Im Dutzend billiger



Peter Pinter hatte nie von Aristippos von Kyrene gehört, einem eher unbekannten Schüler Sokrates’, der die Ansicht vertreten hatte, die Vermeidung von Problemen und Schwierigkeiten sei das höchste erreichbare Gut. Dennoch hatte Peter sein ganzes ereignisarmes Leben nach genau diesem Grundsatz gelebt. Er war ein in jeder Hinsicht moderater Mann, mit der kleinen Ausnahme, dass er unfähig war, ein Sonderangebot auszuschlagen. Aber wer von uns kann sich von diesem Laster schon gänzlich freisprechen? Er neigte niemals zu Extremen. Seine Sprache war stets angemessen und zurückhaltend. Er aß nie im Übermaß, trank genug, um als gesellig zu gelten, aber nicht mehr. Er war nicht reich, doch auch keineswegs arm. Er mochte die Menschen und wurde gemocht. Wenn man all dies bedenkt, hätten Sie je geglaubt, ihn in einem heruntergekommenen Pub in einem verrufenen Viertel des Londoner East Ends anzutreffen, wo er einen Mord in Auftrag gab? Den Mord an einer Person, die er kaum kannte? Natürlich nicht. Sie hätten nicht einmal damit gerechnet, dass er einen solchen Pub überhaupt betreten würde.

Und bis zu einem bestimmten Freitagnachmittag hätten Sie völlig Recht gehabt. Doch die Liebe einer Frau kann die seltsamsten Dinge mit einem Mann anstellen, selbst wenn er so farblos ist wie Peter Pinter. Und die Entdeckung, dass Miss Gwendolyn Thorpe, dreiundzwanzig Jahre alt, wohnhaft in Purley, Oaktree Terrace Nr. 9, mit einem aalglatten jungen Mann aus der Buchhaltung herummachte (um es vulgär auszudrücken) – wohlgemerkt nachdem sie eingewilligt hatte, einen Verlobungsring zu tragen, der aus neunkarätigem Gold und echten Rubinsplittern bestand und einen Stein vorzuweisen hatte, der möglicherweise ein Diamant war (Kostenpunkt: siebenunddreißig Pfund, fünfzig Pence) und den auszusuchen Peter beinah eine ganze Mittagspause gekostet hatte –, kann in der Tat höchst seltsame Dinge mit einem Mann anstellen.

Nach dieser schockierenden Entdeckung verbrachte Peter eine schlaflose Freitagnacht, wälzte sich von einer Seite auf die andere, während Visionen von Gwendolyn und Archie Gibbons (so hieß der Don Juan aus der Buchhaltung von Clamages) vor seinem geistigen Auge erstanden, Visionen, in denen das heimliche Paar Dinge miteinander tat, die, so hätte selbst Peter bei eindringlicher Befragung zugeben müssen, höchst unwahrscheinlich waren. Doch die Galle der Eifersucht war in ihm aufgestiegen und in den frühen Morgenstunden war Peter zu dem Schluss gekommen, dass sein Rivale beseitigt werde müsse.

Den Samstagmorgen verbrachte er damit zu überlegen, wie man wohl am besten einen Mörder kontaktierte, denn soweit er wusste, arbeitete keiner bei Clamages (jenem Warenhaus, welches alle drei Mitglieder unseres ewigen Dreiecks beschäftigte und wo, nebenbei bemerkt, auch der Ring erstanden worden war). Und Peter wollte niemanden direkt danach fragen, denn er wollte ja keine Aufmerksamkeit erregen.

So kam es, dass der Samstagnachmittag ihn über die Gelben Seiten gebeugt fand.

Gedungene Mörder, musste er feststellen, standen nicht zwischen Gebäudereinigung und Geflügelzucht, auch unter Mörder, gedungen wurde er zwischen Möbeltransporte und Molkereibedarf nicht fündig, noch gab es zwischen Astrologie und Aufzüge so etwas wie Auftragskiller. Kammerjäger klang viel versprechend, doch bei näherem Studium der entsprechenden Einträge musste er erkennen, dass diese Firmen sich eher der Ausrottung von »Ratten, Mäusen, Flöhen, Kakerlaken, Kaninchen, Maulwürfen und Ratten« verschrieben hatten (um eine Anzeige zu zitieren, die, so fand Peter, in übertriebener Weise auf den Ratten herumhackte). Das war es nicht, was er suchte. Da er aber ein methodischer Mensch war, ging er alle Einträge der Kategorie systematisch durch und unten auf der zweiten Seite fand er einen Eintrag in unauffälligem Kleindruck, der viel versprechend aussah:

»Vollständige, diskrete Entsorgung lästiger und unliebsamer Säugetiere etc.«, stand dort. »Ketch, Hare, Burke & Ketch. Die Alte Firma.« Eine Adresse war nicht angegeben, nur eine Telefonnummer.

Peter überraschte sich selbst, als er die Nummer wählte. Das Herz hämmerte in seiner Brust und er versuchte, ganz lässig zu wirken. Es klingelte einmal, zweimal, dreimal. Peter fing gerade an zu hoffen, dass niemand abheben würde und er die ganze Sache vergessen konnte, als es plötzlich klickte und eine forsche junge Frauenstimme sagte: »Ketch, Hare, Burke & Ketch. Was kann ich für Sie tun?«

Sorgsam vermied es Peter, seinen Namen zu nennen und fragte: »Ähm, wie groß … ich meine, bis zu welcher Art Säugetiere erstreckt sich ihr Angebot? Zur, ähm, Entsorgung?«

»Nun, das hängt ganz von Ihren Wünschen ab, Sir.«

Er sammelte seinen Mut. »Auch Menschen?«

Ihre Stimme blieb geschäftsmäßig und unbeeindruckt. »Selbstverständlich, Sir. Haben Sie etwas zu Schreiben zur Hand? Gut. Seien Sie heute Abend um acht Uhr im Dirty Donkey. Das ist ein Pub an einer Seitenstraße der Little Courtney Street. Tragen Sie eine zusammengerollte Financial Times bei sich – das ist die rosafarbene, Sir – und unser Mitarbeiter wird dort auf sie zukommen.« Dann legte sie auf.

Peter war gehobener Stimmung. Das war viel einfacher gewesen, als er sich vorgestellt hatte. Er ging hinunter zum Kiosk und kaufte sich eine Financial Times, fand die Little Courtney Street in seinem London von A–Z und verbrachte den Rest des Nachmittags vor dem Fernseher, sah sich ein Fußballspiel an und malte sich die Beerdigung des aalglatten jungen Mannes aus der Buchhaltung aus.



Peter brauchte ein Weilchen, bis er den Pub fand. Schließlich entdeckte er das altmodische Wirtshausschild, das einen Esel zeigte und in der Tat bemerkenswert schmutzig war.

Der Dirty Donkey war ein kleiner, eher schmieriger und schummrig beleuchteter Pub, wo unrasierte Männer in schweren Arbeiterjacken – Donkey Jacketts genannt – zusammenstanden und einander argwöhnisch beäugten, Chips aßen und Guinness schlürften, ein Getränk, das Peter noch nie gemocht hatte. Er trug seine Financial Times so auffällig wie nur möglich unter dem Arm, aber niemand sprach ihn an. Also bestellte er ein kleines Alsterwasser und zog sich an einen Ecktisch zurück. Weil ihm nichts einfiel, womit er sich sonst die Wartezeit hätte vertreiben können, versuchte er, die Zeitung zu lesen, doch bald geriet er völlig durcheinander und verlief sich in einem Labyrinth unverständlicher Ausdrücke. Von Getreide-Futures war da etwa die Rede und von irgendeinem Index, der »zum Wochenschluss mit unterstützenden Vorgaben aus Übersee eine Trendwende vollzogen und in einer sich beschleunigenden Aufwärtsbewegung fast fünf Prozent fester geschlossen« habe, (was genau fest verschlossen worden war, blieb Peter unklar) und er gab auf und starrte zur Tür.

Er hatte schon fast zehn Minuten gewartet, als ein kleiner, geschäftiger Mann hereinkam, sich flink umsah, dann geradewegs ans Peters Tisch kam und Platz nahm.

Er streckte die Hand aus. »Kemble. Burton Kemble von Ketch, Hare, Burke & Ketch. Ich hörte, Sie haben einen Auftrag für uns.«

Er sah nicht aus wie ein Killer. Und das sagte Peter ihm auch.

»Um Himmels willen, nein. Ich gehöre nicht zu unseren Einsatztrupps, Sir. Ich bin im Verkauf tätig.«

Peter nickte. Das klang durchaus vernünftig. »Können wir hier … ähm … offen reden?«

»Sicher. Das interessiert hier niemanden. Also dann: wie viele Personen hätten Sie denn gern entsorgt?«

»Nur eine. Der Name ist Archibald Gibbons und er arbeitet in der Buchhaltung bei Clamages. Seine Adresse lautet …«

Kemble unterbrach ihn: »Zu den Einzelheiten kommen wir später, Sir, wenn es Ihnen recht ist. Lassen Sie uns zuvor eben das Finanzielle abklären. Grundsätzlich kostet ein solcher Auftrag Sie fünfhundert Pfund …«

Peter nickte. Das konnte er sich leisten. Er hatte sogar damit gerechnet, ein bisschen mehr zahlen zu müssen.

»… wir hätten da aber auch noch unser Sonderangebot«, schloss Kemble.

Peters Augen leuchteten auf. Wie bereits erwähnt, liebte er Schnäppchen und kaufte bei Sonderaktionen oder Räumungsverkäufen häufiger schon einmal Gegenstände, für die er überhaupt keine Verwendung hatte. Abgesehen von dieser einen Schwäche (die ja so viele von uns haben), war er ein in allen Dingen ausgesprochen maßvoller junger Mann. »Sonderangebot?«

»Zwei zum Preis von einem, Sir.«

Hhm. Peter dachte darüber nach. Das waren nur 250 £ pro Nase, da konnte man wirklich nicht meckern. Es gab nur einen Haken. »Ich fürchte, ich habe sonst niemanden, den ich umbringen lassen möchte.«

Kemble schien enttäuscht. »Was für ein Jammer, Sir. Für zwei hätten wir vielleicht sogar auf, sagen wir mal, vierhundertfünfzig runtergehen können. Für beide zusammen.«

»Wirklich?«

»Nun ja, es würde unsere Einsatztruppe beschäftigen, Sir. Sie müssen wissen«, und an dieser Stelle senkte er die Stimme, »dass es in diesem Geschäftsbereich derzeit leider nicht genug zu tun gibt, um sie alle auf Trab zu halten. Nicht wie in den alten Zeiten. Gibt es denn nicht eine einzige weitere Person, die sie lieber tot sähen?«

Peter grübelte. Er konnte es nicht ausstehen, ein Schnäppchen auszuschlagen, aber ihm fiel einfach beim besten Willen niemand ein. Er mochte die Menschen im Allgemeinen. Trotzdem, ein Sonderangebot war ein Sonderangebot …

»Hören Sie, könnte ich noch einmal darüber nachdenken und wir treffen uns hier morgen wieder?«

Die Miene des Verkäufers hellte sich auf. »Aber selbstverständlich, Sir«, sagte er. »Ich bin überzeugt, Ihnen wird noch ein Name einfallen.«

Die Lösung – die eigentlich doch auf der Hand lag – fiel Peter unmittelbar vor dem Einschlafen ein. Er setzte sich kerzengerade im Bett auf, tastete nach dem Schalter der Nachttischleuchte und schrieb den Namen auf die Rückseite eines alten Briefumschlags, für den Fall, dass er ihn vergaß. Ehrlich gesagt glaubte er nicht, dass er den Namen vergessen könnte, denn er war ja auf so schmerzliche Weise nahe liegend, aber man weiß nie – bei diesen Nachtgedanken vor dem Einschlafen.

Der Name, den er auf der Rückseite des Briefumschlages notiert hatte, lautete: Gwendolyn Thorpe.

Er schaltete das Licht aus, drehte sich auf die Seite und schlief bald tief und fest, träumte selige und bemerkenswert unmörderische Träume.



Kemble erwartete ihn schon, als er am Sonntagabend in den Dirty Donkey kam. Peter holte sich etwas zu trinken und setzte sich zu ihm.

»Ich nehm das Sonderangebot«, verkündete er zur Begrüßung.

Kemble nickte eifrig. »Eine äußerst weise Entscheidung, wenn Sie die Bemerkung gestatten, Sir.«

Peter Pinter lächelte bescheiden. Es war das Lächeln eines Mannes, der die Financial Times liest und weise Geschäftsentscheidungen trifft. »Das sind dann vierhundertfünfzig Pfund, stimmt’s?«

»Sagte ich vierhundertundfünfzig Pfund, Sir? Du meine Güte, wie dumm von mir. Ich bitte vielmals um Entschuldigung, aber ich hatte wohl unseren Mengenrabatt im Kopf. Ich fürchte, bei zwei Objekten beläuft sich der Preis auf vierhundertfünfundsiebzig Pfund.«

Enttäuschung und Raffgier spiegelten sich in Peters freundlichem, jugendlichem Gesicht wider. Das waren 25 £ mehr, als er gerechnet hatte. Doch Kemble hatte etwas gesagt, das sein Interesse von neuem weckte.

»Mengenrabatt?«

»Gewiss, aber ich bezweifle, dass dies für Sie infrage kommen könnte, Sir.«

»Doch, doch, bestimmt. Erklären Sie es mir.«

»Wie Sie wünschen, Sir. Für einen größeren Auftrag gewähren wir Mengenrabatt, sodass die Entsorgung von zehn Personen nur vierhundertfünfzig Pfund kosten würde.«

Peter fragte sich, ob er sich vielleicht verhört hatte. »Zehn Leute? Aber das wären nur fünfundvierzig Pfund pro Kopf.«

»Ja, Sir. Es ist der Umfang des Auftrags, der ihn für uns profitabel machen würde.«

»Verstehe«, sagte Peter und »Hhm«, sagte Peter und: »Könnten Sie morgen Abend noch mal herkommen?«

»Natürlich, Sir.«

Kaum zu Hause, kramte Peter Papier und Stift hervor. An den linken Seitenrand schrieb er die Zahlen eins bis zehn untereinander. Dann setzte er die Namen dahinter wie folgt:

1. Archie G.

2. Gwennie.

3. …

und so weiter.

Nachdem er die ersten beiden eingetragen hatte, saß er da und kaute an seinem Stift und zermarterte sich das Hirn, um sich an jedes Unrecht zu erinnern, das ihm je zugefügt worden war, und dachte über Leute nach, ohne die die Welt glücklicher wäre.

Er rauchte eine Zigarette. Er ging im Zimmer umher.

Aha! An seiner Schule hatte es einen Sportlehrer gegeben, dem es das größte Vergnügen bereitet hatte, Peter das Leben zur Hölle zu machen. Wie hieß der Kerl doch gleich wieder? Und lebte er überhaupt noch? Peter war nicht sicher, also schrieb er kurzerhand hinter die Nummer 3.: Sportlehrer der Oberschule an der Abbot Street. Beim Nächsten ging es schon schneller. Vor ein paar Monaten hatte sein Abteilungsleiter sich geweigert, Peter eine Gehaltserhöhung zu geben. Inzwischen war die Gehaltserhöhung zwar doch gekommen, aber das war ja nicht entscheidend. Mr. Hunterson wurde Nummer vier.

Als er fünf Jahre alt gewesen war, hatte ein Junge namens Simon Ellis ihm Farbe über den Kopf geschüttet, während ein anderer Junge namens James Sowieso in festgehalten und ein Mädchen namens Sharon Hartsharpe gelacht hatte. Sie wurden die Nummern fünf bis sieben.

Wer noch?

Im Fernsehen las ein Mann mit einem unangenehmen Grinsen die Nachrichten vor. Er kam auf die Liste. Und was war mit der Frau in der Wohnung nebenan mit dem kläffenden Köter, der immer in die Halle schiss? Sie und der Kläffer kamen an Nummer neun. Zehn war am schwierigsten. Er kratzte sich am Kopf, ging in die Küche, um sich eine Tasse Kaffee zu holen, und stürzte dann zurück und schrieb ›Mein Großonkel Mervyn‹ hinter die 10. Es ging ein Gerücht, der alte Knabe sei ziemlich reich, und es bestand immerhin die Möglichkeit, dass er Peter ein bisschen Geld hinterlassen würde (auch wenn die Wahrscheinlichkeit äußerst gering war).

Sehr zufrieden mit den Ergebnissen seiner abendlichen Denkleistung ging er zu Bett.

Der Montag bei Clamages verlief routinemäßig. Peter war Verkäufer in der Buchabteilung – eine Position ohne viel Verantwortung und Stress. Er hielt seine Liste in den Abgründen der Hosentasche fest mit der rechten Hand umklammert und ergötzte sich an dem Gefühl von Macht, das sie ihm gab. Er verbrachte eine höchst angenehme Mittagspause in der Kantine zusammen mit der hübschen Gwendolyn (die nicht ahnte, dass er sie und Archie zusammen im Lager hatte verschwinden sehen) und schenkte dem aalglatten jungen Mann aus der Buchhaltung gar ein Lächeln, als er ihm auf dem Flur begegnete.

Am Abend überreichte er Kemble voller Stolz seine neue Liste.

Der kleine Verkäufer machte ein langes Gesicht.

»Ich fürchte, dies sind nicht zehn Namen, Mr. Pinter«, erklärte er. »Sie haben die Frau von nebenan und ihren Hund als eine Person zusammengefasst. Das bringt uns auf insgesamt elf und das macht zusätzlich …« Er förderte hurtig seinen Taschenrechner zu Tage »… noch einmal siebzig Pfund. Wie wäre es, wenn wir den Hund vernachlässigten?«

Peter schüttelte den Kopf. »Der Hund ist so schlimm wie die Frau. Wenn nicht schlimmer.«

»Dann, fürchte ich, haben wir ein kleines Problem. Es sei denn …«

»Was?«

»Es sei denn, Sie wollen unseren En-gros-Tarif nutzen, Sir. Es ist ein regelrechter Dumpingpreis. Aber gewiss sind Sie nicht …«

Es gibt Wörter, die bei bestimmten Menschen etwas auslösen, Wörter, die ihre Gesichter vor Freude, Erregung oder Eifer erstrahlen lassen. Umwelt kann ein solches Wort sein, Okkult ein anderes. Dumpingpreis war Peters. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Erklären Sie das genauer«, verlangte er mit der unerschütterlichen Selbstsicherheit des erfahrenen Käufers.

»Nun, Sir«, begann Kemble und gestattete sich ein kleines, leises Lachen. »Wir können sie en gros für Sie entsorgen. Zu siebzehn Pfund fünfzig pro Kopf ab fünfzig aufwärts, wenn es über zweihundert sind, kostet es sogar nur einen Zehner pro Objekt.«

»Und ich nehme an, Sie gehen auf fünf Pfund runter, wenn ich tausend Leute aus dem Weg geräumt haben will?«

»O nein, Sir«, Kemble schien schockiert. »Bei solchen Größenordnungen können wir unseren Service zu einem Pfund pro Kopf anbieten.«

»Ein Pfund?«

»Ganz recht, Sir. Die Gewinnmarge ist eher schmal, aber der hohe Umsatz und die Produktivitätssteigerung würden den Preis durchaus rechtfertigen.«

Kemble erhob sich. »Morgen Abend, gleiche Zeit, Sir?«

Peter nickte.

Eintausend Pfund. Eintausend Menschen. Peter Pinter kannte nicht einmal eintausend Menschen. Und trotzdem … wie wäre es zum Beispiel mit den Houses of Parliament? Er hatte für Politiker nichts übrig. Immerzu stritten sie und hielten sich ewig mit einer Sache auf.

Oder er könnte …

Peter kam eine Idee, deren Kühnheit ihn schockierte. Verwegen. Dreist. Doch nachdem sie einmal gekeimt war, ließ die Idee sich nicht wieder aus seinen Gedanken bannen. Eine entfernte Cousine von Peter hatte den jüngeren Bruder eines Earl oder Baron oder so geheiratet …

Als er an diesem Nachmittag von der Arbeit nach Hause kam, betrat er einen kleinen Laden, an dem er schon tausende Male vorbeigekommen war. Im Fenster hing ein großes Schild, das versprach, für jeden Kunden einen Stammbaum zu erstellen und gar ein Familienwappen zu entwerfen, wenn man seines gerade verlegt hatte. Neben dem Schild hing eine beeindruckende heraldische Karte.

Die Leute in diesem Laden erwiesen sich als ausgesprochen hilfsbereit. Kurz nach sieben am gleichen Abend riefen sie ihn an und teilten ihm das Ergebnis ihrer Nachforschungen mit.

Wenn ungefähr vierzehn Millionen, zweiundsiebzigtausend, achthundertundelf Menschen starben, dann würde er, Peter Pinter, König von England.

Er hatte keine vierzehn Millionen, zweiundsiebzigtausend, achthundertundelf Pfund, aber er nahm an, bei solchen Größenordnungen hatte Mr. Kemble noch einen Preisnachlass im Ärmel.



Er hatte Recht.

Mr. Kemble zuckte nicht mit der Wimper.

»Das würde sogar relativ günstig«, erklärte er. »Wir müssen ja nicht jeden individuell erledigen. Kleinere Nuklearwaffen, ein paar wohlüberlegte Bomben, Gas, Seuchen, ein paar Radios in ein paar Swimmingpools. Danach müsste man nur noch ein paar Überbleibsel einzeln nachholen. Sagen wir viertausend Pfund.«

»Viertau…? Das ist unglaublich

Der Verkäufer schien äußerst zufrieden mit sich. »Unsere Einsatztruppe wird froh und dankbar sein, Sir.« Er grinste. »Der Service für unsere Großkunden hat bei uns oberste Priorität.«

Ein kalter Wind blies, als Peter den Pub verließ, und ließ das alte Schild hin und her pendeln. Es sah gar nicht so sehr wie ein schmutziger Esel aus, dachte Peter. Eher wie ein bleiches Pferd.

Peter schlief schon halb, verfasste in Gedanken seine Krönungsrede, als ihm ein Gedanke in den Sinn kam und sich einnistete. Er wollte einfach nicht wieder verschwinden. War es möglich, dass er sich eine noch größere Ersparnis entgehen ließ? Dass ihm das sensationellste Schnäppchen von allen durch die Lappen ging?

Peter stand noch einmal auf und ging zum Telefon hinüber. Es war schon fast drei Uhr früh, aber trotzdem …

Seine Gelben Seiten lagen noch vom vergangenen Sonntag aufgeschlagen da und er wählte die Nummer.

Das Telefon klingelte eine Ewigkeit. Dann ertönte ein Klicken und eine gelangweilte Stimme meldete sich: »Burke, Hare, Ketch. Was kann ich für Sie tun?«

»Ich hoffe, ich rufe nicht zu spät an …« begann er.

»Keineswegs, Sir.«

»Wäre es wohl möglich, Mr. Kemble zu sprechen?«

»Warten Sie bitte einen Moment, ich sehe, ob ich ihn erreiche.«

Peter wartete ein, zwei Minuten und lauschte dem geisterhaften Knistern und Flüstern, das immer durch leere Telefonleitungen hallt.

»Sind Sie noch dran?«

»Ja.«

»Ich stelle Sie durch.« Ein kurzes Summen, dann: »Hier spricht Kemble.«

»Ah, Mr. Kemble. Hallo. Tut mir Leid, wenn ich Sie geweckt haben sollte oder so. Hier spricht Peter Pinter.«

»Ja, Mr. Pinter?«

»Tja, also, es tut mir Leid, dass ich so spät noch anrufe, aber ich hab mich gefragt … Was würde es kosten, alle zu töten? Jeden auf der Welt?«

»Jeden? Alle Menschen?«

»Ja. Wie viel? Ich meine, für einen solchen Auftrag hätten Sie doch sicher einen ganz besonders fetten Preisnachlass anzubieten. Also was würde es kosten? Alle?«

»Gar nichts, Mr. Pinter.«

»Sie meinen, Sie würden es nicht machen?«

»Ich meine, wir würden es umsonst machen, Mr. Pinter. Wir brauchen nur den Auftrag, verstehen Sie. Wir brauchen immer einen Auftrag.«

Peter verstand nicht recht. »Aber … wann würden Sie anfangen?«

»Anfangen? Auf der Stelle. Jetzt. Wir sind schon seit langem bereit. Aber wir brauchten den Auftrag, Mr. Pinter. Gute Nacht. Es war wirklich ein Vergnügen, mit Ihnen Geschäfte zu machen.«

Die Leitung war tot.

Peter fühlte sich eigenartig. Alles schien ganz weit weg. Er wollte sich setzen. Was in aller Welt hatte der Mann gemeint? »Wir brauchen immer einen Auftrag.« Das war wirklich seltsam. Niemand tat je etwas umsonst; so was gab’s einfach nicht. Er war drauf und dran, Kemble anzurufen und die ganze Geschichte abzublasen. Vielleicht hatte er ein wenig überreagiert, vielleicht gab es eine ganz harmlose Erklärung, warum Archie und Gwendolyn zusammen ins Lager gegangen waren. Er würde mit ihr reden. Ja, das wollte er tun. Gleich morgen früh würde er mit Gwennie reden …

Das war der Augenblick, da die Geräusche begannen.

Merkwürdige Schreie ertönten auf der anderen Straßenseite. Kämpfende Katzen? Füchse vermutlich. Er hoffte, jemand würde einen Schuh nach ihnen werfen. Dann hörte er draußen auf dem Flur vor der Wohnungstür ein gedämpftes Poltern, als schleife jemand einen schweren Gegenstand durch den Flur. Dann verstummte das Geräusch. Jemand klopfte an seine Tür, zweimal, ganz leise.

Die Schreie draußen vor dem Fenster wurden lauter. Peter saß auf seinem Stuhl und wusste, dass er irgendwo irgendwas nicht richtig mitgekriegt hatte. Das Klopfen wiederholte sich, hartnäckiger. Er war erleichtert, dass er die Tür abends immer absperrte und die Kette vorlegte.

Sie waren schon lange bereit, doch sie brauchten den Auftrag …



Als das Ding durch die Tür kam, fing Peter an zu kreischen, aber er kreischte wirklich nicht sehr lange.




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