Er befand sich lange in den dunklen, strömenden Massen, durch die nur gelegentlich ein trübes Licht hindurchglomm und wieder untertauchte wie ein Scheinwerfer in schmutzigem Nebel. Manchmal starrten ihn weiße Gesichter an. Geräusche drangen an sein Ohr, aber nur wenige erreichten den Raum seines dahindämmernden Bewußtseins. Er fühlte sich aufgehoben, getragen, zugedeckt. Wieder getragen. Er fiel, Türen schnarrten. Jemand schrie seinen Namen ... die Schreie kamen aus weiter Ferne. Er lag weich und warm.
Er schlug die Augen auf. Der Oberarzt sah auf ihn herunter. Hinter seinem Kopf erkannte er das Krankenzimmer, sein Krankenzimmer. Ihm war, als wäre er zu Hause.
In der Armbeuge spürte er einen leisen Schmerz. Schwester Berthe wischte seine Haut mit einem Wattebausch ab, dann beugte sie seinen Arm. Die Hand lag an der Schulter auf. Er sah zu, als gehörte sie nicht zu ihm.
Wieder blickte er den Oberarzt an.
»Mein Experiment ist gelungen«, sagte dieser. »Es hat kein positives Ergebnis gebracht, aber es hat seinen Zweck erfüllt. Ich rechne nicht mehr mit einer freiwilligen Mitarbeit. Übrigens bin ich keineswegs darauf angewiesen. Wahrscheinlich war es nur Sentimentalität von mir, und es ist besser so, wie es gekommen ist.«
Er wandte sich zur Schwester:
»Sie können gehen. Ihr Dienst an diesem Patienten ist beendet. Er braucht Sie nicht mehr.«
Schwester Berthe ging schweigend hinaus.
»Ich kann Ihnen übrigens eine gewisse Anerkennung nicht versagen: Sie haben eine erstaunliche Leistung vollbracht. Schade, daß Sie Ihren Willen in die verkehrte Richtung lenken! Aber vielleicht ist auch das nur Sentimentalität von mir. Willen kann nur einer haben – derjenige, der befiehlt. Nur er selbst weiß, wie klein der Spielraum ist, in dem er sich bewegt. Jede andere Willensäußerung stört die Ordnung – das war schon immer so. Hier bin ich die Ordnung. Wer gegen mich ist, erstrebt das Chaos.«
Zwischen das Gesicht des Oberarztes und Phil schob sich eine milchige Scheibe.
»Bald erreichen wir den unbekannten Planeten. Dann beginnt alles von vorn. Wenn du jetzt einschläfst, Abelsen, dann nimm etwas Tröstliches mit: die Sicherheit, daß in unserer neuen Welt jeder das bekommen wird, was er braucht. Es wird keinen Turm Babel mehr geben, keine Sintflut, keine Flucht. Bald sind wir am Ziel, das man nie richtig verstanden hat – im festen Gefüge einer zwar nicht göttlichen, aber menschlichen Ordnung.«
Die milchige Schicht vor Phils Gesicht wurde immer dicker. Er sah den Oberarzt nicht mehr. Die Welt löste sich in Stücke auf, die auseinanderschwammen wie Treibgut im Wasser, und Phil zerfiel mit ihr. Ein Teil nach dem anderen glitt von ihm ab. Ein Teil sah noch etwas Diffuses, Strömendes. Ein Teil nahm einen schwachen, dumpfen Geruch auf. Ein Teil wollte antworten – auf die letzten Worte, die gesprochen wurden. Die Antwort war da, aber nichts mehr, das sie hätte sprechen können.
Was von ihm übrigblieb, war entkleidet bis aufs Mark – es besaß keine Gliedmaßen mehr, keine Knochen, kein Fleisch. Es war durchsichtig und körperlos – ein Bündel weher Traurigkeit, ein Häufchen stummer Angst. Er trieb auf einem Laufband dahin, durch ein Labyrinth von Nebelwänden, gegen eine Wand gelber Glasscheiben, hinter denen blinde Wesen in einer Flüssigkeit zuckten. Die Falle. Sie schloß sich über ihm.