So ritten wir ins Lager, und mein Herr schrie ein lautes Hurra, als sei diese Schlacht sein sehnlichster Wunsch gewesen. Mit klirrender Wehr rannten unsere Leute auf ihre Plätze.
Ich will versuchen, unsere Situation etwas ausführlicher zu schildern. Als Stützpunkt von geringerer Bedeutung war Ganturath nicht dafür gebaut, einem mit voller Streitkraft geführten Angriff in einem Krieg Widerstand zu leisten. Der geringere Teil der Festung, den wir besetzt hielten, bestand aus ein paar niedrigen Ziegelbauwerken, die in einem Kreis angeordnet waren. Außerhalb jenes Kreises standen die gepanzerten Bastionen der Feuerbombarden, aber da diese nur dafür bestimmt waren, nach oben auf Himmelsfahrzeuge zu schießen, waren sie jetzt für uns völlig nutzlos. Unter der Erde gab es ein Labyrinth von Räumen und Gängen. Dort brachten wir unter der Obhut von ein paar bewaffneten Sklaven unsere Kinder, die Alten, die Gefangenen und das Vieh unter. Ältere Leute oder andere, die aus irgendwelchen Gründen nicht kampffähig, aber durchaus noch beweglich waren, warteten etwa in der Mitte des Kreises, bereit. Verwundete wegzutragen, Bier zu holen und auch anderweitig den Kämpfenden behilflich zu sein.
Die Reihe der Kämpfer stand auf der Seite, die dem Wersgorlager gegenüberlag, innerhalb des flachen Erdwalls, den wir während der Nacht errichtet hatten. Ihre Piken, Spieße und Äxte wurden in Abständen durch Gruppen von Bogenschützen verstärkt. Die Kavallerie hielt sich an den beiden Flügeln. Hinter ihnen waren die jüngeren Frauen und einige nicht kampferprobte Männer, die sich in die viel zu wenigen Kugelwaffen teilten; Feuergewehre waren infolge des Kraftschirms nutzlos.
Rings um uns schimmerte der bleiche Hitzeblitz jenes Schildes. Hinter uns erhob sich uralter Forst. Vor uns wogte blaugrünes Gras im Tal, vereinzelte Bäume wiegten sich im Winde, und Wolken schritten über die fernen Hügel dahin. Das Ganze wirkte wie eine Landschaft aus dem Feenreich. Während ich mit den Nichtkombattanten Verbände vorbereitete, fragte ich mich, warum es in einem so märchenhaften Reich Haß und Tod geben mußte.
Hinter dem Wersgorlager donnerten ein paar Flugmaschinen himmelwärts. Unsere Kanoniere erwischten ein paar, ehe sie alle verschwunden waren. Einige weitere blieben auf dem Boden, offenbar hielt man sie als Reserve. Darunter befanden sich auch einige der allergrößten Transportschiffe. Aber im Augenblick galt mein Hauptinteresse dem Boden.
Jetzt strömten die Wersgorix heraus, bewaffnet mit langläufigen Kugelwaffen und wohlgeordnet in Gruppen. Sie rückten freilich nicht in dicht geschlossenen Rängen vor, sondern schwärmten so weit wie möglich aus. Einige unserer Leute stießen Triumphschreie aus, als sie das bemerkten, aber ich wußte gleich, daß dies ihre normale Taktik für den Erdkampf sein mußte. Wenn man tödliche Schnellfeuergewehre besitzt, greift man nicht in geordneten Reihen an. Man setzt vielmehr Geräte ein, um die Waffen der Feinde zu neutralisieren.
Und solche Maschinen waren auch tatsächlich vorhanden. Ohne Zweifel waren sie von der zentralen Bastion von Darova aus nach hierher geflogen worden. Es handelte sich um zwei Typen dieser pferdelosen Kriegswagen. Die eine Art, die in größerer Zahl vorhanden zu sein schien, war leicht und offen, aus dünnem Stahl gebaut und enthielt vier Soldaten und zwei Schnellfeuerwaffen. Sie bewegten sich ungeheuer schnell und behende, wie Wasserkäfer auf vier Rädern. Als ich sie herumrasen sah, mit hundert Meilen in der Stunde über das unebene Terrain, begriff ich ihren Zweck: Sie sollen so schwer zu treffen sein, daß die meisten von ihnen sich ganz dicht an die Feldstücke des Feindes heranarbeiten konnten.
Aber diese kleinen Wagen hielten sich zurück und deckten die Wersgor-Infanterie. Die erste Reihe des eigentlichen Angriffs bestand aus schwer gepanzerten Fahrzeugen. Sie bewegten sich eigentlich für angetriebene Maschinen recht langsam, nicht viel schneller, als ein Pferd galoppieren kann. Das kam von ihrer Größe — so groß wie die Hütte eines Bauern — und den dicken Stahlplatten, die jeglichem Beschuß Widerstand leisten konnten, sofern sie nicht direkt von einer Granate getroffen wurden. Mit Bombarden, die aus ihren Türmen ragten, mit ihrem Dröhnen und dem Staub, den sie aufwirbelten, glichen sie Drachen. Ich zählte mehr als zwanzig davon: massiv, undurchdringlich und in breiter Front auf uns zurückend. Wo sie gefahren waren, war kein Gras und keine Erde mehr zu sehen, nur steinhart gepreßte Furchen.
Man berichtete mir, daß einer unserer Kanoniere, der es gelernt hatte, die geräderten Kanonen zu bedienen, die Explosivgeschosse schleuderten, aus der Reihe ausbrach und auf eine solche Waffe zurannte. Sir Roger selbst, jetzt in blitzender Wehr, ritt auf ihn zu und schlug ihn mit seiner Lanze nieder.
»Halt, dort drüben!« herrschte der Baron ihn an. »Was willst du?«
»Schießen, Sire«, keuchte der Soldat. »Wir sollten auf sie schießen, ehe sie unseren Wall überrollen und.«
»Wenn ich nicht glaubte, daß unsere guten Eschenbogen mit solchen zu groß geratenen Schnecken fertig würden, dann hätte ich dir befohlen, dein Rohr zu zünden«, sagte mein Herr. »Aber so wie die Dinge stehen, gehst du zurück zu deiner Pike!«
Das hatte eine sehr heilsame Wirkung auf die arg erschütterten Speerträger, die jetzt mit gegen den Boden gestützten Waffen dastanden, um jenen furchterregenden Angriff aufzuhalten. Sir Roger sah keinen Grund, ihnen zu erklären, daß (wenigstens danach zu schließen, was sich in Stularax ereignete) er es nicht wagte, auf so kurze Distanz Explosivstoffe anzusetzen, aus Angst, sie könnten auch uns zerstören. Natürlich hätte er begreifen müssen, daß die Wersgorix viele Arten von Geschossen besaßen, die von unterschiedlicher Wirkung waren. Aber wer vermag schon an alles zugleich zu denken?
So mußten die Fahrer jener rollenden Festung hochgradig erstaunt gewesen sein, daß wir nicht auf sie feuerten, und sich gefragt haben, womit wir wohl zurückhielten. Das sollten sie herausfinden, als der erste Kriegswagen in eine unserer vorbereiteten Gruben taumelte.
Zwei weitere gingen auf ähnliche Weise in die Falle, ehe sie begriffen, daß es sich bei diesen Gruben keineswegs um gewöhnliche Hindernisse handelte. Sicher hatten die guten Heiligen uns geholfen. In unserer Unwissenheit hatten wir tiefe, breite Löcher gegraben, die für sich allein für solch mächtige Fahrzeuge nicht fluchtsicher gewesen wären. Aber dann hatten wir große hölzerne Pfähle hinzugefügt, eigentlich fast aus alter Gewohnheit, so als rechneten wir damit, übergroß geratene Pferde aufspießen zu müssen. Einige dieser Pfähle verfingen sich in den Ketten, die die Räder umkränzten, und es dauerte nicht lange, bis diese Räder sich in einem Brei aus Holz festgefressen hatten.
Ein anderer Wagen wich den Gruben aus, die keineswegs eine geschlossene Front bildeten. Er näherte sich der Brüstung. Eine Schnellfeuerkanone spuckte aus seinem Turm, stellte sich auf den richtigen Abstand ein und warf entlang unserer Erdwälle eine Reihe von Kratern auf.
»Mit Gott und Gerechtigkeit!« dröhnte Sir Brian Fitz-William. Sein Pferd sprengte nach vorne, dicht gefolgt von einem halben Dutzend Kavalleriemännern. Sie galoppierten im Halbkreis und hielten sich gerade außerhalb der Reichweite der feindlichen Kanonen. Das Fahrzeug nahm schwerfällig die Verfolgung auf und versuchte, eine Kanone auf sie zu richten. Sir Brian lenkte sie in die Richtung, die er wollte, blies in sein Kriegshorn und galoppierte in unsere Verteidigungsanlage zurück, während der Wagen in ein Loch stürzte.
Die Kriegsschildkröten zogen sich zurück. In dem langen Gras und angesichts unserer raffinierten Tarnung konnten sie unmöglich erkennen, wo die anderen Fallgruben waren. Und dies waren die einzigen Maschinen solcher Art auf ganz Tharixan und durften daher nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Wir Engländer hatten gezittert, denn es hätte bloß einer durchzukommen brauchen, um uns alle auszulöschen.
Obwohl Huruga nur sehr dürftige Informationen über uns, unsere Kräfte und die möglicherweise vorhandenen Reserven im Weltraum besaß, glaubte ich doch, daß er die schweren Wagen hätte einsetzen müssen. In der Tat war die Taktik der Wersgorix in jeder Hinsicht jämmerlich. Aber man bedenke, daß sie schon seit langer Zeit nicht mehr ernsthaft auf dem Lande gekämpft hatten. Ihre Eroberungen rückständiger Planeten waren ein reines Gemetzel, und ihre Gefechte mit rivalisierenden sternfahrenden Nationen fanden vorwiegend in den Lüften statt.
So zog Huruga die großen Wagen zurück, von unseren Gruben entmutigt, dafür aber durch die Tatsache beherzt, daß wir ihn nicht mit Granaten beschossen.
Statt dessen schickte er seine Infanterie und die leichten Fahrzeuge gegen uns. Seine Absicht war ganz offenkundig die, daß sie einen Weg zwischen unseren Fallen finden und diesen für die großen Maschinen markieren sollten.
Die blauen Soldaten kamen im Laufschritt, im hohen Gras kaum sichtbar, zu kleinen Gruppen ausgeschwärmt. Ich selbst, der ich mich ziemlich weit hinten aufhielt, sah nur gelegentlich einen Helm aufblitzen oder die Stangen leuchten, die sie hier und dort in den Boden rammten, um den Pfad für die schweren Wagen zu markieren.
Und doch wußte ich, daß sie viele Tausende zählen mußten. Das Herz schlug mir wild in der Brust, und mein Mund lechzte nach einem Becher Ale.
Vor den Soldaten rasten die leichten Wagen dahin. Einige von ihnen gerieten in Fallgruben und wurden angesichts ihrer hohen Geschwindigkeit völlig vernichtet. Aber die meisten rasten auf gerader Linie dahin — genau in die zugespitzten Stangen, die wir in der Nähe unseres Bollwerks für den Fall einer Kavallerieattacke imGraseingerammt hatten.
Angesichts ihrer großen Geschwindigkeit waren die Wagen für diese Spieße fast genauso verletzlich, wie es Pferde gewesen wären. Ich sah, wie sich einer in die Luft erhob, umkippte, zum Boden zurückkrachte und zweimal hochsprang, ehe er entzweibrach. Ich sah, wie ein anderer sich aufspießte, worauf flüssiger Treibstoff herausspritzte und dann eine Stichflamme in die Höhe stieg. Ein dritter glitt zur Seite ab, rutschte und krachte gegen einen vierten.
Einige weitere, die den Stangen entkamen, rasten über die Fußangeln, die wir ringsum ausgelegt hatten. Die Eisenstacheln bohrten sich in die weichen Ringe, die ihre Räder umgaben, und ließen sich nicht mehr herausziehen. Ein so beschädigter Wagen konnte bestenfalls armselig aus der Schlacht zurückhinken.
Befehle in der harten Wersgorsprache mußten über den Weitsprecher erteilt worden sein. Die Mehrzahl der offenen Wagen, die noch nicht beschädigt waren, hörten auf herumzurasen. Sie ordneten sich zu einer lockeren, aber erkennbaren Formation und kamen jetzt im Fußgängertempo auf uns zu.
Schnapp! machten unsere Katapulte und Knall unsere Ballistae. Bolzen, Steine und Kessel mit brennendem Öl gingen zwischen den heranrückenden Fahrzeugen nieder. Davon wurden nicht viele außer Kampf gesetzt, aber die Linie lockerte sich, und der Vormarsch wurde langsamer.
Dann griff unsere Kavallerie an.
Ein paar von unseren Reitern starben in einem Hagel von Blei. Aber sie brauchten nicht weit zu galoppieren, um den Feind zu erreichen. Und die Grasfeuer, die unsere Öltöpfe entfacht hatten, behinderten die Sicht der Feinde.
Ich hörte ein Klirren und Dröhnen, als die Lanzen gegen die eisernen Flanken schlugen, und dann hatte ich keine Gelegenheit mehr, den Kampf zu beobachten. Ich weiß nur, daß es den Lanzenreitern nicht gelang, auch nur einen Wagen kampfunfähig zu machen. Aber dennoch erschreckten sie die Fahrer so sehr, daß diese häufig darauf verzichteten, sich gegen das, was nun folgte, zu verteidigen. Sich aufbäumende Pferde schlugen mit den Hufen um sich und zerschmetterten die dünnen Stahlplatten; ein paar schnelle Schläge mit Axt oder Schwert leerten so manches Fahrzeug von seiner Mannschaft. Einige von Sir Rogers Männern setzten mit guter Wirkung Handgewehre oder kleine, runde Granaten ein, die zerplatzten und zackige Fragmente verstreuten, wenn man zuerst eine Nadel eindrückte und sie dann warf. Die Wersgorix besaßen natürlich ähnliche Waffen, waren aber weniger entschlossen, sie einzusetzen.
Die letzten Wagen flohen schreckerfüllt, hitzig von den englischen Reitern verfolgt.
»Kommt zurück!« brüllte Sir Roger ihnen nach. Er schüttelte die frische Lanze, die sein Knappe ihm gereicht hatte. »Kommt zurück, ihr elenden Schurken! Stellt euch und kämpft, ihr Heiden!« Er muß einen herrlichen Anblick geboten haben, in schimmernder Wehr, mit flatternden Federn und dem prunkvollen Schild auf dem heißblütigen, kohlschwarzen Hengst. Aber die Wersgorix besaßen keine ritterlichen Tugenden. Sie waren klüger und bedächtiger als wir. Das kam sie teuer zu stehen. Unsere Reiter mußten sich schnell zurückziehen, denn jetzt war das Fußvolk der Blauen nähergerückt und feuerte seine Gewehre auf unsere Wälle ab. Rüstungen boten da keinen Schutz, eher ein auffälliges Ziel. Sir Roger wies seine Männer mit einem Trompetenstoß an, ihm zu folgen, worauf sie auf der Ebene ausschwärmten.
Die Wersgorix erhoben ein wildes Triumphgeschrei und rannten. In dem Durcheinander, das in unserem Lager herrschte, hörte ich die Hauptleute der Bogenschützen ihre Befehle rufen. Dann zog die graue Gänseherde mit einem Rauschen wie ein mächtiger Wind himmelwärts.
Sie ging grausam auf die Wersgorix nieder. Als die erste Quellwolke noch aufstieg, war die zweite bereits auf dem Weg. Ein Pfeil mit soviel Kraft dahinter durchbohrt einen Menschenkörper und kommt auf der anderen Seite mit der breiten, blutigen Spitze heraus. Und jetzt begannen die Armbrüste, langsamer, aber mächtiger, die Angreifer ganz vorne niederzumähen. Ich glaube, in diesen letzten paar Augenblicken ihrer Attacke müssen die Wersgorix die Hälfte ihrer Leute verloren haben.
Dennoch rannten sie starrköpfig, fast wie Engländer, weiter auf unseren Wall zu. Und hier standen unsere gemeinen Bewaffneten, um sie zu empfangen. Die Frauen feuerten und feuerten und mähten einen großen Teil der Feinde nieder. Und jene, die so dicht herankamen, daß man keine Schußwaffen gegen sie einsetzen konnte, sahen sich Speeren, Beilen, Morgensternen, Dolchen und Breitschwertern gegenüber.
Trotz ihrer schrecklichen Verluste waren die Wersgorix immer noch zahlenmäßig zwei- oder dreifach überlegen. Und doch war es eigentlich nicht fair. Sie verfügten über keinen Körperpanzer. Ihre einzige Waffe für einen derart dichten Nahkampf war ein Messer, das am Lauf des Gewehrs befestigt war und eine Art Speer bildete. sofern sie es nicht vorzogen, das Gewehr selbst als Keule zu benutzen. Ein paar trugen Seitenwaffen, aus denen sie Kugeln verschossen, die uns einige Verluste zufügten. Doch in der Regel war es so, daß, wenn ein John Blaugesicht auf einen Harry Englishman feuerte, er selbst auf kürzeste Distanz sein Ziel verfehlte. Und ehe John Blaugesicht ein zweites Mal feuern konnte, hatte Harry ihn mit seiner Hellebarde bereits aufgeschlitzt.
Als unsere Kavallerie kehrtmachte und die Wersgor-Infanterie von hinten anpackte, war dies das Ende. Der Feind befand sich jetzt in wilder Auflösung und floh und trampelte die eigenen Kameraden in blinder Angst nieder. Die Reiter verfolgten sie mit vergnügten Jagdrufen. Als sie weit genug entfernt waren, ließen unsere Langbogen noch einmal ihre Geschosse fliegen.
Dennoch entkamen viele, die sonst von einer Lanze aufgespießt worden wären, denn Sir Roger sah die schweren Wagen zurücktaumeln und zog sich mit seinen Leuten zurück. Durch Gottes Gnade war ich so damit beschäftigt, für die Verwundeten zu sorgen, die man mir zutrug, daß ich nichts von jenem Augenblick bemerkte, in dem unsere Führer glaubten, unser Ende sei gekommen. Denn der Angriff der Wersgor war nicht vergebens gewesen. Er hatte den Schildkrötenwagen gezeigt, wie sie unseren Gruben ausweichen konnten. Und jetzt kamen diese eisernen Giganten über ein Feld, das zu rotem Schlamm geworden war, und wir wußten nicht, wie wir sie aufhalten sollten.
Thomas Bullards Schultern sanken nach vorne, wie er so in der Nähe des Baronswimpels saß. »Nun«, seufzte er, »wir haben gegeben, was wir geben konnten. Wer reitet jetzt mit mir hinaus und zeigt denen, wie echte Engländer sterben können?«
Sir Rogers Gesicht verzog sich in ernste Falten. »Wir haben eine schwere Aufgabe vor uns. Freunde«, sagte er. »Wir hatten recht, unser Leben aufs Spiel zu setzen, solange Aussicht auf Sieg bestand. Jetzt, da wir die Niederlage vor uns sehen, haben wir nicht das Recht, dieses Leben wegzuwerfen. Wir müssen leben — als Sklaven, wenn es sein muß —, auf daß unsere Frauen und Kinder auf dieser Höllenwelt nicht ganz alleine sind.«
»Bei den Gebeinen Gottes!« schrie Sir Brian Fitz-William. »Seid Ihr zum Feigling geworden?«
Die Nüstern des Barons blähten sich. »Ihr habt gehört, was ich gesagt habe«, erklärte er. »Wir bleiben hier.«
Und dann — dem Himmel sei gedankt — war es, als wäre Gott selbst gekommen, um seine armen, sündigen Parteigänger zu erlösen. Heller als der Blitz flammte es ein paar Meilen hinter uns im Wald auf. Das Leuchten war so grell, daß jene wenigen, die zufällig in die Richtung sahen, ein paar Stunden lang blind waren. Ohne Zweifel erlitten viele Wersgorix dieses Schicksal, da ihre Armee in Richtung auf den Blitz blickte. Das Brüllen, das sich anschloß, warf viele Reiter aus dem Sattel und ließ so manchen Fußsoldaten zu Boden gehen. Ein Wind fegte über uns hinweg, heiß wie aus einem Backofen, und blies die Zelte wie kleine Stoffpuppen davon. Dann sahen wir, wie eine Wolke aus Staub und Rauch aufstieg. Geformt wie ein bösartiger Pilz, ragte sie fast bis zum Himmel.
Minuten verstrichen, ehe sie anfing sich aufzulösen, und die Wolken ganz oben hielten sich noch stundenlang.
Die Kriegswagen kamen knirschend zum Stillstand. Sie wußten, im Gegensatz zu uns, was jener Blitz bedeutete. Es war eine Granate der allergrößten Macht, jene Vernichtung der Materie, von der ich auch heute noch das Gefühl habe, daß sie ein Eingriff in Gottes Werk ist obwohl mein Erzbischof mir Stellen aus der Schrift vorgelesen hat, die beweisen, daß jegliche Kunst legitim ist solange sie nur für einen guten Zweck benutzt wird.
Dies war, gemessen an Granaten dieser Art, keineswegs eine sehr starke Granate. Sie war dafür bestimmt,, einen Kreis vom Durchmesser einer halben Meile zu vernichten und erzeugte verhältnismäßig wenig jener subtilen Gifte, die solche Explosionen begleiten. Und sie war weit genug vom Schauplatz des Geschehens entfernt abgefeuert worden, um niemandem ein Leid zu tun.
Und doch versetzte sie die Wersgorix in ein grausames Dilemma. Wenn sie eine ähnliche Waffe einsetzten, um unser Lager auszulöschen — falls sie uns irgendwie überrannten —, mußten sie mit einem Hagel des Todes rechnen. Denn die verborgene Bombarde hätte dann sicher keinen Anlaß mehr, die Gegend von Ganturath zu schonen. So mußten sie ihren Angriff einstellen, bis sie diesen neuen Feind gefunden und gefechtsunfähig gemacht hatten.
Ihre Kriegswagen torkelten zurück. Die meisten Flugmaschinen, die sie in Reserve gehalten hatten, stiegen auf, verteilten sich am Himmel und suchten denjenigen, der jene Bombe gezündet hatte. Wie wir aus unseren Studien wußten, basierte diese Suche in erster Linie auf einem Gerät, das dieselben Kräfte nutzte, wie wir sie in Magnetsteinen gefunden hatten. Durch Kräfte, die ich nicht begreife und die zu begreifen ich auch gar keinen Wunsch verspüre, da das Wissen für die Erlösung unerheblich ist, um nicht zu sagen nach den Schwarzen Künsten schmeckt, konnte dieses Gerät größere Metallmengen aufspüren. Eine Kanone, die groß genug war, um eine Granate solcher Potenz abzufeuern, müßte daher von jedem beliebigen Luftfahrzeug entdeckt werden, das sich ihrem Versteck auch nur auf eine Meile näherte.
Und doch war keine solche Kanone aufzufinden. Nach einer angespannten Stunde, in der wir Engländer die Umgebung beobachteten und auf unseren Wällen beteten atmete Sir Roger tief durch.
»Ich will nicht undankbar erscheinen«, sagte er, »aber ich glaube, daß Gott uns vermittels Sir Owain geholfen hat, und nicht etwa direkt. Wir sollten seine Gruppe irgendwo da draußen im Wald finden, selbst wenn die feindlichen Flieger dazu nicht imstande scheinen. Pater Simon. Ihr müßt doch wissen, wer die besten Wilddiebe in Eurer Pfarrei sind.«
»Oh, mein Sohn!« rief der Kaplan aus.
Sir Roger grinste. »Ich will nicht das Beichtgeheimnis brechen. Ich sage nur, daß du ein paar. wollen wir sagen — geschickte Waldläufer? — damit beauftragen sollst, daß sie sich durch das Gras in jenen Wald schleichen. Sie sollen Sir Owain ausfindig machen, wo immer er auch sein mag, und ihm befehlen, mit dem Feuer zu warten, bis ich ihm Bescheid sage. Du brauchst mir nicht zu sagen, wen du schickst, Pater.«
»In diesem Fall, mein Sohn, soll es befehlsgemäß geschehen.« Der Priester zog mich zur Seite und forderte mich auf, als sein locum tenens den Verletzten und Verängstigten geistlichen Beistand zu leisten, während er einen kleinen Suchtrupp in den Wald führen wollte. Aber mein Herr fand eine andere Aufgabe für mich. Er und ich und ein Knappe ritten mit einem weißen Banner auf das Wersgorlager zu. Wir nahmen an, daß der Feind genügend Witz besitzen würde, um die Bedeutung der weißen Fahne zu begreifen, selbst wenn er nicht dasselbe Signal für Waffenruhe benutzte.
Und so war es auch. Huruga selbst fuhr in einem offenen Wagen heraus, uns entgegen. Seine blauen Wangen wirkten eingefallen, und seine Hände zitterten.
»Ich fordere Euch auf. Euch zu ergeben«, sagte der Baron. »Hört auf, mich zu zwingen. Eure armseligen Leute zu vernichten. Ich garantiere Euch, daß man alle anständig behandeln wird, und jeder wird Gelegenheit bekommen, um Lösegeld nach Hause zu schreiben.«
»Ich… mich einem Barbaren wie Euch ergeben?« ächzte der Wersgor. »Bloß weil Ihr über eine — irgendeine verdammte ortungssichere Kanone verfügt — nein!«
Er hielt inne. »Aber damit ich Euch loswerde, erlaube ich Euch, diesen Ort in den Raumschiffen zu verlassen, die Ihr an Euch gerissen habt.«
»Sire«, stöhnte ich, als ich das übersetzt hatte, »haben wir tatsächlich die Flucht gewonnen?«
»Kaum«, antwortete Sir Roger. »Vergiß nicht, daß wir den Weg zurück nicht finden können, und jetzt können wir es noch nicht wagen, um einen geschickten Navigator zu bitten, sonst würden wir unsere Schwäche offenbaren und wieder angegriffen werden. Selbst wenn wir irgendwie nach Hause gelangten, würde das diesem Teufelsnest immer noch die Chance geben, ein neues Komplott auszuhecken, um England wieder anzugreifen. Nein, ich fürchte, wenn man einmal auf einen Bären gestiegen ist, kommt man nicht wieder so schnell herunter.«
So sagte ich dem blauen Adeligen schweren Herzens, daß wir sehr viel mehr als heruntergekommene, alte Raumschiffe haben wollten, und wenn er sich nicht ergäbe, würden wir uns gezwungen sehen, sein Land zu verwüsten. Huruga knurrte anstelle eine Antwort und fuhr zurück.
Auch wir kehrten zurück. Kurz darauf kam Red John Hameward mit Pater Simons Gruppe, die er auf dem Weg zu unserem Lager getroffen hatte.
»Wir sind ganz offen zur Burg Stularax geflogen, Sire«, berichtete er. »Wir sahen andere Himmelsboote, aber keines hat uns angehalten, sie hielten uns einfach für eines der ihren. Dennoch wußten wir, daß die Wachen der Festung uns unmöglich ohne Fragen würden landen lassen, und gingen daher in einem Wald, der ein paar Meilen von der Burg entfernt, herunter. Wir bauten unsere Belagerungsmaschine auf und schleuderten eine unserer platzenden Granaten hinein. Sir Owain hatte die Idee, ein paar auf sie zu schleudern, um ihre äußeren Verteidigungsanlagen etwas zu schwächen. Dann wollten wir uns zu Fuß näher heranschleichen, ein paar Leute zurücklassen und einige weitere Granaten abfeuern und anschließend die Wände niederreißen. Wir rechneten damit, daß die ganze Garnison herumrennen würde, um unsere Maschinen zu suchen, und glaubten daher, wir würden uns unschwer einschleichen können und die zurückgelassenen Posten töten. Anschließend wollten wir aus den Arsenalen mitnehmen, was wir tragen konnten, und zu unserem Boot zurückkehren.«
An diesem Punkt sollte ich vielleicht unsere Art von Belagerungsmaschine erklären. Im Prinzip handelte es sich nur um einen großen Hebel, der frei um einen Stützpunkt schwingt. Ein sehr langer Arm endete in einer Art Eimer für das Geschoß, während der kurze Arm ein Steingewicht, manchmal einige Tonnen schwer, trug. Letzterer wurde vermittels Flaschenzügen oder einer Winde hochgezogen, während der Eimer beladen wurde. Dann wurde das Gewicht freigelassen und schwang beim Fallen den langen Arm durch einen mächtigen Bogen.
»Ich hielt nicht viel von jenen Granaten, die wir besaßen«, fuhr Red John fort. »Sie wogen ja höchstens fünf Pfund. Wir hatten zuerst Schwierigkeiten, die Belagerungsmaschine so einzurichten, daß sie nur diese paar Meilen weit geschleudert wurden. Und was konnten wir schon damit ausrichten, fragte ich mich, wo sie doch höchstens mit einem kleinen Knall zerplatzen würden? Ich habe Belagerungsmaschinen bei der richtigen Arbeit gesehen, vor französischen Städten. Wir schleuderten Felsbrocken von ein oder zwei Tonnen Gewicht und manchmal tote Pferde, die wir über die Wände schleuderten. Aber Befehl war schließlich Befehl. Also spannte ich das Seil, wie man es mir aufgetragen hatte, und wir ließen fliegen. Wuummm! Die Welt flog in die Luft, sozusagen. Ich mußte zugeben, daß das sogar mehr Spaß machte als ein totes Pferd zu schleudern.
Nun, durch die Vergrößerungsscheiben konnten wir sehen, daß die Burg ziemlich gelitten hatte. Jetzt hatte es keinen Sinn mehr, sie zu überfallen. Wir schleuderten noch ein paar Granaten, um sicherzugehen, daß sich auch wirklich nichts mehr rührte. Jetzt ist da bloß noch eine einzige große, glasige Grube. Sir Owain dachte, wir hätten da eine Waffe, die viel nützlicher war als jede andere, die wir hätten mitnehmen könne, und ich muß sagen, daß er wohl recht haben wird. Also landeten wir im Wald, ein paar Meilen entfernt, und schleppten die Belagerungsmaschine hin und bauten sie wieder auf. Das hat so lange gedauert, Mylord. Als Sir Owain etwa um diese Zeit aus der Luft gesehen hatte, was hier geschah, feuerten wir eine Granate ab, bloß um dem Feind ein wenig Angst zu machen. Jetzt sind wir bereit, sie so lang und so ausgiebig zu bombardieren, wie Ihr das wünscht, Sire.«
»Aber das Boot?« fragte Sir Roger. »Die Feinde haben Metallschnüffler. Deshalb haben sie die Belagerungsmaschine im Wald nicht gefunden: die besteht aus Holz. Aber sie hätten doch das Boot entdecken müssen, wo auch immer ihr es verborgen habt.«
»Oh, das, Sire.« Red John grinste. »Sir Owain läßt unser Boot dort oben zwischen den anderen herumhuschen. Wer will schon in dem Schwarm einen Unterschied feststellen?«
Sir Roger lachte brüllend auf. »Euch ist ein herrlicher Kampf entgangen«, sagte er, »aber Ihr könnt schon die Freudenfeuer entzünden. Geh zurück und sag deinen Leuten, sie sollen das feindliche Lager beschießen.«
Wir zogen uns im vereinbarten Augenblick unter die Erde zurück, wobei wir eroberte Wersgor-Zeitstücke benutzten. Trotzdem spürten wir, wie die Erde erzitterte, und hörten das dumpfe Dröhnen, als ihre Anlagen und der größte Teil ihrer Bodenmaschinen zerstört wurden.
Ein einziger Schuß reichte aus. Die Überlebenden stürmten in blindem Schrecken an Bord eines der Transportschiffe und ließen eine ganze Menge völlig unversehrter Geräte zurück. Die kleinen Himmelsfahrzeuge verschwanden sogar noch schnell, so als hätte jemand sie weggeblasen. Und als die Sonne langsam in jener Richtung unterzugehen begann, die wir voll Heimweh als Westen bezeichnet hatten, flogen Englands Leoparden über Englands Sieg.