Zehn

Mit der Entscheidung für den Kampf begann das Adrenalin durch seinen Körper zu strömen, obwohl es noch einige Stunden bis zum Gefecht dauerte, auf das beide Seiten mit maximaler Beschleunigung zusteuerten. Geary wünschte sich, die Flotte von der Alpha-Formation in die eigentliche Gefechtsformation wechseln zu lassen, doch er wusste nur zu gut, dass dies ein Fehler sein würde. Seine früheren Vorgesetzten hatten ihm das eingebläut. Es gibt drei Dinge, die man in den Stunden vor einer Schlacht unbedingt vermeiden sollte.

Erstens: überhastetes Handeln. Zweitens: überhastetes Handeln. Und drittens: überhastetes Handeln.

Und jetzt wollte Desjani genau diesen Fehler machen. »Werden wir in dieser Formation kämpfen?«, fragte sie zweifelnd.

»Nein.« Geary bemerkte ihren frustrierten Ausdruck und erklärte:

»Wir werden erst kurz vor dem Kontakt in die eigentliche Gefechtsformation wechseln. Ich möchte gerade genug Zeit haben – natürlich mit einem gewissen Puffer für die Korrektur möglicher Fehler –, dass unsere Schiffe ihre neue Position erreichen können, um dann mit Gefechtsgeschwindigkeit vorzurücken.«

»Warum erledigen wir das nicht jetzt? Sie sprachen doch selbst von Ihren Bedenken, was die Fähigkeit der Flotte angeht, in einer tatsächlichen Kampfsituation die richtigen Manöver auszuführen.

Warum sollen wir warten, bis wir mit dem Feind fast in Berührung gekommen sind?«

Die gleiche Frage hatte er vor langer Zeit auch schon gestellt.

»Weil wir dem Feind keine Gelegenheit geben wollen, stundenlang in aller Ruhe unsere Formation zu studieren und sich zu überlegen, wie wir vorgehen wollen.«

»Aber wir könnten doch in eine brauchbare Formation gehen und dann immer noch in eine andere wechseln, oder? Dann wären wir bereit, selbst wenn wir die Schiffe nicht mehr rechtzeitig in die andere Formation manövriert bekommen. Wir könnten wieder und wieder die Formation verändern, um den Gegner im Unklaren über unsere Absichten zu lassen.«

Geary musste leise lachen, was ihm einen fragenden Blick von Desjani einbrachte. »Tut mir leid, ich musste nur daran denken, dass ich vor langer Zeit den gleichen Vorschlag gemacht habe. Es dauerte eine Weile, bis mir der Fehler bei diesem Ansatz klar wurde.« Er deutete auf das Display, wo sich die Symbole der Allianz und der Syndiks langsam aufeinander zubewegten. »Wir entschließen uns zu kämpfen, und dann bleibt uns für gewöhnlich eine ganze Weile, um uns vorzubereiten. In der Zeit ist die Versuchung groß, genau das Falsche zu tun. Wenn wir ständig die Formation wechseln, kleine Anpassungen vornehmen und unsere Pläne ändern, dann sind die Besatzungen bereits müde und die Treibstoffvorräte in Mitleidenschaft gezogen, noch bevor es zum eigentlichen Gefecht gekommen ist. Es ist wesentlich besser, wenn man sich zusammenreißt und den Schiffen und den Crews Gelegenheit gibt, sich vor dem Kampf auszuruhen.«

»Ich verstehe.« Desjani rutschte auf ihrem Platz hin und her. »Ja, mir wird das jetzt wirklich klar. Ich möchte sofort etwas tun, aber das wäre verfrüht. Wissen Sie, so haben wir immer gekämpft. Sofort in die Gefechtsformation, fast immer irgendetwas Einfaches, und dann auf den Gegner los.«

»Ja, das dachte ich mir bereits.« Wieder schaute er auf das Display, wo die Syndik-Streitkräfte exakt diesem Muster zu folgen schienen.

Zwei gegnerische Streitmächte stürmen aufeinander los und beschießen sich auf Teufel komm raus. Rohe Gewalt gegen rohe Gewalt. Kein Wunder, dass diesen Leuten Stolz und Mut so viel bedeuten. In einer solchen Schlacht wird am ehesten die Seite gewinnen, die am härtesten und aus-dauerndsten kämpft. Aber das bedeutet massive Verluste an Menschen und Schiffen.

Geary sah auf die Uhr, dann wandte er sich wieder an die Flotte.

»An alle Einheiten. Die aktuelle Schätzung bis zum Aufeinandertreffen mit der gegnerischen Streitmacht liegt bei sieben Stunden. Gönnen Sie sich und Ihren Schiffen jetzt erst mal ein paar Stunden Ruhe.« Er grinste Desjani an. »Haben Sie schon mal einen halben Tag in maximaler Alarmbereitschaft verbracht?«

Sie wich seinem Blick ans. »Eigentlich ist das an der Tagesord-nung. Auf die Weise wird sichergestellt, dass jeder einsatzbereit ist.«

»Sie scherzen.« Ihr Gesichtsausdruck verriet ihm, das war nicht der Fall. »Das zermürbt jeden, lange bevor es überhaupt zum ersten Schlagabtausch kommt. Es gibt Situationen, da bleibt einem nichts anderes übrig. Aber jetzt zum Beispiel wissen wir, dass der Feind erst in gut sieben Stunden auf uns trifft. Da ist es nur sinnvoll, wenn jeder die Zeit nutzt, um sich auszuruhen.« Demonstrativ stand er auf und ließ die Brückencrew wissen: »Ich werde jetzt einen Spazier-gang machen und mir etwas zu essen holen.« Er war sich bewusst, dass alle Blicke auf ihn gerichtet waren, während er von der Brücke schlenderte und sich fragte, ob er wohl Appetit vortäuschen könne.

Außerdem musste er so tun, als ruhe er sich wenigstens für ein paar Stunden aus, obwohl er wusste, die Chancen auf ein wenig Schlaf standen für ihn gleich null. »Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden, falls es Veränderungen bei der Formation oder den Manövern der Syndiks gibt, Captain Desjani.«

»Natürlich, Sir.« Sie zögerte einen Moment lang, doch als Geary eben die Brücke verließ, hörte er, wie sie für einen großen Teil der Dauntless-Crew die Alarmbereitschaft aufhob, damit die Leute auch etwas essen konnten.

Nachdem er stundenlang durch die Gänge der Dauntless geschlen-dert war und dabei die unterschiedlichsten Abteilungen aufgesucht hatte, um mit den Matrosen zu reden, nachdem er in drei verschiedenen Messen vorgegeben hatte, etwas zu essen, und nachdem er regelmäßig auf der Brücke nachgefragt hatte, ob sich irgendwelche neuen Entwicklungen abzeichneten, gab Geary es auf und kehrte auf die Brücke zurück. Desjani saß noch immer auf ihrem Platz und hatte während der ganzen Zeit die Brücke offenbar nicht verlassen.

Sie warf ihm einen verlegenen Blick zu. »Macht der Gewohnheit.«

»Sie sind der Schiffscaptain, Tanya. Ich weiß, das bedeutet, Sie müssen hier sein, selbst wenn Sie gar nicht hier sein sollten.« Er setzte sich hin und zwang sich dazu, sich ganz entspannt zurückzuleh-nen und wieder den Blick auf das Display zu heften. Der Abstand zwischen den beiden gegnerischen Flotten war deutlich ge-schrumpft, aber noch immer würde es Stunden bis zum tatsächlichen Aufeinandertreffen dauern. Die Syndik-Formation war unverändert geblieben. »Wir werden in der Formation Fox Five kämpfen«, ließ er sie wissen.

»Fox Five?« Desjani strahlte vor lauter Vorfreude. »Ich kann es kaum erwarten, die Flotte bei dem Manöver zu sehen.«

Mir geht es nicht anders. Ich hoffe nur, sie bekommt das Manöver auch in den Griff. Er führte einige Berechnungen auf der Grundlage der aktuellen Schätzungen durch, mit welcher Geschwindigkeit sich die Syndiks vorwärts bewegten und wo sich die Flotten begegnen würden, falls sich bis dahin nichts mehr änderte. Zwei Stunden. Zu lange.

Ich kann die Flotte noch nicht in die Formation Fox Five wechseln lassen.

Die Vorstellung, für die Dauer der nächsten Stunde auf sein Display zu starren, war so erschreckend, dass Geary kurzerhand beschloss, die programmierte Simulation aufzurufen und sie mit seiner Flotte und den Angaben über die tatsächliche Syndik-Streitmacht durchzuspielen. Das sollte mich zur Genüge ablenken, und vielleicht stoße ich ja noch auf etwas Wissenswertes.

Dennoch kam es ihm wie eine Ewigkeit vor, bis die Stunde verstrichen war. »Okay, Tanya. Dann wollen wir den Syndiks mal Feuer unter dem Hintern machen.« Sie reagierte mit erfreutem Grinsen, während er sich an die Flotte wandte. »An alle Einheiten. Hier ist Captain Geary von der Dauntless. Führen Sie Formation Fox Five bei Zeit vier null durch. Ich wiederhole: Führen Sie Formation Fox Five bei Zeit vier null durch. Die Dauntless führt weiterhin die Formation an.«

Fox Five war eine alte Formation, doch soweit Geary das beurteilen konnte, war sie seit Langem nicht mehr angewendet worden. Sie schien die ideale Lösung für das, was die Syndiks vorhatten und was er selbst in dem anstehenden Gefecht erreichen wollte. Zudem war es eine der Formationen, die er mit den anderen Schiffen als Simulation durchgespielt hatte, sodass es für die Befehlshaber der Schiffe kein Neuland war.


»Fox Five?«, meldete sich eine Stimme zu Wort. Co-Präsidentin Rione war mit diesem Thema keineswegs vertraut. »Was beinhaltet diese Formation?«

Lächelnd drehte er sich zu ihr um. Erst jetzt hatte er bemerkt, dass sie irgendwann im Lauf der letzten Stunde auf die Brücke gekommen war. »Das ist eine Formation, bei der ich meine Streitkräfte nach einem bestimmten System anordne. Es ist sehr komplex im Vergleich zu der Art, wie in letzter Zeit gekämpft wurde. Aber es sollte sehr wirkungsvoll sein.«

»Inwiefern?«

»Wir sind zahlenmäßig überlegen«, versicherte er Rione. »Der Trick besteht darin, diese Überlegenheit so gegen den Feind einzusetzen, dass man seine Verteidigung überrennen kann.«

Sie betrachtete ihn skeptisch. »Wenn ich das richtig verstehe, was auf Ihrem Display zu sehen ist, dann bewegen sich Ihre Schiffe in verschiedene Richtungen.«

»Das ist der Sinn der Sache. Zu viele Schiffe in einer Formation bedeuten, dass sie nicht alle gleichzeitig eingesetzt werden können.

Eine feindliche Streitmacht, die auf einer Seite der Formation in ein Gefecht verwickelt ist, kann sich nicht gegen Schiffe auf der anderen Seite der Formation zur Wehr setzen.«

Rione schüttelte den Kopf. »Ich sehe, dass Sie die Flotte in kleine Gruppe aufspalten. Wie soll das helfen, gemeinsam gegen den Feind zu kämpfen?«

»Ich fürchte, Sie werden sich gedulden müssen, bis Sie die Taktik in der praktischen Anwendung erleben.« Geary war viel zu nervös und zu aufgeregt, als dass er einem Zivilisten eine Gefechtstaktik hätte erklären wollen. Er hatte Flottenbewegungen geübt und er hatte es unter so manchem Captain und Admiral trainiert, deren taktisches Geschick ihn mit Ehrfurcht erfüllt hatten. Und er war in den letzten Wochen mit unzähligen Simulationen beschäftigt gewesen, die dem gleichen Zweck dienten. Doch das hier war für ihn das allererste Mal, dass er einer echten Flotte seine Befehle erteilte, und zum ersten Mal würden Schiffe auf seine Anweisung hin Flugmanöver ausführen und den Feind in ein Gefecht verwickeln. Zum ersten Mal würden seine Entscheidungen über das Schicksal zahlreicher Schiffe, vielleicht sogar der ganzen Flotte entscheiden.

Er konzentrierte sich auf das Display, damit er wieder zur Ruhe kam. Als die Schiffe sich auf seinen Befehl hin in Bewegung setzten, begann sich die Flotte in drei Sektionen aufzuteilen. Die Sektion, die zur Dauntless gehörte, war deutlich größer als die beiden anderen und bildete ein abgeflachtes Oval, das sich den heranrückenden Syndiks entgegenstellte. Die eine Gruppe begab sich zu einer Position, die eine Million Kilometer – etwas mehr als dreißig Lichtsekunden – vor und ein Stück oberhalb der Dauntless lag. Diese Schiffe bildeten einen flachen Kreis, während die letzte Gruppe in der gleichen Formation, genauso weit von der Dauntless entfernt, aber ein Stück unterhalb von deren Linie, in Position ging. Zusammen betrachtet erinnerten die drei Formationen an einen riesigen Nussknacker, der nur auf die Syndiks wartete.

Zu beiden Seiten und ebenfalls dreißig Lichtsekunden entfernt bildeten sich langsam zwei kleinere Kreise im rechten Winkel zur Hauptformation, die aus leichteren Schiffen bestanden, vor allem aus leichten Kreuzern und Zerstörern, dazu mehrere schwere Kreuzer.

Hinter dieser Front sammelten sich unterdessen die Hilfsschiffe und jene Kriegsschiffe, die als Eskorte zu deren Schutz abgestellt waren.

Alle sechs Gruppen der Allianz-Flotte folgten mit einer nach wie vor gemächlichen Geschwindigkeit von 0,03 Licht dem Kurs der Dauntless, nachdem sie den Orbit um Kaliban verlassen hatten.

Nachdem sie dort die letzten zwei Wochen verbracht hatten, waren sie nun auf Abfangkurs zu den Syndik-Schiffen.

Geary seufzte erleichtert, als er sah, dass die Schiffe auf seine Befehle reagierten. Keines von ihnen schien einen anderen als den ihm zugewiesenen Platz einnehmen zu wollen, und niemand stürmte gedankenlos nach vorn, nur um als Erster die Syndik-Streitmacht zu erreichen. Dennoch verzog er den Mund, als er die Formationen überprüfte. Es gab noch einen Befehl, den er erteilen musste, damit die Befehlsverteilung für die kommende Schlacht bestätigt wurde.


Dabei musste er eine Entscheidung treffen, von der er fürchtete, er könnte sie später noch bereuen. »An alle Einheiten: Hier spricht Captain Geary von der Dauntless. Nachfolgend die Komman-dostruktur für das bevorstehende Gefecht. Neben dem Kommando über die Flotte insgesamt übernehme ich das Kommando über die Hauptformation.«

Sein Blick ruhte auf dem Display, während er weiterredete: »Formation Fox Five One wird von Captain Duellos von der Courageous befehligt.« Er schaute auf die untere Gruppe vor ihnen. »Formation Fox Five Two wird von Captain Numos von der Orion befehligt.«

Desjani warf ihm einen mitfühlenden Blick zu. »Captain Numos ist ein Senior-Captain.«

»Ja. Mir blieb keine andere Wahl, als ihm das Kommando über diese Formation zu übertragen.« Keine andere Wahl, da ich keinen Grund hatte, ihn zu demütigen, indem ich ihn übergehe. Aber wenn er das hier verbockt, dann habe ich allen Grund dazu, und dann sind mir die Konsequenzen auch egal.

Geary öffnete wieder die Kommunikationsleitung: »Formation Fox Five Three untersteht dem Befehl von Commander Cresida von der Furious. Formation Fox Five Four untersteht dem Befehl von Commander Landis von der Valiant.« Damit war die Befehlsgewalt für die leichten Streitkräfte an den Seiten der Formation insgesamt gere-gelt. »Captain Tulev von der Leviathan hat das Kommando über Formation Fox Five Five.« Die Eskorte für die Hilfsschiffe musste jemandem unterstehen, auf den Geary zählen konnte, und dieses Ge-fühl hatte er bei Tulev. Ein draufgängerischer Commander, auch wenn er so zuverlässig war wie Duellos, konnte sich irgendwann versucht fühlen, die Hilfsschiffe unbewacht zurückzulassen und sich ins Kampfgetümmel zu stürzen. Tulev war ein ausgeglichener und ruhiger Mann, der bis zuletzt bei den Hilfsschiffen ausharren würde.

Zufrieden sah Geary auf das Display, wo erkennbar wurde, dass alle Elemente der Flotte tatsächlich den zugeteilten Platz einnahmen. Dann jedoch fiel ihm bei Captain Desjani ein leicht besorgter Gesichtsausdruck auf. »Was ist los?«, fragte er leise, doch sie zögerte. »Ich muss wissen, was Sie denken, Captain Desjani. Offen und ehrlich.«

»Na gut, Sir«, erwiderte sie halb entschuldigend. »Ich weiß, wir haben bei den Simulationen diese Formation geübt, aber ich mache mir Sorgen, was die Abstände zwischen den einzelnen Elementen angeht. Die Flotte wirkt so breit gefächert, dass sie förmlich dazu einlädt, geschlagen zu werden.«

Er nickte. »Das ist eine berechtigte Sorge. Eine Flotte aufzuteilen und passiv verharren zu lassen, würde es dem Feind ermöglichen, ein Element nach dem anderen anzugreifen und die Oberhand zu erlangen. Würden wir uns nicht von der Stelle rühren, dann wäre das auch die Folge. Aber wir werden nicht dasitzen und warten, bis die Syndiks das Feuer eröffnen. Besser gesagt«, korrigierte er sich, »werden die anderen Formationen nicht dasitzen und abwarten. Die Hauptformation ist diejenige, die sich als Zielscheibe für den Syndik-Angriff anbieten wird.«

Seine Beteuerung, dass ihr Schiff geradewegs weiterfliegen würde, bis es zum Kontakt mit den Syndiks kam, beruhigte Desjani sichtlich. »Die Dauntless wird bis zum Kontakt auf diesem Kurs bleiben?«

»Genau.« Geary lächelte ihr zu. »Notfalls werden wir den Kurs korrigieren, wenn die Syndiks nicht genau auf uns zusteuern. Und wir werden auch im richtigen Moment unsere Geschwindigkeit anpassen. Aber wenn die Syndiks uns erreicht haben, dann werden sie ganz andere Sorgen haben. Vertrauen Sie mir.«

Sie erwiderte das Lächeln. »Das tun wir, Captain Geary.«

Als er sie das sagen hörte, war Geary davon abermals fast erschüttert. Das Vertrauen, das einige von diesen Leuten in ihn setzten, war so bedingungslos, dass es ihm schon Angst machte. Doch er konzentrierte sich wieder auf die Manöver der Schiffe und verfolgte mit, wie die einzelnen Kreise und Scheiben Gestalt annahmen. Aus einer Laune heraus drehte er das Display, bis er von der Seite auf die Schiffe im großen Oval rund um die Dauntless schauen konnte. Normalerweise befanden sich in einer solchen Formation Zerstörer in der vordersten Reihe, gefolgt von den Kreuzern und dahinter von den massigen Schlachtschiffen und Schlachtkreuzern. Aber da Geary die leichteren Einheiten den anderen Elementen der Formation zugeordnet hatte, bestand das Hauptfeld nur aus schweren Schlachtschiffen und Schlachtkreuzern in einer offenen Formation mit ineinandergreifenden Geschützradien vor ihnen und an den Seiten. Haben die Syndiks schon gesehen, was ich hier mache? Begreifen sie, was ich vorhabe?

Er überprüfte die Syndik-Formation. Die war noch immer sechs Lichtminuten entfernt, doch die zeitverzögerten Bilder zeigten, dass die Syndiks noch nicht auf die Bewegungen der Allianz-Flotte reagiert hatten. Ihre Schiffe waren zu einem flachen Riegel angeordnet, der am vorderen Rand ausdünnte. In gewisser Weise erinnerte es an einen Hammer, der auf die Allianz-Flotte herabzusausen schien. Geary erkannte den Grundgedanken hinter der Formation. Sie war einfach aufgebaut und wirkungsvoll, wenn man es mit einem Feind zu tun hatte, der nicht die richtigen Gegenmaßnahmen ergriff. Der Hammer konzentrierte das Feuer der Angreifer auf einen recht kleinen, aber wichtigen Bereich, sodass nachfolgende Angriffswellen mitten durch das Zentrum der eigenen Flotte hindurchfliegen und sie unter Dauerbeschuss nehmen konnten. So würde zwischen zwei Wellen keine Zeit für eine kurze Verschnaufpause bleiben. Eine wirklich simple Taktik. Der Befehlshaber der Syndiks musste seiner Flotte keine Befehle für irgendwelche Flugmanöver erteilen, und wenn der gesamte Pulk durch die Reihen des Gegners geflogen war, konnte er einfach kehrtmachen und die Prozedur wiederholen, sofern das dann noch erforderlich war. Oder er konnte seine Formation auflösen, damit die Schiffe einzeln Jagd auf noch verbliebene Überlebende des ersten Angriffs machen konnten.

Zu eurem Leidwesen habe ich nicht vor, euch einen solchen Schlag gegen uns führen zu lassen.

Geary wartete, bis alle seine Schiffe ihren vorgesehenen Platz eingenommen hatten. »An alle Einheiten: Gehen Sie auf volle Gefechtsbereitschaft. Bei Zeit null sieben beschleunigen alle Einheiten auf 0,05 Lichtgeschwindigkeit und bewegen sich entlang der Formationsachse, die von der Dauntless vorgegeben wird.« Zwei Minuten später beschleunigte die gesamte Allianz-Flotte wie ein Schiff und schob sich dem Feind entgegen. »Verdammt, das sieht richtig gut aus.«

»Das stimmt«, meinte Desjani und grinste Geary an, als der überrascht aufblickte. »Sie wussten nicht, dass Sie das laut ausgesprochen hatten, richtig?«

»Nein.« Dennoch lächelte er wieder, als er auf dem Display mitverfolgte, wie die Flotte in völliger Übereinstimmung miteinander vorrückte, während die Syndik-Streitkräfte stur auf ihrem Kurs blieben und damit genau in den Nussknacker hineinflogen. Es schadet doch nie, wenn man es mit einem arroganten oder dummen Widersacher zu tun hat.

Jetzt war der wirklich schwierige Moment gekommen, weil er die Befehle für die nächsten Manöver zum richtigen Zeitpunkt und auf die richtige Weise geben musste. Geary behielt die Daten und Anzeigen im Auge, während die beiden Kontrahenten weiter aufeinander zusteuerten. Er versuchte, den richtigen Augenblick von seiner Ausbildung und seinem Instinkt bestimmen zu lassen. Die Bilder der Syndik-Kriegsschiffe, die der Allianz-Flotte am nächsten waren, zeigten die Situation, wie sie sich vor fünf Minuten gestaltet hatte.

Fünf Minuten waren an sich nicht viel Zeit, vor allem mit Blick auf die Trägheit der schweren Kriegsschiffe, doch sie genügten immer noch, um im letzten Augenblick ein Manöver zu vollziehen, das Gearys sorgfältig koordinierten Angriff durchkreuzen konnte. Vor allem, wenn sich seine Formationen nur ein wenig zu früh bewegten und damit die Syndiks noch gerade zeitig vorwarnten.

Minuten verstrichen. Zwischendurch kam es ihm so vor, als wollte Desjani ihn etwas fragen, doch er konzentrierte sich völlig auf das Gefühl für die beiden sich annähernden Flotten. Desjani schwieg.

Nur noch ein paar Minuten, mehr nicht.

Geary streckte die Hand aus und berührte die Kommunikationskontrolle, ohne dabei den Blick vom Display zu wenden. »Formation Fox Five One. Bei Zeit vier fünf beschleunigen Sie auf 0,1 Lichtgeschwindigkeit und ändern Ihren Kurs nach unten um sechs null Grad. Richten Sie Ihre Formationsachse senkrecht zur Syndik-Formation aus. Passen Sie den Kurs so weit an, wie es nötig ist, um etwa ein Drittel hinter der vordersten Linie von oben auf die Syndik-Formation zu treffen.«

Er machte eine Pause und wartete auf den nächsten richtigen Augenblick. »Formation Fox Five Two. Bei Zeit vier fünf Komma fünf beschleunigen Sie auf 0,1 Lichtgeschwindigkeit und ändern Ihren Kurs nach oben um fünf null Grad. Richten Sie Ihre Formationsachse senkrecht zur Syndik-Formation aus. Passen Sie den Kurs so weit an, wie es nötig ist, um etwa zwei Drittel hinter der vordersten Linie von unten auf die Syndik-Formation zu treffen.«

Vierzig Sekunden später traf Captain Duellos’ erfreute Bestätigung des Befehls für Formation Fox Five One ein. Eine Minute danach be-stätigte Captain Numos von der Formation Fox Five Two den Befehl, ohne eine Gefühlsregung erkennen zu lassen.

Geary wartete und versuchte, im Geist an dem Punkt zu verharren, wo er alle Entfernungen und Zeitverzögerungen im Kopf hatte.

»Formationen Fox Five Three und Fox Five Four. Bei Zeit fünf null beschleunigen Sie auf 0,1 Lichtgeschwindigkeit und ändern Ihren Kurs, um die vorderste Linie der Syndik-Formation auf der Ihnen zugewandten Seite abzufangen. Richten Sie Ihre Formation so aus, dass Sie im rechten Winkel zur Syndik-Formation bleiben.«

Während die anderen Elemente Kurs auf den Feind nahmen, konnte Geary fast spüren, wie die Schiffe seiner Formation darauf brannten, sofort auf maximale Beschleunigung zu gehen und sich in den Angriff einzumischen. »Hauptgruppe Formation beibehalten.

Flugrichtung umkehren und zum Bremsmanöver bereit machen.«

Er meinte aus dem Augenwinkel einen geschockten Ausdruck auf Desjanis Gesicht wahrzunehmen, vielleicht bildete er sich das aber auch nur ein. Er wartete, dass alle Allianz-Schiffe um einhundert-achtzig Grad gedreht wurden, damit ihr Heck dem Feind zugewandt war. Kommt schon, kommt schon, trieb er die großen Kriegsschiffe stumm zur Eile an. Dreht euch um. Ja, gut. »Hauptgruppe, Geschwindigkeit auf 0,02 Licht reduzieren, dann Flugrichtung umkehren und zum Gefecht bereit machen.« Wieder hatte er das Gefühl, als würden die Schiffe ungeduldig an einer Leine zerren. »Alle Schiffe Formation beibehalten. In ein paar Minuten haben uns die Syndiks erreicht, und dann können Sie sich nach Herzenslust im Gefecht austoben.«

Ein starkes Vibrieren lief durch die Dauntless, als die Maschinen entgegen der Flugrichtung zu arbeiten begannen und das Schiff langsamer werden ließen. Dann drehte sie wieder um hundertacht-zig Grad, um sich abermals dem Feind entgegenzustellen.

Zu dem Zeitpunkt hatte ihr Schwung die Syndik-Schiffe weit nach vorn getragen, doch wenn sie jetzt noch durchschauen sollten, was Geary vorhatte, konnten sie immer noch in einem gewissen Spektrum reagieren. Da sie jedoch die Flugmanöver der Allianz-Schiffe erst mit Verspätung sahen, würde es noch einige Minuten dauern, bis die Syndiks erkennen konnten, dass sich von oben und von unten Schiffe wie Reißzähne eines Gebisses näherten, um sich in ihrer Flotte zu verbeißen. Nur ein paar Minuten darauf würden sich auch die seitlichen Formationen in Bewegung gesetzt haben. Selbst dann mochten die Syndiks noch davon ausgehen, auf das Hauptfeld der Allianz-Flotte zu treffen, bevor sich das Gebiss schloss. Durch Gearys Bremsmanöver jedoch war die Zeit bis zum Kontakt weit genug verschoben worden, sodass das Gebiss zuschnappen würde, unmittelbar bevor die Syndik-Streitmacht das Hauptfeld der Allianz-Schiffe erreichen konnte.

Sie können versuchen, nach oben oder unten auszuweichen, oder sie greifen eine der Formationen über und unter ihnen an. Aber wenn sie das machen, sollte ich in der Lage sein, mit dem Hauptfeld zu attackieren. Die leichten Einheiten können dann nach wie vor die Flanken angreifen. So oder so werden die Syndiks das nicht unbeschadet überstehen.

»Blauverschiebung bei den Syndik-Schiffen«, meldete der Taktik-Wachhabende.

»Sie beschleunigen?«, wunderte sich Desjani.

»Sie wollen die Wirkung unseres Bremsmanövers ausgleichen und schneller den Kontakt herstellen. Vielleicht glauben sie, sie sind in der Lage, durch unser Hauptfeld zu pflügen und so der Falle zu entkommen«, entgegnete Geary. »Ich glaube nicht, dass es ihnen gelingen wird. Duellos und Numos sollten kein Problem damit haben, die Beschleunigung der Syndiks mit einem steileren Abfangwinkel auszugleichen.«

»Aber bei diesen Geschwindigkeiten wird es für uns schwieriger, sie zu bekämpfen.«

»Eigentlich nicht. Wir wissen ja, wohin sie unterwegs sind.

Probleme werden die Syndiks bekommen, weil sie uns durch die Verzerrung schwerer sehen können.«

Während die letzten Minuten bis zum Kontakt verstrichen, musste Geary sich die Ereignisse im Geiste vorstellen, weil die Zeitverzögerung bedeutete, dass er das Geschehen nicht so zu sehen bekam, wie es sich eigentlich abspielte. Die Sensoren der Dauntless zeigten ihm, dass sich die beiden Hälften des Nussknackers immer noch der feindlichen Flotte näherten, doch in Wahrheit schnitt sich die obere Hälfte längst in einem steilen Winkel in den Syndik-Hammer, während die untere Hälfte sich ein Stück weiter hinten von der anderen Seite in die Formation fraß.

Da die Allianz-Schiffe entlang der kürzesten Achse durch die Syndik-Flotte hindurchflogen, kamen sie nur für wenige Minuten mit dem Gegner in Kontakt und konnten auf jedes Ziel in Reichweite feuern, um dann in sichere Entfernung zu gelangen, sodass ihre eigene Abwehr nicht zu sehr belastet wurde. Und während die Allianz-Schiffe ihren Schilden Zeit geben konnten, um sich zu regenerie-ren, wurden die Syndiks schon wieder aus einer anderen Richtung unter Beschuss genommen.

Doch Geary konnte sich nicht in diesem Bild verlieren. »An alle Einheiten im Hauptfeld: Eröffnen Sie das Feuer auf die feindlichen Schiffe, sobald die in Reichweite kommen. Achten Sie darauf, dass die erste Salve Kartätschen sind, gefolgt von Phantomen.«

Eine Minute lang befürchtete er, er hätte zu knapp kalkuliert und den letzten Befehl zu lange hinausgezögert, weil er von dem Wunsch beseelt war, die von den Allianz-Formationen soeben zusammengeschossene Syndik-Flotte mit einem konzentrierten Sperrfeuer zu empfangen. Dann hörte er den Waffenoffizier der Dauntless, wie der meldete, dass die Syndik-Schiffe auf den errechneten Flugbahnen in Waffenreichweite gelangt waren. Nur einen Augenblick später folgte die Meldung, die Dauntless habe das Feuer eröffnet. Trotz der Verzögerung, mit der sein Befehl nach und nach alle Schiffe erreichte, dürften sie den Gegner zum optimalen Zeitpunkt unter Beschuss genommen haben.

Der Weltraum zwischen den Syndik-Streitkräften und dem Hauptfeld der Allianz war mit einem Mal von rasch aufeinanderfolgenden Lichtblitzen erfüllt, als eine Raketensalve der Syndiks auf das Hauptfeld von den Kartätschen der Allianz ausgelöscht wurde.

Einen Augenblick später flammte ein Bereich unmittelbar vor der Dauntless auf, da die vorrückenden Syndik-Kriegsschiffe geradewegs in das Sperrfeuer aus Kartätschen hineinflogen. Die Geschosse flammten zu überhitztem Gas auf, als die Kollision mit den Schilden der Syndik-Schiffe ihre kinetische Energie in Hitze und Licht verwandelte. Für einen Außenstehenden musste es wirken, als habe jemand einen Teil des Weltalls mit Licht angemalt.

Die Flammen waren noch nicht ganz verblasst, da blitzten bereits grellere, größere Lichter auf. Geary zeigte keine Regung. Er wusste, was er da sah, war das Sterben kleinerer Syndik-Schiffe, deren Schilde ausgefallen waren, sodass sie nun ungeschützt mit hoher relativer Geschwindigkeit mit weiteren Kartätschen kollidierten.

Den Kartätschen folgte eine Welle aus Phantomen, die geschwäch-te Schilde vorfanden, sie in vielen Fällen durchschlugen und auf die Hüllen der Syndik-Schiffe auftrafen.

Innerhalb weniger Momente war das Vorgeschwader der Syndik-Streitmacht ausradiert worden.

Geary musste schlucken und versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie viele Leben wohl gerade in ein paar grellen Blitzen ihr Ende gefunden hatten. Er warf Desjani einen Seitenblick zu und sah, dass sie ganz auf ihr Display konzentriert war und dabei immer wieder die Fäuste ballte.

Die nachfolgenden Syndik-Wellen, deren Vorwärtsbewegung ihnen ohnehin kaum Spielraum für Ausweichmanöver ließ, schossen sich ihren Weg durch die Wracks jener Schiffe frei, die bis gerade eben noch ihr Vorgeschwader dargestellt hatten. Anstatt auf ein geschwächtes Hauptfeld aus Allianz-Schiffen zu treffen, waren ihre eigenen Reihen längst durch die von links und rechts vorrückenden Kreissägen der Allianz gelichtet worden, noch bevor sie in das Trümmerfeld fliegen konnten. Auf der Seite der Allianz dagegen waren Gearys Schiffe so gut wie nicht getroffen worden, und die Schilde arbeiteten noch mit maximaler Leistung.

Dann kamen die Syndiks in die Reichweite der Höllenspeere der Allianz und der Weltraum wurde von Stichflammen aus reiner Energie erfüllt, die sich auf die Flugbahnen der Angreifer ausrichte-ten. Fast im gleichen Moment sah Geary, wie von den Allianz-Schiffen Null-Felder abgefeuert wurden.

Er war sich nicht sicher, wie viel er tatsächlich gesehen und wie viel er sich nur als Momentaufnahmen eingebildet hatte, während sich die beiden Flotten mit einer kombinierten Geschwindigkeit von deutlich mehr als 0,1 Licht begegneten. Der Augenblick, in dem sie einander passierten, zuckte zu schnell vorbei, als dass das menschliche Auge ihn hätte wahrnehmen können. Doch zu diesem Zeitpunkt war der Schaden bereits zugefügt worden.

Während die Allianz-Schiffe das auf ihre Bugschilde gerichtete schwere Sperrfeuer absorbierten, waren die unterlegenen Syndiks längst in den wesentlichen massiveren Beschuss der Gegenseite geraten. Die bereits geschwächten und noch längst nicht regenerierten Schilde der Syndik-Schiffe fielen entweder ganz aus oder ließen zumindest vernichtende Treffer durch. Null-Felder ließen Löcher mitten in Schiffen entstehen, und Höllenspeere schnitten sich durch ungeschützte Hüllen.

Die Instrumente der Dauntless, die mit übermenschlicher Geschwindigkeit Schäden feststellten und berechneten, ließen die Crew wissen, dass die meisten der vorbeirasenden Syndik-Schiffe beschädigt worden waren. Viele schienen kaum noch mehr als fliegende Wracks zu sein, die vom Schwung ihrer Vorwärtsbewegung an der Seite ihrer lebenden Kameraden weiter durchs All getragen wurden.

Als das Hauptfeld sich durch die Region bewegte, in der sich eben noch die Syndik-Streitkräfte aufgehalten hatten, wurde Geary bewusst, dass etliche Treffer auf den Schilden nicht von Feindbeschuss herrührten, sondern von Wrackteilen zerstörter Syndik-Schiffe.

Er zwang sich, den Preis an Menschenleben zu ignorieren, den die Schlacht bislang schon gekostet hatte, und ließ sich auf seinem Display die Zusammenstellung der geschätzten Schäden beim Feind anzeigen, während er weitere Befehle ausgab. »An das Hauptfeld.

Kurs bei Zeit eins fünf umkehren und um null neun null nach oben richten.« Das würde die Schiffe um die Dauntless herum eine Aufwärtsbewegung einleiten lassen, wobei sie zugleich in die andere Richtung zurückkehrten, um die Syndik-Schiffe verfolgen zu können, die zwischen ihnen hindurchgeflogen waren. Durch ihre Geschwindigkeit würde der Radius der Aufwärtsbewegung sie ein Stück oberhalb ihrer Angreifer auskommen lassen, zudem standen sie im Vergleich zu ihrer vorherigen Position auf dem Kopf, doch im Weltraum war das in keiner Weise von Bedeutung.

Die Versuchung war groß, sehr groß sogar, die Formation aufzulösen und die schnellsten Schiffe vorausfliegen zu lassen, aber solange er nicht wusste, ob die Syndik-Streitmacht zerschlagen worden war, konnte er ein solches Risiko nicht eingehen. Außerdem musste er Gewissheit haben, dass der Rest seiner Flotte noch immer koordiniert arbeitete. Trotz der Schäden, die die Syndiks bereits erlitten hatten, steuerte die feindliche Streitmacht unverändert auf die Formation aus Hilfsschiffen zu. »Formation Fox Five Five. Beginnen Sie Ausweichmanöver, minimaler Winkel zwei null nach unten, bei Zeit eins… sieben.« Damit würden die Hilfsschiffe Kurs auf die von Captain Duellos geführte Formation nehmen, die ihren Kurs geändert hatte, nachdem sie durch die Syndik-Flotte hindurchgetaucht war und sich nun von unten den hinteren Schiffen näherte. »Formation Fox Five One, nehmen Sie Kurs auf Formation Fox Five Five und unterstützen Sie sie.«

Geary richtete seine Aufmerksamkeit auf die beiden kleineren kreisförmigen Formationen, die von den Seiten kommend die Syndiks in die Zange genommen hatten. Ihnen war es gelungen, die es-kortierenden Einheiten an den Rändern der Syndik-Formation zu zerschlagen. »Formationen Fox Five Three und Fox Five Four, ma-növrieren Sie eigenständig und nähern Sie sich dem Feind. Sorgen Sie dafür, dass alle Nachzügler und verstreuten Einheiten vernichtet werden. Lösen Sie die Formation nicht auf, solange Sie keinen entsprechenden Befehl erhalten haben. Ich wiederhole: Formation nicht auflösen.«

Geary atmete tief durch und warf einen finsteren Blick auf die Darstellung der von Captain Numos befehligten Formation. Nachdem Fox Five Two Gearys Befehl ausgeführt hatte, sollte sich die Formation deutlich oberhalb der Flugbahn befinden, auf der die Syndiks vorgerückt waren. Stattdessen aber hatten Numos’ Schiffe eine flachere Flugbahn eingeschlagen, und nun flogen sie den Syndik-Schiffen mit großem Abstand hinterher und befanden sich sogar noch einige Lichtsekunden hinter dem Hauptfeld. Offenbar hatte Numos versucht, seine Formation zu drehen, noch während die durch die Syndik-Flotte hindurchschoss. Durch die scharfe Kurve, die sie geflogen waren, hatten Numos’ Schiffe massiv an Geschwindigkeit eingebüßt und es als Folge davon versäumt, dem Feind jenen schweren Schlag zuzufügen, der möglich gewesen wäre. Er ist außer Feuerreichweite geraten, als er auf eigene Faust versucht hat, die Feindformation von hinten zu überrollen. Dieser Idiot. »Formation Fox Five Two, setzen Sie die Verfolgung fort und schließen Sie so bald wie möglich zu der feindlichen Formation auf.«

Dieser Schwachkopf hat mit seinem eigenmächtigen Handeln dafür gesorgt, dass ein Großteil der schweren Schiffe während des ersten Aufeinandertreffens nicht zum Einsatz kommen konnte, und das hat unseren zahlenmäßigen Vorteil zum Teil zunichtegemacht. Er wird nie wieder das Kommando über eine Formation erhalten, außer die lebenden Sterne persönlich geben mir den Befehl dazu.

Aber was ist mit den Syndiks? Werden die weiter auf die Hilfsschiffe zuhalten, ehe sie kehrtmachen, oder werden sie in den freien Raum fliegen, damit sie Zeit schinden können, um sich von ihrem Durchflug durch unser Hauptfeld zu erholen?

Im Verlauf der nächsten Minuten konnte Geary nur zusehen, während die zeitverzögerten Bilder bestätigten, dass die Hilfsschiffe ihren Kurs wie befohlen geändert hatten und Captain Duellos’ Kriegsschiffen entgegenflogen. Captain Tulevs Eskorte für die Hilfsschiffe hatte sich zu einer leicht konkaven Scheibe formiert, wobei seine ganze Formation aus Kriegsschiffen sich langsam drehte, um auf die schwer in Mitleidenschaft gezogene Syndik-Streitmacht ausgerichtet zu bleiben. Die beiden kleineren Allianz-Formationen lagen weit zu-rück, näherten sich aber weiter den Syndiks. Gearys eigenes Hauptfeld war noch immer mit dem Wendemanöver beschäftigt.

Soweit er das erkennen konnte, steuerte die stark zerklüftete Syndik-Formation weiter auf die Hilfsschiffe zu, wobei immer wieder schwer beschädigte Schiffe und Wracks aus dieser Formation aus-scherten, die nicht länger von ihrem Schwung weitergetragen wurden. Nach den Schätzungen, die über sein Display liefen, und nach dem Aussehen der Formation zu urteilen, hatten die Syndiks etliche Schiffe verloren.

Und trotzdem halten sie offenbar an ihrem Plan fest. Eine starre Denkweise. Was hatten sie vorgehabt, wenn sie auf die Hilfsschiffe gefeuert hätten und auch an ihnen vorbeigeflogen wären? Umkehren und noch einmal auf uns losstürmen. Kehrtmachen würden sie etwa… dort.

Und das müssen sie immer noch machen, wenn sie wieder von hier weg-kommen wollen. Auf ihrem momentanen Kurs findet sich kein Sprungpunkt. Ihre einzige Hoffnung auf ein Entkommen besteht darin, noch einmal durch unsere Reihen hindurchzufliegen, um zu dem Sprungpunkt zu-rückzukehren, den sie benutzt haben, um in dieses System zu gelangen.

Das Hauptfeld hatte die Kursänderung abgeschlossen und befand sich nun auf einem Vektor, der zurück zu den Syndiks führte, auch wenn die Formation um die Dauntless herum noch immer deutlich langsamer war als die Syndik-Streitmacht. Aber nachdem wir nun kehrtgemacht haben, kann ich die Maschinen auf volle Leistung gehen lassen, um mir diese Bastarde vorzunehmen. »Hauptfeld, bei Zeit drei null auf 0,1 Licht gehen.« Er drehte sich zu Desjani um. »Captain, passen Sie bitte den Kurs der Dauntless an, damit diese Formation auf einen Abfangkurs zur vorausberechneten Flugbahn der Syndiks geht.«

Etwas benommen nickte sie. »Mit 0,1 Licht werden wir die nie einholen.«

»Gehen Sie davon aus, dass sie hier kehrtmachen werden«, ließ Geary sie wissen und machte sie auf seine Schlussfolgerung aufmerksam. »Sie werden zu uns zurückkommen.«

Ihr Gesicht nahm einen blutdürstigen Ausdruck an, als ihr klar wurde, was das bedeutete. »Ja! Und das wird auch das letzte Manöver sein, zu dem einer von ihnen in der Lage sein wird.«

Geary wandte sich von ihr ab, dann aktivierte er die Verbindung zur Flotte. »Alle Einheiten bleiben in Formation«, befahl er und erinnerte sich mit Grausen daran, wie die Flotte im Corvus-System völlig aus den Fugen geraten war. »Formation Fox Five Five, erhöhen Sie den Winkel nach unten um zwei null bei Zeit drei acht.« Das sollte genügen, um die Syndiks zu einer stärkeren Kurskorrektur zu zwingen, sodass die Allianz-Formationen wieder geschlossen angreifen konnten. »Formation Fox Five One, ändern Sie den Kurs um eins null nach unten bei Zeit drei acht. Passen Sie die Formationsachse um vier null Grad nach Steuerbord bei Zeit drei acht an. Behalten Sie Geschwindigkeit von 0,1 Licht bei.« Damit sollte Duellos’ Formation direkt auf die Syndiks zufliegen, wenn die ihren Kurs auf die Hilfsschiffe beibehielten. »Formation Fox Five Three, ändern Sie Kurs um eins null nach Backbord und um zwei null nach unten bei Zeit vier null. Und erhöhen Sie Geschwindigkeit auf 0,1 Licht. Formation Fox Five Four, ändern Sie Kurs um eins fünf nach Backbord und eins null nach unten, und behalten Sie die gegenwärtige Geschwindigkeit bei.« Auf diese Weise würden die beiden leichteren Formationen von ihrer Jagd auf einzelne entwischte Syndiks zurück-geholt werden, um die Flanken der verbliebenen Syndik-Flotte zu attackieren, wo sie jenen Schiffen die schwersten Schäden zufügen konnten, die ohnehin Mühe hatten, die Formationen zu halten.

Wieder regte sich Verärgerung in ihm, als sein Blick auf Numos’ Formation fiel, auch wenn ihm nun klar wurde, dass er deren Position zu seinem Vorteil nutzen konnte. »Formation Fox Five Two, passen Sie Ihren Kurs um drei null nach Steuerbord und 0,5 nach unten an. Erhöhen Sie die Geschwindigkeit auf 0,1 Licht bei Zeit vier null.

Drehen Sie die Formationsachse um sechs null nach Backbord.«

Wenn die Syndiks einen der anderen Sprungpunkte anfliegen wollten, mussten sie Kurs auf das innere Kaliban-System nehmen. Die Chancen waren zwar gering, dass sie so etwas tatsächlich versuchen würden, doch in diesem Fall sollten Numos’ Schiffe in der Lage sein, sie abzufangen und unter Beschuss zu nehmen.


Wenn sie nicht die Flucht ergriffen, würden Gearys andere Formationen sie in rascher Folge attackieren.

Er lehnte sich zurück und atmete so schwer, als habe er sich soeben körperlich verausgabt. Dabei wusste er, dass er eine Weile nur zusehen konnte, was sich da draußen abspielte. Vermutlich würde es eine halbe Stunde dauern, ehe es zum nächsten Kontakt kam.

»Captain Geary?« Er drehte sich um und sah zu Co-Präsidentin Rione, die immer noch auf der Brücke war. Insgesamt schien sie ruhig und gefasst zu sein, aber ihre Augen waren sehr wachsam. »Haben Sie einen Moment Zeit?«

»Ja, Ma’am«, erwiderte er mit einem knappen Lächeln. »Es wird noch einige Minuten dauern, bis ich weiß, ob auch alle ihre Befehle ausführen und ob die Syndiks irgendetwas Unerwartetes machen.

Das ist ein sehr altes militärisches Dilemma. Eben noch muss alles in größter Eile geschehen, und dann muss man auf einmal warten und sich in Geduld üben.«

»Könnten Sie mir denn dann etwas erklären?« Sie gestikulierte vage. »Sie gaben Befehle, bei denen Begriffe wie ›nach oben‹ und ›nach unten‹, ›backbord‹ und ›steuerbord‹ fielen, dabei bewegen sich die Schiffe Ihrer Flotte in alle möglichen Richtungen. Wir stehen derzeit auf dem Kopf, wenn man unsere Position zum Beispiel im Verhältnis zu Captain Tulevs Formation sieht. Woher weiß jeder, was Sie meinen?«

Von Rione unbemerkt verdrehte Desjani die Augen angesichts der Ahnungslosigkeit der Co-Präsidentin, doch Geary zeigte einfach auf das Display. »Das ist eine Übereinkunft, Madam Co-Präsidentin, die jeder Matrose auswendig lernt. Diese Übereinkunft musste festge-legt werden, um in einer unendlichen dreidimensionalen Umgebung ein gemeinsames Bezugssystem zu schaffen.« Er umriss die Form des Kaliban-Systems. »Jedes Sternensystem besitzt eine Ebene, auf der die Planeten und andere Objekte um den jeweiligen Stern kreisen. Eine Seite dieser Ebene wird als ›oben‹, die andere als ›unten‹ bezeichnet. ›Oben‹ und ›unten‹ innerhalb eines Systems ändern sich also nie, ganz gleich, in welcher Lage sich Ihr Schiff befindet.

Nach dem gleichen Prinzip nennt man die Richtung hin zum Stern ›steuerbord‹, während alles, was vom Stern wegweist, als ›backbord‹ bezeichnet wird.« Schulterzuckend fügte Geary dann noch hinzu: »Man hat mir erzählt, dass früher einmal der Versuch unter-nommen wurde, ›steuerbord‹ durch ›sternenbord‹ zu ersetzen, aber der ältere Begriff konnte sich behaupten.«

»Ich verstehe. Sie orientieren sich also an Ihrer Umgebung, nicht an Ihrem Blickwinkel von Ihrem Schiff aus.«

»Nur so kann es funktionieren. Ansonsten wüsste man nie, von welcher Richtung auf einem anderen Schiff die Rede ist.«

»Und wenn sich zwei Schiffe außerhalb eines Sternensystems begegnen? Da gibt es nicht dieses Bezugssystem.«

Desjani machte eine erschrockene Miene, und auch Geary war über diese Frage erstaunt. Aber woher sollte sich Rione auch mit diesen Dingen auskennen? »So etwas kommt nicht vor. Wie könnten sich zwei Schiffe im interstellaren Raum begegnen? Warum sollten sie sich dort aufhalten, wo sie viel zu weit vom nächsten Stern entfernt sind, als dass sie ihn als Bezugssystem benutzen könnten?

Warum sollten zwei Schiffe oder auch zwei Flotten sich dort be-kämpfen, wo es keinen Grund für einen Kampf gibt? Da gibt es nichts zu verteidigen, nichts anzugreifen, keine Sprungpunkte, keine Hypernet-Portale. Die schwächere Seite könnte unendlich lange Zeit davonlaufen.«

Jetzt war Rione diejenige, die überrascht dreinblickte. »Das heißt, Sie entscheiden sich immer, ob Sie kämpfen wollen oder nicht?«

»Sie haben gesehen, was bei Corvus passiert ist. Wir sind einfach weitergeflogen, und die Syndiks konnten uns nicht einholen, bevor wir das System verließen. Der Weltraum ist sogar innerhalb eines Sternensystems zu groß, und Raumschiffe bewegen sich in Relation zum Raum zu langsam von der Stelle, als dass man ein Gefecht er-zwingen könnte, wenn eine Seite sich dem Kampf entzieht und ihr Fluchtweg nicht blockiert wird. Hätten wir einen Planeten im Corvus-System verteidigen oder den Zugang zu einem Sprungpunkt blockieren wollen, dann hätten wir bleiben und kämpfen müssen.

Aber das war nicht der Fall.«

Rione sah auf das Display. »So wie Sie entschieden haben, hier zu kämpfen.«

»Ganz genau. Wären wir stattdessen davongelaufen, hätten die Syndiks uns nicht aufhalten können.« Und es sieht immer mehr danach aus, als hätte ich die richtige Entscheidung getroffen. Aber freu dich nicht zu früh, Geary. Es ist noch nicht vorbei. Aber wir haben ihnen bereits erhebliche Verluste zugefügt. Er überprüfte die Informationen auf seinem Display. »Sie steuern noch immer auf die Hilfsschiffe zu.«

»Das scheint Ihnen keine Sorgen zu bereiten.«

»Tut es auch nicht. Wenn sie sofort nach dem Kontakt mit uns die Formation aufgelöst und das Weite gesucht hätten, wären uns wohl einige von ihnen entwischt. Aber so haben sie mir genügend Zeit gegeben, um meine Schiffe zusammenzuziehen und sie wieder anzugreifen.« Er ließ unausgesprochen, was für ihn bereits feststand: Das Schicksal der Syndik-Streitmacht war längst besiegelt. All diese Schiffe würden in Kürze vernichtet werden.

Desjani zeigte auf ihr Display und machte Geary auf etwas aufmerksam. Sein Befehl an die Formation Fox Five Five hatte die Syndik-Formation zu einer Kursänderung gezwungen, um den Hilfsschiffen und ihrer Eskorte folgen zu können. Dabei lösten sich aus ihrem Verband langsam die von ihrem Schwung mitgetragenen Wracks und die zu schwer beschädigten Schiffe und flogen auf ihrem bisherigen Kurs weiter. Dadurch sah es so aus, als würde die Syndik-Flotte allmählich zusammenschmelzen, da die noch manövrierfähigen Kriegsschiffe nach unten schwenkten, während der Rest unkontrolliert weiterraste. Der verbliebene Rest der Flotte behielt zwar unverändert seine rechteckige Formation bei, doch die hatte gut ein Drittel ihrer Länge eingebüßt, als die Syndik-Vorhut von den Allianz-Schiffen praktisch ausradiert worden war. In der restlichen Formation klafften zudem riesige Lücken.

Geary wurde bewusst, dass Rione aufmerksam zusah, wie sich die funktionstüchtigen Syndik-Schiffe von den Wracks entfernten und weiter auf ihr Ziel zuhielten. »Ich kenne detaillierte Berichte von Raumschlachten, Captain Geary. Warum habe ich etwas in dieser Art noch nie zu sehen bekommen?«

»Es ist noch nicht vorbei, Madam Co-Präsidentin.«


»Das ist mir klar. Aber die Formation, die Sie gebildet haben, und die Art, wie Sie Ihre Schiffe platzieren und einsetzen – so etwas ist mir bislang noch nicht untergekommen. Wie kann das sein?«

Diesmal lächelte Desjani Geary an, und er wusste, sie würde ihn zum großartigsten Befehlshaber der Flotte erklären, wenn er nicht selbst auf diese Frage antwortete. »Fox Five und andere Formationen dieser Art kommen schon seit Langem nicht mehr zum Einsatz.

Ich habe eine Weile gebraucht, bis mir der Grund dafür deutlich wurde. Man benötigt dafür eine besondere Ausbildung und entsprechende Erfahrung, um beurteilen zu können, wann genau ein Befehl an zum Teil mehrere Lichtminuten entfernte Elemente der Formation gegeben werden muss, damit die nicht zu früh oder zu spät eintreffen. Man muss wissen, wie man kleine, aber dennoch reale relativistische Störungen ausgleicht, die sich in koordinierte Zeitlinien einschleichen können. Man muss anhand eines zeitverzögert eintreffenden Bildes einschätzen, was der Gegner als Nächstes machen wird, wobei diese Verzögerungen auch noch unterschiedlich ausfal-len, abhängig davon, welchen Teil der feindlichen Flotte man betrachtet.« Er musste an eine Aufführung denken, die er einmal besucht hatte. »Stellen Sie sich das Ganze als ein vierdimensionales Ballett vor, bei dem sich Teile der Bühne in verschiedenen Ebenen befinden, die mit unterschiedlichen Zeitverzögerungen zu sehen sind und mit denen man auch nur zeitverzögert kommunizieren kann.«

Rione versuchte gar nicht erst, ihre Reaktion zu überspielen. »Sehr beeindruckend. Wie haben Sie sich diese Fähigkeit angeeignet?«

Bevor er antwortete, atmete er mit einem flüchtigen Seufzer aus.

»Das habe ich von alten, erfahrenen Offizieren gelernt, die das jahr-zehntelang geübt hatten.«

Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie verstand. »Und die längst alle tot sind.«

»Ja.« Er sah sie ausdruckslos an. »Jeder dieser erfahrenen Offiziere starb im Kampf. Und die Offiziere, die mit diesem Wissen vertraut gemacht werden sollten, kamen ebenfalls ums Leben.«

»Ich verstehe. So wie ein Geschäftsgeheimnis in einer friedlichen Welt. Wenn die Eingeweihten sterben, bevor sie Fertigkeiten weitergeben können, wird die Wissens-und Erfahrungskette unterbrochen. Die Kunst geht verloren und muss neu erfunden werden, wenn man sie wieder nutzen will.«

Geary nickte nur stumm. Seit Jahrzehnten war niemand mehr da, der die alten Tricks und Kniffe kannte, also musste die Flotte ge-zwungenermaßen zu simpleren Formationen und einfacheren Taktiken greifen. Bis ich wie ein uralter General ins Leben zurückkehrte, der Gefechtstaktiken kennt, die die Barbaren vor langer Zeit vergessen haben.

Die nächsten Minuten gab es nichts weiter zu tun, als zuzusehen, wie die Allianz-Verbände gemeinsam auf die Syndiks zusteuerten.

Zwischendurch warf Geary einen Blick auf die Anzeigen zum Flot-tenstatus, um festzustellen, wie groß die Schäden in den eigenen Reihen waren und welche Schäden und Verluste den Syndiks schät-zungsweise zugefügt worden waren. Bislang war es eine erheblich unausgewogene Bilanz zugunsten der Allianz.

»Captain Geary, hier ist Captain Numos. Ich verlange, dass den meinem Kommando unterstellten Schiffen ermöglicht wird, in den Kampf einzugreifen!«

Desjani schaffte es gerade noch, ein Lachen als Hustenanfall zu überspielen, dann bemühte sie sich, eine ausdruckslose Miene auf-zusetzen.

Geary wollte die Kommunikationstaste bedienen, hielt sich dann aber davon ab und dachte einen Moment lang nach, ehe er mit neutralem Tonfall erwiderte: »Captain Numos, Ihre Formation spielt eine wichtige Rolle in diesem Kampf, da sie einen Rückzug der Syndiks verhindern soll. Da Ihre Formation zusammen mit Fox Five One als Erste Kontakt mit dem Feind hatte, verstehe ich nicht Ihre Andeutung, Ihre Schiffe hätten nicht in den Kampf eingegriffen.«

Nach einer längeren Pause kam Numos’ Antwort, seine Stimme klang diesmal unterkühlt anstelle von aufgebracht. »Sie haben die Schiffe unter meinem Kommando ganz bewusst in Positionen gebracht, auf denen die Chancen am geringsten waren, in den Kampf einzugreifen.«

»Nein, Captain Numos«, widersprach Geary und wunderte sich darüber, wie ruhig und gelassen er klang. »Ich habe Ihrer Formation den Befehl zu einem Angriff gegeben, der all Ihren Schiffen genügend Gelegenheit gegeben hätte, sich mit dem Gegner auseinanderzusetzen. Bedauerlicherweise wurde mein Befehl nicht befolgt, und das Ergebnis ist, dass die von Ihnen befehligte Formation sich auf einer Position wiederfand, von der aus sie nicht weiter ins Geschehen eingreifen konnte. Wenn Sie sich über Ihre derzeitige Position innerhalb der Gesamtformation beschweren möchten, Captain Numos, dann schlage ich vor, Sie wenden sich an den befehlshabenden Offizier der Formation Fox Five Two. Ich glaube, Sie finden ihn auf der Orion.« Er unterbrach die Verbindung, da er sich nicht länger ablenken lassen wollte.

Captain Desjani deutete auf eine Anzeige, ihr Ausdruck war noch immer beherrscht. »Ich glaube, diese Unterhaltung wurde verse-hentlich auf einer flottenweiten Frequenz übertragen, nicht auf einer geschlossenen. Wie unangenehm.«

Geary sah auf sein Display und schüttelte den Kopf. »Numos hat mich auf einer Frequenz gerufen, die flottenweit zu empfangen war?

Hat er etwa gedacht, ich lasse mir von ihm vorwerfen, ich hätte seine Ehre besudelt, ohne ihn darauf hinzuweisen, dass er selbst die Schuld daran trägt, wo sich Fox Five Two jetzt befindet?«

»Ja, Sir. Ich glaube, das hat er erwartet.«

»Verdammt.« Desjani sah ihn daraufhin überrascht an. »Ich weiß, Numos hat es verdient, zusammengestaucht zu werden, Tanya.

Aber mir hat man eingebläut, dass man so etwas unter vier Augen macht und in der Öffentlichkeit nur lobende Worte verbreitet.«

»Verstehe.« Dennoch schüttelte sie den Kopf. »Normalerweise würde ich Ihnen zustimmen, doch in diesem Fall wären die Vorwür-fe hinter Ihrem Rücken verbreitet worden, wo sie Ihre Autorität unterhöhlt hätten. Es ist besser, dass Numos’ Vorwürfe so deutlich und in aller Öffentlichkeit abgeschmettert wurden.«

»Mag sein, dass Sie recht haben«, räumte Geary ein. »Aber mir ge-fällt trotzdem nicht, wie das gelaufen ist.«

Im nächsten Augenblick ging eine weitere Meldung ein, diesmal jedoch in einem ruhigen, sachlichen Tonfall. »Captain Geary, hier spricht Captain Tulev von der Leviathan. Die Syndik-Streitmacht befindet sich weiterhin auf Abfangkurs zu den Hilfsschiffen, die unter meinem Schutz stehen. Ich glaube, ich kann die Syndiks am besten davon abhalten, in Feuerreichweite zu gelangen, wenn ich meine schwersten Einheiten fünf Lichtsekunden hinter den Hilfsschiffen zurückfallen lasse. Ich bitte um Erlaubnis, so vorgehen zu dürfen.«

Interessanter Vorschlag. Geary sah auf sein Display und malte sich aus, wie sich die Situation verändern würde, wenn er Tulev dieses Manöver ausführen ließ. Er wird immer noch nah genug bei den Hilfsschiffen sein, aber in einer Position, um den Syndiks in die Quere zu kommen, bevor die in Feuerreichweite zu den Hilfsschiffen gelangen. Aber warum ist das überhaupt nötig? Fox Five Five sollte eigentlich in der Lage gewesen sein, den Abstand länger zu wahren.

Die Titan. Das hätte mir eigentlich klar sein müssen. Die Ladung an Bord hat ihre Leistung so reduziert, als hätte sie nur noch den halben Antrieb zur Verfügung. Auch wenn das nicht heißen soll, dass die Witch und die anderen Schiffe so leichtfüßig wie Weltraumelfen tänzeln. »Captain Tulev, Sie haben die Erlaubnis, Ihre Eskorte um fünf Lichtsekunden von den Hilfsschiffen zurückfallen zu lassen. Captain Duellos, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass die Eskorte der Formation Fox Five Five sich dem Feind nähern wird, um ihn mit einem Abstand von fünf Lichtsekunden hinter dem Hauptfeld von Fox Five Five unter Beschuss zu nehmen. Passen Sie Ihren Abfangkurs zur Syndik-Formation entsprechend an.«

Nach etwas mehr als einer halben Minute kam Duellos’ sehr fröhlich klingende Antwort: »Wir passen den Kurs an und stimmen unseren nächsten Schlag mit Captain Tulev ab, Sir.«

»Danke, Sir«, ging eine weitere Minute später die Rückmeldung von der Leviathan ein.

Es vergingen einige Minuten, bis Geary auf dem Display sehen konnte, wie Tulevs Schiffe sich zurückfallen ließen, während Duellos’ Formation den Kurs änderte und ein wenig beschleunigte, damit beide Gruppen in etwa gleichzeitig in Position waren, um die Syndiks zu empfangen.

Geary schüttelte den Kopf und stellte sich vor, wie er auf der Brücke des Syndik-Flaggschiffs stand und sich seine möglichen nächsten Schritte überlegte, von denen keiner besonders aussichts-reich war. Da Tulevs Eskorte ihnen von schräg unten entgegenkam und sich Duellos’ Formation von hinten näherte, konnten sie entweder ihren Kurs beibehalten, um dann fast gleichzeitig von zwei Seiten unter Beschuss genommen zu werden, oder aber sie brachen die Verfolgung der Hilfsschiffe ab und versuchten, zum Sprungpunkt zurückzukehren. »Was würden Sie an deren Stelle denken?«, wandte sich Geary an Desjani.

Sie überlegte kurz. »Ihre Absicht ist eigentlich offensichtlich.«

»Bis zu den Hilfsschiffen werden sie es nie schaffen. Wir haben mehr als genug Feuerkraft, um sie zu stoppen.«

Desjani zuckte mit den Schultern. »Wenn ihr Befehl lautet, die Hilfsschiffe zu erreichen, dann werden sie das auch versuchen.

Selbst wenn sie dabei sterben.«

Sinnlos! Völlig sinnlos! Aber ich sehe keinen Hinweis darauf, dass die Syndiks es sich doch noch anders überlegen. Vielleicht kann ich ein bisschen Druck auf sie ausüben, damit sie Vernunft annehmen. »Formation Fox Five Three, ändern Sie Kurs und Geschwindigkeit entsprechend, um den oberen Rand der Syndik-Formation treffen zu können. Alle Einheiten in Formation Fox Five Four, Formation auflösen und die versammelten Syndik-Wracks anfliegen. Ich will Gewissheit haben, dass sie wirklich alle tot sind.«

Es dauerte eine Weile, bis die Formationen zusammenkamen, aber schließlich sah er die Darstellung des Zusammentreffens von Tulevs Eskorte mit den Syndiks, das sich vor nicht einmal einer Minute abgespielt hatte. Der gleichen Taktik folgend, die Geary beim Hauptfeld angewandt hatte, feuerten Tulevs schwere Kreuzer Kartätschen ab, gefolgt von einem Sperrfeuer aus Phantomen. Die Syndiks hatten noch immer mit diesen Treffern zu kämpfen, da zog Captain Duellos’ Formation vorüber und eröffnete von schräg hinten kommend das Feuer auf die Syndik-Schiffe. Gemeinsam waren die Formationen von Tulev und Duellos den überlebenden Syndiks hinsichtlich der Feuerkraft im Verhältnis zwei zu eins überlegen, ohne dass dabei die Schäden an etlichen feindlichen Schiffen berücksichtigt wurden.

Als Tulevs Eskorte unter den Syndiks wegtauchte und Duellos’ Kriegsschiffe die gegnerische Flotte überrollten, traf von oben kommend die leichtere Formation Fox Five Three ein. Einem unver-brauchten Gegner von diesen Ausmaßen wären die Zerstörer und Kreuzer der Allianz unterlegen gewesen, doch die Syndik-Streitmacht war bereits so schwer in Mitleidenschaft gezogen worden, dass sie sich kaum noch zur Wehr setzen konnte. Die verbliebenen Zerstörer und Kreuzer der Syndiks versuchten zwar noch, sich dem Ansturm von Fox Five Three entgegenzustellen, doch sie wurden schnell überwältigt; ihre Schilde versagten, die Schiffshüllen zerbra-chen.

Als in rascher Folge die dritte Allianz-Formation auf die Syndiks feuerte, löste sich die feindliche Flotte plötzlich auf. Geary sah, wie die überlebenden Schiffe in alle Richtungen davonstoben und dann Kurs auf das Hauptfeld der Allianz nahmen, das ihnen den Weg zum Sprungpunkt versperrte. Da er kaum glauben konnte, dass die feindliche Streitmacht tatsächlich zerschlagen worden sein sollte, konzentrierte er sich ganz auf die Flugbahnen der Syndik-Schiffe.

»An alle Einheiten, hier spricht Captain Geary. Formationen auflösen und allgemeine Verfolgung aufnehmen. Ich wiederhole: allgemeine Verfolgung aufnehmen. Sorgen Sie dafür, dass wir sie alle erwischen.«

Die Brücke der Dauntless wurde von triumphierendem Jubel er-füllt, doch Geary bekam davon kaum etwas mit, da er sich in das Bild der Flotte vertiefte, das sein Display ihm anzeigte. Auch wenn ihm klar gewesen war, wie sehr diese Schiffe darauf brannten, individuell zuschlagen zu können, erstaunte es ihn doch, dass die geordneten Formationen so rasch zerfielen, da jedes Schiff auf seinen eigenen Kurs ging und beschleunigte, um einen der Feinde zu erfassen.

Die Dauntless schoss auf Desjanis Befehl ebenfalls nach vorn. Geary beugte sich vor, um zu sehen, welches Ziel von den Gefechtssys-temen des Schlachtkreuzers ausgewählt worden war: ein Syndik-Schlachtkreuzer der D-Klasse, der eine Schleife nach oben beschrieb, um über das Hauptfeld hinwegzufliegen. Warum fliegt er nicht schneller? Nach allem, was ich über die D-Klasse gelesen habe, sollte er mehr leisten können. Geary markierte das Ziel auf seinem Display und ließ sich die Schadenseinschätzung anzeigen. Aha. Er wurde schwer getroffen. Sieht so aus, als hätte er einen Großteil seiner Antriebs-leistung verloren.

Er zoomte die Ansicht des Syndik-Schlachtkreuzers heran und konnte die Löcher erkennen, die in den Schiffsrumpf gerissen worden waren. Vor dieser Schlacht hatte es sich bei dem Feind um ein gut aussehendes Schiff gehandelt, mit klaren, glatten Linien und einer bedrohlichen Ausstrahlung. Aber jetzt war die Hülle verbeult und aufgerissen. Eine D-Klasse gegen die Dauntless wäre unter anderen Umständen ein annähernd gleichwertiger Zweikampf, aber dieses Schiff da hat bereits die Hölle durchgemacht.

Dann fiel ihm etwas ein, und er verkleinerte die Darstellung, um die Bewegungsvektoren anderer Allianz-Schiffe in unmittelbarer Umgebung festzustellen. Soweit er ohne nachzufragen feststellen konnte, hatten das Schlachtschiff Vanguard und der Schlachtkreuzer Fearless die D-Klasse ebenfalls als Ziel erfasst. Geary rief die Daten der anderen Schiffe ab, die ihm bestätigten, dass sie auch dieses Syndik-Schiff anvisiert hatten. »Die werden vor uns da sein«, stellte er fest, als er die geschätzten Abfangzeiten sah.

Captain Desjani nickte sichtlich frustriert. »Ich kann ihnen nicht zuvorkommen, sonst muss ich so sehr beschleunigen, dass meine Zielgenauigkeit darunter leidet. Lieber lande ich erst den dritten Treffer, anstatt den Bastard zu verfehlen.«

Wieder schaute Geary auf sein Display, wo die geschwungenen Linien der Flugbahnen der verschiedenen Allianz-und Syndik-Kriegsschiffe ein sonderbar schönes Muster vor dem Sternenhintergrund bildeten. In diesem Maßstab ließ sich erkennen, wie jeweils mehrere Allianz-Schiffe auf die einzelnen Syndik-Schiffe zusteuerten. Das ist keine Schlacht mehr. Die überlebenden Syndiks sind so hoffnungslos unterlegen und so geschwächt, dass es nur noch ein Massaker ist.

Ich weiß, wir müssen die Syndik-Streitmacht vernichten, wenn wir überleben wollen. Aber können die Syndiks nicht ihren Verstand einschalten und kapitulieren, wenn die Situation erkennbar hoffnungslos ist?

Andererseits hatte die Situation für die Allianz-Flotte im Heimatsystem der Syndiks auch hoffnungslos ausgesehen, und da war eine Kapitulation ebenfalls kein Thema gewesen.

Auf einmal wurde ihm die Ironie der Situation bewusst: Dieses einseitige Abschlachten wäre zum Schicksal der Allianz-Flotte geworden, hätte sie bei den Syndiks einen ungeordneten Rückzug angetreten.

Die Vanguard erreichte vor allen anderen den Schlachtkreuzer der D-Klasse und ließ ein Sperrfeuer aus Höllenspeeren auf ihn einhämmern, dann hatte sie ihn auch schon passiert und visierte ein neues Ziel an. Die Fearless folgte aus einem anderen Anflugwinkel, ihre Schüsse trafen das feindliche Schiff ins Heck, woraufhin sekundäre Explosionen Teile der Heckpartie wegrissen und der Kreuzer sich unkontrolliert zu drehen begann.

»Jetzt sind wir dran«, hauchte Desjani. »Gefechtssysteme-Wachhabender, ist da noch irgendetwas übrig, das vernichtet werden muss?«

Die Dauntless glitt auf den flugunfähigen Syndik-Schlachtkreuzer zu, der sich um seine eigene Achse drehte, während in unregelmäßigen Wellen Rettungskapseln abgesetzt wurden. »Captain«, erwiderte der Gefechtssysteme-Wachhabende. »Wir registrieren mittschiffs noch aktive Systeme.«

»Dann ist er noch nicht ganz tot«, stellte Desjani mit grimmigem Lächeln fest. »Höllenspeere auf den Abschnitt mittschiffs richten.

Feuern, sobald wir in Reichweite sind.«

Der große Schlachtkreuzer war durch seine ständige Rotation kein leichtes Ziel, aber die Höllenspeere schossen hervor und bohrten sich in den Schiffsrumpf, während die Dauntless bei jedem Schuss nach hinten gedrückt wurde. Fast jeder Schuss traf den Gegner mittschiffs.

»Keine aktiven Systeme mehr festzustellen«, meldete der Gefechtssysteme-Wachhabende. Das Wrack fiel hinter ihnen zurück, stieß jedoch immer noch ab und zu Rettungskapseln aus.

»Er ist keine weitere Salve wert«, entschied Desjani. »Erfassen Sie als neues Ziel den schweren Kreuzer auf Markierung null zwei null Grad relativ, drei eins Grad nach oben, Entfernung 0,3 Lichtsekunden.« Die Steuersysteme ließen die Dauntless auf einen neuen Kurs gehen, woraufhin der anvisierte, von der Schlacht sichtlich rampo-nierte Syndik-Kreuzer wegzutauchen versuchte. Die Entfernung war aber bereits zu gering und seine relative Geschwindigkeit nicht hoch genug für eine genügend schnelle Reaktion. Desjani passte den Kurs der Dauntless an und attackierte aus nächster Nähe den flie-henden schweren Kreuzer. Die Schilde der Dauntless konnten mühelos dessen vereinzelte Schüsse absorbieren, während das Allianz-Schiff eine Salve nach der anderen abfeuerte, die zunächst die Schilde kollabieren ließen und sich dann in den Rumpf fraßen.

»Schadenseinschätzung«, brachte Desjani heraus, als die Dauntless und der Kreuzer sich voneinander entfernten.

»Schwere Schäden am Syndik-Kreuzer«, meldete der Gefechtssysteme-Wachhabende hastig. »Treffer in allen Bereichen der Hülle be-stätigt, Ma’am. Wir haben soeben Rettungskapseln registriert, die den Kreuzer verlassen.«

»Gibt es eine Bestätigung, dass dieser Kreuzer tot ist?«, wollte Desjani wissen.

Der Wachhabende zögerte und sah sich zuerst die von den Sensoren der Dauntless gesammelten Informationen an. »Schwere Schäden, und der Kreuzer scheint nicht länger unter Kontrolle zu sein.

Aber ich kann nicht bestätigen, dass er tot ist.«

Desjanis Miene nahm einen nachdenklichen Zug an. »Das könnte ein Trick sein.« Sie suchte die Umgebung ab. »Es ist kein anderes Syndik-Schiff in unserer Nähe, das nicht bereits beschossen wird oder unschädlich gemacht wurde. Lassen wir die Dauntless umkehren, damit wir uns den Kreuzer noch mal vornehmen können.«

Schwerfällig setzte die Dauntless zum Wendemanöver an, wobei sie die Antriebssysteme als Bremsen benutzte, um eine engere, aber immer noch gigantisch große Kurve zu fliegen. Sie hatten kaum zu dem Manöver angesetzt, da schoss ein Allianz-Zerstörer an dem Syndik-Kreuzer vorbei und landete weitere Treffer. Die Kurve war zu zwei Dritteln zurückgelegt, da meldete sich der Gefechtssysteme-Wachhabende wieder: »Weitere Rettungskapseln verlassen den Kreuzer. Zahlreiche Rettungskapseln.«

Geary grinste Desjani schief an. »Ich schätze, die haben gewusst, dass Sie zurückkommen würden.«

»Als ob wir sie hätten davonkommen lassen«, erwiderte Desjani, ehe sie einen weiteren Befehl an ihre Crew ausgab. »Angriffsmanöver fortsetzen, aber feuern Sie erst auf meinen ausdrücklichen Befehl.« Sie und Geary beobachteten das Ziel aufmerksam, als die Dauntless sich dem schweren Kreuzer wieder zu nähern begann. Da ihre hohe Geschwindigkeit einen großen Wendekreis erforderte, waren sie bei Beendigung des Manövers fast 0,2 Lichtsekunden von ihrem Ziel entfernt. »Ich sehe zwei weitere Rettungskapseln«, merkte Desjani an. Augenblicke später entstand ein greller Lichtblitz, als der Antrieb des Kreuzers wegen Überladung explodierte. »Das kann ein Unfall gewesen sein. Falls sie uns jedoch damit treffen wollten, waren sie viel zu früh dran.«

»Schwer zu sagen«, erwiderte Geary. »Vielleicht haben sie das Schiff nur gesprengt, damit es uns nicht in die Hände fällt.«

Desjani schnaubte. »Ein aufgegebener schwerer Kreuzer kann nichts an Bord haben, was uns noch interessieren könnte. Sie hätten schon längst alles Schützenswerte vernichtet. Wir hätten nur den Antrieb zum Überladen gebracht, um zu verhindern, dass die Syndiks ihr Schiff noch mal benutzen können.« Frustriert schaute sie auf ihr Display. »In der Nähe befinden sich keine weiteren Ziele.«

Ihre Bemerkung veranlasste Geary, einen Blick auf sein eigenes Display zu werfen. Die Zahl der noch aktiven Syndik-Schiffe hatte deutlich abgenommen, und noch während er zusah, registrierten die Sensoren der Dauntless weitere zerstörte Schiffe. Ein paar Syndiks versuchten immer noch, die Flucht anzutreten, doch die Verfolger der Allianz rückten aus unterschiedlichen Richtungen kommend unerbittlich näher. Nicht mehr lange, dann würden auch die jetzt noch verbliebenen Syndik-Schiffe ausgelöscht sein.

Es ist vorbei. Er starrte auf die Wolke aus Trümmern, die von dem schweren Kreuzer übrig geblieben war, den sich die Dauntless zuletzt vorgenommen hatte. Ich möchte nicht wissen, wie viele Menschen in den letzten Stunden ihr Leben verloren haben. Zum größten Teil sind Feinde gestorben, die uns töten wollten, und die hässliche Wahrheit daran ist, dass dies das Einzige ist, was im Augenblick zählt.

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