14

Am Nachmittag hatte ihn Schwester Berthe für eine Stunde von der Herz-Lungen-Maschine abgeschaltet. Die Zeit war ohne Komplikationen verlaufen – nur eine bleierne Müdigkeit war zurückgeblieben. Die abendliche Unterredung mit dem Oberarzt hatte Phil erneut angestrengt, und er fühlte sich allem, was ihm widerfuhr, hilflos ausgesetzt. Ohne Kraft lag er auf seiner luftgefüllten Matratze, starrte auf den dunklen Bildschirm. Nichts hatte sich darauf geregt, es tutete noch immer. Wenn er die Augen schloß, schien das Tuten lauter und bedrohlicher zu werden. Obwohl von der Videoapparatur keine Gefahr kommen konnte, ging von ihr etwas Furchterregendes aus. Die Qual wurde dadurch erhöht, daß Phil nicht zu erraten vermochte, was für eine Absicht der Arzt mit dieser sonderbaren Vorbereitung verband. Er hätte sich gern für einige Minuten ausgeruht, aber er brachte es nicht über sich, die Augen geschlossen zu halten. Magisch zog ihn der Bildschirm an. Sooft er sich zur Seite wandte, um sich abzulenken, zwang ihn etwas, wieder auf die graue, mattglänzende Glasscheibe zu blicken.

Dann brach das Tuten plötzlich ab, und der Schirm leuchtete auf – ein kleiner, weißlichgelber Fleck dehnte sich rasch bis zum Rand aus, verwaschene Farben klärten sich, Konturen traten auseinander, der Ausschnitt eines Zimmers erschien. Jemand hatte jenen Apparat eingeschaltet, mit dem der Oberarzt vorhin die Verbindung hergestellt hatte. Phil kannte dieses Zimmer genausowenig wie jedes andere an Bord des Raumschiffes, außer seinem eigenen. Es schien ein einfacher Wohn- und Schlafraum zu sein, vielleicht ein wenig größer, als man es von einer Raumschiffkabine erwarten konnte, aber genau war das dem kleinen Bild nicht zu entnehmen.

Phil hing an dieser harmlosen Szene, als erwarte er jeden Moment ein dramatisches Ereignis. Da stand ein niedriger Tisch, eine schwarze Platte, auf einen Stahlrohruntersatz montiert, daneben ein einfacher Stuhl. Zwischen diesen beiden Möbelstücken sah eine Couch hervor. Eine graue Decke lag darüber gebreitet, auch einige Kissen waren zu erkennen. Über der Couch an der Wand ragte etwas ins Bild hinein, das wie eine Landkarte anmutete.

Dann strich jemand durchs Bild, er mußte dicht an der Aufnahmeröhre vorbeigegangen sein, da Phil nur einen Schatten hindurchhuschen gesehen, die Schritte aber laut gehört hatte. Die Szene war wieder leer ... fünf oder zehn Minuten lang.

Phils Augen schmerzten. Als sich wieder etwas regte, war er nicht sicher, ob ihn nicht die überanstrengten Augen narrten. Im Hintergrund, neben dem Stuhl stand der Oberarzt. Er war in Pantoffeln und hatte einen Bademantel an. Phil beobachtete, wie er außerhalb des Blickfeldes irgendwo hantierte, dann brachte er die Hand vors Gesicht. Nun steckte eine Zigarette in seinem Mund. Ein Feuerzeug flammte auf. Auf dem Bildschirm hatte der Feuerschein einen schwarzen Rand. Er verlöschte. Der Oberarzt zog an der Zigarette und stieß dann eine Rauchwolke aus. Er drehte sich nach links und trat ein Stück vor. Leises Schleifen war zu hören. Einen Moment schien er Phil voll ins Gesicht zu sehen. Wieder führte er die Zigarette an die Lippen.

Es pochte.

»Ja«, rief er. Sein Gesicht war nahe am Bildschirm. Die Augen richteten sich leicht zusammengekniffen auf ein außerhalb des Blickfeldes liegendes Ziel.

Es schnarrte.

»Du bist pünktlich«, sagte er. Er verschwand aus dem Sichtkreis. »Mach die Tür zu!« Die Stimme war leiser geworden, als sich der Mund vom Mikrofon entfernte.

Unbestimmte Geräusche erklangen; Schleifen, gedämpftes Gepolter.

»Bist du gern gekommen?« fragte der Oberarzt.

»Ja«, antwortete eine Frauenstimme. Phil horchte auf.

»Du warst jetzt eine Woche lang nicht hier«, sagte der Oberarzt. »Berthe ist langweilig. Ich habe sie satt.«

Jetzt traten zwei Personen in den Gesichtskreis, Phil sah sie von hinten. Die Frau war blond, ihr Haar war aufgelöst und hing tief auf die Schultern hinab; sie hatte einen Schlafrock an. Nun trat der Oberarzt so hinter sie, daß Phil nur seinen breiten Rücken sah. Sein Kopf senkte sich, seine Arme waren nach vorn, zur Frau gerichtet. Er schien sie zu küssen.

»Komm etwas näher.« Es war die Stimme des Arztes.

Die Frauenstimme antwortete.

»Warum?«

Leises Lachen ertönte.

»Ich will es.«

Jäh tobte etwas wie ein Orkan in Phil. Er hatte es geahnt und die Bestätigung dieser Ahnungen mit zusammengebissenen Zähnen nahen gespürt. Nun war es eingetreten: Das Gesicht von Chris erschien vor ihm. In Lebensgröße, in den natürlichen Farben, plastisch, zum Greifen nahe. Er sah jedes einzelne ihrer blonden, auf die Schultern fallenden Haare, die schwarzen Sprenkel in den braunen Pupillen, das Gekräusel der Fältchen an den Lippen. Ihr Gesichtsausdruck war erstaunt. Sie mußte direkt vor der Aufnahmeröhre stehen, aber Phil war für sie unsichtbar, weil er außerhalb des Blickwinkels der Röhre seines Zimmers lag. Er zerrte an den Riemen, um sich aufzusetzen, sich zu erkennen zu geben. Aber es geschah nichts.

»Was soll das?« fragte sie verständnislos. »Warum bist du mit einem Krankenzimmer verbunden?«

»Denk nicht darüber nach, Liebling«, sagte die Stimme des Oberarztes. »Komm, setz dich!«

Die beiden verschwanden, dann tauchte Chris wieder auf – sie ließ sich auf dem Stuhl nieder und lehnte sich entspannt zurück. Der Oberarzt nahm auf der Couch Platz.

»Was war das eigentlich für eine Geschichte mit deinem Patienten – wie hieß er doch gleich ... Abelsen, nicht wahr?«

»Abelsen, ja. Phil Abelsen.«

Die Stimmen klangen leise, aber jedes Wort war zu verstehen.

»Nun, wie kam denn das? Er ist völlig verrückt nach dir – hast du ihn irgendwie herausgefordert?« – »Nein.«

»Es sah so aus, als wenn auch er dir etwas bedeutet hätte. Wie konntest du dich mit einem Patienten abgeben?«

»Ich weiß es nicht ... es ist mir selbst nicht erklärlich.«

»Hat er dich überredet, dir irgendwelche Märchen erzählt?«

»Nein, nichts.« Ihre Stimme klang so leise, daß sie kaum zu hören war.

»Es war ein böser Augenblick für mich, als ich euch überraschte, in seinem Zimmer ... du weißt, gestern. Das hätte ich dir nicht zugetraut. Es ist dir doch klar, daß du Strafe verdienst, nicht wahr?«

»Ja.«

»Es ist gut, daß du es einsiehst. Es ist immer gut, wenn man vernünftig ist.« Der Oberarzt blickte kurz auf, es schien Phil, als blinzelte er ihm spöttisch zu.

»Na, Schwamm darüber. Es hat nicht viel zu bedeuten. Es ist vorbei, wie? Außerdem kann ich es dir erklären, wieso dieser nichtssagende Mensch dich beeindruckt hat – es war einfach seine Hilflosigkeit. Du hast Mitleid gehabt. In jeder Frau steckt ein Schuß Mütterlichkeit; sie hat sich in dir geregt. Aber viel stärker ist in den Frauen der Wunsch nach einem Mann, der stark ist, der gescheit ist, der handelt. Spürst du das, Christine?«

»Ja, ich spüre es. Es war das Mitleid.«

»Hier bin ich der Mann, der stark und gescheit und aktiv ist. Du würdest alles tun, was ich von dir verlange. Du liebst mich.«

»Ich würde alles für dich tun. Ich liebe dich.«

»Dann ist alles in Ordnung, Christine. Das wollen wir feiern.«

Er stand auf und trat aus dem Bild. Phil, der mit einem irren Zug im Gesicht dalag, hörte ein leises Klirren. Dann stellte der Oberarzt zwei Gläser auf den Tisch und schenkte aus einer Flasche ein rotes Getränk ein.

»Burgunder«, sagte er. »Roter Burgunder. Gerettet aus der Hölle. In den Weltraum entführt. Einer Sternstunde geweiht. Prost, Schätzchen, trink!«

Sie stießen mit den Gläsern an und prosteten sich zu. Sie tranken.

»Setz dich hierher zu mir«, forderte der Mann. Sie tat es. Ihr Mantel hatte sich an der Brust geöffnet. Ihre Augen waren halb geschlossen. Der Mann zog die Frau an sich. Seine Hand tastete über ihren Rücken, glitt über den Stoff unter den weit ausgeschlagenen Mantelkragen. Die Hand schob sich zur Schulter empor, zerrte am Mantelkragen, raffte ihn zusammen, streifte ihn über die Schulter hinunter.

Phil ertrug es nicht länger. Das, was in ihm wütete, war die Lust, zu töten, der Wille zum Mord. Längst hatte er die Arme befreit, er zitterte danach, die Faust an das kalte Glas zu schmettern. Jetzt aber machte ihn die Wut plötzlich kalt, und er tat es nicht. Statt dessen richtete er sich auf und zerrte an den Drähten, die ihn mit dem Anzeigepult verbanden. Ein kurzes Anspannen, und sie sprangen aus den Kontakten. Das Oszillogramm erlosch.

Jetzt war seine rechte Seite befreit. Von links hielten ihn noch die Schläuche, die zu den Behältern der Herz-Lungen-Maschine führten. Er ließ sich über den linken Bettrand gleiten. Es war nicht hoch, trotzdem betäubte ihn der Aufschlag sekundenlang.

Er rappelte sich auf ... kroch zum Wandschrank – die Geräte, an denen er hing, zerrte er hinter sich her. Dort, in einem Fach, lag, was er suchte: Er schlug mit dem Ellbogen die Scheibe ein und holte einige große Arterienklemmen heraus und die Schere, die neben dem Verbandsmull lag.

Gestern und heute hatte er die Handgriffe genau beobachtet, mit denen ihn der Oberarzt und Schwester Berthe losgeklemmt hatten. Er rollte das Bett beiseite und kroch, die Behälter wieder hinter sich herziehend, zum Schaltpult. Sorgfältig achtete er darauf, nicht ins Blickfeld des Videofons zu kommen. Gelegentlich warf er einen Blick hinüber – das Liebesspiel ging weiter, aber jetzt bedeutete es für ihn nur noch die Sicherheit, nicht gestört zu werden.

Er drehte die beiden Knöpfe, die die Funktion der künstlichen Lunge und des künstlichen Herzens regelten, auf Null, einen nach dem anderen, Teilstrich um Teilstrich. Er beobachtete sich – er spürte die verstärkten Bewegungen seiner Organe und die leichte Übelkeit, die ihn auch gestern und heute überkommen hatte, als er abgeschaltet worden war, aber sonst fühlte er sich gut.

Halb sitzend, halb liegend hob er die Klemmen und schraubte die Plastikschläuche knapp an seiner Haut zu, dann schnitt er sie unmittelbar oberhalb der Klemmen durch. Mit schwachem Röcheln entwich etwas Luft aus dem offenen Schlauchstück, das zur Lunge lief. Aus der Zuleitung zur Herzpumpe strömte ein dicker Strahl roten Blutes. Das Verbindungsstück zu seinem Magen war nirgends angeschlossen gewesen; ein wenig gelber Schleim quoll daraus hervor. Mit einem leeren Blick streifte er die Vorderseite seines Körpers. Er war keiner Gefühlsreaktion mehr fähig, er nahm nichts mehr auf, alles war ihm gleichgültig – seine Lage, sein Leben, Chris. Nur noch ein Wunsch glühte in ihm: den Arzt zu töten. Er hielt die Schere in der Faust. Er fror. Er kroch zum Bett. Mit einem Ruck riß er das Laken herunter und hüllte sich damit ein. Er stemmte sich auf die Knie empor und zerrte an dem Knauf ... die Tür schnarrte ... er fiel nach vorn...

Er lag auf dem Bauch. Etwas drückte in seinen Magen.

Da war der Gang. Das Licht erschien ihm schmutzig und grau. Das spiegelnde Glas der Fenster hielt es zurück wie eine Flüssigkeit. Nichts drang hinaus. Draußen war die Nacht. Lichter ... ein Eisenbahnabteil...

Nein: ein Raumschiff. Der Weltraum. Der Oberarzt.

Phil stand auf taumelnden Beinen, die er wie Stelzen bewegte. Die Hände stützten ihn von der Wand ab. Wand. Türen. Wand. Türen.

Ein grünes Licht. Das mußte der Aufzug sein. Er drückte den Knopf ... nichts rührte sich ... er wartete ... drückte nochmals... Heiser lachte er. Grün – freie Fahrt. Kuppeln, aufs Gas treten. Verkehrsschilder. Hupen. Die Windschutzscheibe ist trüb. Abblendlicht, Fernlicht. Schnee. Konfetti. Der Schutzmann winkt. Vorbei, vorbei. Parkverbot, weiterfahren. Das Maskottchen. Die Pendeluhr. Gas geben, dritter Gang. Lichter im Rückspiegel. Gas geben, schneller. Autobahn, Schnellbahn, Doppelspur. Bremsen. Sicherheitsgurte...

Er taumelte gegen die Tür, sie flog auf.

Jemand löschte das Licht... Jetzt war es wieder hell. Ein Lichtpunkt: dritte Etage. Er schlug mit der Faust darauf...

Er kauerte am Boden. Eine Kraft zwang ihn tiefer. Er lag auf der Seite, wie festgeklebt ... ein Ruck... Noch immer stieg die Kabine völlig gleichmäßig... War die Fahrt noch nicht zu Ende?

Der Gang da draußen stieg mit empor. Die ganze Etage stieg empor. Wie lange dauerte die Fahrt?

Ha, eine Täuschung! Er kroch heraus ... wollte aufstehen ... seine Knie zitterten, knickten ein...

Er kroch den Gang entlang.

Die Eisenbahn fuhr durch ein Tal. Die Lichter sanken hernieder und stiegen empor. Die Funken sprühten. Der Schweißbrenner. Der Mann am Schweißbrenner. Die Mayamaske. Die Augen in der Nacht. George Shearing. Der Orkan Dora. Das Gatter ist geschlossen. Die Spanische Reitschule. Bete und arbeite. Der Fuchs in der Falle...

Die Knie schmerzten. Er lag quer über etwas Hartem. Es war der Boden, der ihn noch immer emportauchte. Er arbeitete sich auf die Knie hoch und rutschte weiter. Er suchte den Oberarzt.

Auf den Türen waren Schilder: Rechenzentrale. Weiter! Gymnastikraum. Weiter! Bad. Weiter!

Eine Zange drückte ihm das Genick hinunter. Er schlug mit den Ellbogen auf den Boden und stemmte sich mit dem Kopf gegen die zwingende Kraft. Jetzt konnte er wieder weit genug hinaufblicken, um die Türschilder zu lesen.

Schreibzimmer! Assistentenzimmer. Sekretariat. Oberarzt.

Er kniete vor der Tür. In der rechten Hand hielt er die Schere. Mit der linken tastete er sich an der glatten grauen Kunststofffläche empor, dem Türknauf entgegen. Sie kroch höher, in ruckweisem Beugen und Strecken. Die Nägel kratzten ... die Hand rutschte ab.

So ging es nicht. Er mußte aufstehen! Er versuchte, aus der knienden Stellung in die Hocke überzuwechseln. Er setzte den rechten Fuß auf den Boden und verlagerte das Gewicht vorsichtig –

Die Muskeln strecken. Anlauf. Sieben Meter zehn. Sie müssen den Schwerpunkt nach vorn verlagern. Mit Triumph kann ich das auch. Der Alkoholspiegel. Die zersägte Jungfrau. Traktorführerinnenschule. Die Schneise wird breiter. Unters Eis getaucht.

Er war durch...

Er stand auf zwei fremden Beinen. Er ließ sich auspendeln. Das Gleichgewicht stellte sich ein. Er stand ganz ruhig.

Er schloß die linke Hand um den Knauf und lehnte sich mit dem ganzen Körper dagegen. Die Tür gab nach und öffnete sich langsam.

Fast wäre er aus dem Gleichgewicht geraten. Er richtete sich auf und sah durch wogende Wolken in den Raum. Es war eine kleine Kammer. An der rechten Wand ein Schreibtisch, halb darunter verborgen ein Drehschemel. Papierstöße, ein Kalender. Ein Aktenblock. Ordner. Gegenüber ein Kleiderständer, ein weißer Ärztemantel. Eine dick gepolsterte Tür...

Die Wolken vor Phils Augen wurden schwarz wie vor einem Gewitter. Sie kreisten. Der Wind blies sie beiseite.

Die Tür. Er trat einen Schritt vor.

Die Wolken kamen wieder, in schwarzvioletten Schwaden. Er wartete, bis der Wind sie vertrieben hatte.

Die Tür.

Er wagte noch einen Schritt. Er hielt an. Sammelte sich. Er horchte in sich hinein: Das Herz schlug mit kleinen spitzen Hammerschlägen. Die Lunge arbeitete wie eine Dampfmaschine. Er spürte, wie sich die Energie in ihm zusammenballte. Er brauchte nur so viel, um die Tür aufzureißen und dem Oberarzt die Schere in den Hals zu stoßen.

Jäh sprang ihn eine Sturmbö von der Seite an, und er stemmte sich dagegen. Ein, zwei Schritte ging er mit gesenktem Kopf gegen die weiche, drängende Wand, in den dunklen Nebel hinein.

Jetzt durfte er nicht mehr zögern! Er hob die Hand mit der rasierklingenscharfen, desinfizierten Wundschere. Seine Fußsohlen klebten am Boden, er brachte sie nicht hoch.

Mit einemmal rann die Energie aus ihm heraus wie durch ein Sieb. Er blieb als papierne Hülle zurück, zu keiner Bewegung fähig, halb zur Seite gedreht. Mit Entsetzen merkte er, daß er zweifelte. Er zweifelte, ob es ihm gelingen würde, überhaupt ins Zimmer hineinzugelangen. Die Füße hingen wie angeschweißt am Boden.

Es konnte doch nicht umsonst gewesen sein!

Fieberhaft flatterten seine Gedanken.

Er mußte etwas tun. Wenn er den Oberarzt schon nicht erreichen konnte, so mußte er etwas tun, um zu zeigen, daß immer etwas wach bleibt, das sich wehrt. Daß man es nie ganz töten kann.

Er konzentrierte seine gesamte Kraft in seinem rechten Bein, um es vom Boden zu heben. Er brachte es zwar nur einen Zentimeter hoch, aber das genügte, um es nach vorn zu drücken. Dann packte ihn wieder der Schwindel, und seine Linke tastete nach einem Halt. Sie blieb im weißen Stoff des Ärztemantels hängen.

Ein Bild zuckte in Phils Gehirn, eines von den Tausenden, die ihn umflimmerten, ihn verwirrten, ihn bedrängten, ihn zu stören suchten: Der Oberarzt, heute abend, als er auf die Seitentasche seines Kittels klopfte: Ich habe das Mittel dazu! Phils Hand strich am weißen Nylon hinunter, landete in der Tasche. Die Finger fühlten eine Phiole, zogen sie halb heraus.

Er mußte warten, bis sich der schwarze Nebel lichtete ... jetzt sah er wieder: Im Glaszylinder steckte eine Reihe schwarzer Kugeln – aufgefädelt wie Ebenholzperlen auf einer Kette. In den Augenblicken, in denen die Schwaden abtrieben, konnte er sie klar und deutlich sehen.

Sein Gesicht verzog sich voll Ekel. Er ließ das Röhrchen los, als wäre es eine Schlange. Es glitt in die Tasche zurück.

Er schätzte die Entfernung zur Tür – es waren vielleicht noch zwei Schritte...

Da war wieder das plötzliche Auslaufen der Energie. Diesmal rann sie bis zum Boden aus. Er fühlte sich stürzen. Mit der letzten Kraft streckte er den Arm weit aus und rammte die Schere in die Türfüllung, wo sie windschief steckenblieb. Dann hüllte ihn die schwarze Wolke ein.

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