15. Am Grund der Tiefen

Einige Zeit verging. Gideon und ich unterhielten uns kurz. Dann hatten wir nichts mehr, worüber zu reden war. Er hatte draußen vor Sperrys Quartier auf mich gewartet, war überfallen und hereingeschleppt worden; wir waren gefangen.

Gideon hatte recht behalten.

Er lief ruhelos herum, probierte, suchte und spähte. Ich saß ruhig da und versuchte zu überlegen. Wirklich, wir waren in einer verzweifelten Lage. Mein Zweifel an Hallam Sperry hat-ten sich mehr als bestätigt. Er war zwar der Bürgermeister von Marinia, aber trotzdem ein Schurke und Verbrecher. Als Gefangene in seinem Heim waren wir hilflos. Und wir konnten nicht auf Hilfe von außen zählen, denn wer wäre da gewesen, um uns zu helfen? Bob Eskow hatte geleugnet, mich zu kennen, falls er überhaupt meine Mitteilung erhalten hatte.

Die Polizei — gut, sie würde uns helfen, aber dazu müßte sie wissen, in welchen Schwierigkeiten wir waren, und das erfuhr sie ja nicht. Meine Ausweispapiere waren nur bedingt gültig, und wenn ich nicht rechtzeitig beim Inspektor erschien, würde das Paßamt die ganze Sache vergessen. Und Gideon war selbst so etwas wie ein Ausgestoßener, der in Kelly's Königreich hauste, ohne Familie, ohne Freunde, die sich über seine Abwesenheit Gedanken machten.

Nein, auf Hilfe von außen konnten wir nicht hoffen.

Noch weniger auf Hilfe von innen.

Da sagte Gideon: »Jim, komm mal hierher.«

Ich schaute zu ihm hinüber. Er stand neben der klickenden, summenden Maschine und hielt etwas in der Hand, eine Spule mit einem metallischen Faden. »Jim, das war auf der Aufnahmespule«, sagte er aufgeregt. »Wahrscheinlich ist es das, was aus Catroni selbst herausgezogen wurde.«

Ich machte einen möglichst großen Bogen um die Leiche auf dem Tisch und ging zu ihm. Es war gespenstisch, im Gehirn eines Toten herumzupicken. »Was ist damit? « fragte ich.

»Ich weiß noch nicht«, antwortete er, doch er legte die Spule ein. »Es muß aber etwas sehr Wichtiges sein, wenn Hallam Sperry diesen Catroni umbringen muß, um daran zu kommen.«

Er führte den Metallfaden durch ein dünnes Loch zu einem Abspielgerät und legte einen Schalter um. Die Spule begann sich langsam zu drehen und glitt durch einen magnetischen Scanner. Er setzte die Kopfhörer auf, die an der Maschine hingen; sie waren kleiner als jene, die der Tote auf dem Kopf hatte, aber im Muster ähnlich. Einen zweiten Satz reichte er mir.

Ich setzte ihn auf und war sofort viele hundert Meilen entfernt im Kopf eines anderen Mannes. Ich sah, was er sah, fühlte, was er fühlte. Ich beobachtete eine Szene, die sich weit weg vor Monaten abgespielt hatte.

Sie waren in dem Seewagen, Catroni und mein Onkel Stewart und ein Mann namens Westervelt, von dem Sperry gesagt hatte, er sei spurlos verschwunden.

Ich hörte sie miteinander reden, als sei ich dabei; ich sah sie herumgehen, dies und jenes tun, die Geräte bedienen, Hebel bewegen, die den Wagen in die Tiefe schickten.

Dies war nämlich meines Onkels eigener Seewagen, der mit der neuen Edenitbeschichtung versehen war und einen sehr viel größeren Druck als die bisherige Beschichtung aushalten sollte.

Sechs Meilen tief war er nun, sechs Meilen, und noch immer gingen sie tiefer. Mit jedem Faden Tiefe wurden neue Rekorde aufgestellt, und die milchig glänzende Edenit-Panzerung hielt auch diesem ungeheuren Druck stand!

Mein Onkel Stewart klatschte Catroni auf den Rücken. »Es geht«, sagte er lachend. Catroni nickte ungeduldig. Seine Augen hingen am Tiefenmesser vor ihm. In Catronis Helm hörte ich ein gefährliches Flüstern, wortlos zwar, aber verständlich. Mich schauderte, ich lauschte und beobachtete und wußte, was nun kommen mußte.

Noch tiefer sank der Wagen, während Ingenieur Westervelt Geräte nachstellte und Catroni das steigende Niveau der Flüssigkeit in den Schwebetanks anpaßte. Stewart Eden führte sein kleines Schiff. Er sah aus wie ein Krieger, der gegen die Teufelsgötter des sagenhaften Atlantis kämpfte.

Manchmal war die Sicht etwas wolkig getrübt, als sei Catro-nis Aufmerksamkeit auf innere Gedanken gerichtet, die sich nicht mit der Szene vor ihm beschäftigten. Ich sah, daß der kleine Seewagen immer tiefer ging, bis er in fast acht Meilen Tiefe auf dem schlammigen Meeresboden zur Ruhe kam.

Dann war eine wolkige Pause, als verberge Catroni seine Gedanken sogar vor sich selbst. Aber dann und wann konnte ich doch einen Blick erhaschen, einen von meinem Onkel, von Westervelt und Catroni selbst, die eine schimmernde Edenitrü-stung anlegten, die Schleusen überprüften und schließlich auf den Seeboden hinausstiegen. Hier war jetzt sehr wenig zu sehen. Die hellen Flutleuchten des Seewagens, die auf der Oberfläche fünfzig Meilen weit zu erkennen waren, gingen in den Strömungen des Ozeanbodens fast unter. Der Boden selbst war ohne Merkmale, nur Schlamm.

Catroni und mein Onkel kamen miteinander zurück. Wester-velt stand an den Schleusenpumpen, um sie einzulassen. Dann verschwanden Westervelt und mein Onkel in den Maschinenraum.

Und Catroni tat das, wofür man ihn bezahlt hatte.

Während Westervelt und mein Onkel im Maschinenraum waren, entlud Catroni durch Kurzschluß drei ganze Reihen der Kaltröhrenzellen, die das Lebensblut des Schiffsantriebs waren. Er flutete alle Ballasttanks und zerschlug die wundervollen Pumpen, die Stewart Eden gegen den mächtigen Druck konstruiert hatte. Systematisch vernichtete er auch die sonische Verständigungsausrüstung.

Dann wartete er auf die Rückkehr meines Onkels und Westervelts. Als sie kamen, schlüpfte er an ihnen vorbei und rechnete damit, daß sie nicht auf die Instrumentenanzeiger sehen würden. Er wußte, daß auf den ersten Blick von seiner Arbeit nichts zu sehen war, denn er hatte die Pumpendeckel wieder aufgelegt, und die Kaltröhrenzellen sahen so wie immer aus.

An der Schleuse machte er auch die Druckanzüge aus Spezia-ledenit unbrauchbar, die mein Onkel und Westervelt getragen hatten.

Dann floh er. Das Klicken des Schleusenschlosses war die erste Warnung.

Catroni hielt sich in seiner Edenitpanzerung noch etwa eine halbe Stunde beim Seewagen auf. Er wußte natürlich, daß weder mein Onkel, noch Westervelt leicht aufgaben, und er wartete auf das, was sie tun würden.

Er sah, daß sich sehr langsam das Schleusentor wieder schloß. Catroni wunderte sich darüber, und etwas wie Bewunderung war in seinem Geist zu lesen.

Daß die Tür geschlossen wurde, war an sich schon erstaunlich. Die beiden, die dem sicheren Tod ausgeliefert schienen, hatten wohl den Kaltröhrenzellen das letzte bißchen Energie entzogen, um die Motoren in Tätigkeit zu setzen, die jene Schleusentür zuschoben. Es war jedoch hoffnungslos, das Wasser aus der Schleusenkammer selbst pumpen zu können. Sie konnten jetzt nur noch darauf hoffen, daß sie die innere Tür öffnen konnten, und dann schoß das Wasser in das Innere des Seewagens und machte das Leben dort noch unerträglicher. Die Energie, die sie dafür verbrauchten, würde ihnen Wochen ihres Lebens stehlen, denn wenn erst die Zellen völlig leer waren, mußte sie sterben, falls nicht doch die Edenit-Panzerung nachgab und der Wasserdruck sie vorher zerquetschte.

Sie versuchten es. Und es gelang ihnen, einen der Spezialdruckanzüge zu reparieren.

Wir spürten in Catronis Geist Verblüffung und Angst. Er sah, wie sich die Schleuse wieder öffnete, sah eine Gestalt in schimmerndem Anzug vorsichtig heraussteigen, und wir fühlten ein Zögern, ob er den Mann nun angreifen sollte, der es wagte, hier am Boden des tiefen Ozeans weiterleben zu wollen.

Aber der Ozean tat Catronis Arbeit.

Der Anzug war beschädigt, und so konnte auch die Spezial-Edenit-Ausrüstung an den Flickstellen dem ungeheuren Druck nicht standhalten.

Catroni hatte sich außerhalb der Reichweite der Scheinwerfer versteckt. Er sah, wie sich die Gestalt im Anzug ein Stück bewegte, wie der Mann versuchte, den winzigen Propeller anzuwerfen, der ihn in Sicherheit hätte bringen sollen, sah den schimmernden Arm, der sich hob . . .

Eine ganze Seite des Anzuges wurde schwarz!

Der Eden-Effekt, die wunderbare Aktivierung der Metallmoleküle, die den Druck in sich selbst zurücklenkte, ist nur solange wirksam, als der Film milchig schimmert. Wenn dieser Schimmer erstirbt, wird die Anzugbeschichtung zu gewöhnlichem Metall und kann dem Druck des Wassers in diesen Tiefen auf gar keinen Fall widerstehen.

Die dunkle Seite des Anzugs wurde zusammengepreßt wie eine Blechdose in einer hydraulischen Presse. Die andere Seite schwoll an und wurde ebenfalls dunkel. Eine kleine Blase formte sich, die ein wenig stieg und außer Sicht verschwand.

Und eine leichte Strömung trieb den Körper davon.

Catroni wartete noch einen Moment länger, denn er konnte damit rechnen, daß der andere Mann im Seewagen ebenfalls dieses Abenteuer wagen würde. Dann stellte Catroni seinen eigenen Propeller an, und die Energie seines Schulterpacks trug ihn sieben Meilen und mehr nach oben, wo ein gechartertes Amphibien-Tauchschiff wartete ...

Wir hätten noch mehr sehen können, doch das genügte uns. Außerdem wurden wir unterbrochen.

Jemand brüllte und riß mir den Helm vom Kopf, und die fernen Eindrücke löschten aus wie eine Lampe. Der Affenbutler grinste mich an, und Hallam Sperry stand hinter ihm.

»Ha, die Gentlemen sind aber eifrig an der Arbeit«, rumpelte Hallam Sperry. »Spionieren und herumsuchen. Nun, wir ließen euch hier, und da habe ich wohl kein Recht, mich darüber zu beklagen.«

Ich versuchte ihn anzufallen, doch die unglaubliche Kraft des Orangbutlers hielt mich auf. »Sperry!« schrie ich gellend, »Sie haben diesen Gangster angeheuert, um meinen Onkel zu töten!«

Sperry zuckte die Schultern. »Hm, vielleicht hab' ich das getan«, gab er zu. »Hier wird um hohe Einsätze gespielt, junger Mann. Solange man gewinnt, ist es egal, auf welche Art.«

Ich fühlte, wie sich Gideon hinter mir zum Sprung auf Sperry bereit machte, aber auch der Butter bemerkte es. Mich ließ er fallen, sprang zurück und riß einen Revolver aus der Tasche.

»Moment«, warnte er.

Hallam Sperry lachte. »Setzen Sie sich doch, Gentlemen«, befahl er. »Brooks wird sich wesentlich behaglicher fühlen. Sie auch.«

Brooks. Ich besah mir diesen Mann noch einmal, und nun weckte der Name in mir eine Erinnerung. »Oh«, sagte ich. »Jetzt weiß ich's. Sie waren einer von jenen Männern, die mich zusammenschlugen und in den Abwasserkanal warfen.«

Sperry nickte. »Sie haben ein sehr genaues Wahrnehmungsvermögen«, bestätigte er. »Er war es. Aber das ist jetzt vorbei. Wir wollen es also vergessen. Frage: Was tun wir jetzt?«

»Wahrscheinlich dasselbe, was Sie mit meinem Onkel getan haben«, erwiderte ich voll Bitterkeit. »Sie würden mich umbringen, ohne auch nur die leisesten Gewissensbisse zu spüren.«

»Sicher. Wenn es sein muß. Aber ich wünsche ...« Sperry musterte mich voll Berechnung. »Ich wünsche, ich hätte ein wenig mehr Informationen. Dieser Narr Catroni war ein bißchen zu hastig, wie Sie wahrscheinlich selbst gesehen haben. Er hatte den Befehl, zu warten, bis Stewart Eden die Ergebnisse seiner Expedition schriftlich festgehalten hatte. Er hatte vielleicht Angst, das Schiff oben würde nicht auf ihn warten. Er verließ also den Seewagen so vorzeitig. Ich weiß also überhaupt nichts von dem, woran mir lag. Gibt es am Boden der Tiefen nun Uran oder nicht?«

»Mr. Sperry, soll ich sie an die Gehirnpumpe anschließen?« fragte Brooks eifrig.

Sperry schüttelte den Kopf. »Nur Geduld, Brooks«, rumpelte er. »Junger Mann, Sie wissen doch, was die Gehirnpumpe tun kann. Ich mußte sie bei Catroni einsetzen, weil ich nicht glauben konnte, daß er wirklich so dumm war. Ich dachte, er wollte mich betrügen, doch das schien nicht zuzutreffen. Er starb wegen meines Verdachts. Zugegeben, es ist kein schöner Tod, und die Gehirnpumpe ist für jene, die an sie angeschlossen werden, wahrlich kein Vergnügen.« Er musterte mich aus zusammengekniffenen Augen, dann fuhr er wie zu sich selbst sprechend fort: »Ich nehme ja wirklich nicht an, daß Sie etwas über die Angelegenheiten Ihres Onkels wissen, das mir entgangen sein könnte. Aber ich kann nicht das Risiko eingehen, mich zu irren. Ich könnte Sie also leicht an die Gehirnpumpe anschließen und es herausfinden. Natürlich wissen Sie, daß Sie dann tot sein werden, wenn ich's tue.«

»Sperry, mich können Sie nicht bluffen«, sagte ich.

»Bluffen? Das tu ich niemals. Ich erwäge nur die Möglichkeiten. Und ich möchte Ihnen auch nicht verhehlen, daß ich Sie im Moment noch gar nicht tot sehen möchte. Sie sind mir noch immer diese Anteile schuldig. Sind Sie tot, geht das alles an Ihre Erben, wer immer die auch sein mögen. Kreuzen sie auf, muß ich mich mit denen beschäftigen. Können Sie aber nicht gefunden werden, wird das Gericht ersatzweise eintreten und für die Zukunft deren Interessen schützen. Sie verstehen, daß ich hier in Marinia großen Einfluß habe, und eine Katastrophe wäre so etwas nicht, aber es würde mir nicht gerWepwsrieen<

»Die Anteile«, erwiderte er scharf. »Überschreiben Sie mir die.«

»Und dann was?« forderte ich zu wissen. »Dann töten Sie uns?«

Sperry breitete die Hände aus. »Was soll ich dazu sagen?« erwiderte er leise, trat einen Schritt näher und sah mir mit seinen eisigen Augen tief in die meinen. »Es gibt viel schlimmere Dinge, als nur umgebracht zu werden, junger Mann.« Lange verkrallten sich unsere Blicke ineinander, dann blinzelte er und war wieder ein höflicher, netter, alter Mann.

»Sie sehen, ich spreche mit Ihnen über alles, was ich im Kopf habe. Offen und ehrlich. Das zahlt sich immer aus. Ich will, daß Sie meine Lage klar sehen, Mr. Eden. Ich habe einige Anteile der Marine Mines, doch ich will sie alle. Ich habe den ersten Versuchswagen Ihres Onkels mit der gleichen Ausstattung wie jener, den Catroni für mich — äh — neutralisiert hat. Ich stelle mir vor, daß er ebenso leistungsfähig ist. Ist dort unten Uran, dann will ich es haben. Auf der ganzen Welt herrscht Uranmangel, und der Mann, der genug davon hat, kann sich die ganze Welt dafür kaufen.«

In seinen Augen flackerte animalische Gier, und für einen Moment sah ich Hallam Sperry so wie er war, den Wolfsmenschen, der alles vernichtete, was ihm auf dem Weg zur Ultimaten Macht vor die Füße kam.

Hallam Sperry seufzte schwer und wandte sich ab. »Brooks, Sie kümmern sich um die zwei«, befahl er. »Etwas später will ich noch einmal mit ihnen reden.«

Dann war er gegangen, und die Tür schlug hinter ihm zu.

Wir waren in einer aussichtslosen Lage. Zu einem Ärger waren viele andere Schwierigkeiten gekommen, aber das Schlimmste sollte erst noch kommen.

Und dieses Schlimmste war — Gideon.

Als Hallam Sperry ging, ließ er uns unter Brooks wachsamen Augen zurück. Gideon saß unbeweglich an der Wand, rührte sich lange nicht, und ich machte mir Sorgen. »Gideon?« fragte ich leise.

Er antwortete nicht, sondern starrte nur vor sich hin. Sein Gesicht war faltig und voller Angst. Fast sah ich ihn zittern.

Das war der schlimmste Schock für mich: Gideon schien völlig die Nerven verloren zu haben. Erst jetzt wurde mir klar, wie sehr ich mich auf seine Stärke verlassen hatte, auf seine Weisheit und Geduld — und jetzt stand er unmittelbar vor dem Zusammenbruch.

Es sah recht finster für uns aus.

Brooks bemerkte es und grinste. »Sind doch alle gleich«, meinte er verächtlich. »Der macht uns keinen Ärger mehr. Und du auch nicht«, fügte er kalt hinzu.

»Der einzige Ärger ist nur der, den du dir selber machst«, bemerkte ich. »Damit kannst du nicht davonkommen.«

»Was? Das können wir nicht?« Ehe ich mich's versah, knallte er mir seine waffenscheinpflichtige Hand an den Kopf. Ich taumelte.

»So, das war jetzt für nichts. Also tu nichts«, warnte er mich.

Ich schüttelte den Kopf und erhob mich auf Hände und Knie. Auf der Akademie hatten wir natürlich häufig den Kampf Mann gegen Mann trainiert, und hätte ich auf Gideon zählen können, daß er für Ablenkung sorgte, hätte ich ihn schon angegriffen, obwohl er wesentlich schwerer war als ich und ein Muskelpaket war. Aber Gideon saß noch immer starr hinter mir und schien nicht einmal zu bemerken, was vorging.

»Brooks, dafür wirst du noch bezahlen«, sagte ich. »Im Moment habt ihr uns, aber früher oder später wird dich doch jemand in die Finger kriegen, wenn du kein Schießeisen bei dir hast.«

»Schießeisen?« bemerkte er verächtlich. »Wer braucht denn eines?« Er klopfte sich auf die Tasche. »Da ist's, und da bleibt's. Wenn ich mit euch zwei miserablen Figuren nicht ohne Kanone fertig werde, kann ich gleich freiwillig nach Alcatraz zurückgehen und Steine klopfen.« Er trat einen Schritt näher und stand nun drohend über mir. »Auf die Füße, Kleiner. Ich hab' heute mein Morgentraining noch nicht gehabt. Und wenn du ein bißchen Sport treiben willst — bitte sehr. Sperry macht's nichts aus, wenn ich dich für die Gehirnpumpe vorher ein bißchen weich klopfe.«

Die Gehirnpumpe . . . Das also hatten sie mit uns vor...

»Na, komm schon«, forderte er mich auf, und seine Augen glühten gierig. Er war wirklich ein starkes, wildes Tier mit kräftigen Stiefeln und einer Gemeinheit, die aber nichts Tierisches an sich hatte, weil sie nur ein Mensch aufbringen kann. Es sah ganz so aus, als stehe mir eine harte Zeit bevor.

Ich stemmte mich in die Höhe und sprang ihn an. Es war so, als springe ich einen Tiger-Tank an; er schleuderte mich mit einem Hieb seiner Riesenfaust weg. Er lachte, drosch auf mich ein, ich prallte von der Wand ab und...

Da griff Gideon ein.

Wie ein schwarzer Blitz sprang er auf und hockte dem Orang im Genick. Ich griff wieder an, bezog aber einen Schlag von Brooks, der mich zu Boden schickte. Für einen Augenblick konnte ich nur die beiden beobachten, weil meine Muskeln mir nicht gehorchten. Sie waren ein ungleiches Kämpferpaar — Gideon etwas größer als der Affenmann, aber mindestens fünfzig Pfund leichter. Nach der ersten Überraschung schnaufte Brooks nur ein bißchen, und schon flog Gideon in eine Ecke. Der Butler folgte ihm und erwischte ihn an der Kehle. Diese enormen Pranken schüttelten das Leben aus Gideon heraus. Ich kauerte hier, gelähmt, mußte mit meinem eigenen Körper kämpfen, um aufzustehen und Gideon zu helfen...

Aber Gideon brauchte keine Hilfe. Die harte Zeit in Kelly's Königreich hatte ihn mehr Tricks gelehrt, als wir auf der Akademie hatten lernen können. Ich sah nicht einmal, was eigentlich geschah. Ich sah nur, daß Gideon die Knie hochzog und dann voll ungeheurer Kraft den Affen in eine Ecke beförderte und im nächsten Augenblick über ihm war. Dann griff der Butler nach seiner Waffe.

Im nächsten Augenblick stand Gideon blutend und atemlos über ihm, die Waffe in der Hand.

»Jim, steh auf«, keuchte Gideon. »Wir machen einen kleinen Spaziergang.«

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