Der Sprungraum hatte sich nicht im Geringsten geändert. Geary wusste, dass er nichts anderes hätte erwarten sollen (was waren schon hundert Menschenjahre im Leben des Universums?), aber ihm hatte die Vorstellung zu schaffen gemacht, das neue Hypernet-System könnte sich in irgendeiner sichtbaren Form durch die Leere ziehen. Stattdessen jedoch präsentierte sich der Sprungraum als die gleiche endlose und trostlose Schwärze, die immer so schien, als würde sie jeden Moment in das dunkelste Grau umschlagen. In dieser Weite waren einige wenige Lichtflecken zu sehen, die keinem nachvollziehbaren Prinzip folgten und etwas darstellten, das selbst jetzt noch nicht näher erforscht worden war.
»Die Matrosen sagen, die Lichter seien das Zuhause unserer Vorfahren.«
Geary sah zu Captain Desjani. »Das hat man schon zu meiner Zeit gesagt.« Ihm war nicht nach reden zumute, aber er tat es trotzdem.
Sie hatte sich die Zeit genommen, ihn in der großen Kabine aufzusuchen, die er quasi von Admiral Bloch geerbt hatte. Geary behielt für sich, dass er seit seiner Rettung die graue Unendlichkeit des Sprungraums nicht ansehen konnte, ohne dass gleichzeitig seine Knochen zu schmerzen begannen, als würde die Kälte, die sie im künstlichen Tiefschlaf erfahren hatten, nie wieder aus ihnen weichen.
Desjani betrachtete einen Moment lang das Display, ehe sie fort-fuhr: »Einige Matrosen sagen, Sie seien dort gewesen. In diesen Lichtern. Und dass Sie dort bis zu dem Augenblick gewartet haben, als die Allianz Sie brauchte.«
Unwillkürlich begann er zu lachen, obwohl er selber wahrnehmen konnte, wie angestrengt sich dieses Lachen anhörte. »Ich glaube, wenn ich in der Angelegenheit etwas zu sagen gehabt hätte, wäre ich nicht jetzt zurückgekommen.«
»Nun, sie sagen nicht, dass es ein Zeitpunkt war, den Sie ausge-sucht haben. Sie sagen, Sie wurden gebraucht.«
»Ich verstehe.« Er hörte auf zu lachen und sah sie an. »Und was denken Sie?«
»Die Wahrheit?«
»Die ist das Einzige, was ich jemals von Ihnen hören möchte.«
Desjani lächelte ihn an. »Wie Sie wünschen. Ich glaube, falls unsere Vorfahren direkt in die Geschehnisse eingreifen können und falls sie entschieden haben, Sie zu dieser Flotte zu bringen, dann war es eine sehr gute Entscheidung.«
»Captain, nur für den Fall, dass Ihnen das noch immer nicht klar ist: Ich bin nicht dieser Black Jack Geary, von dem Sie in der Schule gehört haben.«
»Stimmt«, pflichtete sie ihm bei. »Sie sind besser als er.«
» Was? «
»Das meine ich ernst.« Captain Desjani beugte sich vor und unter-strich mit einer Handbewegung ihre Worte. »Ein legendärer Held kann eine Inspiration sein, aber er ist keine große Hilfe, wenn es um konkretes Handeln geht. Ich bin mir nicht sicher, ob der Black Jack Geary, über den ich so viel gehört habe, diese Flotte aus dem Heimatsystem der Syndiks geführt hätte. Sie haben das gemacht.«
»Weil Sie alle glauben, dass ich dieser Black Jack Geary bin!«
»Aber Sie sind ja auch dieser Mann! Wären Sie nicht er, dann wären die Überlebenden dieser Flotte längst auf dem Weg in ein Arbeitslager der Syndiks.«
Geary verzog das Gesicht. »Sie gehen davon aus, dass niemand sonst sich der Situation gewachsen gefühlt und die Gelegenheit genutzt hätte. Weder Sie noch beispielsweise Captain Duellos.«
»Die Captains Faresa und Numos sind beide länger im Dienst als ich oder Captain Duellos. Die beiden wären uns nicht gefolgt. Vielleicht hätten ein paar von uns ebenfalls die Idee gehabt, einen Fluchtversuch durch den Sprungpunkt zu unternehmen, aber es wären nicht genug gewesen, um die lange Heimreise zu überleben. Die Flotte wäre zerfallen und Schiff für Schiff gestorben.« Sie verzog den Mund, dann lächelte sie wieder. »Das haben Sie verhindert.«
Geary zuckte mit den Schultern und vermied es, eine direkte Antwort auf ihre Bemerkung zu geben. »Sie sagten, Sie hätten etwas für mich.«
»Ja. Es ist eine Nachricht für Sie von Commander Cresida von der Furious eingegangen.«
Verwundert sah er sie an. »Wurde die kurz vor dem Sprung übertragen?«
»Nein. Die Möglichkeit, im Sprungraum Nachrichten zu übermitteln, wurde schon vor einer Weile entwickelt. Datenströme mit hohen Übertragungsraten lassen sich zwar nicht senden, aber wir können einfache Mitteilungen durchleiten.«
»Oh.« Einen Moment grübelte er über das »schon vor einer Weile«
nach, bis ihm wieder einfiel, wodurch die Frage überhaupt erst auf-geworfen worden war. »Was will Commander Cresida?« Desjani gab ihm ein Notepad, und er überflog den kurzen Text. »Sie bietet ihren Abschied an?«
Desjani schüttelte als Antwort darauf den Kopf. »Ich habe die Nachricht nicht gelesen, Captain Geary. Sie war an Sie persönlich gerichtet.«
»Oh.« Ich sollte wohl besser mal was anderes sagen. »Nun, jedenfalls macht sie das. Sie bietet wegen der Repulse ihren Abschied an.« Als er den Namen des Schiffs aussprach, traf ihn die Erinnerung an das Ende der Repulse wie ein Fausthieb in den Magen.
»Aber Ihr Befehl lautete…«
»Der Captain der Repulse meldete sich freiwillig«, erklärte Geary mit tonloser Stimme. »Nein. Es geht darum, dass der von ihr entwi-ckelte Plan das Opfer eines weiteren Schiffs erforderlich machte, damit die Titan den Sprung durchführen konnte.« Er sank in seinem Sessel zusammen, betrachtete das Notepad und fragte sich, ob er wieder eine Dosis seiner Medikamente benötigte. Oder war das nur die Reaktion auf den Stress, den ihm der Gedanke bereitete, was falsch gelaufen war und welchen Preis sie dafür hatten zahlen müssen? Sie hat es versucht. Während alle anderen einfach dasaßen und ihre eigene Beerdigung planten, bot sich Cresida an, eine Lösung für ihre Situation zu finden. Ich glaube, Michael Geary konnte sie gut leiden. Und ich habe ihren Plan abgesegnet. Ich. Niemand sonst. »Meiner Meinung nach gab es keinen anderen Weg, um die Titan zu retten. Nicht unter den Umständen, unter denen sie den Plan ausarbeiten musste.« Desjani sah ihn nur an und sagte nichts. »Kann ich meine Antwort hier hin-schreiben?«
»Ja. Je kürzer, umso besser.«
Geary griff nach dem Stylus und schrieb: An Commander Cresida, ASN Furious. Bitte abgelehnt. Sie genießen weiter mein volles Vertrauen.
Hochachtungsvoll, John Geary, Captain, ASN.
Dann gab er ihr das Notepad zurück und bemerkte ihren fragenden Blick. Geary gab ihr zu verstehen, dass sie seine Antwort lesen sollte. Sie tat es, nickte und lächelte flüchtig. »Genau das, was ich auch von Ihnen erwartet hatte, Sir.«
Er betrachtete sie und verspürte innerlich eine immense Leere. Alles, was ich mache, legen sie so aus, dass sie das von Black Jack Geary nicht anders erwartet haben. Oder von jemandem, der sogar noch besser ist als der legendäre Black Jack Geary! Die Vorfahren mögen mir beistehen!
Warum können sie mich nicht einfach so akzeptieren, wie ich wirklich bin?
Andererseits… wie gut kenne ich sie schon?
Wieder musterte er Captain Desjani und versuchte, sie so unvor-eingenommen anzusehen, als würde er ihr in diesem Moment zum ersten Mal begegnen. »Wie heißen Sie eigentlich mit Vornamen?«
»Tanya.« Sie lächelte wieder flüchtig.
»Ich glaube, ich habe noch nie eine Tanya gekannt.«
»Der Name war eine Zeit lang sehr beliebt. Sie wissen ja, wie das läuft. Es gibt viele Frauen meiner Generation, die Tanya heißen.«
»Ja, ich weiß. Namen kommen und gehen. Woher stammen Sie?«
»Kosatka.«
»Tatsächlich? Da war ich mal.«
Sie sah ihn ungläubig an. »Im System oder auf dem Planeten?«
»Auf dem Planeten.« Die Erinnerungen stolperten los und lösten ein zufriedenes Strahlen auf seiner Miene aus. »Ich war damals noch Junioroffizier. Mein Schiff wurde als Teil einer offiziellen Allianz-Abordnung für eine königliche Hochzeit dorthin geschickt. Irgendeine richtig große Sache. Der ganze Planet war aus dem Häuschen, und die Leute überschlugen sich förmlich vor Freundlichkeit. Mir sind noch nie so viele Getränke und Mahlzeiten spendiert worden.«
Geary lächelte sie an, dann sah er, dass sie nicht wusste, wovon er redete. »Ich nehme an, es war keine historische Hochzeit.«
»Ähm… vermutlich nicht.« Höflich entgegnete sie. »Auf Kosatka genießt die königliche Familie längst nicht mehr das gleiche Ansehen wie früher.«
Geary nickte und versuchte, sein Lächeln zu wahren. »Was gestern noch ein unvergessliches Ereignis war, ist wohl schnell in Vergessenheit geraten.«
»Aber ich bin mir nicht sicher, ob sich noch jemand daran erinnern kann, dass Sie auf Kosatka waren. Das ist schon etwas Besonderes.
Hat es Ihnen gefallen?«
Sein Lächeln nahm wieder einen ehrlichen Zug an. »Ja. Ich kann zwar nicht behaupten, dass ich mich noch an irgendwelche atembe-raubenden Landschaften erinnere, aber es war ein angenehmer Ort, an dem man sich willkommen fühlte. Ein paar Kameraden aus meiner Crew spielten mit dem Gedanken, sich dort niederzulassen, wenn sie erst einmal pensioniert waren.« Er zwang sich zu einem Lacher. »Möchte wetten, dass sich das inzwischen auch geändert hat.«
»Nicht so sehr. Ich war lange nicht mehr dort, aber ich habe Kosatka genauso in Erinnerung wie Sie.«
»Kein Wunder, es ist ja auch Ihre Heimatwelt.« Einen Moment lang saßen sie beide schweigend da, dann seufzte Geary schwer.
»Und wie sieht es zu Hause aus?«
»Sir?«
»Zu Hause. In der Allianz. Wie sieht es dort aus?«
»Es ist… es ist immer noch die Allianz.« Sie schüttelte den Kopf und wirkte mit einem Mal älter und erschöpfter. »Der Krieg dauert bereits sehr lange. So viel muss ins Militär gesteckt werden, um neue Schiffe und neue Verteidigungsanlagen zu bauen, um neue Bo-dentruppen aufzustellen. Zusammengenommen sind unsere Welten sehr wohlhabend, doch das Geld fließt unablässig in die Rüstung.«
Geary studierte seine Hände, da er ihr nicht ins Gesicht sehen wollte. »Sagen Sie mir die Wahrheit. Stehen die Syndiks kurz vor dem Sieg?«
»Nein!« Ihre Antwort kam so prompt, dass er es eher für Desjanis Glauben hielt, weniger für eine nüchterne Analyse der Situation.
»Wir allerdings auch nicht«, räumte sie sogleich ein. »Dafür ist das Ganze viel zu kompliziert. Die Entfernungen, die Fähigkeiten jeder Seite, sich von den Verlusten zu erholen und neue Streitkräfte aufzustellen, das Gleichgewicht der Feuerkraft.« Sie seufzte. »Wir befinden uns seit Langem in einer Pattsituation.«
Das ergab einen Sinn, wenn er die von Desjani angeführten Grün-de berücksichtigte. Sowohl die Allianz als auch die Syndikatwelten waren so groß, dass schon ein Jahrhunderte währender Krieg erforderlich war, um überhaupt eine der Seiten schlagen zu können.
»Warum haben die Syndikatwelten eigentlich einen Krieg begonnen, den sie gar nicht gewinnen können?«
Desjani zuckte mit den Schultern. »Sie wissen, wie die sind. Ein Körperschaftsstaat, geführt von Diktatoren, die sich als Diener des Volkes bezeichnen, das sie höchstpersönlich versklaven. Die freien Welten der Allianz waren eine ständige Bedrohung für die Diktatoren der Syndikatwelten, weil sie Beispiele dafür sind, dass eine Volksvertretung und Bürgerrechte mit größerer Sicherheit und mehr Wohlstand einhergehen können, als sich die Syndiks jemals träumen lassen könnten. Darum haben sich die Rift-Föderation und die Callas-Republik in diesem Krieg letztlich auch der Allianz angeschlossen. Würde es den Syndiks gelingen, die Allianz zu zerschlagen, dann wären alle verbliebenen freien Welten als Nächste an der Reihe.«
Geary nickte verstehend. »Die Syndik-Führungsebene war schon immer besorgt, auf einigen der eigenen Welten könnte es zu einer Revolte kommen. Und nur deshalb haben sie uns angegriffen? Weil sie ihre eigene Bevölkerung nur in Schach halten konnten, indem die Allianz statt einer attraktiven Alternative eine Kriegsgefahr darstellte?«
Diesmal legte Desjani die Stirn in Falten, zuckte dann aber wieder mit den Schultern. »Vermutlich ja, Sir. Um ehrlich zu sein, der Krieg begann vor sehr langer Zeit, und ich habe mich mit den genauen Umständen nie eingehend befasst. Was für mich und jeden anderen in der Allianz zählt, ist die Tatsache, dass die Syndiks ohne Provo-kation von unserer Seite einen Angriff auf uns gestartet haben. Genauer gesagt: auf unsere Vorfahren. Wir können nicht zulassen, dass sie daraus einen Nutzen ziehen.«
»Ist ihnen das gelungen?«, fragte er.
»Nicht dass ich wüsste.« Desjani antwortete mit einem triumphie-renden Grinsen, dann wurde sie wieder ernst. »Es erübrigt sich wohl, zu sagen, dass wir auch keinen Nutzen daraus ziehen konnten.«
»Niemand profitiert davon, niemand kann siegen. Warum setzen wir diesem Krieg nicht ein Ende? Warum handeln wir nicht einen Friedensvertrag aus?«
Sie riss den Kopf herum und starrte ihn ungläubig an. »Das können wir nicht machen!«
»Aber wenn keine von beiden Seiten gewinnen kann…«
»Wir können ihnen nicht vertrauen! Die werden sich an keine Vereinbarung halten! Gerade Sie wissen das. Der Angriff, gegen den Sie sich damals so vehement zur Wehr gesetzt haben, war ein Überra-schungsangriff! Ein grundloser Hinterhalt! Nein.« Wutentbrannt schüttelte sie den Kopf. »Verhandlungen mit Kreaturen wie den Vertretern der Syndikatwelten sind unmöglich. Sie müssen besiegt werden, damit sich dieses Übel nicht weiter ausbreiten kann und damit nicht noch mehr Unschuldige ermordet werden. Ganz gleich, wie hoch der Preis ist.«
Wieder schaute er zur Seite und überlegte, was ein Jahrhundert Krieg nicht nur mit der Wirtschaft, sondern auch mit dem Verstand anstellen konnte. Vermutlich hat Desjani recht, dass die genauen Gründe für den Angriff der Syndiks vor einem Jahrhundert heute nicht mehr wichtig sind. Aber ich muss daran denken, das irgendwann einmal nachzule-sen, anstatt den Angriff einfach auf die unmoralische Grundeinstellung der Syndik-Führer zu schieben. Es ist natürlich nicht so, als hätten die Syndiks noch nie unter Beweis gestellt, zu welchen Grausamkeiten sie fähig sind. Admiral Bloch könnte davon ein Lied singen. Aber wenn keine Seite gewinnen kann und auch nicht verhandeln will, dann verdammt das alle – die Guten wie die Schlechten – zu einem ewigen Krieg. Geary sah Desjani an, die ihn mit gelassener Überzeugung musterte. Sie ist sich sicher, dass ich ihre Meinung teile, schließlich bin ich ja der legendäre Black Jack Geary, nicht wahr?
Als hätte sie seine Gedanken gelesen, nickte Captain Desjani in diesem Moment. »Sie sehen also, wie wichtig es ist, dass wir nach Hause zurückkehren. Der Schlag gegen ihr Heimatsystem hätte der entscheidende Moment sein können, um das Pendel zu unserer Seite ausschlagen zu lassen. Es war zwar ein Fehlschlag, aber wenn wir den Hypernet-Schlüssel heimbringen und nachbauen können, dann wird das die Syndiks vor eine ausweglose Situation stellen. Entweder müssen sie das Hypernet abschalten oder damit rechnen, dass wir jederzeit überall auftauchen können.«
Geary reagierte mit einem Nicken. »Und wenn sie ihr Hypernet abschalten, dann kann die Allianz ihre Kräfte viel schneller verlegen, als es den Syndiks möglich wäre. Wir könnten sie Schiff für Schiff zusammenschießen, während sie hinter uns herlaufen und versuchen würden, uns aufzuhalten. Allein in dieser Hinsicht wäre das ein immenser Vorteil. Ich kann mir kaum ausmalen, welchen wirtschaftlichen Nutzen die Allianz daraus ziehen könnte. Warum sind sie das Risiko eingegangen, uns einen ihrer Schlüssel zu geben?«
Desjani verzog das Gesicht. »Aus deren Sicht muss der Plan wohl narrensicher gewesen sein. Sie ködern uns mit einem Schlag gegen ihr Heimatsystem, sie überlassen uns durch einen angeblichen Verräter den Schlüssel, und dann stellen sie uns eine Falle, aus der es kein Entkommen gibt.« Sie begann zu grinsen. »Aber sie wussten nicht, dass wir Sie haben.«
Oh, bei den lebenden Sternen. Aber solange sie diejenige ist, die das Thema anspricht… »Wie haben Sie mich nach so langer Zeit eigentlich gefunden? Warum ist nicht früher jemand auf mich aufmerksam geworden?« Die Fragen waren ihm schon zuvor durch den Kopf gegangen, aber er hatte sich nie um die Antworten bemüht, da er sich nicht mit Ereignissen befassen wollte, die ihn von seiner eigenen Zeit getrennt und mitten zwischen diese vertrauten Fremden geschleudert hatten.
Desjani tippte auf den kleinen Tisch zwischen ihnen und eine Anzeige verschiedener Sternensysteme erwachte zum Leben. »Wussten Sie, dass das geht? Ihre letzte Schlacht… verzeihen Sie, das was wir für Ihre letzte Schlacht gehalten hatten, fand hier statt.« Sie zeigte auf einen unbedeutenden Stern. »Grendel.«
Von einem kurzen Nicken begleitet zog er mit seinem Finger eine Linie, die verschiedene Sterne miteinander verband. »Das war Teil einer Standard-Transitroute. Darum war mein Konvoi dort unterwegs.«
»Ja, aber das System liegt auch in der Nähe des Syndik-Territoriums, weshalb der Konvoi von einer Eskorte begleitet wurde. Richtig?« Geary bejahte ihre Frage, während Desjani auf die Sterne jenseits des Systems zeigte. »Die Syndiks konnten mühelos in das System springen, was sie auch taten, als die Attacke auf Sie erfolgte.«
Einen Moment lang saß sie da und sagte nichts. »Anschließend…
nun, so wie ich das verstanden habe, wurde das System geräumt, aber die Syndiks unternahmen immer wieder Sprünge dorthin, weil sie hofften, noch mehr Schiffe der Allianz zu erwischen. Alles lief dort unter Gefechtsbedingungen ab, und die ständigen Auseinan-dersetzungen hinterließen immer mehr Wracks und Trümmerteile, die im System umhertrieben. Schließlich wurde Grendel komplett aufgegeben, ausgenommen eine Hand voll automatischer Früh-warnsysteme, die uns darüber informierten, ob die Syndiks wieder im Anflug waren. Es war sinnvoller, in Sicherheit durch Beowulf, Caderock und Rescat zu springen, anstatt sich durch Grendel zu wagen.« Abermals zuckte sie mit den Schultern. »Und nachdem das Hypernet eingerichtet worden war, hatte sich sogar das erledigt.«
Geary betrachtete die Anzeige und fühlte, wie aus den Wänden ringsum Kälte auf ihn überzuspringen schien, während er sich vor-stellte, dass er Jahrzehnte in seiner Rettungskapsel durch ein System getrieben war, in dem es nichts gab außer den Trümmern eines Krieges. »Aber Sie sind dort durchgeflogen.«
»Ja. Wir mussten in ein System der Syndiks springen, in dem eines ihrer Hypernet-Portale existiert, und Grendel war dafür der ideale Ausgangspunkt. Abgeschieden, ruhig, leer.« Mit einem Finger ging sie durch die Darstellung des einzelnen Sterns. »Unsere Sensoren sind inzwischen leistungsfähiger und empfindlicher. Sie registrierten die Energie, mit der Ihre Rettungskapsel betrieben wurde, und nahmen die abgestrahlte Wärme wahr. Es hätte ein Energieleck von einer Spionagedrohne der Syndiks sein können, deshalb gingen wir der Entdeckung nach.« Sie schürzte die Lippen. »Die Flottenärzte schätzten, dass Sie nur noch ein paar Jahre in der Kapsel hätten zubringen können, bevor die Energie aufgebraucht gewesen wäre.«
Die Kälte drang in ihn ein und drohte, den Atem in seiner Luftröh-re gefrieren zu lassen. »Davon wusste ich nichts.«
»Die Kapseln sind nicht dafür ausgelegt, einen Menschen so lange am Leben zu erhalten. Der einzige Grund für Ihr Überleben ist der, dass Sie allein an Bord waren. Schon ein zweiter Überlebender hätte genügt, um die Energiereserven in kürzester Zeit aufzubrauchen.«
»Ich Glückspilz.«
Sie sah ihn wieder an. »Viele sind der Ansicht, dass das mit Glück nichts zu tun hatte, Captain Geary. Unglaublich viele Dinge mussten zusammenwirken, damit Sie genau zu dem Zeitpunkt auf dieses Kriegsschiff gebracht wurden, als die Allianz Sie am nötigsten hatte.
Als wir Sie am nötigsten hatten.«
Wunderbar. Ein Beweis mehr für die Gläubigen, dass mich die lebenden Sterne geschickt haben um… ja, um was eigentlich zu tun? Erwarten sie von mir »nur«, dass ich diese Flotte in Sicherheit bringe, oder ist das bloß der Anfang ihrer Träume?
Wie soll ich ihnen sagen, dass ich nichts weiter bin als ein fehlbarer Mensch, dem das Schicksal ein paar gemeine Schläge ausgeteilt hat? Und wie werden sie reagieren?
Ihm fiel auf, dass sie ihn mit Sorge betrachtete. »Was ist? Stimmt etwas nicht?«
»Nein, nein! Es ist nur… Sie haben so lange Zeit dagesessen, ge-schwiegen und vor sich hingestarrt. Deswegen war ich ein wenig besorgt.«
Die letzte Dosis Medikamente musste in ihrer Wirkung nachlas-sen, oder die jüngsten Ereignisse hatten ihn stärker mitgenommen, als es die Medikamente ausgleichen konnten. »Ich glaube, ich brauche etwas Ruhe.«
»Nichts spricht dagegen, dass Sie sich ausruhen. Wir verbringen drei Wochen im Sprungraum, bis wir Corvus erreichen. Genug Zeit, damit Sie sich erholen können.« Ein schuldbewusster Ausdruck huschte über ihr Gesicht. »Die Flottenärzte wollen Sie so bald wie möglich sehen. Das sollte ich Ihnen eigentlich sagen.«
Ich möchte wetten, dass sie mich sehen wollen. Gehe ich ihnen besser aus dem Weg, oder begebe ich mich zu ihnen? »Danke. Und danke auch für alles andere, Tanya. Ich bin froh, auf der Dauntless zu sein.«
Es war erstaunlich, wie sehr sich Captain Desjanis Gesichtszüge veränderten, wenn sie lächelte. »Die Freude ist ganz meinerseits, Captain Geary.«
Nachdem sie gegangen war, saß er eine Weile da und konnte weder die geistige noch die körperliche Kraft aufbringen, um überhaupt irgendetwas zu tun. Drei Wochen bis Corvus. Keine allzu lange Zeit, aber eine Ewigkeit für die Schiffe einer Flotte, deren Überleben vor Kurzem auf gerade einmal eine Stunde begrenzt schien.
Irgendwann war das Bettzeug ausgetauscht worden, womit Geary das Dilemma erspart blieb, entweder um Hilfe zu bitten, damit man ihm neues Bettzeug brachte, oder in Admiral Blochs Bett zu schlafen. Er schlief viele Stunden hintereinander, in denen eindringliche Träume auf ihn einstürzten, an die er sich nicht mehr erinnern konnte, wenn er zwischendurch kurz aufwachte.
Schließlich stand er auf, da die Betriebsamkeit der Tagschicht an Bord der Dauntless ihm keine Ruhe gönnte, sondern trotz der guten Lärmisolation seiner Kabine bis zu ihm vordrang. Erleichtert stellte er fest, dass er sich wieder besser bei Kräften fühlte, und er begann, sich in seinem Quartier umzusehen, wobei er alles ignorierte, das nach dem persönlichen Hab und Gut von Admiral Bloch aussah.
Dabei stieß er auf ein paar ungeöffnete Verpflegungsriegel, die vermutlich genauso alt waren wie er selbst.
Da ihm der Sinn nicht nach einem großen Frühstück stand, be-gnügte er sich mit den Verpflegungsriegeln.
Und jetzt? Jetzt besaß er den Luxus von Freizeit. Die Allianz-Flotte würde Wochen im Sprungraum verbringen, also hätte er dann nichts zu tun. Er könnte herausfinden, was sich zugetragen hatte, seit er in diese Rettungskapsel gestiegen war und seinen langen Schlaf begonnen hatte. Danach zu urteilen, was er bislang gesehen und gehört hatte, konnte die jüngere Geschichte keine erfreuliche Lektüre sein. Doch er musste herausfinden, ob er diese Fremden wirklich besser kennenlernen wollte, die seinem Kommando unterstellt worden waren.
Wie sich herausstellte, enthielt die aktuelle Version des Schiffshandbuchs eine offenbar recht gut zusammengefasste Darstellung der Ereignisse seit seinem »letzten Gefecht«.
Geary übersprang schnell das Kapitel, das sich seiner einstmals letzten Konfrontation mit den Syndiks widmete. Es hatte ihm noch nie behagt, sich auch nur routinemäßiges Lob über seine Leistungen anhören zu müssen, und der Gedanke, einen Text zu lesen, in dem er offen verehrt wurde, ließ ihn regelrecht krank werden. Vor allem, wenn selbst ansonsten vernünftige und erfahrene Offiziere wie Captain Desjani daran glaubten, die lebenden Sterne hätten ihn zu ihnen geschickt, damit er die Allianz rette.
Als dann aber sein Blick auf das Datum gleich nach »Black Jack Gearys letztem Gefecht« fiel, hielt er inne. Fast genau hundert Jahre.
Für mich ist das alles gerade mal zwei Wochen her. Ich kann mich so deutlich daran erinnern, an die Schlacht, an die Leute, die zu meiner Crew ge-hörten, an meine Flucht in der Rettungskapsel, während um mich herum mein Schiff in Stücke geschossen wurde und mir der Tod auf den Fersen war. Das alles ist erst zwei Wochen her. Jedenfalls für mich.
Sie sind alle tot. Diejenigen, die auf meinem Schiff starben, genauso wie die, die sich in Sicherheit bringen konnten. Alle tot. Und sogar die Kinder der Überlebenden sind inzwischen tot. Nur ich bin noch da.
Er ließ den Kopf auf seine Hände sinken und gab sich eine Weile der Trauer hin.
Als Geary schließlich die vergangenen hundert Jahre gelesen hatte, musste er feststellen, dass es sich um eine gnadenlos positive Schilderung von gewonnenen und verlorenen Schlachten handelte, die sogar das, was für Geary nach eindeutigen Niederlagen klang, so verdrehte, als sei es alles Teil eines großen, übergeordneten Plans.
Aber so las sich offizielle Geschichte nun mal. Wenn man zwischen den Zeilen las, wurde allerdings erkennbar, dass Captain Desjanis Beurteilung der Situation als eines seit Jahrzehnten andauernden Patts zwischen beiden Seiten durchaus zutraf. Je weiter die Geschichte sich der Gegenwart näherte, umso hysterischer wurden die patriotischen Bekundungen, was nach Gearys Auffassung ein sicheres Zeichen dafür war, dass es mit der Moral nicht zum Besten gestellt war.
Das Schiffshandbuch hatte immer dem Zweck gedient, notwendige Grundlagen zu vermitteln, daher konnte der Inhalt nicht Gearys Meinung bestätigen, dass die Offiziere und Matrosen der Allianz-Flotte in aller Regel sehr jung und entsprechend schlecht ausgebildet waren. Doch als Befehlshaber der Flotte konnte er auf alle Personalakten zugreifen, die ihn interessierten, und die, die er rein zufällig auswählte, erzählten durchweg die gleiche Geschichte. Der größte Teil des Flottenpersonals war nahezu unerfahren. Ein paar hatten überlebt, weil Glück oder angeborenes Geschick im Spiel war, doch diese Fälle stellten eine winzige Minderheit dar. Jeder der großen Siege, über die Geary gelesen hatte, war offenbar mit schweren Verlusten bezahlt worden. Auch wenn die offizielle Geschichte Niederlagen nicht als solche auswies, ging Geary davon aus, dass dabei noch mehr Menschen umgekommen waren.
Er fragte sich, wie Offiziere wie Captain Numos und Captain Faresa so lange überlebt hatten, während so viele andere gefallen waren. Vermutlich waren sie so wie manche Offiziere, die er zu seiner Zeit gekannt hatte – Männer und Frauen, denen es immer wieder gelang, andere die Risiken übernehmen zu lassen, die dabei aber viel Arbeit in ihr Image steckten und gleichzeitig alles vermieden, was ihnen oder ihrem Image gefährlich werden konnte. Doch einen Beweis dafür konnte er nicht finden, also würde er auf die beiden besonders ein Auge haben, bis sich der Verdacht entweder bestätigte oder zerstreute.
Nachdem er es so lange wie möglich hinausgezögert hatte, rang sich Geary dazu durch und öffnete die Personalakte von Commander Michael Geary. Wie er richtig vermutet hatte und wie der Art anzumerken gewesen war, in der er sein Schiff im Kampf gegen die Syndiks eingesetzt hatte, hatte sein Großneffe zu den erfahrenen Offizieren der Flotte gezählt. Er hatte sich im Gefecht nie im Hintergrund gehalten, sondern sein Leben lang versucht, dem heroischen Vorbild des Black Jack Geary nachzueifern. Letzten Endes war ihm das auch gelungen, indem er sich für die Flotte opferte.
Ein Haufen Amateure und ein paar Überlebende. Nein, sie waren alle Überlebende – Überlebende eines Krieges, der schon viel zu lange dauert. Zwar wurde dieser Krieg von Zeit zu Zeit von Waffen-stillstandsabkommen unterbrochen, aber die dienten nur dem Zweck, dass beide Seiten nach schweren Verlusten erneut aufrüsten konnten.
Ich muss mit diesen Leuten reden. Geary starrte auf die Tür seiner Kabine und war dankbar für den Schutz, den sie ihm bot. Gleichzeitig wusste er, dass er sich nicht ewig hier verstecken konnte. Ich muss diese Leute kennenlernen und herausfinden, was sie unter Druck zu leisten imstande sind. Nach den Offizieren zu urteilen, denen ich bislang begegnet bin, werden sie alles versuchen, um noch eine Weile durchzuhal-ten, weil sie von diesem irrationalen Glauben an mich erfüllt sind. Aber was wird sein, wenn mir erst einmal genügend Fehler unterlaufen sind, wenn ich ihnen klargemacht habe, dass ich nicht der mythische Black Jack Geary bin, sondern einfach nur Commander John Geary, der »posthum«
zum Captain befördert wurde. Wenn ich nicht mehr weiß, was ich tun soll, um sie sicher nach Hause zu bringen? Was dann?
Die Antworten auf diese Fragen würde er nur bekommen, wenn er diesen Raum verließ.
Die nächsten Tage vertrieb sich Geary damit, dass er sich gut die Hälfte der Zeit in jeglicher Hinsicht auf den neuesten Stand brachte, während er die andere Hälfte nutzte, um durch die Dauntless zu gehen und das Schiff kennenzulernen. Sein inoffizielles Ziel war es, jede Abteilung des Schiffs aufzusuchen, und wenn es nur dem Zweck diente, dass die Crew ihn sah und ihre Moral gestärkt wurde. Sein dringlicher Wunsch war es, von den Leuten an Bord als ganz normaler Mensch wahrgenommen zu werden, bevor ihm wirklich ein Fehler unterlief, doch er war sich nicht sicher, wie erfolgreich er damit war.
Bei einem dieser Spaziergänge blieb er in der Abteilung stehen, in der der Null-Feld-Projektor der Dauntless untergebracht war. Die Crew stand grinsend daneben, während er sich die gewaltige, ge-drungene Waffe ansah. Etwas an der Größe und Form ließ ihn an einen riesigen mythischen Troll denken, der geduldig zusammenge-kauert dahockte und darauf wartete, dass ihm ein Opfer zu nahe kam. Geary gab sich Mühe, seine Vorbehalte gegenüber dieser Entwicklung zu verbergen und die Crew freundlich anzusehen. »Ist die Waffe einsatzbereit?«
»Jawohl, Sir!« Der Chef der Crew, der so jung aussah, dass Geary sich fragte, ob er sich wohl schon lange rasierte, legte besitzergrei-fend eine Hand auf das Ungetüm. »Sie ist in perfektem Zustand.
Wir überprüfen sie jeden Tag, so wie es das Handbuch vorschreibt, und wenn irgendetwas nicht hundertprozentig richtig aussieht, dann wird es sofort behoben.«
Eine Frau aus der Crew meldete sich zu Wort und klang genauso stolz wie ihr Vorgesetzter: »Wir sind einsatzbereit, Captain. Jedes Syndik-Kriegsschiff, das in unsere Nähe kommt, wird gründlich ge-nebelt.«
Geary benötigte einen Moment, ehe ihm klar wurde, dass mit »ge-nebelt« das gemeint sein musste, was aus der Materie wurde, die mit dem Null-Feld in Berührung kam. Trotzdem nickte er und kommentierte die Prahlerei mit einem Lächeln.
Schützen liebten ihre Waffen, und daran würde sich wohl auch nie etwas ändern. Darum waren sie Schützen. Seine Vorfahren wussten, die Flotte benötigte gute Schützen. »Und wenn uns die Syndiks das nächste Mal zu nahe kommen, dann bekommen Sie von uns diesen Treffer geliefert.« Die Crew grinste und streckte die geballten Fäuste in die Luft. Ich bringe es nicht übers Herz, ihnen zu sagen, dass die Dauntless auf keinen Fall aufs Spiel gesetzt werden kann. Allerdings ist die Gefahr groß, dass wir mit Syndik-Kriegsschiffen aneinandergeraten, bevor das hier vorüber ist.
Die für die Höllenspeere zuständigen Crews waren nicht ganz so enthusiastisch wie ihre Null-Feld-Kameraden, aber ihnen hatte man auch keine brandneuen Spielzeuge anvertraut. Geary erkannte auf den ersten Blick die Höllenspeer-Projektoren, auch wenn die Waffen dreimal so viel Platz in Anspruch nahmen wie die Ausführung, die er kannte.
Ein erfahrener Chief Petty Officer tätschelte fast liebevoll eine seiner Waffen. »Ich möchte wetten, eins von den Babys hätten Sie gern bei Ihrer letzten Schlacht zur Hand gehabt, wie, Captain?«
Wieder zwang er sich zu einem höflichen Lächeln. »Wäre sicher sehr praktisch gewesen.«
»Nicht, dass Sie das überhaupt gebraucht hätten«, fügte der Chief hastig hinzu. »Ihr Gefecht… jeder weiß darüber Bescheid. Diese Waffen hier sind großartig, aber Schiffe und Matrosen sind heute nicht mehr das, was sie mal waren.«
Er wusste, wie wahr diese Worte waren, doch ihm war auch eine andere Wahrheit bekannt. Sein Blick ruhte einen Moment lang auf der matten Oberfläche des Höllenspeers, dann schüttelte den Kopf.
»Sie irren sich, Chief.« Dann zog er eine Augenbraue hoch und sah zu den anderen Anwesenden. »Einer der Vorteile eines Befehlshabers der Flotte ist, einem Chief sagen zu können, dass er sich irrt.«
Die anderen lachten und wurden ruhig, als Geary zum Weiterreden ansetzte. »Es gibt auch heute immer noch gute Schiffe und gute Matrosen, wie die Repulse bewiesen hat.« Fast hätte seine Stimme versagt, aber das war in Ordnung, weil er die Reaktionen der Männer und Frauen sah und wusste, sie empfanden genauso wie er. »Wir werden die Schäden an unserem Schiff reparieren und unsere Waffenbestände neu aufstocken, und wenn wir das nächste Mal auf die Syndik-Flotte treffen, werden wir sie hundertfach für den Verlust der Repulse bezahlen lassen.«
Die Crews jubelten begeistert, aber er kam sich wie ein elender Lügner vor, der Dinge sagte, an die er gar nicht glaubte. Doch diese Männer und Frauen mussten an sich selbst glauben, und ob sie damit falsch lagen oder nicht, auf jeden Fall glaubten sie an ihn.
Während er sich zum Gehen wandte, rief der Chief ihm zu: »Sie werden stolz darauf sein, unser Commander zu sein, Black Jack!«
Meine Vorfahren mögen mir beistehen! Aber Geary drehte sich um, und als die Crews verstummten, erwiderte er: »Ich bin schon jetzt stolz auf Sie.«
Wieder brachen sie in Jubel aus, doch diesmal machte es ihm nichts aus, weil er nur die Wahrheit ausgesprochen hatte.
Er musste von Captain Desjani begleitet werden, als er sich den Hypernet-Schlüssel ansehen wollte, der in einem abgeschotteten Bereich untergebracht war. Er war gut halb so groß wie ein Frachtcon-tainer und nahm fast allen Raum in dem Abteil ein, in dem er stand.
Geary ging um ihn herum und betrachtete die Stromleitungen sowie die diversen anderen Kabel, die ins Innere führten. Lange Zeit sah er sich das Gerät an und wunderte sich, wie etwas so gewöhnlich aussehen und dabei so wichtig sein konnte.
»Captain Geary.« Das einzig Gute an der Miene von Co-Präsidentin Victoria Rione war, dass die nicht ganz so frostig war wie ihr Tonfall.
»Madam Co-Präsidentin.« Geary ging einen Schritt zurück, um sie in seine Kabine eintreten zu lassen. Er versuchte, sich nicht zu sehr an seine Medikamente zu gewöhnen, und bislang hatte er noch nicht zu ihnen gegriffen. Deshalb fühlte er sich jetzt aber noch elender als gewöhnlich und war nicht in der Stimmung, Besucher zu empfangen. Doch angesichts der Tatsache, dass ihr einige der Schiffe in der Flotte unterstanden, konnte er Rione nicht einfach wegschi-cken. »Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs?«
Offensichtlich war es ihm nicht gelungen, sich den ironischen Unterton ganz zu verkneifen, denn Riones Gesichtsausdruck wurde prompt noch etwas abweisender. Dennoch trat sie ein, und nachdem Geary die Tür geschlossen hatte, musterte sie ihn schweigend.
Wenn sie mich aus der Fassung bringen will, dann ist sie auf dem besten Weg dahin. Er versuchte, sich über ihre Art nicht zu ärgern, da sein Gefühl ihm sagte, dass sie ihre Widersacher gern auf diese Weise zu Reaktionen herausforderte, die sie anschließend bereuten. »Wollen Sie nicht Platz nehmen?«
»Nein.« Sie drehte sich weg und ging drei Schritte, die sie zum gegenüberliegenden Schott führten, wo sie stehen blieb und scheinbar fasziniert das dort hängende Bild betrachtete. Es gehörte zum Vermächtnis von Admiral Bloch und zeigte eine atemberaubende Sternenlandschaft, wie man sie in der Kabine eines Navy-Offiziers einfach erwartete. Sie verbrachte gut und gerne zwei Minuten vor dem Bild, dann wandte sie sich abermals Geary zu. »Mögen Sie Sternen-landschaften, Captain Geary?«
Small Talk. Das hatte er von ihr nicht erwartet, und es ließ ihn nur noch vorsichtiger werden. »Nicht so besonders.«
»Sie können das ändern. Sie können hier jedes Bild aufhängen, das im Bildarchiv des Schiffs enthalten ist.«
»Ich weiß.« Er würde ihr nicht sagen, dass er sich nicht dazu durchringen konnte, das Bild zu ersetzen, weil es an Admiral Blochs vormalige Anwesenheit in diesen Räumlichkeiten erinnerte.
Sekundenlang betrachtete Rione ihn, ehe sie weiterredete. »Welche Absichten verfolgen Sie, Captain?«
Ich verfolge ausschließlich ehrbare Absichten, Ma’am. Dieser widersin-nige Gedanke ging ihm so unerwartet durch den Kopf, dass er einen leichten Hustenanfall vortäuschen musste, damit er nicht zu lachen begann. »Verzeihen Sie. Madam Co-Präsidentin, wie wir bereits be-sprochen haben, beabsichtige ich, diese Flotte nach Hause zu bringen.«
»Weichen Sie nicht meiner Frage aus, Captain. Wir sind auf dem Weg ins Corvus-System. Ich möchte wissen, was Sie als Nächstes zu tun gedenken.«
Wenn ich das mit Sicherheit sagen könnte, würde ich’s Ihnen verraten.
Aber vielleicht war Riones Besuch gar nicht so schlecht. Sie gehörte zu den wenigen Leuten an Bord, die nicht den Weltraum verehrten, durch den er reiste. Und sie hatte bereits zu verstehen gegeben, dass sie nicht zögern würde, ihre Meinung zu sagen. Außerdem war er nach ihrer letzten Unterhaltung der Ansicht, dass er es mit einem klugen Kopf zu tun hatte. Zugegeben, sie machte auch keinen Hehl aus ihrer Antipathie ihm gegenüber, doch im Gegensatz zu der Feindseligkeit, die ihm von Captain Numos und Captain Faresa ent-gegenschlug, schien die Co-Präsidentin der Republik immer noch ein gewisses Maß an gesundem Menschenverstand zu besitzen.
»Das würde ich gerne mit Ihnen besprechen.«
»Tatsächlich?« Tonfall und Gesichtsausdruck machten deutlich, mit welcher Skepsis sie seine Bemerkung aufnahm.
»Ja, allerdings möchte ich Sie darum bitten, dass Sie unsere Unterhaltung vertraulich behandeln. Ich hoffe, Sie haben dafür Verständnis.«
»Selbstverständlich.«
Geary machte einen Schritt auf den Tisch zu und tippte präzise auf die immer noch ungewohnten Kontrollen, mit denen er eine Anzeige aufrufen konnte. Über der Tischplatte leuchteten ein paar Sterne auf, die aber gleich wieder erloschen. Mit einem stummen Fluch unternahm er einen zweiten Anlauf, und diesmal blieb das Bild stabil.
»Wir haben verschiedene Möglichkeiten.«
»Möglichkeiten.«
»Ja.« Wenn sie in Ein-Wort-Sätzen redet, kann ich das auch machen.
Vorsichtig tippte er auf eine andere Taste, und die Sterne wurden durch eine Ansicht der Flotte ersetzt, wie ein gottgleicher Beobachter sie in diesem Moment sehen würde. »Wir werden wahrscheinlich einen gewissen Vorsprung vor den Syndiks haben, bevor die nach uns im Corvus-System den Sprung verlassen. Zumindest ein paar Stunden.«
Rione machte eine ernste Miene und stellte sich so dicht neben ihn, dass ihr Arm beinahe seinen berührte. Dabei reagierte sie aber so wenig auf seine Gegenwart als würde sie neben einem Schott stehen. »Die Syndik-Flotte war dicht hinter uns, als wir in den Sprung wechselten. Zweifellos werden sie genauso dicht hinter uns sein, wenn wir im Corvus-System eintreffen.«
»Das glaube ich nicht.« Er deutete auf die Anzeige. »Wir werden exakt so aufgestellt sein, wenn wir den Sprung verlassen. Das ist eine brauchbare Formation. Wichtiger ist aber, dass wir im rückwärtigen Teil unserer Formation über sehr viel schwere Feuerkraft verfügen.«
»Schwerer als die Syndiks?«
Sarkasmus passte eindeutig nicht zu Co-Präsidentin Riones Stärke, fand Geary. »Stellenweise ja. Als wir in den Sprung wechselten, waren die Syndiks darauf konzentriert, einige unserer großen Schiffe lange genug aufzuhalten, bis sie sie mit ihren eigenen schweren Kreuzern eingeholt hatten. Doch sobald sie am anderen Ende den Sprung verlassen, wendet sich ihre lang gestreckte Formation gegen sie, weil all ihre leichten Schiffe sich vorne befinden und unseren Schiffen sozusagen in die Arme fliegen. Dann können wir unsere langsamen Schiffe vorausschicken, während unsere stärkste Feuerkraft am Sprungpunkt zurückbleibt und die Verfolger empfängt.« Er hielt kurz inne, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, die sind uns nicht sofort gefolgt. Sie brauchen erst einmal Zeit, um ihre Streitkräfte neu zu ordnen. In der breiten Formation, in der sie vorgerückt sind, können sie nicht zum Sprung ansetzen, weil die äußeren Schiffe sich abseits des Sprungpunkts befinden. Sie werden die Jäger und die anderen leichten Einheiten zurückholen, dann die schweren Schiffe in Position bringen und dann…«
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Dann?«
»Das ist die große Frage.« Er sah sie an und überlegte, ob er Riones Einschätzungen der Situation vertrauen konnte. Ob oder ob nicht, ist egal, aber sie könnte an etwas denken, was mir entgangen ist. »Ich würde gern Ihre Meinung hören.«
Rione machte auch jetzt keinen Hehl aus ihrer Skepsis. »Meine Meinung?«
»Ja, Ihre Meinung, was die als Nächstes machen werden.«
»Dann lassen Sie mich zunächst eines sagen: Schätzen Sie Ihre Kräfte nicht falsch ein, Captain Geary.«
Er stutzte und spürte die Schwäche, die seinen Körper im Griff hatte und die er genauso hasste wie Riones offensichtliche Anspielung darauf. »Was genau soll das bedeuten? Ich bin körperlich in der Lage zu…«
»Nein, ich rede nicht von Ihren körperlichen Kräften, sondern von denen dieser Flotte.« Mit einer Hand machte sie eine wegwerfende Geste, die auf die Darstellung der Allianz-Flotte gerichtet war. »Das da ist nur das äußere Bild. Das sagt nichts darüber aus, wie es im Inneren aussieht.«
»Wollen Sie sagen, ich kann meinen Informationen nicht trauen?«
»Die Informationen über die Flotte sind soweit zutreffend.« Ihre nächste Geste ließ ihre Frustration erkennen. »Ich weiß nicht das richtige Wort, um dieses Problem zu bezeichnen. Diese Flotte ist wie ein Stück Metall, das sehr stabil aussieht. Aber wenn man drauf-schlägt, dann zerbricht es sehr leicht. Verstehen Sie?«
Ja, das tat er. »Spröde. Sie wollen sagen, dass die Flotte spröde ist.
Sie sieht stark aus, doch sie kann allzu leicht zerschlagen werden.
Richtig?«
Rione schien überrascht zu sein. »Das ist genau das, was ich gemeint habe.«
»Aber es ist nicht das Material, das spröde ist. Kein Problem, das die Schiffe oder die Waffen betrifft.«
»Ich bin mir sicher, Sie wissen, dass ich das nicht meine.«
Und ich bin mir sicher, dass das noch längst nicht alles ist, was Sie angeht, Co-Präsidentin Rione. »Ich weiß Ihre Bewertung zu schätzen.«
»Meine Bewertung scheint Ihnen aber nichts auszumachen. Ehrlich gesagt hatte ich damit gerechnet, Sie würden verärgert reagieren.«
Geary präsentierte ihr ein offensichtlich aufgesetztes Lächeln. »Ich überrasche Leute eben gern.« Was auch der Grund ist, warum ich Ihnen nicht verrate, dass ich nicht die Absicht habe, diese Flotte in ihrem spröden Zustand zu belassen. Metall kann neu geschmiedet und gehärtet werden, und das gilt auch für diese Flotte. Jedenfalls hoffe ich das. Ob es mir oder irgendwem sonst unter diesen Bedingungen gelingen kann, steht allerdings auf einem anderen Blatt. »Ich habe versucht, diese… diese Flotte besser kennenzulernen.« Fast hätte er »diese Leute« gesagt, sich dann jedoch gerade noch zurückgehalten. »Es ist eine gute Flotte, aber wie man mir vor Kurzem sagte« – vor etwas weniger als einer Woche –, »ist sie müde.«
»Das ist nicht die Art von Müdigkeit, die man mit genügend Schlaf bekämpfen kann, Captain Geary.«
»Das weiß ich, Madam Co-Präsidentin.«
»Wenn Sie diese Schiffe in ein schweres Gefecht schicken, auch unter den von Ihnen beschriebenen Bedingungen, dann könnten sie Sie im Stich lassen.«
Geary senkte den Blick und biss sich auf die Lippe. Genau das be-fürchte ich auch, aber ich weiß nicht, was sie anderen über dieses Gespräch weitersagen wird. »Gegenwärtig beabsichtige ich keine massive Konfrontation mit dem Feind.«
»Das ist keine Aussage, die mich beruhigen kann. Es ist für die Allianz genauso wichtig wie für die Callas-Republik und die Rift-Föderation, dass diese Schiffe ins Territorium der Allianz zurückkehren!«
»Ich weiß, Madam Co-Präsidentin.«
»Wir müssen verhindern, dass wir noch weitere Schiffe verlieren.«
Geary warf ihr einen wütenden Blick zu. »Madam Co-Präsidentin, auch wenn Sie das vielleicht glauben, zählt es nicht zu meinen An-gewohnheiten, mit Schiffen und Menschenleben um mich zu werfen, als wären sie für mich ohne Wert.« Sie kniff bei seinen Worten die Augen zusammen, hielt aber den Mund. »Ich strebe keine Auseinandersetzung mit der Syndik-Flotte an. Ich habe keine Ahnung, ob die Syndiks in der Lage sein werden, uns zu einer solchen Auseinandersetzung zu zwingen. Dennoch werde ich alles unternehmen, damit wir die besseren Erfolgsaussichten haben, ganz gleich, was passiert.«
Rione schwieg noch einige Sekunden lang, ehe sie antwortete:
»Das klingt nicht gerade nach einem Versprechen, Captain Geary.«
»Ich gebe auch keine Versprechen, die ich nicht halten kann. Ich habe keine Kontrolle über das, was die Syndiks machen, und ich weiß auch nicht, in welche Situationen wir geraten können. Ihnen sind doch sicherlich militärische Notwendigkeiten geläufig genug, um zu wissen, dass man manchmal Einheiten riskieren muss.«
»Einheiten wie die Repulse?«
Er warf ihr erneut einen wütenden Blick zu, dann antwortete er mit heiserer Stimme: »Ja.«
Anstatt weiterzureden, musterte Rione ihn eine Zeit lang. »Na gut, Captain Geary. Ich muss hinzufügen, dass ich mit Blick auf die Repulse nachlässig gewesen bin.« Sie neigte den Kopf ein wenig. »Darf ich Ihnen zum Verlust Ihres Angehörigen mein persönliches Beileid aussprechen? Außerdem im Namen der Callas-Republik wie auch in meiner Funktion als deren Repräsentantin. Und ich möchte Ihnen für das Opfer danken, das Ihre Familie gebracht hat.«
Er sah zu Boden, sammelte sich und nickte. »Vielen Dank, Madam Co-Präsidentin. Ich wusste nicht, dass Ihnen meine Verwandtschaft mit dem Commander der Repulse bekannt ist.« Seine Stimme klang belegt, doch dagegen konnte er nichts tun.
»Ja, ich hätte Ihnen bereits früher mein Beileid aussprechen sollen.
Ich bitte um Verzeihung.«
»Ist schon gut.« Er straffte die Schultern und atmete tief durch. »Es wurden viele Opfer gebracht.« Rione machte noch immer keinen freundlichen Eindruck, aber sie wirkte nicht mehr ganz so unterkühlt. Auf keinen Fall wollte er jetzt über die Toten reden, also wechselte er das Thema und störte sich nicht daran, wie offensichtlich das wirken mochte. »Wie ich bereits sagte, weiß ich Ihre Beurteilung zu schätzen.« Er wandte den Blick ab und konzentrierte sich auf die Kontrolle für das Display in seinem Tisch und rief erneut die Darstellung der Sternensysteme auf. »Wir verlassen hier den Sprung, hier im Corvus-System. Wir fliegen durch und stocken unsere Vorräte in der Zeit auf, die uns bleibt.«
Er zeigte auf den Punkt, wo sie den Sprung verlassen würden, dann deutete er auf eine andere Stelle. »Das da ist der Sprungpunkt, um Corvus zu verlassen. Von dort haben wir drei Ziele zur Auswahl.« Er ließ einen der Sterne kräftiger hervortreten. »Yuon ist eine Möglichkeit, und von dort sind wir einer direkten Route zurück ins Gebiet der Allianz ziemlich nahe.« Der nächste Stern. »Voss bringt uns ein Stück zurück in die andere Richtung, also tiefer ins Syndik-Territorium.« Und der dritte. »Kaliban. Der führt uns am Syndik-Gebiet entlang, bietet aber die Auswahl, zu weiteren vier Sternen springen zu können.« Er hielt inne. »Angenommen, Sie wären ein Syndik-Commander, Co-Präsidentin Rione, wohin würde Ihrer Meinung nach unser nächster Sprung führen?«
»Yuon«, antwortete sie ohne zu zögern.
»Weil?«
»Weil wir auf der Flucht sind, Captain Geary. Die Flotte rennt um ihr Leben. Und Yuon stellt den schnellsten Weg nach Hause dar. Jedenfalls relativ schnell, wenn man das Hypernet außer Acht lässt.
Aber immer noch schneller als die anderen Alternativen.«
Er betrachtete das Display und rieb sich das Kinn. »Wäre das nicht der allzu offensichtliche Weg? Zu offensichtlich, als dass die Syndik-Flotte den Sprung dorthin unternimmt und auf uns wartet?«
»Ich wiederhole, unsere Flotte ist aus dem Heimatsystem der Syndiks geflohen. Wir befinden uns in feindlichem Gebiet. Die Flucht ist unsere einzige vernünftige Alternative.«
»Ja, ich stimme Ihnen zu, dass wir fliehen müssen. Und wir müssen vermeiden, dass man uns zu fassen bekommt, also dürfen wir nicht die offensichtliche Route nehmen.«
»Theoretisch nicht. Aber wir müssen bedenken, in welcher Verfassung sich die Flotte befindet. Die Syndiks werden wissen, dass Sie nach Yuon fliegen wollen, Captain Geary.«
Geary grinste sie an. »Aber dorthin will ich gar nicht, Madam Co-Präsidentin.«
Sie versteifte sich, und Geary hätten schwören können, dass sich Eis in ihren Augen bildete. »Voss! Sie wollen zurück ins Heimatsystem der Syndiks und dann den nächsten Sprung machen, weil Sie hoffen, deren Verteidigung überrumpeln zu können und…«
Geary hielt abwehrend die Hände hoch. »Nein.«
»Nein?« Rione machte einen Schritt zur Seite, als wolle sie ihn um-kreisen, um ihn von allen Seiten misstrauisch zu betrachten.
»Nein. Vielleicht würde ich das machen, wenn wir in einer perfekten Welt lebten.« In einer perfekten Welt, in der wir gar nicht erst einen Krieg führen würden, der bereits hundert Jahre auf dem Buckel hat. »Aber ich kann die Schadensberichte unserer Schiffe lesen, und ich kann zusammenrechnen, wie viele Waffen wir abgefeuert haben und in welcher Verfassung sich unsere Bestände befinden. Und genau kann ich einschätzen, inwieweit diese Flotte in der Lage ist, eine weitere große Schlacht auszutragen.« Geary schüttelte den Kopf. »Es wäre Wahnsinn, ein solches Risiko einzugehen.«
»Das sehe ich auch so«, stimmte Rione ihm zurückhaltend zu, als rechne sie noch immer damit, Geary könnte sie in eine Falle laufen lassen.
»Aber die Syndiks müssen diese Möglichkeit trotz allem in Erwägung ziehen, nicht wahr? Das heißt, sie müssen eine Blockade bei Voss einrichten, und die Verstärkung für ihr Heimatsystem muss in der Nähe bleiben. Alles nur für den Fall, dass ich verrückt bin«, füg-te er ironisch an. »Umso geringer ist die Zahl der Schiffe, die uns weiter verfolgen kann.«
»Also springen Sie doch nach Yuon?«
»Nein. Ich will nach Kaliban.«
»Kaliban?« Sie sah zwischen ihm und der Darstellung der Sternensysteme hin und her. »Was hat uns Kaliban zu bieten?«
»Zeit und das größtmögliche Maß an Sicherheit.« Er hob wieder seine Hand, um den nächsten Einwand vorzeitig zu stoppen. »Ich weiß, die Zeit ist auch unser Feind. Aber dort haben wir mehr Zeit, damit die Flotte sich erholen kann. Unsere Hilfsschiffe produzieren in diesem Moment weitere Waffen, Kartätschen und Phantome, und bei Corvus nehmen wir hoffentlich Rohstoffe für weitere Waffen an Bord. Wir können mehr Schäden reparieren. Ja, wenn wir Kaliban erreichen, müssen wir quasi zu Fuß nach Hause gehen. Und wir werden dringend unsere Vorräte aufstocken müssen, also ist es nötig, dass wir dort genug von allem Benötigten auftreiben können.
Aber wir haben zwei gute Sterne, einen brauchbaren und einen ris-kanten Stern für den darauf folgenden Sprung zur Auswahl. Für die Syndiks bedeutet das, an vier weiteren Orten mit unserem Auftauchen rechnen zu müssen, vorausgesetzt, sie haben bis dahin unsere Flotte ausfindig gemacht.«
Rione schaute nachdenklich drein, als sie nickte. »Und was ist mit diesem gewissen Grad an Sicherheit?«
Abermals zeigte er auf die Sterne. »Wir wurden ordentlich verprügelt, und die Syndiks sind uns zahlenmäßig weit überlegen. Aber ihre Flotte verfügt auch nicht über unendlich viele Schiffe. Je mehr sie sich aufteilen müssen, um uns zu fassen zu bekommen, umso besser sind unsere Chancen, wenn wir doch irgendwo auf sie treffen. Hier«, er zeigte auf Yuon, »müssen die Syndiks genügend Schiffe aufstellen, damit sie uns massiv unter Beschuss nehmen können, wenn wir dieses System durchfliegen wollen. Aber genauso müssen sie Voss beschützen, falls wir dort auftauchen sollten. Und sie müssen versuchen, uns weiter unter Druck zu setzen, weshalb eine große Streitmacht uns durch Corvus folgen muss.«
»Ich verstehe. Damit bleibt nur noch wenig für Kaliban übrig. Falls Sie recht haben. Nur wie sicher können Sie sein, dass die Syndiks unsere Flucht nach Kaliban nicht in Erwägung ziehen werden?«
»Oh, ich glaube schon, dass sie das erwägen werden«, berichtigte Geary sie. »Meiner Meinung nach werden sie Kaliban für das un-wahrscheinlichste unserer möglichen Ziele halten, und es ist für sie auch nicht so gravierend, ganz im Gegensatz zu Yuon und Voss.
Diese beiden Sterne würden für die Syndiks ein unmittelbares Problem darstellen. Wenn wir den Sprung nach Kaliban tun, sind wir für sie zwar immer noch ein Problem, aber in diesem Fall werden sie glauben, dass sie genug Zeit haben, um sich mit uns zu befassen.«
Er betrachtete den Stern, der Kaliban darstellte. Ich wüsste nur zu gern, worüber die Syndiks bei Kaliban verfügen. Die wenigen Informationen, die wir besitzen, sind über ein halbes Jahrhundert alt. Und erst recht möchte ich wissen, über was sie bei Corvus verfügen.
»Warum erklären Sie mir das alles?«
»Ich sagte bereits, ich möchte Ihre Meinung hören.«
»Für mich hört sich das an, als hätten Sie Ihren Entschluss längst gefasst.«
Er gab sich Mühe, nicht verärgert zu klingen. »Keineswegs. Ich versuche, einen Plan zu entwickeln, und ich gehe unsere Optionen durch. Sie sehen die Dinge aus einer anderen Perspektive, daher ist mir Ihre Meinung wichtig.«
Einen Moment lang hätte er schwören können, dass Rione einen Anflug von Belustigung erkennen ließ. »Dann werde ich sagen, dass ich nach Yuon reisen würde.«
»So, so…«
»Ich war noch nicht fertig. Ich würde nach Yuon reisen. Aber es stimmt, was Sie gesagt haben, und ich selbst habe Sie vor einer großen Konfrontation gewarnt. Inzwischen glaube ich, Kaliban ist die beste Lösung.«
Er lächelte sie ironisch an. »Dann darf ich annehmen, dass die Schiffe der Callas-Republik und der Rift-Föderation meinen Befehl befolgen und den Sprung nach Kaliban mitmachen werden?«
»Ja, Captain Geary.« Sie wurde ernster. »Den Rest der Allianz-Flotte davon zu überzeugen, ist allerdings eine Aufgabe, der Sie sich allein stellen müssen.«
Sie hält das für ein Problem. Das war mir bislang nicht in den Sinn gekommen. Die Flotte ist mir aus dem Heimatsystem der Syndiks gefolgt, aber da hatten sich die Commander einer tödlichen Bedrohung gegenüber-gesehen. Und selbst da wollten einige von ihnen erst noch über den Befehl diskutieren.
Und sie sind alle müde und wollen nur noch nach Hause zurück.
Rione schien sich einmal mehr mit der Sternenlandschaft zu beschäftigen. »Ich muss mit Bedauern feststellen, dass ich wenig über Ihr Privatleben weiß, Captain Geary. Haben Sie damals jemanden hinterlassen?«
Er dachte über die Frage nach. »Kommt drauf an, wie Sie das meinen. Meine Eltern lebten noch, mein Bruder war verheiratet, hatte aber noch keine Kinder.« Eigenartig, dass er das so sagen konnte und er gleichzeitig in der Lage war, das gefühlsmäßig von dem Bild des älteren Mannes zu trennen, der der Enkel seines Bruders gewesen war.
»Keine Lebensgefährtin?«
»Nein.« Ihm fiel auf, wie sie ihn ansah, und er musste sich wundern, wie eine einsilbige Antwort ihr so viel verraten konnte.
»Nichts Dauerhaftes.«
»Vielleicht ein Segen?«
»Angesichts dessen, was mir zugestoßen ist, ganz sicher.« Geary schüttelte den Kopf. »Ich hatte immer gedacht, dass man inzwischen herausgefunden hat, wie sich die Lebensspanne verlängern lässt.«
»Leider nicht.« Dem Anschein nach betrachtete sie immer noch die Sternenlandschaft. »Sie wissen, was bei jedem Versuch herausge-kommen ist. Die Natur sorgt dafür, dass wir Menschen bis kurz vor dem Ende gesund und bei Kräften bleiben, aber das Ende kommt dennoch. Obwohl die Wissenschaftler den menschlichen Körper bis auf Quantenebene zerlegt und wieder zusammengesetzt haben, um daran etwas zu ändern.«
Mit einem Mal fühlte er sich wieder erschöpft, setzte sich hin und schloss einen Moment lang die Augen. »Ausreichend, einen gläubig werden zu lassen.«
»Es genügt zumindest, um einen darüber nachdenken zu lassen.«
Sie sah Geary an. »Gibt es ein Haus Ihrer Vorfahren?«
»Nur wenn sie eines gebaut haben, seit ich das letzte Mal dort war.«
»Wohin werden Sie gehen, wenn wir ins Gebiet der Allianz zu-rückgekehrt sind?«
»Ich weiß nicht.« Er starrte vor sich hin, seine Gedanken begannen abzuschweifen. »Es gibt da jemanden, nach dem ich auf der Dreadnought suchen muss, wo immer sich dieses Schiff befinden mag.«
Rione war sichtlich überrascht. »Sie kennen jemanden auf einem Schiff im Allianz-Gebiet?«
»Eigentlich nicht. Ich muss ihr eine Nachricht überbringen, weil mich jemand darum gebeten hat.« Geary dachte eine Weile darüber nach, während Rione abwartend dastand. »Danach reise ich vielleicht nach Kosatka.«
»Kosatka?«
»Da hat es mir mal gut gefallen, und ich habe gehört, dass es dort immer noch schön ist.«
»Kosatka«, wiederholte Rione. »Ich glaube, Kosatka ist nicht Ihre Bestimmung, Captain Geary.«
»Sind Sie etwa auch noch Wahrsagerin, nicht nur Gedankenlese-rin?«
»Ich lese nur in den Menschen, nicht in ihren Gedanken, Captain.«
Co-Präsidentin Rione kehrte zur Luke zurück und blieb dort kurz stehen. »Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Und danke für Ihr Vertrauen.«
»Gern geschehen.« Er erhob sich halb aus seinem Sessel, als sie rausging, dann sackte er müde in sich zusammen und fragte sich, warum sein Magen sich so verkrampfte.
»Kaliban?« Captain Desjani sah Geary an. »Aber der Heimweg führt über Yuon.«
»Captain, die Syndiks wissen, dass Sie so denken. Die werden dort sein.«
»Aber nicht zahlreich genug, um…«
»Woher wollen Sie das wissen?« Geary wurde bewusst, dass er sie angeherrscht hatte, und zügelte sein Temperament. »Sie haben es mir selbst gesagt. Die Syndik-Schiffe können von ihrem Heimatsystem über das Hypernet nach… äh… nach Zaqi reisen und von dort den Sprung nach Corvus unternehmen, wo sie sogar noch vor uns eintreffen. Sie durchqueren das System und springen nach Yuon.
Ihre ganze verdammte Flotte könnte uns dort erwarten, natürlich abzüglich der Schiffe, die uns verfolgen, nach uns den Sprung verlassen und uns in den Rücken fallen würden.«
»Aber Yuon…« Desjani ließ den Einwand unvollendet.
Geary sah ihr die Verzweiflung und Erschöpfung an und schämte sich für seinen gegen sie gerichteten Zorn. »Tut mir leid, Tanya. Ich weiß, wie sehr Sie heimreisen möchten. Ich möchte auch, dass wir nach Hause kommen.«
»Die Allianz benötigt diese Flotte. Sie braucht die Dauntless und das, was sich an Bord befindet. Je eher, umso besser.«
»Die Syndiks warten bei Yuon auf uns, Tanya. Wenn wir diesen Weg nehmen, schaffen wir es nicht bis nach Hause.«
Schließlich nickte sie. »Die durchschauen uns zu gründlich, nicht wahr?« Als Geary nicht sofort antwortete, fuhr Desjani fort: »Den Syndiks war klar, dass wir den Köder schlucken und in ihr Heimatsystem eindringen würden, und jetzt wissen sie, wir wollen über Yuon nach Hause reisen.«
»Ich fürchte ja.«
»Aber Sie sehen es klarer als ich. Sie wissen, wir müssen eine längere Route nehmen.«
Geary verkniff sich ein aufgebrachtes Aufstöhnen. Vielleicht verspüre ich im Gegensatz zu den anderen nur nicht diesen sehnlichen Wunsch, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen. »Ich werde alle Schiffe von unserem geplanten Ziel in Kenntnis setzen, bevor wir den Sprung…«
»Captain!«
»Was?«
Desjani nahm eine förmliche Haltung ein. »Sir, Sie müssen die Schiffskommandanten von dieser Entscheidung persönlich unter-richten.«
Er versuchte, seine plötzlich aufwallende Wut zu unterdrücken.
»Mir wurde gesagt, wenn wir eine Nachricht wegen des Sprungs übermitteln, dann haben die Syndiks keine Chance, sie abzufangen.
Außerdem habe ich nicht vor, darüber abstimmen zu lassen.«
»Ich sage nicht, dass es eine Abstimmung geben soll, Captain.
Aber Sie müssen es ihnen persönlich sagen.« Sein Gesicht musste ihr verraten haben, was er fühlte. »Ich weiß, so ist das früher nicht gelaufen. Heute dagegen schon.« Wieder ließ sie eine Pause folgen.
»Sir, Sie müssen persönlich führen! Sie können das nicht erledigen, indem Sie eine Textnachricht senden.«
Das Letzte, was er wollte, war eine weitere Konfrontation mit all diesen Offizieren, von denen zwar einige wie Captain Desjani voller Eifer an ihn glaubten, aber andere ihn für ein Fossil hielten, das aus dem Weg geräumt werden musste. »Tanya, wir werden vermutlich jede Sekunde alle Hände voll zu tun haben, wenn diese Flotte das Corvus-System erreicht hat. Selbst wenn die Syndiks keine Schiffe ins System springen lassen, die uns sofort im Nacken hängen, werden sie früher oder später doch da auftauchen. Wir wissen nicht, welche Verteidigungsanlagen die Syndiks bei Corvus installiert haben. Wir müssen entscheiden, welche Anlagen wir plündern wollen und wie wir uns bei einer möglichen Gegenwehr verhalten sollen…« Desjani schaute ihn beharrlich an. Gib’s zu, du weißt, Desjani hat recht. Ich musste sie auch persönlich davon überzeugen, nicht nach Yuon zu springen. Wenn sie sich jetzt nicht von meinen Argumenten überzeugen lassen will, dann liegt es daran, dass sie weiß, ich muss diesen Kommandanten in Person mitteilen, sie sollen nach Kaliban fliegen.
Gut zu wissen, dass Desjani nicht klein beigibt, wenn sie trotz ihrer Verehrung und Bewunderung für mich der Ansicht ist, dass ich mich im Irr-tum befinde.
Schließlich nickte er, machte jedoch aus seinem Widerwillen keinen Hehl. »Okay, Tanya. Sie haben gewonnen. Sobald wir nach dem Sprung Gewissheit haben, dass die Syndiks uns nicht dicht auf den Fersen sind, werde ich eine Konferenz einberufen und jedem persönlich mitteilen, dass wir nicht nach Yuon, sondern nach Kaliban springen werden.« Sie erwiderte nichts. »Okay, ich werde ihnen auch den Grund erklären.«
»Danke, Captain. Ich hoffe, Sie verstehen…«
»Ja, das tue ich. Und ich danke Ihnen dafür, dass Sie mir Ihre Empfehlung erklärt haben.«
»Was bei Corvus auf uns wartet, kann nicht zu gefährlich sein, Captain Geary. Dort werden sie noch gar nicht wissen, wie die Schlacht im Heimatsystem ausgegangen ist.«
»Ja.« Vielleicht können wir das irgendwie zu unserem Vorteil nutzen.
»Aber Corvus liegt so nahe bei der Syndik-Heimatwelt, dass das System sich als harte Nuss erweisen könnte.«
Desjani machte eine wegwerfende Geste. »Es ist kein Teil des Syndik-Hypernets.«
Geary ließ sich ihre Bemerkung durch den Kopf gehen. »Das muss mehr bedeuten, als mir bewusst ist. Erklären Sie mir das bitte.«
Nach einem überraschten Blick begann sie zu reden: »Ich war davon ausgegangen, dass es Ihnen bekannt ist, aber woher? Das Hypernet erlaubt es einem, sich sehr schnell von einem Punkt zum anderen zu bewegen, ganz egal, wo man ist und wohin man will. Man muss keine anderen Systeme durchqueren, um ans Ziel zu gelangen.«
»Oh.« Verdammt, jetzt habe ich das schon wieder gesagt. »Mit dem Sprungantrieb muss man durch die in Reichweite befindlichen Systeme springen, um am Ende dort anzukommen, wo man eigentlich hin will.«
»Richtig«, bestätigte sie. »Sehr viele Systeme waren nur deshalb wichtig, weil man sie durchqueren musste, um woanders hinzu-springen. Es gab dort keine bestimmten Ressourcen oder Ähnliches.
Sobald aber das Hypernet eingerichtet war, hat sich dieser Transit-verkehr von selbst erledigt.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass die übergangenen Systeme davon einen Nutzen haben«, meinte Geary.
»Haben sie auch nicht. Die einzigen Gründe, ein System aufzusuchen, sind entweder ein persönlicher Anlass oder aber es gibt dort etwas Besonderes. Wenn es allerdings etwas Besonderes dort gibt, wird das System auch ans Hypernet angeschlossen.«
Vor seinem geistigen Auge entstand das Bild eines Baumes, dessen zahlreiche Äste verkümmerten, während der Stamm immer kräftiger wurde. »Was ist aus ihnen geworden?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Einige haben ihre Ressourcen eingesetzt, um ein Hypernet-Portal zu bekommen, aber gelungen ist das nur wenigen. Einige haben versucht, mit etwas Besonderem aufzu-warten, damit andere sich für ein Portal einsetzten. Auch da sind nur wenige erfolgreich gewesen. Die meisten waren von vornherein nicht wohlhabend genug, und seit der Handel an ihnen vorüber-zieht, geht es weiter bergab mit ihnen. Sie verlieren den Anschluss an die technologische und kulturelle Entwicklung, die über das Hypernet Verbreitung findet. Die intelligentesten Leute aus diesen Systemen streben natürlich danach, in Systeme auszuwandern, die ans Hypernet angeschlossen sind.«
»Ich verstehe.« Ein bisschen so wie ich. Isoliert und hoffnungslos veraltet. Überholt vom Hypernet und von der Geschichte. Ich frage mich, wie einige von diesen Syndik-Systemen reagieren werden, wenn ich mit der Allianz-Flotte hindurchfliegen will. Wenigstens werden sie so wieder Teil der Geschichte sein.
In einer Woche erreichen wir Corvus und werden feststellen, wie es dem System ergangen ist, seit es durch das Hypernet überflüssig geworden ist.
Ich sollte an meiner Ansprache an die Kommandanten arbeiten und weiter beten, dass die Syndiks sich keinen so tückischen Plan ausgedacht haben, der eine Falle für Allianz-Schiffe beinhaltet, denen der Sprung nach Corvus gelingt.