KAPITEL 15

Natürlich konnte ich ein derartiges Angebot nicht annehmen. Ganz abgesehen von den schwierigen Fragen der Weihe hoffe ich, meinen bescheidenen Platz im Leben zu nennen. Außerdem war es in diesem Stadium nur leichthin gesagt. Wir hatten viel zuviel anderes zu tun, als daß wir Gott mehr als eine Dankmesse hätten anbieten kön­nen.

Wir ließen fast alle der neu gefangenen Wersgorix laufen. Sir Roger gab über einen großen Weitsprecher eine Proklamation für ganz Tharixan heraus. Er forderte jeden großen Landbesitzer in den von ihm noch nicht verwüsteten Regionen auf, zu ihm zu kommen, sich zu unterwerfen und einige der Heimatlosen mit sich zurück­zunehmen. Die Lektion, die er den Planeten gelehrt hatte, war so hart, daß unser Lager die nächsten Tage von blauen Besuchern wimmelte. Ich mußte notwendiger­weise mit ihnen verhandeln und vergaß ganz, was Schlaf eigentlich war. Aber zum größten Teil waren sie sehr bescheiden. Tatsächlich war diese Rasse so lange zwi­schen den Sternen übermächtig gewesen, daß jetzt nur noch ihre Soldaten Gelegenheit hatten, mannhafte Ver­achtung für den Tod zu entwickeln. Und sobald diese sich unterworfen hatten, taten es ihnen die Bürger und Frei­sassen schnell gleich — und waren es so gewohnt, eine all­mächtige Regierung über sich zu haben, daß sie nie auch nur im Traume daran dachten, es könnte möglich sein, sich gegen diese Regierung zu erheben.

Sir Roger wandte in jener Zeit sein Hauptaugenmerk darauf, seine Leute im Garnisonsdienst auszubilden. Da die Maschinen der Burg ebenso leicht zu bedienen waren wie die meisten Gerätschaften der Wersgorix, war Darova bald von Frauen, Kindern, Sklaven und Alten bemannt.

Sie sollten imstande sein, es zumindest eine Weile gegen jeden Angriff zu verteidigen. Jene, die hoffnungslos un­fähig waren, die diabolischen Künste der Ablesung von Skalen, des Drückens von Knöpfen und des Drehens von Schaltern zu erlernen, setzte er auf einer Insel in sicherer Entfernung ab, um dort unser Vieh zu hüten.

Als das in den Weltraum versetzte Ansby dergestalt imstande war, sich selbst zu verteidigen, sammelte der Baron seine freien Kämpfer zu einer weiteren Expedition in den Himmel. Mir erklärte er seine Idee zuvor: Bis zur Stunde war ich immer noch der einzige, der sich wahr­haft fließend in der Wersgorsprache auszudrücken ver­mochte, obwohl Branithar (mit Pater Simons Unterstüt­zung) auch andere seine Sprache lehrte.

»Bis jetzt waren wir erfolgreich, Bruder Parvus«, erklärte Sir Roger. »Aber alleine werden wir nie imstande sein, die Wersgor-Heerscharen zurückzuwerfen, die man gegen uns aufbieten wird. Ich hoffe, daß du inzwischen ihre Schrift und ihre Numerologie beherrscht. Zumindest gut genug, um einen eingeborenen Navigator zu be­wachen und zu sehen, daß er uns nicht an einen Ort lenkt, den wir nicht aufsuchen wollen.«

»Ich habe die Prinzipien ihrer Sternkarten ein wenig studiert, Sire«, antwortete ich, »obwohl sie in Wahrheit gar keine Karten, sondern bloße Zahlenkolonnen benut­zen. Auch besitzen sie keine sterblichen Steuerleute auf den Raumschiffen. Sie instruieren vielmehr einen künst­lichen Piloten am Beginn der Reise, worauf der Homunculus das ganze Fahrzeug bedient.«

»Wie gut ich das weiß«, brummte Sir Roger. »So hat Branithar uns ja zu aller Anfang hereingelegt. Ein gefähr­licher Wicht ist das, aber zu nützlich, um ihn zu töten.

Ich bin nicht froh, ihn auf dieser Reise an Bord zu haben, und doch bin ich auch nicht leichten Herzens, ihn in Darova zurückzulassen.«

»Aber wohin wollt Ihr ziehen, Sire?« unterbrach ich. »Oh. Ja. Das.« Er rieb sich die vor Müdigkeit trockenen Augen. »Es gibt andere Könige als Wersgor. Geringere Sternfahrende Nationen, die den Tag fürchten, an dem diese schnauzgesichtigen Teufel sich dafür entscheiden, mit ihnen allen ein Ende zu machen. Ich werde Verbün­dete suchen.«

Der Gedanke lag nahe, doch ich zögerte. »Nun?« fragte Sir Roger. »Was plagt dich jetzt?«

»Wenn sie bis jetzt noch nicht in den Krieg gezogen sind«, sagte ich etwas schwächlich, »warum sollte dann das Erscheinen von ein paar rückständigen Wilden wie uns sie dazu veranlassen?«

»Hör mir zu, Bruder Parvus«, sagte Sir Roger, »ich bin dieses Gejammer über unsere Unwissenheit und unsere Schwäche langsam leid. Schließlich sind wir nicht unwissend in bezug auf den wahren Glauben, oder? Oder besser gesagt, wenn auch die Kriegsmaschinen sich im Laufe der Jahrhunderte ändern mögen, so scheinen mir doch Rivalität und Intrigen hier draußen auch nicht komplizierter als zu Hause. Bloß weil wir eine andere Art von Waffen benutzen, sind wir keine Wilden.«

Dagegen konnte ich kaum etwas vorbringen, schließ­lich lag darin unsere einzige Hoffnung für die Rückkehr nach Terra.

Die besten Raumschiffe waren jene, die tief in den Gewölben von Darova gelegen hatten. Wir waren dabei, diese auszurüsten, als ein noch viel größeres Schiff die Sonne verdunkelte. Wie es so einer Gewitterwolke gleich am Himmel hing, brachte es Sorge über unsere Leute.

Aber Sir Owain Montbelle kam mit einem Wersgor-Ingenieur im Schlepptau gerannt, riß mich mit, um zu über­setzen, und führte uns zum Weitsprecher. Außer Sicht­weite der Bildscheibe stehend, das Schwert gezogen, zwang Sir Owain den Gefangenen, mit dem Meister des Schiffes zu sprechen.

Es erwies sich als Handelsfahrzeug, das regelmäßig diesen Planeten besuchte. Der Anblick von Ganturath und Stularax, die beide in Ruinen dalagen, erschreckte seine Mannschaft. Wir hätten das Schiff spielend abschießen können, aber Sir Owain benutzte seine Wersgor-Marionette, um dem Kapitän zu sagen, daß es einen Angriff aus dem Weltraum gegeben habe, den die Garni­son von Darova abgewehrt hätte, und er solle hier lan­den. Er gehorchte. Als die Außenportale des Schiffes sich öffneten, führte Sir, Owain eine Schar Männer an Bord und kaperte es ohne Schwierigkeiten.

Dafür jubelte man ihm Tag und Nacht zu. Und er bot wirklich einen farbenprächtigen, ritterlichen Anblick, stets bereit, mit allen zu scherzen. Sir Roger, der ohne Unterlaß arbeitete, wurde immer unfreundlicher. Die Männer empfanden Scheu vor ihm und sogar ein wenig Haß, da er sie zu solchen Strapazen trieb. Sir Owain lie­ferte dazu den Kontrast, wie Oberen zu einem Bären. Die Hälfte der Frauen mußte in ihn verliebt sein, obwohl er nur für Lady Catherine Lieder hatte.

Die Beute aus dem riesigen Schiff war reichlich. Aber das beste war, daß viele Tonnen Getreide dabei waren. Wir versuchten, einen Teil davon an unser Vieh auf der Insel zu verfüttern, das von dem verabscheuten blauen Gras dünn zu werden begann. Sie nahmen das Futter ebenso bereitwillig an, als wäre es englischer Hafer. Als Sir Roger das hörte, rief er aus: »Von welchem Planeten auch immer das Getreide kommt, er ist derjenige, den wir als nächsten erobern müssen.«

Ich bekreuzigte mich und beeilte mich, aus seiner Nähe zu entkommen.

Aber wir hatten wenig Zeit zu verlieren. Es war kein Geheimnis, daß Huruga gleich nach der zweiten Schlacht von Ganturath Raumschiffe nach Wersgorixan gesandt hatte. Es würde eine Weile dauern, bis sie jenen fernen Planeten erreichten, und dann würde der Kaiser noch ein­mal eine Weile brauchen, um in seinen weitverstreuten Domänen eine Flotte auszuheben, und dann würde jene Flotte noch eine Weile brauchen, um hierher zu gelangen. Aber schon viele Tage waren verstrichen.

Die Führung der Darova-Garnison mit ihren Frauen, Kindern, Alten und Sklaven vertraute Sir Roger seiner Frau an. Man sagt, die Gewohnheit unserer Chronisten, Reden für die großen Personen zu finden, deren Leben sie beschreiben, sei unwissenschaftlich. Und doch kannte ich jene zwei, nicht nur ihr hochmütiges Äußeres, sondern (wenn auch nur in kurzen Blicken, weil sie scheu war) in der Seele. Ich kann sie förmlich sehen, in einem Raum der fremden Burg, tief unter der Erde.

Lady Catherine hat ihn mit Gobelins behängt und Matten auf dem Boden ausgelegt und die Wände dunkel gelassen, sich nur mit Kerzen Licht verschafft, auf daß dieser Ort ihr weniger fremd erscheinen möge. Sie wartet in stolzer Kleidung, während ihr Mann ihren Kindern Lebewohl sagt. Die kleine Matilda weint ganz offen. Robert hält seine Tränen mehr oder weniger zurück, bis er hinter seinem Vater die Türen geschlossen hat, denn er ist ein de Tourneville.

Langsam richtet Sir Roger sich auf. Er hat aus Zeitman­gel aufgehört, sich zu rasieren, und der Bart kräuselt sich wie Draht in seinem vernarbten, hakennasigen Gesicht. Die grauen Augen wirken ausgebrannt, und ein Muskel an seiner Wange hört nicht auf zu zucken. Da hier genü­gend heißes Wasser aus Röhren läuft, hat er gebadet, aber er trägt sein übliches abgewetztes, altes Lederwams und geflickte Strümpfe. Das Gehänge seines großen Schwertes knarrt, als er auf seine Frau zugeht.

»Nun«, sagt er etwas unsicher, »ich muß aufbrechen.«

»Ja.« Ihr Rücken ist schlank und gerade. »Ich glaube.« Er räuspert sich. »Ich glaube. Ihr habt alles Notwendige gelernt.« Als sie darauf nicht antwor­tet: »Denkt daran, es ist von höchster Wichtigkeit, jene Studenten der Wersgorsprache bei ihren Lektionen zu halten. Andernfalls sind wir wie Taubstumme unter unse­ren Feinden. Aber vertraut nie unseren Gefangenen. Sie müssen stets von zwei bewaffneten Männern bewacht werden.«

»Jawohl.« Sie nickt. Sie trägt keine formelle Frisur, und das Kerzenlicht schimmert in den weichen Wellen ihres kastanienbraunen Haares. »Ich werde auch daran den­ken, daß die Schweine das neue Korn nicht brauchen, das wir den anderen Tieren geben.«

»Höchst wichtig! Und achtet darauf, diese Festung gut zu versorgen. Jene von unseren Leuten, die Eingeborenennah­rung zu sich genommen haben, sind gesund und munter. Ihr könnt also von Wersgor-Kornspeichern abfordern.«

Das Schweigen verdichtet sich um sie. »Nun«, sagt er, »ich muß aufbrechen.«

»Gott sei mit Euch, mein Herr und Meister.«

Er steht einen Augenblick reglos da, studiert den win­zigsten Tonfall ihrer Stimme. »Catherine.«

»Ja, mein Herr?«

»Ich habe Euch unrecht getan«, preßt er heraus. »Und Euch vernachlässigt, was schlimmer ist.«

Ihre Hände greifen nach ihm, als hätten sie eigenes Leben. Seine harten Hände schließen sich um sie. »Jeder Mann kann einmal irren«, haucht sie. Er wagt es, in die blauen Augen zu sehen.

»Wollt Ihr mir ein Zeichen geben?« fragt er.

»Für Eure sichere Rückkehr.«

Seine Hände greifen nach ihrer Hüfte, er zieht sie an sich und ruft freudig aus: »Und meinen Sieg! Gebt mir Euer Zeichen, und ich werde Euch dieses Reich zu Füßen legen!«

Sie reißt sich los. Erschrecken zuckt um ihre Lippen. »Wann werdet Ihr anfangen, nach unserer Erde zu suchen?«

»Welche Ehre liegt darin, nach Hause zu kriechen, wenn die Sterne selbst unsere Feinde bleiben?« Der Stolz klingt in seinen Worten mit.

»Gott helfe mir«, flüstert sie, und sie flieht ihn. Er steht lange da, bis das Geräusch ihrer Füße in den kalten Korri­doren verklungen ist. Dann dreht er sich um und geht zu seinen Männern hinaus.

Wir hätten uns in eines der großen Schiffe drängen kön­nen, hielten es aber für das beste, uns auf zwanzig zu ver­teilen. Ein junger Bursche, der etwas von Heraldik ver­stand, hatte sie mit Wersgorfarbe neu gestrichen. Jetzt strahlten sie in Scharlachrot, Gold und Purpur, und am Flaggschiff prangten das Wappen der de Tourneville und die englischen Leoparden.

Tharixan fiel hinter uns zurück. Wir traten in jenen fremdartigen Zustand ein, bei dem man in mehr Dimen­sionen als die geordneten drei des Euklid eintaucht und sie wieder verläßt, was die Wersgorix den ›Super-Licht-Antrieb‹ nennen. Wieder flammten ringsum die Sterne, und wir vergnügten uns damit, den neuen Konstellatio­nen Namen zu geben — der Ritter, der Pflug, die Arm­brust und mehr, darunter auch einige, die sich nicht dafür eignen, in diese Schrift aufgenommen zu werden.

Die Reise war nicht lang: nur ein paar Erdtage, soweit wir das von den Uhren ablesen konnten. Wir ruhten aus und waren scharf wie Hunde, als wir schließlich in das Planetensystem von Bodavant eindrangen.

Unterdessen hatten wir begriffen, daß es viele Farben und viele Größen von Sonnen gibt, alle vermischt. Die Wersgorix bevorzugten wie die Menschen kleine gelbe. Bodavant war röter und kühler. Nur einer seiner Planeten war bewohnbar (der übliche Fall); und wenn dieser Boda auch von Menschen oder Wersgorix hätte besiedelt wer­den können, so würden diese ihn doch als düster und kühl empfunden haben. So hätten sich unsere Feinde nicht die Mühe gemacht, die eingeborenen Jairs zu besie­gen, sondern sie nur daran gehindert, noch mehr Kolo­nien zu erwerben, als sie bereits bei ihrer Entdeckung besaßen, und ihnen darüber hinaus höchst ungünstige Handelsverträge aufgezwungen.

Der Planet hing wie ein riesiger Schild, gefleckt und rostig, vor den Sternen, als die eingeborenen Kriegs­schiffe uns anriefen. Wir brachten unsere Flottille gehor­sam zum Stillstand. Vielmehr hörten wir auf zu beschleu­nigen und stürzten einfach auf einer hyperbolischen Unterlichtbahn durch den Weltraum, der die Jairfahrzeuge sich anpaßten. Aber diese Probleme der himm­lischen Navigation bereiten meinem armen Kopf Schmer­zen; ich bin es zufrieden, sie den Astrologen und Engeln zu überlassen.

Sir Roger lud den Jair-Admiral an Bord unseres Flagg­schiffes ein. Wir benutzten natürlich die Wersgorsprache, und ich übersetzte. Aber ich werde nur den wesentlichen Inhalt der Gespräche wiedergeben, nicht das langweilige Zeremoniell, das in Wirklichkeit stattfand.

Man hatte einen Empfang vorbereitet, in der unver­kennbaren Absicht, die Besucher zu beeindrucken. Der Korridor vom Portal bis zum Refektorium war von Krie­gern gesäumt. Die Langbogen-Schützen hatten ihre grü­nen Westen und Strümpfe geflickt, ihre Kappen mit Federn geschmückt und hielten ihre schrecklichen Waffen in der Hand. Die gewöhnlichen Soldaten hatten das wenige Eisen, das sie besaßen, und ihre flachen Helme poliert und bildeten einen Pikenbogen. Dahinter, wo der Gang sich ausweitete und breit genug war, um dies zuzu­lassen, prunkten zwanzig Kavalleriemänner in voller Rüstung, mit Banner und Wimpel, Federn und Lanze auf unseren größten Kriegsrössern. An der letzten Türe stand Sir Rogers Jagdmeister, den Falken auf der Hand und ein Rudel Bullenbeißer zu seinen Füßen. Trompeten tönten, Trommeln rollten, Pferde bäumten sich auf, Hunde bell­ten, und wie aus einem Munde hallte der Ruf »Gott und St. Georg für England! Hurra!« durch das Schiff.

Die Jairs wirkten ziemlich betroffen, setzten aber den Marsch zum Refektorium fort. Er war mit den prächtig­sten Geweben behängt, die wir erbeutet hatten. Am Ende des langen Tisches saß Sir Roger in brokatbestickten Kleidern, umgeben von Hellebardenträgem und Arm­brustschützen, auf einem Thron, den unsere Zimmerleute schnell zusammengenagelt hatten. Als die Jairs eintraten, hob er einen goldenen Wersgorpokal und trank auf ihre Gesundheit. Er hatte eigentlich Wein benutzen wollen, aber Pater Simon hatte entschieden, daß der für die hei­lige Kommunion reserviert werden mußte, und darauf hingewiesen, daß die fremden Teufel den Unterschied nicht erkennen würden.

»Wäes häeil!« deklamierte Sir Roger, ein englischer Satz, den er selbst dann liebte, wenn er das ihm vertrau­tere Französisch sprach.

Die Jairs zögerten, bis Pagen ihnen mit dem Zeremoni­ell des königlichen Hofs ihre Plätze gezeigt hatten. Anschließend betete ich einen Rosenkranz und erbat den Segen für die Konferenz. Dies geschah, wie ich gestehe, nicht nur aus religiösen Gründen. Wir hatten bereits erfahren, daß die Jairs gewisse verbale Formeln dazu benutzten, verborgene Kräfte des Körpers und des Geistes heraufzubeschwören. Wenn sie genügend umnachtet waren, mein sonores Latein für eine wesentlich ein­drucksvollere Version derselben Sache zu halten, war die Sünde ja nicht die unsere, oder?

»Willkommen, mein Lord«, sagte Sir Roger. Auch er wirkte sehr ausgeruht. Er hatte sogar das leichte Funkeln irgendeiner Teufelei an sich. Nur jene, die ihn gut kann­ten, hätten erahnen können, welche Leere sich dahinter verbarg. »Ich bitte um Vergebung für mein unzeremoniel­les Eindringen in Euer Reich, aber die Nachricht, die ich Euch bringe, duldet kaum Aufschub.«

Der Jair-Admiral beugte sich gespannt nach vorne. Er war ein wenig größer als ein Mann, wenn auch schlan­ker und eleganter, und seinen Körper bedeckte weicher, grauer Pelz, den rings um den Kopf ein weißer Kranz zierte. Das Gesicht wirkte wie das einer Katze, mit riesi­gen, purpurfarbenen Augen und einem Schnurrbart, sah sonst aber ganz menschlich aus. Das soll heißen, es wirkte so menschlich wie die Gesichter in einem Triptychon, wenn sie ein nicht besonders geschickter Künstler gemalt hat. Er trug enganliegende Kleider aus braunem Stoff, mit Rangabzeichen. Aber sie wirkten recht dürftig, er und seine acht Begleiter, im Vergleich zu dem Glanz, den wir zusammengekratzt hatten. Sein Name, wie wir später erfuhren, war Beljad sor Van.

Unsere Erwartung, daß der mit der interplanetarischen Verteidigung Beauftragte auch hohen Rang in der Re­gierung einnehmen würde, erwies sich als wohlbegrün­det.

»Wir hatten keine Ahnung, daß die Wersgorix irgend­einem anderen Volk genügend vertrauen würden, um sie als Alliierte zu bewaffnen«, sagte er.

Sir Roger lachte. »Kaum, edler Herr! Ich bin von Tharixan gekommen, das ich gerade erobert habe. Wir benutzen gekaperte Wersgor-Schiffe, um unsere eigenen zu schonen.«

Beljad saß plötzlich katzengerade da. Sein Fell sträubte sich erregt. »Dann seid ihr eine andere sternenfahrende Rasse?« rief er aus.

»Wir heißen Engländer«, rief Sir Roger hinaus. Er wollte potentielle Verbündete nicht mehr belügen als unbedingt nötig war, da sich ihre Verstimmung, falls sie die Lüge später entdecken sollten, unangenehm würde auswirken können. »Unsere Lords haben ausgedehnte ausländische Besitzungen wie Ulster, Leinster, die Normandie — aber ich will Euch nicht mit einem Katalog von Planeten langweilen.« Ich alleine bemerkte, daß er nicht tatsächlich gesagt hatte, jene Grafschaften und Herzogtü­mer seien Planeten. »Um es kurz zu sagen, unsere Zivili­sation ist sehr alt. Unsere Aufzeichnungen reichen mehr als fünftausend Jahre in die Vergangenheit.« Er bediente sich soweit wie möglich wersgorianischer Begriffe. Und wer will schon leugnen, daß die Heilige Schrift mit abso­luter Genauigkeit bis zur Zeit Adams zurückreicht?

Beljad war weniger beeindruckt, als wir erwartet hat­ten. »Die Wersgorix rühmen sich ganzer zweitausend Jahre klar aufgezeichneter Geschichte, seit sie ihre Zivili­sation nach ihrem letzten Krieg wieder neu aufgebaut haben«, sagte er. »Aber wir Jairs besitzen eine verläßliche Chronologie für die letzten acht Jahrtausende.«

»Seit wann praktiziert ihr den Raumflug?« fragte Sir Roger.

»Etwa zwei Jahrhunderte.«

»Ah. Unsere frühesten Experimente jener Art waren — wie lange liegt das zurück, würdest du sagen, Bruder Pravus?«

»Etwa dreitausendfünfhundert Jahre, an einem Ort namens Babel«, sagte ich ihnen.

Beljad schluckte, und Sir Roger fuhr aalglatt fort: »Dieses Universum ist so groß, daß erst vor ganz kurzer Zeit ein Kontakt zwischen dem sich ausdehnenden eng­lischen Königreich und dem sich ebenfalls ausdehnenden Wersgor-Reich stattfand. Sie erkannten unsere wahren Kräfte nicht und griffen uns unprovoziert an. Ihr kennt ihre Boshaftigkeit. Wir selbst sind eine sehr friedliche Rasse.« Wir hatten von unseren Gefangenen, die dafür nur Verachtung übrig hatten, erfahren, daß die Jair-Republik den Krieg bedauerte und noch nie einen Planeten kolonisiert hatte, der bereits Einwohner besaß. Sir Roger faltete die Hände und drehte die Augen himmel­wärts. »In der Tat«, fuhr er fort, »ist eines unserer grund­legendsten Gebote ›Du sollst nicht töten‹. Und doch schien es uns eine noch größere Sünde, einer so grausa­men und gefährlichen Macht wie Wersgorix weiterhin zu erlauben, hilflose Völker zu unterdrücken.«

»Hm.« Beljad rieb sich die pelzbedeckte Stirn. »Wo liegt dieses Euer England?«

»Nun, nun«, schnurrte Sir Roger. »Ihr könnt nicht erwarten, daß wir das Fremden sagen, selbst wenn wir sie noch so verehren, solange wir nicht zu einer gewissen Verständigung gekommen sind. Die Wersgorix selbst wissen es nicht, denn wir haben ihr Kundschafterschiff geka­pert. Diese meine Expedition ist nach hierher gekommen, um sie zu bestrafen und Informationen zu sammeln. Wie ich Euch sagte, haben wir Tharixan unter nur ganz geringen eigenen Verlusten eingenommen. Aber es ist nicht die Art unseres Monarchen, sich in Angelegenheiten einzu­mischen, die andere intelligente Rassen betreffen, wenig­stens nicht, ohne deren Wünsche zu erkunden. Ich schwöre, daß König Edward III. nie auch nur im Traum daran gedacht hat, so etwas zu tun. Ich würde es viel­mehr vorziehen, wenn Ihr Jairs und andere, die unter den Wersgorix gelitten haben, sich mit mir in einem Kreuzzug verbünden würden, um sie zu demütigen. Auf diese Weise werdet Ihr das Recht erwerben, ihr Reich fair und gerecht mit uns zu teilen.«

»Seid Ihr — der Führer einer einfachen militärischen Expedition — ermächtigt, solche Verhandlungen zu füh­ren?« fragte Beljad zweifelnd.

»Sir, ich bin kein kleiner Adeliger«, antwortete der Baron steif. »Meine Abkunft ist so hoch wie wohl keine in Eurem Reiche. Ein Vorfahr von mir namens Noah war einst Admiral der Vereinten Flotten meines Planeten.«

»Das kommt so plötzlich«, wich Beljad aus. »Unerhört. Wir können nicht. ich kann nicht. es muß diskutiert werden und.«

»Sicherlich.« Mein Herr hob seine Stimme, bis der ganze Saal widerhallte. »Aber zögert nicht zu lange. Ihr Edlen. Ich biete Euch eine Chance, an der Zerstörung der Wersgor-Barbarei teilzunehmen, da England deren Exi­stenz nicht länger dulden kann. Wenn Ihr die Bürde des Krieges teilen wollt, werdet Ihr auch die Früchte der Eroberung teilen. Andernfalls werden wir Engländer uns gezwungen sehen, das ganze Wersgor-Reich zu besetzen, denn irgend jemand muß in ihm Ordnung halten. Und so sage ich, schließt Euch unter meiner Führung dem Kreuz­zug an, und Hurra dem Siege!«

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