Luckys Gesichtausdruck blieb unbeteiligt. Er verriet seine Besorgnis noch nicht einmal durch ein Aufblitzen in den Augen. »Einzelheiten, bitte«, sagte er bloß.
Morriss lächelte wieder. Ein Teil seines Mundes war dabei von seinem albernen Schnäuzer verdeckt. »Nicht hier, so leid es mir tut.«
»Dann sagen Sie mir, wo wir reden können.«
»Einen Augenblick.« Morriss blickte auf seine Uhr. »In ungefähr einer Minute geht die Show los. Die Gäste werden im Meereslicht tanzen.«
»Meereslicht?«
»Die Kugel da oben wird dunkelgrün leuchten. Die Leute werden aufstehen und auf die Tanzfläche gehen. Wir werden mit ihnen zusammen aufstehen und unauffällig den Saal verlassen.«
»Es klingt fast so, als ob wir uns im Augenblick in Gefahr befänden.«
»Sie sind in Gefahr«, erwiderte Morriss ernst. »Ich kann Ihnen versichern, daß meine Männer Sie seit Ihrer Landung nicht aus den Augen gelassen haben.«
Plötzlich ertönte eine joviale Stimme. Sie schien aus dem kristallenen Mittelteil des Tisches zu kommen. Offensichtlich drang sie aus dem Mittelteil von jedem Tisch, da alle Gäste ihre Aufmerksamkeit dorthin lenkten.
Sie sagte: »Meine Damen und Herren, herzlich willkommen im Grünen Salon. Haben Sie gut gespeist? Die Geschäftsleitung beehrt sich, Ihnen zu Ihrer zusätzlichen Unterhaltung jetzt die magnetonischen Rhythmen von Tobe Tobias und seinen.«
Während der Ansager sprach, erloschen die Lichter, und seine letzten Worte gingen in aufbrandenden erstaunten Ausrufen der anwesenden Gäste unter, die zum größten Teil gerade erst von der Erde eingetroffen waren.
Das Kugelaquarium an der Decke war plötzlich leuchtend smaragdgrün, und die Seeschleifen glühten um so farbenprächtiger. Die Kugel nahm ein facettenartiges Aussehen an, so daß von ihr bei jeder Drehung schwebende Schatten ausgingen, die eine fast hypnotische Wirkung hervorriefen. Der Klang der Musik, die aus den seltsam tieftönenden Lautsprechern einer Reihe magnetonischer Instrumente stammte, wurde lauter. Die Töne wurden von unterschiedlich geformten Stäben hervorgerufen, die in kunstvollen Mustern durch die magnetischen Felder bewegt wurden, die jedes Instrument umgaben.
Männer und Frauen erhoben sich zum Tanzen. Man hörte das Rascheln der vielen Bewegungen und das Gemurmel von leisem Flüstern und Gelächter. Eine Berührung am Ärmel brachte erst Lucky, und dann auch Bigman auf die Beine.
Lucky und Bigman folgten Morriss wortlos. Eine grimmig dreinblickende Gestalt nach der anderen schloß sich ihnen an. Es hatte beinahe den Anschein, als ob sie aus den Kulissen hervorgezaubert würden. Sie hielten sich alle in gebührendem Abstand, so daß sie keine Aufmerksamkeit erregten, aber Lucky war sicher, daß jeder einzelne von ihnen die Hand in der Nähe des Blastergriffs hatte. Es war kein Zweifel möglich: Mel Morriss und die Venussektion des Wissenschaftsrates nahmen die Situation sehr ernst.
*
Lucky sah sich anerkennend in Morriss' Appartement um. Es war nicht besonders luxuriös, dafür aber ungemein behaglich eingerichtet. Wer sich hier aufhielt, konnte sehr leicht vergessen, daß sich hundert Meter über ihm eine durchsichtige Kuppel befand, hinter der sich eine hundert Meter hohe Wassersäule des an dieser Stelle flachen kohlesäurehaltigen Ozeans auftürmte, und darüber hundert Kilometer fremdartiger, nicht atembarer Atmosphäre.
Was Lucky besonders Freude bereitete, war der Anblick einer Sammlung von Buchfilmen, die aus einer Nische hervorquollen.
»Sie sind Biophysiker, Dr. Morriss?« fragte Lucky. Die akademische Anrede kam ihm wie ganz von selbst über die Lippen.
»Ja«, bestätigte Morriss.
»Ich habe mich auf der Akademie selbst mit Biophysik befaßt«, fuhr Lucky fort.
»Ich weiß«, erwiderte Morriss. »Ich habe Ihre Arbeit gelesen. Eine gute Leistung. Ach übrigens, darf ich Sie David nennen?«
»So heiße ich zwar mit Vornamen«, gab Lucky zu, »aber alle Welt nennt mich Lucky.«
Mittlerweile hatte Bigman einen der Filmständer geöffnet, ein Stück Film abgespult und es gegen das Licht gehalten. Er schüttelte sich und stellte die Rolle wieder an ihren Platz.
Angriffslustig sagte er sich an Dr. Morriss wendend: »Sie sehen mir aber ganz und gar nicht wie ein Forscher aus.«
»Das kann ich mir denken«, antwortete Morriss ohne sich gekränkt anzuhören, »das ist manchmal von Nutzen, müssen Sie wissen.«
Lucky wußte genau, was er damit meinte. In diesen Zeiten, in denen die Naturwissenschaften praktisch alle menschlichen Lebens- und Kulturbereiche berührten, konnten sich die Wissenschaftler nicht länger in ihren Laboratorien verkriechen. Genau aus diesem Grund hatte man den Wissenschaftsrat gegründet. Ursprünglich war er nur als Beratungsgremium der Regierung bei Fragen galaktischer Tragweite gedacht gewesen, für deren Beurteilung nur ausgebildete Naturwissenschaftler die Befähigung mitbrachten. Mit der Zeit war diese Organisation aber mehr und mehr zu einer Behörde zur Verbrechensbekämpfung und Spionageabwehr geworden. Die Organisation brachte zusehends Regierungsaufgaben unter ihre Kontrolle. Auf Grund ihrer Anstrengungen würde eines Tages vielleicht in der Milchstraße ein Reich entstehen, in dem alle Menschen in Ruhe und Frieden leben könnten.
Deswegen ergab sich der Umstand, daß Ratsmitglieder viele Aufgaben, die mit einer wissenschaftlichen Tätigkeit nichts mehr zu tun hatten, erfüllen mußten. Da war es für ihre Erfolgsaussichten besser, wenn sie nicht unbedingt wie Wissenschaftler aussahen - solange sie dabei über den Verstand eines Wissenschaftlers verfügten.
»Würden Sie bitte damit beginnen, Sir, mich über die Einzelheiten der Schwierigkeiten hier aufzuklären?« begann Lucky.
»Wieviel hat man Ihnen auf der Erde denn schon erzählt?«
»Nur das allernötigste. Ich würde es vorziehen, mich durch den zuständigen Mann vor Ort ins Bild setzen zu lassen.«
Morriss lächelte ziemlich ironisch. »Sich vom zuständigen Mann vor Ort ins Bild setzen zu lassen? Diese Einstellung wird in der Regel von Leuten im Zentralbüro nicht gepflegt. Die schicken gewöhnlich ihre eigenen Feuerwehrmänner, und dann tauchen Männer wie Evans auf.«
»Und solche wie ich«, ergänzte Lucky.
»Ihr Fall liegt etwas anders. Wir alle wissen von Ihren
Erfolgen auf dem Mars im letzten Jahr[1] und von der sauberen Arbeit, die Sie gerade erst im Asteroidengürtel geleistet[2] haben. «
»Sie hätten mit ihm Zusammensein sollen, dann könnten Sie vielleicht behaupten, Bescheid zu wissen«, krähte Bigman.
Lucky errötete. Hastig sagte er: »Laß' das jetzt, Bigman, wir wollen jetzt keine von deinen Räubergeschichten hören.«
Sie saßen alle in großen, auf der Erde hergestellten weichen und bequemen Sesseln. Etwas an dem Klang ihrer reflektierenden Stimmen war ein deutlicher Hinweis für Luckys erfahrene Ohren, daß das Appartement schallisoliert und abhörsicher war.
Morriss zündete sich eine Zigarette an, bot erfolglos auch seinen Gästen eine an. »Wieviel wissen Sie über die Venus, Lucky?«
Lucky lächelte. »Das Übliche, was man in der Schule lernt. Kurz gefaßt: die Venus ist der zweite Planet von der Sonne aus gerechnet und ungefähr einhundertacht Millionen Kilometer von ihr entfernt. Sie ist der der Erde am nächsten stehende Planet, sie kommt bis auf circa zweiundvierzig Millionen Kilometer an den Heimatplaneten heran. Sie ist ein wenig kleiner als die Erde, und verfügt über eine Anziehungskraft, von etwa fünf Sechstel der Erde. Sie umkreist die Sonne in ungefähr siebeneinhalb Monaten und ihr Tag dauert so um die sechsunddreißig Stunden. Die Oberflächentemperatur liegt etwas über der der Erde, aber nicht sehr viel, das liegt an der Wolkendecke. Die Wolken sind auch dafür verantwortlich, daß es hier keine nennenswerten Unterschiede in den Jahreszeiten gibt. Die Venus ist von Ozeanen bedeckt, die ihrerseits wiederum von Seetang überzogen sind. Die Atmosphäre setzt sich aus Kohlendioxyd und Stickstoff zusammen und eignet sich nicht zum Atmen. Wie war ich, Dr. Morriss?«
»Mit Auszeichnung bestanden«, erwiderte der Biophysiker, »aber mir ging es mehr um die gesellschaftlichen Verhältnisse auf der Venus, als um ihre physikalische Beschaffenheit.«
»Nun, das ist schwieriger. Mir ist natürlich bekannt, daß die Menschen hier in Kuppelstädten, die sich in den flachen Gewässern des Venusozeans befinden, leben, und ich kann mit eigenen Augen sehen, daß das Leben in Venusstädten technologisch auf ziemlich hohem Niveau steht, viel weiter entwickelt als zum Beispiel auf dem Mars.«
»He!« schrie Bigman.
Morriss richtete seine kleinen sprühenden Augen auf den Marsbewohner. »Sind Sie anderer Meinung als Ihr Freund?«
Bigman zögerte mit seiner Antwort. »Na, das vielleicht nicht, aber deswegen braucht er es doch nicht gleich so hinauszuposaunen.«
Lucky lächelte und redete weiter: »Die Venus ist ein recht gut entwickelter Planet. Ich glaube, es gibt hier etwa fünfzig Städte, und die Gesamtbevölkerung bewegt sich in der Größenordnung von ungefähr sechs Millionen. Ihre Hauptexportartikel sind getrockneter Seetang - ich habe mir sagen lassen, daß es sich dabei um ein ausgezeichnetes Düngemittel handelt - und dehydrierte Hefebarren für die Tierfütterung.«
»Immer noch recht eindrucksvoll«, bemerkte Morriss zu Luckys Ausführungen. »Wie hat Ihnen Ihr Essen im Grünen Salon gemundet, meine Herren?«
Wegen des plötzlichen Themenwechsels hielt Lucky inne, dann antwortete er: »Sehr gut, warum fragen Sie?«
»Das werden Sie gleich merken. Was haben Sie gegessen?«
»Das kann ich so genau gar nicht beantworten. Es handelte sich um das Stammgericht. Wenn ich raten müßte, würde ich sagen, zuerst hatten wir eine Art Gulasch mit einer ziemlich interessanten Sauce und einer Gemüsesorte, die ich nicht kannte. Es gab einen Früchtesalat, glaube ich, und davor eine pikante Tomatensuppe.«
»Und als Nachtisch Geleekeimlinge«, unterbrach Bigman.
Morriss lachte schallend. »Wissen Sie, Sie irren sich auf der ganzen Linie«, sagte er. »Sie haben weder Fleisch, noch Früchte und auch keine Tomaten gegessen. Noch nicht einmal Kaffee haben Sie getrunken. Sie haben nur eine einzige Sache gegessen. Eine einzige Sache. Hefe!«
»Was?« quietschte Bigman.
Einen Augenblick lang war auch Lucky überrascht, er kniff die Augen zusammen und sagte: »Meinen Sie das im Ernst?«
»Natürlich. Das ist die Spezialität des Grünen Salons. Sie lassen aber nie etwas darüber verlauten, Erdbewohner würden sich sonst weigern, es zu essen. Später hätte man Sie aber eingehend danach befragt, wie Ihnen dies oder jenes Gericht geschmeckt hat, ob Sie Verbesserungsvorschläge machen könnten und so weiter. Der Grüne Salon ist die wertvollste Experimentalstation auf der Venus.«
Bigman verzog sein kleines Gesicht zu einer Grimasse und schrie: »Ich werde sie verklagen. Ich mache einen Ratsfall aus der Sache. Die können mir doch nicht einfach Hefe vorsetzen, ohne es mir zu sagen, als sei ich ein Pferd oder eine Kuh. oder ein.«
Er beendete seine Rede mit einem verwirrten Gestotter.
»Ich nehme an«, sagte Lucky, »daß die Hefe etwas mit der Verbrechenswelle auf der Venus zu tun hat.«
»Sie nehmen an?« fragte Morriss trocken. »Dann haben Sie unsere Berichte nicht gelesen. Das überrascht mich nicht. Die Erde glaubt, wir übertreiben. Ich kann Ihnen jedoch versichern, daß dem nicht so ist. Und es handelt sich bei der Angelegenheit nicht um eine simple Welle von Verbrechen.
Hefe, Lucky, es geht um die Hefe! Darum dreht sich auf diesem Planeten alles.«
Ein Wägelchen mit Eigenantrieb, auf dem drei Tassen mit dampfendem Kaffee und eine blubbernde Espressomaschine standen, kam in das Wohnzimmer gerollt.
Das Wägelchen stoppte erst vor Lucky, dann bei Bigman. Morriss langte nach der dritten Tasse, führte sie an die Lippen und wischte sich anschließend behaglich über den großen Schnurrbart.
»Er wird Zucker und Sahne beigeben, wenn Sie es wünschen, meine Herren«, fügte der Mann von der Venus erklärend hinzu.
Bigman sah auf und schnüffelte. An Morriss gewandt, fragte er scharf: »Hefe?«
»Nein. Diesmal handelt es sich um echten Kaffee, ich schwöre es.«
Eine Zeitlang tranken sie schweigend in kleinen Schlucken, dann sagte Morriss: »Sie müssen wissen, Lucky, die Venus zu unterhalten ist ein teurer Spaß. Unsere Städte müssen Sauerstoff aus dem Meer gewinnen, dafür braucht man riesige Elektrolysestationen. Jede Stadt bedarf enormer Kraftstrahlen, um die Kuppeln gegen den Druck von aber Millionen Tonnen von Wasser abzustützen. Aphrodite verbraucht pro Jahr mehr Energie als ganz Südamerika, verfügt aber nur über ein Tausendstel der Bevölkerung. Selbstredend will diese Energie erst einmal verdient sein. Wir müssen exportieren, um Kraftwerke, Spezialmaschinen, Atombrennstoff und dergleichen bezahlen zu können. Der einzige Rohstoff, über den die Venus verfügt, ist Seetang, davon haben wir allerdings unbegrenzte Mengen. Einiges exportieren wir als Dünger, aber das löst unsere Probleme wohl nicht. Den Großteil unseres Tangs verwenden wir als Ausgangsbasis für Hefekulturen, für zehntausend und eine Variante von Hefekulturen, versteht sich.«
Bigman kräuselte die Lippen: »Das Umwandeln von Seetang in Hefe bringt Sie aber auch nicht viel weiter.«
»Waren Sie mit Ihrer letzten Mahlzeit etwa nicht zufrieden?« wollte Morriss wissen.
»Bitte, fahren Sie fort, Dr. Morriss«, schaltete Lucky sich wieder ein.
»Natürlich hat Mr. Jones nicht ganz unre.«
»Sagen Sie Bigman zu mir!«
Morriss bedachte den kleinen Marsbewohner mit einem nüchternen Blick. »Wie Sie wollen. Bigmans Geringschätzigkeit für Hefe im allgemeinen ist durchaus angebracht. Unsere wirtschaftlich wichtigsten Sorten eignen sich nur für die Tierfütterung. Aber selbst das ist in höchstem Maße nützlich. Hefegemästete Schweine sind billiger und schmecken besser als andere. Hefe hat einen hohen Kalorienwert, viel Protein, Spurenelemente und Vitamine. Wir verfügen auch noch über andere Hefearten von höherer Qualität, die zur Anwendung gelangen, wenn Nahrungsmittel für eine längere Zeitdauer gelagert werden müssen und gleichzeitig nur wenig Platz zur Verfügung steht. Bei langen Weltraumreisen werden zum Beispiel häufig sogenannte H-Rationen verwendet. Und dann gibt es noch die sogenannten Spitzenqualitätshefen, dabei handelt es sich um äußerst teure und anfällige Kulturen, die für die Speisen im Grünen Salon verwendet werden und mit denen wir normale Nahrungsmittel nachahmen oder verbessern können. Von diesen Sorten befinden sich noch keine im Stadium der Massenproduktion, aber eines Tages werden wir so weit sein. Ich stelle mir vor, Lucky, daß Sie die ganze Tragweite des Problems erfassen.«
»Ich denke schon.«
»Ich nicht«, sagte Bigman angriffslustig.
Morriss tat sich nicht schwer, die Sache schnell zu erklären. »Wir hier auf der Venus werden bei diesen Spitzenqualitäten eine Monopolstellung haben. Keine Welt wird darüber verfügen. Ohne unsere Erfahrungen auf dem Gebiet der Zymosekulturen.«
»Worin?«
»In Hefekulturen. Ohne unsere Erfahrungen wäre keine andere Welt in der Lage, solche Hefekulturen zu entwickeln oder sie am Leben zu erhalten, nachdem sie sie erworben hätten. Sie sehen also, daß die Venus einen enorm profitablen Handel mit Hefearten als Luxusartikel innerhalb des Milchstraßensystems aufziehen könnte. Das wäre nicht nur für Venus von Bedeutung, sondern auch für die Erde, was sage ich, für die gesamte Solare Konföderation. Als ältestes galaktisches System sind wir auch das am übervölkertste. Wenn wir zu einer Tauschrate, ein Pfund Hefe gegen eine Tonne Weizen kommen könnten, dann wäre uns geholfen.«
Lucky hatte Morriss' Vortrag geduldig zugehört, dann sagte er: »Aus genau dem gleichen Grund wäre jeder fremden Macht, die ein Interesse daran hat, der Erde zu schaden, daran gelegen, das Hefemonopol der Venus zu beseitigen.«
»Das ist Ihnen also klar, wie? Ich wünschte, ich könnte auch den Rest des Rats von dieser ständigen und immer gegenwärtigen Gefahr überzeugen. Sollte es gelingen, einige in der Entwicklung befindliche Hefekulturen sowie etwas von dem Know-how zu stehlen, wäre das eine Katastrophe.«
»Okay«, sagte Lucky, »dann kommen wir jetzt zum Kernpunkt: Haben solche Diebstähle bereits stattgefunden?«
»Bis jetzt noch nicht«, erwiderte Morriss grimmig. »Aber seit sechs Monaten haben sich hier kleinere Diebereien, eigenartige Unfälle und seltsame Zwischenfälle gehäuft. Einige sind bloß ärgerlich oder sogar komisch, wie der Fall des alten Mannes, der Halbkreditstücke unter Kinder verteilt hat, und nachher zur Polizei gerannt kam und Stein und Bein geschworen hat, er sei beraubt worden. Als sich dann Zeugen fanden, die aussagten, daß er sein Geld unters Volk geworfen habe, wurde er vor Wut beinahe wahnsinnig und behauptete weiterhin, daß er so etwas nie getan habe. Es ist aber auch zu ernsteren Zwischenfällen gekommen. Da hat zum Beispiel ein Kranführer einen Halbtonnenballen Seetang zum falschen Zeitpunkt ausgeklinkt und dabei zwei Männer getötet. Später hat er steif und fest behauptet, bei ihm habe es vorübergehend ausgesetzt.«
Bigman stieß einen aufgeregten Quietscher aus: »Lucky, die beiden Piloten behaupten doch auch, daß es bei ihnen ausgesetzt habe.«
Morriss nickte. »Ja, und ich bin beinahe froh, daß das passiert ist, solange Ihnen beiden dabei nichts zugestoßen ist. Der Rat auf der Erde ist so vielleicht eher bereit zu glauben, daß an der Sache etwas dran ist.«
»Ich nehme an«, sagte Lucky, »Sie glauben an Hypnose.«
Morriss verzog den Mund zu einem grimmigen, freudlosen Lächeln. »Hypnose ist eine Untertreibung, Lucky. Haben Sie je von einem Hypnotiseur gehört, der in der Lage gewesen wäre, Einfluß auf große Entfernung über Personen auszuüben, die sich dazu nicht bereit erklärt haben? Ich sage Ihnen, Lucky, auf der Venus gibt es eine Person, oder mehrere Personen, die die Macht besitzen, andere geistig völlig zu beherrschen. Sie sind dabei, diese Macht anzuwenden, ihre Fähigkeiten zu trainieren, Fortschritte bei ihrer Anwendung zu machen. Mit jedem Tag, der vergeht, wird es schwieriger werden, sie zu bekämpfen. Vielleicht ist es sogar schon zu spät!«