer getötet?«, fragte sie.

»Sie würden es mir nicht glauben, wenn ich’s Ihnen sage.«

»Würde ich wohl.« Sie klang jetzt ärgerlich. Shadow fragte sich, ob es klug gewesen war, den Wein zum Essen mitzubringen. Momentan war das Leben mit Sicherheit kein Cabernet.

»Es ist nicht leicht zu glauben.«

»Ich«, erklärte sie, »kann alles glauben. Sie haben ja keine Ahnung, was ich alles glauben kann.«

»Tatsächlich?«

»Ich kann Dinge glauben, die wahr sind, und ich kann Dinge glauben, die nicht wahr sind, und ich kann auch Dinge glauben, wo niemand weiß, ob sie wahr sind oder nicht. Ich kann an den Weihnachtsmann glauben und an den Osterhasen und an Marilyn Monroe und die Beatles und Elvis und Mister Ed, das sprechende Pferd. Also – ich glaube, dass die Menschen vervollkommnungsfähig sind, dass das Wissen unbegrenzt ist, dass die Welt von geheimen Bankkartellen regiert und regelmäßig von Außerirdischen besucht wird, von netten, die wie runzlige Lemuren aussehen, und von bösen, die Rinder verstümmeln und es auf unser Wasser und unsere Frauen abgesehen haben. Ich glaube, dass die Zukunft der letzte Scheiß sein wird, und ich glaube, dass es in der Zukunft total geil abgeht, und ich glaube, dass eines Tages die Weiße Büffelfrau zurückkehren und allen in den Arsch treten wird. Ich glaube, dass alle Männer nichts weiter sind als zu groß geratene Jungs mit einem ernsten Kommunikationsproblem und dass das Schwinden von gutem Sex hierzulande mit dem Verschwinden der Autokinos in einem Bundesstaat nach dem anderen zusammenfällt. Ich glaube, dass alle Politiker prinzipienlose Gauner sind, und ich glaube, dass sie trotzdem immer noch besser sind als die Alternative. Ich glaube, dass Kalifornien im Meer versinken wird, wenn das große Erdbeben kommt, während Florida am Ende nur noch aus Wahnsinn, Alligatoren und Giftmüll bestehen wird. Ich glaube, dass antibakterielle Seife unsere Widerstandskraft gegen Schmutz und Krankheiten zerstört, sodass wir eines Tages alle von einer ganz gewöhnlichen Erkältung dahingerafft werden, so wie die Marsmenschen in Krieg der Welten. Ich glaube, dass die größten Dichter des letzten Jahrhunderts Edith Sitwell und Don Marquis waren, dass Jade getrocknetes Drachensperma ist und dass ich in einem anderen Leben vor Tausenden von Jahren eine einarmige sibirische Schamanin war. Ich glaube, dass das Schicksal der Menschheit in den Sternen liegt. Ich glaube, dass die Süßigkeiten wirklich besser geschmeckt haben, als ich ein Kind war, dass Hummeln aus aerodynamischen Gründen unmöglich fliegen können, dass Licht sowohl eine Welle als auch ein Partikel ist, dass es irgendwo eine Katze in einer Kiste gibt, die lebendig und gleichzeitig tot ist (wenn man allerdings nicht irgendwann die Kiste öffnet, um sie zu füttern, werden es bald nur noch zwei verschiedene Arten von tot sein), und dass es Sterne im Universum gibt, die Milliarden von Jahren älter sind als das Universum selbst. Ich glaube an einen persönlichen Gott: Sie sorgt sich um mich und überwacht alles, was ich tue. Ich glaube an einen unpersönlichen Gott: Sie hat das Universum in Gang gesetzt und ist dann abgehauen, um mit ihren Freundinnen abzuhängen, und sie weiß gar nicht, dass es mich gibt. Ich glaube an ein leeres und götterloses Universum aus Chaos, Hintergrundrauschen und reinem, blindem Glück. Ich glaube, dass jeder, der behauptet, Sex wäre eine überschätzte Sache, es einfach noch nicht richtig gemacht hat. Ich glaube, dass jeder, der behauptet, er weiß, was Sache ist, auch bei den kleinen Dingen lügt. Ich glaube an unbedingte Ehrlichkeit und an Notlügen aus Vernunft. Ich glaube an das Recht der Frauen zur Eigenbestimmung und an das Recht der Babys zu leben, ich glaube, dass zwar alles menschliche Leben heilig, gegen die Todesstrafe aber dennoch nichts einzuwenden ist, sofern man dem Rechtssystem blind vertrauen kann, aber nur ein Vollidiot würde dem Rechtssystem vertrauen. Ich glaube, dass das Leben ein Spiel ist, dass das Leben ein grausamer Witz ist und dass das Leben das ist, was passiert, wenn man lebt, und dass man sich ruhig zurücklehnen und es genießen sollte.« Sie brach ziemlich außer Atem ab.

Shadow hätte beinahe die Hände vom Steuer genommen, um ihr zu applaudieren. Stattdessen sagte er: »Okay. Wenn ich Ihnen also erzähle, was ich weiß, werden Sie mich nicht für verrückt halten.«

»Kann sein«, sagte sie. »Stellen Sie mich halt auf die Probe.«

»Würden Sie glauben, dass alle Götter, die sich die Menschen je vorgestellt haben, heute immer noch unter uns sind?«

»… unter Umständen.«

»Und dass es da draußen neue Götter gibt, Götter des Computers, des Telefons und was auch immer, und dass sie alle der Ansicht zu sein scheinen, dass es auf der Welt nicht genug Platz für beide Seiten gibt? Und dass wahrscheinlich eine Art Krieg bevorsteht?«

»Und diese Götter sollen die beiden Männer getötet haben?«

»Nein, meine Frau hat die beiden Männer getötet.«

»Ich dachte, Sie hätten gesagt, Ihre Frau ist tot.«

»Ist sie auch.«

»Dann hat sie sie also umgebracht, bevor sie gestorben ist?«

»Danach. Fragen Sie nicht.«

Sie hob die Hand und wischte sich die Strähnen aus der Stirn.

Sie hielten in der Main Street vor der Kneipe an. Das Schild über dem Fenster zeigte einen überrascht dreinschauenden Hirsch, der auf den Hinterbeinen stand und in den Vorderläufen ein Glas Bier hielt. Shadow nahm die Tüte mit dem Buch und stieg aus.

»Warum sollten sie Krieg führen?«, sagte Sam. »Das kommt mir irgendwie nutzlos vor. Was gibt es denn da zu gewinnen?«

»Ich weiß nicht«, gestand Shadow.

»Es ist leichter, an Außerirdische zu glauben als an Götter«, sagte Sam. »Vielleicht waren Mister Town und Mister Soundso ja Men in Black, nur von der außerirdischen Sorte.«

Sie standen vor der Kneipe auf dem Bürgersteig, und Sam verharrte dort. Sie sah Shadow an, während ihr Atem wie eine blasse Wolke in der Abendluft hing. »Sagen Sie mir einfach, dass Sie einer von den Guten sind«, sagte sie.

»Das kann ich nicht«, sagte Shadow. »Ich wollte, ich könnte es. Aber ich tue mein Bestes.«

Sie biss sich auf die Unterlippe und ließ ihn nicht aus den Augen. Dann nickte sie. »Das reicht mir«, sagte sie. »Ich werde Sie nicht anzeigen. Sie dürfen mir jetzt ein Bier ausgeben.«

Shadow stieß die Tür auf, und ein Schwall von Hitze und Musik schlug ihnen entgegen. Sie gingen hinein.

Sam winkte einigen Bekannten zu. Shadow nickte in die Richtung einer Hand voll von Leuten, deren Gesichter – wenn auch nicht die Namen – er von der Suche nach Alison McGovern kannte oder die er morgens öfter bei Mabel’s sah. Chad Mulligan stand an der Bar und hatte den Arm um die Schultern einer kleinen Rothaarigen gelegt – die »entfernte Mischpoke«, vermutete Shadow. Er war neugierig, wie sie wohl aussah, aber sie hatte ihm den Rücken zugewandt. Chad hob die Hand zu einem spaßhaften militärischen Gruß, als er Shadow erblickte. Shadow winkte grinsend zurück. Er sah sich nach Hinzelmann um, aber der Alte schien an diesem Abend nicht anwesend zu sein. Shadow machte weiter hinten einen freien Tisch ausfindig und ging darauf zu.

Dann begann jemand zu schreien.

Es war ein Schrei, der Unangenehmes verhieß, ein Schrei aus voller Kehle, hysterisch, als hätte jemand einen Geist erblickt. Shadow drehte sich um, überzeugt, dass jemand einem Mord zum Opfer fallen sollte, aber dann bemerkte er, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Selbst die schwarze Katze, die tagsüber auf der Fensterbank schlief, erhob sich mit aufgerichtetem Schwanz von der Jukebox und starrte Shadow an.

Die Zeit verlangsamte sich.

»Haltet ihn fest!«, schrie eine Frauenstimme kurz vorm Überschnappen. »Oh, um Gottes willen, jemand soll ihn aufhalten! Lasst ihn nicht entkommen! Tut doch was!« Eine Stimme, die er kannte.

Niemand rührte sich. Alle starrten Shadow an. Er starrte zurück.

Chad Mulligan kam durch die Menge hindurch herbei. Die kleine Frau ging vorsichtig hinter ihm her, die Augen weit aufgerissen, als wollte sie sich anschicken, gleich noch einmal loszuschreien. Shadow kannte sie. Natürlich kannte er sie.

Chad, der noch sein Bier in der Hand hielt, stellte es jetzt auf dem nächstbesten Tisch ab. »Mike«, sagte er.

»Chad«, sagte Shadow.

Audrey Burton ergriff Chads Ärmel. Ihr Gesicht war kreidebleich, und sie hatte Tränen in den Augen. »Shadow«, sagte sie. »Du Mistkerl. Du blutrünstiger, böser Mistkerl.«

»Bist du dir sicher, dass du diesen Mann kennst, Schatz?«, sagte Chad. Er schien sich nicht wohl in seiner Haut zu fühlen.

Audrey Burton sah ihn ungläubig an. »Bist du verrückt? Er hat jahrelang für Robbie gearbeitet. Seine Frau, die Schlampe, war meine beste Freundin. Er wird wegen Mordes gesucht. Ich musste wegen ihm jede Menge Fragen beantworten. Er ist ein entlaufener Sträfling.« Sie hatte völlig die Fassung verloren, die mit Mühe unterdrückte Hysterie ließ ihre Stimme zittern, und sie schluchzte ihre Worte heraus wie eine Soap-Schauspielerin, die sich für eine Emmy-Auszeichnung empfehlen will. Entfernte Mischpoke, dachte Shadow unbeeindruckt.

Niemand in der ganzen Kneipe sagte ein Wort. Chad Mulligan sah Shadow an. »Es ist sicherlich ein Irrtum. Ich bin sicher, wir können das alles klären«, sagte er und wandte sich dann an die anderen Gäste: »Es ist alles in Ordnung. Kein Grund zur Aufregung. Wir klären das. Alles in bester Ordnung.« Und zu Shadow: »Gehen wir nach draußen, Mike.« Ruhig und kompetent. Shadow war beeindruckt.

»Klar«, sagte Shadow.

Er fühlte, wie ihn jemand an der Hand berührte, und als er sich umwandte, blickte Sam ihm offen in die Augen. Er lächelte ihr zu, so beruhigend, wie es ihm möglich war.

Sam sah Shadow an, dann schaute sie in die Runde, in die zu ihnen herstarrenden Gesichter.: »Ich weiß nicht, wer Sie sind«, sagte sie zu Audrey Burton. »Aber. Sie. Sind. So eine. Blöde. Fotze.« Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen, zog Shadow zu sich herunter und drückte ihm einen wilden Kuss auf die Lippen, küsste ihn mehrere Minuten lang, wie es Shadow vorkam, und auch in Echtzeit mochten es noch gut fünf Sekunden gewesen sein.

Es war ein seltsamer Kuss, dachte Shadow unterdessen: Er war gar nicht an ihn adressiert. Er galt den anderen Leuten in der Kneipe und sollte ihnen mitteilen, dass sie Partei ergriffen hatte. Es war ein Flagge schwenkender Kuss. Noch während sie ihm die Lippen auf den Mund presste, gewann er den unumstößlichen Eindruck, dass sie ihn gar nicht mochte – nun ja, jedenfalls nicht auf diese Art.

Dennoch, es gab da eine Geschichte, die er vor langer Zeit, als kleiner Junge noch, gelesen hatte: die Geschichte eines Reisenden, der eine Klippe hinuntergerutscht war, über sich menschenfressende Tiger und unter sich der gähnende Abgrund; er hatte den Fall abbremsen können und hielt sich jetzt mit aller Kraft an der Klippe fest. Neben sich erblickte er ein Büschel Erdbeeren, über und unter ihm lauerte der sichere Tod. Was sollte er tun?, lautete die Frage.

Und die Antwort hieß: Die Erdbeeren essen.

Als Kind hatte er nicht begriffen, was die Geschichte ihm eigentlich sagen sollte, aber jetzt leuchtete sie ihm ein. Er schloss also die Augen, warf sich in den Kuss und nahm nichts mehr wahr außer Sams Lippen und die weiche Berührung ihrer Haut, süß wie eine wilde Erdbeere.

»Kommen Sie, Mike«, sagte Chad Mulligan entschieden. »Bitte. Gehen wir nach draußen.«

Sam ließ von ihm ab. Sie leckte sich die Lippen und lächelte, ein Lächeln, das beinahe die Augen mit einschloss. »Nicht schlecht«, sagte sie. »Für einen Jungen kannst du ziemlich gut küssen. Okay, geht draußen spielen.« Dann wandte sie sich Audrey Burton zu. »Aber Sie«, sagte sie, »sind trotzdem eine blöde Fotze.«

Shadow warf Sam seine Wagenschlüssel zu. Sie fing sie mit einer Hand. Er schritt durch die Kneipe und trat, gefolgt von Chad Mulligan, nach draußen. Es hatte leicht zu schneien begonnen, die Flocken schwebten kreisend in das Neonlicht des Kneipenschildes. »Wollen wir drüber reden?«, sagte Chad.

Audrey war ihnen auf den Gehsteig gefolgt. Sie sah aus, als wollte sie jeden Moment wieder losschreien. »Er hat zwei Männer umgebracht, Chad«, sagte sie. »Das FBI stand bei mir auf der Matte. Er ist verrückt. Ich komme mit auf die Wache, wenn du willst.«

»Sie haben genug Ärger verursacht, Ma’am«, sagte Shadow. Er klang müde, selbst in seinen Ohren. »Bitte hauen Sie ab.«

»Chad? Hast du das gehört? Er hat mich bedroht!«, sagte Audrey.

»Geh wieder rein, Audrey«, sagte Chad Mulligan. Es schien, als wollte sie widersprechen, aber dann presste sie die Lippen so fest zusammen, dass sie weiß wurden, und ging zurück in die Kneipe.

»Möchten Sie irgendwas von dem, was sie gesagt hat, kommentieren?«, fragte Chad Mulligan.

»Ich habe noch nie jemanden umgebracht«, sagte Shadow.

Chad nickte. »Ich glaube Ihnen«, sagte er. »Ich bin mir sicher, dass diese Anschuldigungen sich leicht klären lassen. Sie werden mir doch keine Schwierigkeiten machen, Mike, nicht wahr?«

»Keine Schwierigkeiten«, sagte Shadow. »Das ist alles ein Irrtum.«

»Genau«, sagte Chad. »Und daher, schätze ich, sollten wir zu meinem Büro fahren und die Sache dort klären.«

»Bin ich verhaftet?«, fragte Shadow.

»Nee«, sagte Chad. »Es sei denn, Sie möchten es. Ich schätze, Sie kommen jetzt einfach mit mir mit, weil Sie es für Ihre staatsbürgerliche Pflicht halten, und dann bringen wir das alles ins Reine.«

Er tastete Shadow nach Waffen ab. Danach stiegen sie in Mulligans Wagen. Diesmal saß Shadow wieder hinten und schaute durch das Metallgitter. Er dachte: SOS. Mayday. Hilfe. Er versuchte Mulligan mit der Kraft seiner Gedanken zu beeinflussen, wie er es schon mal bei einem Cop in Chicago getan hatte – Das hier ist doch dein alter Freund Mike Ainsel. Du hast ihm das Leben gerettet. Weißt du nicht, wie lächerlich das alles ist? Lass doch die Sache einfach fallen!

»Ich schätze, es war gut, dass wir Sie da rausgeholt haben«, sagte Chad. »Es hätte nur irgendein Großmaul gebraucht, dem plötzlich einfällt, dass Sie Alison McGoverns Killer sind, und schon hätten wir es mit einem Lynchmob zu tun bekommen.«

»Da haben Sie Recht.«

Den Rest der Fahrt über schwiegen sie. Das Polizeigebäude von Lakeside, erläuterte Chad, als sie davor hielten, gehöre dem Amt des Bezirkssheriffs. Die örtliche Polizei begnüge sich lediglich mit ein paar wenigen Räumen. In naher Zukunft werde der Bezirk irgendwas Modernes bauen. Bis dahin müssten sie sich eben mit dem begnügen, was sie hatten.

Sie gingen hinein.

»Sollte ich einen Anwalt verständigen?«, fragte Shadow.

»Es werden ja keine Beschuldigungen gegen Sie vorgebracht«, sagte Mulligan. »Es liegt an Ihnen.« Sie schoben sich durch einige Schwingtüren. »Setzen Sie sich da drüben hin.«

Shadow ließ sich auf einem Holzstuhl nieder, der an der Seite Brandspuren von Zigaretten hatte. Er fühlte sich blöd und taub. Am Schwarzen Brett hing, neben einem großen RAUCHEN-VERBOTEN-Schild, ein kleines Plakat: WIRD VERMISST stand darauf. Das Foto war das von Alison McGovern.

Es gab noch einen Holztisch, auf dem alte Ausgaben von Sports Illustrated und Newsweek lagen. Das Licht war schlecht. Die Wände waren gelb, mochten ursprünglich aber mal weiß gewesen sein.

Nach zehn Minuten brachte Chad ihm einen Becher mit wässrigem Automatenkakao. »Was ist denn in der Tüte?«, fragte er. Erst jetzt bemerkte Shadow, dass er noch immer die Plastiktüte mit den Protokollen des Stadtrats von Lakeside in der Hand hielt.

»Altes Buch«, sagte Shadow. »Ist ein Bild von Ihrem Großvater drin. Oder Urgroßvater vielleicht.«

»Ach ja?«

Shadow blätterte, bis er das Bild des Stadtrats gefunden hatte, dann zeigte er auf den Mann namens Mulligan. Chad kicherte. »Das gibt’s doch nicht«, sagte er.

Die Minuten vergingen, und dann auch Stunden. Shadow saß die ganze Zeit auf dem Stuhl, las zwei Nummern Sports Illustrated und nahm sich anschließend die Newsweek vor. Von Zeit zu Zeit kam Chad vorbei, einmal wollte er wissen, ob Shadow mal auf die Toilette müsse, ein anderes Mal bot er ihm ein Schinkenbrötchen und eine kleine Tüte Kartoffelchips an.

»Danke«, sagte Shadow. »Bin ich inzwischen verhaftet?«

Chad saugte Luft zwischen den Zähnen an. »Tja«, sagte er. »Noch nicht. Einerseits sieht es nicht so aus, als wären Sie auf gesetzlichem Wege zu dem Namen Mike Ainsel gekommen. Andererseits kann man sich in diesem Staat nennen, wie man will, sofern es nicht in betrügerischer Absicht geschieht. Bleiben Sie einfach locker.«

»Kann ich telefonieren?«

»Ein Ortsgespräch?«

»Ferngespräch.«

»Nehmen Sie meine Telefonkarte, das spart Geld; so viele Vierteldollarstücke haben Sie gar nicht, wie Sie sonst in den Apparat auf dem Flur stecken müssten.«

Genau, dachte Shadow. Und auf diese Weise erfährst du auch die Nummer, die ich anrufe, und kannst auf einem Nebenapparat wahrscheinlich sogar mithören.

»Das wäre großartig«, sagte Shadow. Sie gingen in ein leeres Büro. Die Nummer, die Shadow Chad gab, damit dieser sie für ihn wählte, gehörte zu einem Bestattungsinstitut in Cairo, Illinois. Chad wählte, dann gab er Shadow den Hörer. »Ich lasse Sie so lange allein«, sagte er und ging hinaus.

Das Telefon klingelte mehrere Male, bevor abgenommen wurde.

»Jacquel und Ibis? Was kann ich für Sie tun?«

»Hallo, Mister Ibis, hier ist Mike Ainsel. Ich habe über Weihnachten ein paar Tage bei Ihnen ausgeholfen.«

Kurzes Zögern, dann: »Selbstverständlich. Mike. Wie geht es Ihnen?«

»Nicht so toll, Mister Ibis. Ich stecke in Schwierigkeiten. Soll verhaftet werden. Nun wollte ich fragen, ob Sie meinen Onkel gesehen haben oder ihm vielleicht eine Nachricht zukommen lassen können.«

»Gewiss, ich kann mich mal umhören. Aber bleiben Sie dran, äh, Mike. Hier ist jemand, der Sie sprechen möchte.«

Das Telefon wurde an jemanden übergeben, und dann sagte eine rauchige Frauenstimme: »Hallo, mein Schatz, du fehlst mir.«

Er wusste genau, dass er die Stimme noch nie gehört hatte. Aber er kannte sie. Ganz sicher kannte er sie …

Lass es abfallen, flüsterte die rauchige Stimme in seinem Kopf, in einem Traum. Lass alles von dir abfallen.

»Wer war das Mädchen, das du geküsst hast, Schatz? Willst du mich eifersüchtig machen?«

»Wir sind nur Freunde«, sagte Shadow. »Ich glaube, sie wollte etwas damit demonstrieren. Woher weißt du überhaupt, dass sie mich geküsst hat?«

»Ich habe überall Augen, wo mein Volk wandelt«, sagte sie. »Pass auf dich auf, mein Schatz …« Vorübergehend blieb es still am anderen Ende, dann war Mr. Ibis wieder in der Leitung und sagte: »Mike?«

»Ja.«

»Wir haben Schwierigkeiten, Ihren Onkel zu erreichen. Er scheint einigermaßen beschäftigt zu sein. Aber ich werde versuchen, Ihrer Tante Nancy eine Nachricht zukommen zu lassen. Vorerst alles Gute.« Die Verbindung brach ab.

Shadow setzte sich hin und wartete, dass Chad zurückkehrte. In dem leeren Büro gab es nichts, womit er sich ablenken konnte. Etwas unwillig nahm er sich noch einmal die Protokolle vor, öffnete sie irgendwo in der Mitte und begann zu lesen.

Eine Verordnung, die das Ausspucken auf Gehwegen und Fußböden öffentlicher Gebäude sowie das Verunreinigen derselben mit Tabak unter Strafe stellte, wurde im Dezember 1876 zur Abstimmung vorgelegt und mit acht zu vier Stimmen verabschiedet.

Lemmi Hautala, zwölf Jahre alt, war »wie befürchtet wird, in einem Anfall von Bewusstseinstrübung davongelaufen«, so geschehen am 13. Dezember 1876. »Eine Suchaktion wurde augenblicklich in die Wege geleitet, jedoch durch das heftige Schneetreiben behindert.« Der Rat beschloss einstimmig, der Familie Hautala sein Mitgefühl auszusprechen.

Das in der folgenden Woche ausgebrochene Feuer im Mietstall der Olsens konnte gelöscht werden, ohne dass Menschen oder Pferde zu Schaden gekommen wären.

Shadow überflog die eng bedruckten Spalten. Der Name Lemmi Hautala wurde nicht wieder erwähnt.

Und dann, aus einer Art Eingebung heraus, blätterte er weiter zum Winter 1877. Er fand das, was er suchte, als Nebenbemerkung zu den Januar-Protokollen: Jessie Lovat, ohne Altersangabe, »ein Negerkind«, war in der Nacht des 28. Dezembers verschwunden. Es wurde angenommen, dass sie von »reisenden so genannten Hausierern entführt« worden sei. Von Mitgefühlsbekundungen an die Familie Lovat sah der Rat ab.

Shadow war gerade dabei, die Protokolle vom Winter 1878 durchzusehen, als Chad Mulligan an die Tür klopfte und dann hereinkam, während er wie ein Kind, das ein schlechtes Zeugnis nach Hause brachte, betreten dreinblickte.

»Mister Ainsel«, sagte er. »Mike. Es tut mir wirklich sehr Leid. Persönlich mag ich Sie. Aber das ändert leider nichts an der Sachlage, ist Ihnen das klar?«

Shadow sagte, er verstehe das sehr gut.

»Ich habe keine andere Wahl«, sagte Chad, »als Sie wegen Verstoßes gegen Ihre Bewährungsauflagen zu verhaften.« Dann verlas Mulligan Shadow dessen Rechte. Er füllte irgendwelche Formulare aus. Er nahm Shadow die Fingerabdrücke ab. Er führte ihn durch den Flur zum Bezirksgefängnis auf der anderen Seite des Gebäudes.

Es gab dort einen langen Tresen und mehrere Türöffnungen auf der einen Seite des Raumes, zwei verglaste Wartezellen und eine Türöffnung auf der anderen. Eine der Zellen war besetzt – auf dem Betonbett schlief ein Mann unter einer dünnen Decke. Die andere war leer.

Hinter dem Schalter saß eine müde aussehende Frau in brauner Uniform, die sich die Jay-Leno-Show auf einem kleinen weißen tragbaren Fernseher anschaute. Sie nahm von Chad die Papiere entgegen und quittierte Shadows Ankunft. Chad blieb noch eine Weile, da weitere Formulare auszufüllen waren. Die Frau kam um den Schalter herum, tastete Shadow ab, nahm seinen Besitz entgegen – Brieftasche, Münzen, Haustürschlüssel, Buch, Armbanduhr – und legte alles auf den Tresen, dann gab sie ihm eine Plastiktüte mit orangefarbener Kleidung und forderte ihn auf, in die offene Zelle zu gehen, um sich umzuziehen. Seine Unterwäsche und die Socken durfte er anbehalten. Er ging in die Zelle und zog die orangefarbenen Sachen und ein Paar Badelatschen an. In der Zelle herrschte ein schlimmer Gestank. Auf dem Rücken des Oberteils, das er sich über den Kopf zog, stand in großen schwarzen Buchstaben LUMBER COUNTY JAIL.

Die Metalltoilette in der Zelle hatte einen Rückstau und war daher bis zum Rand mit einem braunen Eintopf aus verflüssigten Fäkalien und saurem, bierigem Urin gefüllt.

Shadow kam wieder heraus und übergab der Frau seine Kleidung, die daraufhin in die Plastiktüte zu seinen übrigen Habseligkeiten gesteckt wurde. Die Brieftasche hatte er, bevor er sie hergab, noch einmal durchgesehen. »Passen Sie gut darauf auf«, hatte er zu der Frau gesagt. »Da ist mein ganzes Leben drin.« Die Frau nahm die Brieftasche entgegen und versicherte ihm, dass bei ihnen alles gut aufgehoben sei. Sie bat Chad, ob er das nicht bestätigen könne, und Chad blickte von seinem fast bewältigten Papierkram auf und meinte, ja, da sage Liz absolut die Wahrheit, sie hätten noch nie irgendwelche Besitztümer von Gefangenen verloren.

Beim Umziehen hatte sich Shadow die vier Hundertdollarscheine, die er aus der Brieftasche genommen und palmiert hatte, in seine Socken gesteckt, zusammen mit dem silbernen Libertydollar, den er beim Leeren der Taschen palmiert hatte.

»Sagen Sie«, fragte Shadow, als er aus der Zelle kam. »Wäre es okay, wenn ich das Buch noch zu Ende lese?«

»Leider nein, Mike. Vorschrift ist Vorschrift«, sagte Chad.

Liz brachte die Tüte mit Shadows Sachen ins Hinterzimmer. Chad sagte, er überlasse Shadow jetzt der kompetenten Obhut von Officer Bute. Liz sah müde und unbeeindruckt aus. Chad ging. Das Telefon klingelte, und Liz – Officer Bute – nahm den Hörer ab. »Okay«, sagte sie. »Okay. Kein Problem. Okay. Kein Problem. Okay.« Sie legte den Hörer wieder auf und verzog das Gesicht.

»Schwierigkeiten?«, fragte Shadow.

»Ja. Eigentlich nicht. Ein bisschen. Sie schicken jemanden aus Milwaukee, um Sie abzuholen.«

»Warum sollte das ein Problem sein?«

»Ich muss Sie drei Stunden lang hier bei mir behalten«, sagte sie. »Und die Zelle da drüben« – sie zeigte auf die Zelle neben der Tür, in der der Mann schlief – »ist besetzt. Der da steht unter ständiger Beobachtung wegen Selbstmordgefährdung. Ich sollte Sie also nicht mit zu ihm stecken. Aber es lohnt den Aufwand nicht, Sie dem Bezirk zu überschreiben und gleich danach wieder abzumelden.« Sie schüttelte den Kopf. »Und da möchten Sie nicht reingehen« – sie zeigte auf die leere Zelle, in der er sich umgezogen hatte –, »weil das Klo verstopft ist. Da drin stinkt es, oder?«

»Ja, es ist widerlich.«

»Es ist einfach die menschliche Natur, jawohl. Je schneller wir in die neuen Räumlichkeiten kommen … also, für mich kann es gar nicht schnell genug gehen. Eine von den Frauen, die wir gestern hier hatten, muss einen Tampon runtergespült haben. Ich sag ihnen immer, sie sollen das lassen. Wir haben Eimer dafür. Die verstopfen immer die Rohre. Jeder verdammte Tampon, der im Klo stecken bleibt, kostet den Bezirk hundert Dollar für den Klempner. Also, ich kann Sie hier draußen sitzen lassen, wenn ich Ihnen Handschellen anlege. Sie können aber auch in die Zelle gehen.« Sie sah ihn an. »Ihre Entscheidung«, sagte sie.

»Scharf bin ich nicht drauf«, sagte er. »Also, ich nehme die Handschellen.«

Sie löste ein Paar von ihrem Gürtel und klopfte gleichzeitig demonstrativ auf die halbautomatische Pistole im Halfter, wie um ihn daran zu erinnern, dass die Waffe vorhanden war. »Hände hinter den Rücken«, sagte sie.

Die Handschellen saßen recht eng, was auch an seinen breiten Handgelenken lag. Sie legte ihm zusätzlich Fußfesseln an und setzte ihn dann auf eine Bank, die am anderen Ende des Schalters an der Wand stand. »Gut«, sagte sie. »Wenn Sie mich nicht ärgern, ärger ich Sie auch nicht.« Sie drehte den Fernseher so, dass er den Bildschirm sehen konnte.

»Danke«, sagte er.

»Wenn wir erst unsere neuen Büroräume haben«, sagte sie, »hört dieser ganze Unfug auf.«

Die Tonight Show ging zu Ende. Eine Folge von Cheers schloss sich an. Shadow hatte diese Serie nie richtig verfolgt. Er hatte nur eine einzige Folge davon gesehen – die, in der die Tochter von »Coach« ihn in der Bar besucht –, die allerdings gleich mehrfach. Es war Shadow aufgefallen, dass man von Serien, die man eigentlich nicht verfolgte, immer nur eine einzige Folge zu sehen bekam; es konnten Jahre dazwischenliegen, aber man erwischte immer wieder dieselbe. Es musste sich da um eine Art kosmisches Gesetz handeln.

Officer Liz Bute lehnte sich in ihrem Schreibtischsessel zurück. Nicht, dass sie nachgerade eingedöst gewesen wäre, aber wach war sie jedenfalls auch nicht, daher bekam sie es nicht mit, wie die Cheers-Truppe aufhörte, sich gegenseitig mit witzigen Bemerkungen einzudecken, um stattdessen aus dem Bildschirm heraus Shadow anzustarren.

Diane, die blonde Bardame, die sich für eine Intellektuelle hielt, ergriff als Erste das Wort. »Shadow«, sagte sie. »Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht. Du warst wie aus der Welt gefallen. Es tut so gut, dich wiederzusehen – sei es auch in Fesseln und orangefarbener Couture

»Das Beste wäre es meines Erachtens«, dozierte der Barlangweiler Cliff, »während der Jagdsaison zu fliehen, wenn sowieso alle Orange tragen.«

Shadow schwieg.

»Ah, er hat die Sprache verloren, wie ich sehe«, sagte Diane. »Na, du hast uns jedenfalls eine fröhliche Jagd beschert!«

Shadow wandte den Blick ab. Officer Liz hatte leise zu schnarchen begonnen.

Carla, die kleine Kellnerin, fauchte: »He, du trübe Tasse! Wir unterbrechen jetzt das Programm und zeigen dir etwas, da pisst du dir ins Hemd. Bist du bereit?«

Das Bild flackerte und wurde schwarz. Die Schrift DIREKTÜBERTRAGUNG pulsierte weiß auf der unteren linken Seite des Bildschirms. Eine gedämpfte weibliche Stimme, als Begleitkommentar eingesprochen, sagte: »Es ist mit Sicherheit noch nicht zu spät, zur Siegerseite überzuwechseln. Trotzdem, du hast auch die freie Wahl, dort zu bleiben, wo du bist. Das bedeutet es nämlich, Amerikaner zu sein. Genau das ist das Wunder Amerika. Freiheit des Glaubens bedeutet schließlich auch die Freiheit, das Falsche zu glauben. Wie auch die Redefreiheit dir das Recht gibt, den Mund zu halten.«

Das Fernsehbild zeigte jetzt eine Straßenszene. Die Kamera schlingerte, nach Art der Handkameras im Reality-TV vorwärts.

Ein braun gebrannter Mann mit sich lichtendem Haar und einem leicht zerknirschten Gesichtsausdruck füllte den Bildausschnitt aus. Er lehnte an der Wand und trank aus einem Plastikbecher Kaffee. Er blickte in die Kamera und sagte: »Terroristen verstecken sich hinter irreführenden Ausdrücken wie beispielsweise ›Freiheitskämpfer‹. Sie und ich wissen, dass sie nichts als eine Mörderbande sind, schlicht und einfach. Wir riskieren unser Leben, um etwas zu bewirken.«

Shadow erkannte die Stimme wieder. Er war einmal im Kopf des Mannes gewesen. Von innen klang Mr. Town etwas anders, die Stimme war tiefer, volltönender, aber dennoch nicht zu verwechseln.

Die Kameras fuhren zurück, und es erwies sich, dass Mr. Town vor einem Backsteingebäude in einer amerikanischen Straße stand. Über der Tür hingen Zeichendreieck und Kompass, die den Buchstaben G einrahmten.

»In Position«, sagte jemand aus dem Off.

»Lasst mal sehen, ob die Kameras in der Halle laufen«, sagte die weibliche Kommentarstimme.

Der Schriftzug DIREKTÜBERTRAGUNG blinkte nach wie vor in der linken unteren Ecke. Es war jetzt ein Innenraum zu sehen, eine unzulänglich beleuchtete kleine Halle. Am entfernten Ende saßen zwei Männer an einem Tisch. Einer davon hatte der Kamera den Rücken zugewandt. Ein unbeholfener Zoom holte die Männer heran. Für einen Moment waren sie unscharf, dann wurde die Einstellung korrigiert. Der der Kamera zugewandte Mann erhob sich und begann, wie ein Bär an der Kette auf und ab zu gehen. Es war Wednesday. Er sah aus, als würde die Angelegenheit ihm in gewisser Hinsicht Spaß bereiten. Als die Einstellung wieder scharf wurde, setzte mit einem Knacken der Ton ein.

Der Mann mit dem Rücken zur Kamera sagte gerade:»… wir anbieten, ist die Chance, die Sache zu beenden, hier und jetzt, kein weiteres Blutvergießen, keine weiteren Aggressionen, kein Schmerz, keine weiteren Verluste an Leben. Wäre es nicht gerechtfertigt, dafür auch ein wenig aufzugeben?«

Wednesday brach seine Wanderung ab und drehte sich um. Er blähte die Nasenlöcher. »Erstens«, knurrte er, »sollten Sie sich klar machen, dass Sie von mir verlangen, für uns alle zu sprechen. Was ein offenkundiger Unfug ist. Wie um alles in der Welt kommen Sie, zweitens, darauf, ich würde glauben, dass ihr Leute euer Wort halten werdet?«

Der Mann mit dem Rücken zur Kamera bewegte den Kopf. »Sie tun sich selber Unrecht«, sagte er. »Dass ihr keine Führer habt, ist klar. Aber Sie sind derjenige, auf den die anderen hören. Sie achten auf das, was Sie sagen. Und was das Worthalten betrifft, nun, diese Vorgespräche werden gefilmt und live übertragen.« Er zeigte nach rückwärts auf die Kamera. »Einige Ihrer Leute schauen in diesem Augenblick zu. Andere werden Videoaufzeichnungen zu sehen bekommen. Die Kamera lügt nicht.«

»Jeder lügt«, sagte Wednesday.

Shadow erkannte die Stimme des Mannes mit dem Rücken zur Kamera. Es war Mr. World, der Mann, der mit Town auf dem Handy gesprochen hatte, als Shadow in Towns Kopf war.

»Sie glauben uns nicht«, sagte Mr. World, »dass wir unser Wort halten werden?«

»Ich glaube, dass Ihre Versprechen gemacht sind, um gebrochen zu werden, und Ihre Eide nur dazu, ihnen wieder abzuschwören. Aber ich werde mein Wort halten.«

»Freies Geleit ist freies Geleit«, sagte Mr. World, »und die Parlamentärflagge ist das, worauf wir uns geeinigt hatten. Ich sollte Ihnen übrigens mitteilen, dass Ihr junger Protege sich wieder in unserem Gewahrsam befindet.«

Wednesday schnaubte. »Nein«, sagte er. »Das glaube ich nicht.«

»Wir waren dabei, Möglichkeiten zu erörtern, wie mit dem anstehenden Paradigmenwechsel umzugehen ist. Wir müssen nicht Feinde sein. Oder?«

Wednesday zeigte sich erschüttert. »Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um …«

Shadow bemerkte etwas Seltsames an Wednesdays Bild auf dem Fernsehbildschirm. Ein rotes Glitzern brannte auf seinem linken, dem Glasauge. Der Punkt hinterließ ein phosphoreszierendes Nachbild, sobald er sich bewegte. Wednesday schien sich dessen nicht bewusst zu sein.

»Wir leben in einem großen Land«, sagte Wednesday bedächtig. Er bewegte dabei den Kopf, und der rote Laserpunkt rutschte auf seine Wange. Gleich darauf schob er sich wieder auf das Glasauge. »Es bietet Platz für …«

Es gab einen Knall, der von den Fernsehlautsprechern gedämpft wurde, und eine Seite von Wednesdays Kopf explodierte. Sein Körper sackte nach hinten.

Mr. World erhob sich und ging aus dem Bild.

»Das wollen wir noch einmal sehen, diesmal in Zeitlupe«, sagte die Stimme der Sprecherin beruhigend.

Aus dem Schriftzug DIREKTÜBERTRAGUNG wurde WIEDERHOLUNG. Langsam bewegte sich jetzt der rote Laserzeiger auf seinen Zielpunkt, Wednesdays Glasauge, zu, und wieder löste sich seine Gesichtshälfte in eine Wolke von Blut auf. Standbild.

»Ja, es ist immer noch God’s Own Country«, sagte die Sprecherin, ganz Nachrichtenreporterin, die einen abschließenden Kommentar lieferte. »Die Frage ist nur, welche Götter sind gemeint?«

Eine andere Stimme – Shadow glaubte, sie als die von Mr. World zu erkennen, jedenfalls hatte sie dieselbe halbvertraute Eigenart – sagte: »Wir schalten nun zu Ihren im Programm ausgewiesenen Sendungen zurück.«

Bei Cheers versicherte Coach seiner Tochter gerade, dass sie wirklich äußerst schön sei, genau wie ihre Mutter.

Das Telefon klingelte, und Officer Liz schreckte hoch. Sie nahm den Hörer ab. »Okay. Okay. Ja. Okay.« Sie legte den Hörer auf, erhob sich und sagte zu Shadow: »Ich muss Sie jetzt doch in die Zelle stecken. Gehen Sie aber nicht aufs Klo. Die Leute vom Sheriffsamt in Lafayette müssten bald hier sein, um Sie abzuholen.«

Sie nahm ihm Handschellen und Fußfesseln ab und sperrte ihn in die Wartezelle. Bei geschlossener Tür war der Gestank noch unerträglicher.

Shadow setzte sich auf das Betonbett, holte den Libertydollar aus der Socke und bewegte ihn vom Finger zur Innenhand, von einer Position zur anderen, von einer Hand in die andere, wobei sein einziges Ziel darin bestand, niemanden, der zufällig hereinschauen sollte, die Münze sehen zu lassen. Er vertrieb sich die Zeit. Er fühlte sich taub.

Er vermisste Wednesday, jetzt in diesem Moment, plötzlich und heftig. Er vermisste das Selbstvertrauen des Mannes, seine Einstellung. Seine Überzeugung.

Er öffnete die Hand und betrachtete Lady Liberty, ihr Silberprofil. Er schloss die Finger über der Münze und hielt sie ganz fest. Er fragte sich, ob er ausersehen war, zu denen zu gehören, die eine lebenslängliche Strafe für etwas erhielten, was sie gar nicht getan hatten. Wenn er es überhaupt bis dahin schaffte. Nach dem, was er von Mr. World und Mr. Town gesehen hatte, hätten die kaum Schwierigkeiten, ihn vollständig aus dem Verkehr zu ziehen. Vielleicht würde er auf dem Weg in die nächste Verwahrstation einen bedauerlichen Unfall erleiden. Er könnte auf der Flucht erschossen werden. So unwahrscheinlich erschien ihm das nicht.

Auf der anderen Seite der Glastür entstand rege Aktivität. Officer Liz kam zurück ins Zimmer. Sie drückte auf einen Knopf, eine Tür, die Shadow nicht sehen konnte, öffnete sich, und ein schwarzer Hilfssheriff in brauner Uniform trat ein und schritt forsch herüber zum Schalter.

Shadow ließ die Dollarmünze zurück in die Socke schlüpfen.

Der neue Hilfssheriff überreichte einige Papiere, die von Liz überflogen und unterschrieben wurden. Chad Mulligan kam herein, sagte ein paar Worte zu dem Neuankömmling, dann schloss er die Zellentür auf und trat herein.

»Okay. Sie werden abgeholt. Scheint, als würde die nationale Sicherheit bei Ihrem Fall mit reinspielen. Wussten Sie das?«

»Das wird eine schöne Schlagzeile für die Lakeside News geben«, sagte Shadow.

Chad sah ihn ausdruckslos an. »Dass ein Betrüger wegen Verstoßes gegen die Bewährungsauflagen verhaftet wurde? Keine so aufregende Geschichte.«

»Das ist also die Sachlage?«

»So wird sie mir beschrieben«, sagte Chad Mulligan. Shadow streckte die Hände nach vorn, und diesmal legte Chad ihm die Handschellen an. Er versah ihn auch mit den Fußfesseln sowie einer Stange, die Handschellen und Fußfesseln miteinander verband.

Sie bringen mich nach draußen, dachte Shadow, vielleicht kann ich dabei ja versuchen abzuhauen – gefesselt und in dünnen orangefarbenen Klamotten hinaus in den Schnee, aber noch während er das dachte, war ihm gleichzeitig klar, wie dumm und aussichtslos das wäre.

Chad führte ihn hinaus ins Büro. Liz hatte inzwischen den Fernseher abgestellt. Der schwarze Hilfssheriff musterte Shadow. »Der ist ein ganz schöner Brocken«, sagte er zu Chad. Liz überreichte dem auswärtigen Beamten die Papiertüte mit Shadows Habseligkeiten, worauf jener den Empfang quittierte.

Chad sah Shadow an, dann den Hilfssheriff. Leise, aber laut genug, dass Shadow es hören konnte, sagte er zu dem Hilfssheriff: »Also gut, ich möchte nur noch mal betonen, dass ich mit der Art und Weise, wie das hier abläuft, nicht sonderlich glücklich bin.«

Der Hilfssheriff nickte. »Das müssen Sie bei den zuständigen Verantwortlichen vorbringen, Sir. Unser Job besteht allein darin, ihn einzuliefern.«

Chad machte ein angesäuertes Gesicht. »Okay«, sagte er, und an Shadow gerichtet: »Durch diese Tür und zur Ausfallschleuse.«

»Zur was?«

»Da draußen. Wo der Wagen ist.«

Liz entriegelte die Türen. »Sorgen Sie bitte dafür, dass die orange Uniform wieder hierher zurückkommt«, sagte sie zu dem Hilfssheriff. »Beim letzten Straftäter, den wir nach Lafayette geschickt haben, haben wir die Uniform nie wieder gesehen. Kostet alles Geld, das der Bezirk bezahlen muss.« Sie führten Shadow hinaus in die Ausfahrtsschleuse, wo ein im Leerlauf laufender Wagen stand. Es war kein Sheriffsamtswagen. Es war eine schwarze Limousine. Ein zweiter Hilfssheriff, ein grauhaariger Weißer mit Schnäuzer, stand rauchend daneben. Er trat die Zigarette aus, als sie herankamen, und öffnete die hintere Tür für Shadow.

Durch die Fesseln in seiner Bewegungsfreiheit arg eingeschränkt, hatte Shadow einige Mühe beim Einsteigen. Es gab kein Gitter zwischen Fahrersitz und Rückbank des Wagens.

Die beiden Hilfssheriffs stiegen vorn ein. Der Schwarze ließ den Motor an. Sie warteten darauf, dass die Schleusentür sich öffnete.

»Na komm, mach schon«, sagte der schwarze Hilfssheriff und trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad.

Chad Mulligan klopfte ans Seitenfenster. Der weiße Hilfssheriff sah kurz den Fahrer an, dann ließ er das Fenster herunter. »Das hier ist nicht korrekt«, sagte Chad. »Ich wollte das nur noch mal gesagt haben.«

»Ihre Einwände sind zur Kenntnis genommen worden und werden an die zuständigen Stellen weitergeleitet«, sagte der Fahrer.

Die Pforte zur Außenwelt öffnete sich. Es schneite immer noch, die Flocken taumelten durchs Schweinwerferlicht. Der Fahrer stellte den Fuß aufs Gas, und dann fuhren sie die Straße zurück auf die Main Street.

»Haben Sie das mit Wednesday gehört?«, sagte der Fahrer. Seine Stimme klang jetzt verändert, älter, vertraut. »Er ist tot.«

»Ja, ich weiß«, sagte Shadow. »Ich hab’s im Fernsehen gesehen.«

»Diese Scheißer«, sagte der weiße Beamte. Es war das Erste, was er überhaupt sagte; seine Stimme war rau und akzentschwer, und es war, wie beim Fahrer, eine Stimme, die Shadow kannte. »Ich sag euch, das sind Scheißer, diese Scheißer.«

»Danke, dass ihr mich rausgeholt habt«, sagte Shadow.

»Keine Ursache«, sagte der Fahrer. Im Licht eines entgegenkommenden Autos wirkte sein Gesicht bereits älter. Er sah jetzt auch kleiner aus. Als Shadow ihn das letzte Mal sah, hatte er zitronengelbe Handschuhe und ein kariertes Jackett getragen. »Wir waren gerade in Milwaukee. Mussten wie die Teufel fahren, nachdem Ibis uns angerufen hat.«

»Dachten Sie, wir gucken zu, wie die Sie einsperren und auf den Stuhl schicken, wo ich doch noch darauf warte, Ihnen den Kopf mit dem Hammer zu zertrümmern?«, fragte der weiße Hilfssheriff finster, während er in seiner Tasche nach einer Packung Zigaretten kramte. Sein Akzent war osteuropäisch.

»Die richtige Kacke fängt in einer Stunde oder noch weniger an zu dampfen«, sagte Mr. Nancy, der sich mit jedem Augenblick ähnlicher wurde, »wenn nämlich wirklich jemand kommt, um Sie abzuholen. Wir halten kurz, bevor wir auf den Highway fahren, um Sie von den Fesseln zu befreien und in Ihre eigenen Klamotten zu stecken.« Tschernibog hielt grinsend einen Handschellenschlüssel hoch.

»Der Schnäuzer gefällt mir«, sagte Shadow. »Passt zu Ihnen.«

Tschernibog strich sich mit einem vergilbten Finger über die Barthaare. »Danke.«

»Wednesday«, sagte Shadow. »Ist er wirklich tot? Das war nicht nur irgendso ein Trick?«

Er begriff, dass er sich, so töricht es war, an einer trügerischen Hoffnung festgehalten hatte. Aber Nancys Gesichtsausdruck verriet ihm alles, was er wissen musste, und die Hoffnung starb.

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