Sestine eines Vampirs



Ich warte hier am Übergang zum Traum,

umhüllt von Schatten. Dunkel schmeckt die Nacht,

so kalt und klar, ich harre meiner Liebe.

Der Mondschein bleicht die Farbe aus dem Stein.

Sie kommt, dann pirschen wir uns an die Welt,

belebt von Finsternis und Gier nach Blut.

Ein Solitär ist diese Jagd nach Blut.

Doch hat nicht jeder Recht auf einen Traum?

Ich gäbe ihn nicht auf, nicht für die Welt.

Der Mondschein saugt das Dunkel aus der Nacht.

Ich steh im Schatten, blick auf ihren Stein:

Untot, mein Liebster … Untot, meine Liebe?

Ich träumte heut im Schlaf von dir und Liebe

war kostbarer als Leben, selbst als Blut.

Die Sonne sucht nach mir tief unterm Stein.

Ein Toter bin ich und lag doch im Traum,

bis ich erwacht als Schwaden in der Nacht

und Abend zwang hinaus mich in die Welt.

Jahrhunderte ging ich um in der Welt,

schenkte etwas, das ähnlich war wie Liebe:

gestohl’ner Kuss, zurück dann in die Nacht,

gesättigt von dem Leben und dem Blut.

Morgens war ich dann nichts als nur ein Traum,

mein kalter Leib lag tief unter dem Stein.

Ich tu dir nichts, sagt ich. Bin ich aus Stein?

Dass ich der Zeit dich preisgab und der Welt?

Ich bot dir Wahrheit jenseits deines Traums,

doch du hingegen botest nichts als Liebe.

»Sei nur ganz unbesorgt«, sagt ich, »denn Blut

schmeckt süßer noch im Flug und in der Nacht.«

Manche der Liebsten stehen auf des Nachts,

andere liegen ewig unterm Stein,

erfahren nie die Lust von Bett und Blut,

vom Wandeln durch die Schatten dieser Welt,

sind nichts als Würmerfraß. O, meine Liebe,

es schien, du seist erwacht, in meinem Traum.

Ich wart an deinem Stein die halbe Nacht,

doch du ziehst vor den Traum der Jagd nach Blut.

Leb wohl, Geliebte. Ich bot dir die Welt.




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