KAPITEL 19

Ich kann nicht sagen, was Sir Owain zu seinem Verrat trieb. In seiner Brust hatten schon immer zwei Seelen mit­einander gekämpft; tief im Herzen mußte er sich stets erinnert haben, wie das Volk seiner Mutter unter dem sei­nes Vaters gelitten hatte. Zum Teil waren seine Gefühle ohne Zweifel wirklich das, was er Catherine gegenüber behauptete: Schrecken über die Situation, Zweifel an unserem Sieg, Liebe, die er für ihre Person empfand, und Besorgnis um ihre Sicherheit. Und zum Teil gab es auch ein weniger ehrenwertes Motiv, das vielleicht als ein bei­läufiger Gedanke seinen Anfang genommen haben mußte, mit der Zeit aber angewachsen war — was konnte man nicht alles auf Terra mit ein paar Wersgorwaffen ausrichten! Leser meiner Chronik, wenn Du für die See­len von Sir Roger und Lady Catherine betest, dann sprich auch ein Gebet für den unglücklichen Sir Owain Montbelle.

Was auch immer in seinem geheimen Ich stattfand, der Ruchlose handelte äußerlich kühn und intelligent. Er bewachte die Wersgorix scharf, die man zur Unterstüt­zung Branithars herbeigeholt hatte. Während der Wochen ihrer Mühen, während das, was Branithar ver­gessen hatte, aus seinen Träumen gelöst und mit mathe­matischen Geräten von mehr als arabischer Schlauheit studiert wurde, bereitete der Ritter in aller Stille das Raumschiff zum Abflug vor. Und die ganze Zeit mußte er dafür sorgen, daß das Herz seiner Mitschwörerin, der Baronin. bei der Sache blieb.

Sie schwankte in ihrem Entschluß, weinte, stürmte, schrie ihn an, er solle sie verlassen. Einmal traf ein Schiff mit Befehlen für eine bestimmte Zahl von Leuten ein, die einen weiteren besiegten Planeten besiedeln sollten. An Bord des Schiffes war ein Brief, den Sir Roger seiner Frau geschickt hatte. Er hatte ihn diktiert, da er seiner Ortho­graphie nicht immer sicher war, und ich hatte es über­nommen, seine Sätze ein wenig zu polieren, so daß ein wenig demütige Liebe durch die steifen Sätze klang. Catherine schrieb sofort eine Antwort, gestand, was sie getan hatte, und erbat Verzeihung. Aber Sir Owain hatte das erwartet, beschaffte sich den Brief, ehe das Schiff wieder abflog, verbrannte ihn und überredete sie, ihrem Komplott treu zu bleiben. Er schwor, daß dies für alle Betroffenen das beste sei, selbst für ihren Herrn.

Schließlich gab sie vor dem ziemlich zusammenge­schrumpften Dorf vor, sie wolle sich ihrem Ehemann anschließen. Sie schiffte sich mit den Kindern und zwei Zofen ein. Sir Owain hatte genug Künste des Weltraums gelernt, um das Schiff zu einem bekannten Zielort zu sen­den — man brauchte dazu bloß die richtigen Knöpfe zu drücken —, also konnte er sich ihnen offen anschließen. In der Nacht vorher hatte er die Wersgorix an Bord geschmuggelt: Branithar, den Arzt, den Piloten, den Navigator und ein paar Soldaten, die im Gebrauch jener Bombarden ausgebildet waren, die aus dem Rumpf rag­ten. Innerhalb des Schiffes, wo Owain und Catherine als einzige Waffen trugen, waren sie nutzlos. In der Kleider­kiste in ihrem Schlafgemach waren zusätzliche Handwaffen verstaut, und dort hielt eine Zofe die ganze Zeit Wache. Die Mädchen hatten solche Angst vor den Blau­gesichtern, daß ihr Geschrei, hätte wirklich einer ver­sucht, eine Waffe zu entwenden, Sir Owain sofort herbei­gerufen hätte.

Dennoch mußten Ritter und Lady ihre Gefährten wie Wölfe bewachen. Denn für Branithar hätte es eigentlich nahegelegen, das Schiff nach Wersgorixan selbst zu len­ken, wo er dem Kaiser Terras Standort hätte mitteilen können. Mit ganz England als Geisel hätte Sir Roger kapi­tulieren müssen. Selbst das Wissen, daß wir nicht einer großen, raumfahrenden Zivilisation angehörten, sondern einfache, unschuldige Christenmenschen waren, bloße Lämmern, die man zur Schlachtbank führen konnte, hätte die Wersgorix so ermutigt und unsere Verbündeten so demoralisiert, daß es Branithar unter keinen Umstän­den gestattet werden durfte, das Geheimnis weiterzu­geben.

Nicht so lange Sir Owains Pläne nicht erfüllt waren. Vielleicht nie. Ich bin sicher, daß Branithar selbst gewisse Probleme für den Augenblick vorhersah, da er seinen menschlichen Gefährten auf englischem Boden abgesetzt hatte. Ohne Zweifel hatte er dafür selbst raffinierte Pläne vorbereitet. Aber für den Augenblick bewegten sich ihre Interessen auf demselben Wege.

Diese Überlegungen alleine widerlegen schon gewisse böswillige Gerüchte in bezug auf Lady Catherine. Sie und Sir Owain wagten es nie, gleichzeitig auszuruhen. Sie mußten Wache für Wache halten, die Schußwaffe an der Hüfte, und zwar die ganze Reise lang, auf daß ihre Mann­schaft sie nicht überwältigte. In der ganzen Geschichte ist noch nie jemand so wirkungsvoll behütet worden. Nicht das sie sich unziemlich benommen hätte. Verwirrt und verängstigt mochte sie sein, aber nie treulos.

Sie Owain war ziemlich zuversichtlich, daß Branithars Daten ehrlich waren. Aber er bestand auf Beweisen. Das Boot flog etwa zehn Tage zu der angegebenen Region im Weltraum. Weitere zwei Wochen wurden damit ver­bracht, herumzusuchen und verschiedene hoffnungsvoll erscheinende Sterne zu untersuchen. Ich will auf den Ver­such verzichten, im einzelnen zu berichten, was die Men­schen empfanden, als die Konstellationen langsam wie­der vertraut wurden, auch nicht jenen kurzen Blick, den ihr Handel mit dem mißtrauischen Branithar ihnen ge­sichert hatte, als die Burg von Dover ihre Wimpel über weiße Klippen wehen ließ. Ich glaube nicht, daß sie je davon sprachen.

Ihr Schiff entfernte sich heulend aus der Atmosphäre und nahm wieder Kurs auf die feindlichen Sterne.

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