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Stone war ein wenig aus der Übung, was die militärischen Funkzeichensysteme betraf. Daß er auf die Unterstützung der Computer verzichten mußte, hatte die Sache auch nicht gerade erleichtert. Trotzdem hatte er deutliche Fortschritte gemacht. Die vollständige Botschaft war nicht weniger lückenhaft als die kürzere Fassung, die die Jared Captain Laird und ihm überlassen hatten, aber es gab ein paar zusätzliche Informationen.

Nach einer Weile lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und versuchte, die einzelnen Teile des Puzzles zusammenzusetzen. Da war der Satz, der von der Rückseite des Mondes sprach. Diesen Teil kannte er schon. Vom folgenden Satz war nur das Wort Tiefe übriggeblieben.

Der nächste Satz allerdings war von den Jared ganz übergangen worden, und obwohl er auch hier nur ein Wort entziffern konnte, erschien das Interesse der Jared an der Expedition zum Mond in einem völlig neuen Licht.

Shait, hieß es lapidar.

Stone betrachtete die Zeichenfolge am Ende des Satzes. Er konnte ein paar Buchstaben zuordnen, aber er wußte nicht einmal, ob sie zu einem Wort oder zu mehreren gehörten. Es hätte Mitte heißen können oder mittel oder auch ...

»Transmitter«, sagte er entgeistert. »Diese verdammten Halunken.« Und plötzlich hatte er eine ziemlich deutliche Vorstellung davon, wer diese Nachricht geschickt hatte und wie es geschehen war.

»Governor Stone«, sagte eine menschliche Stimme respektvoll. Er blickte hastig zur Tür und erkannte den Umriß eines Mannes.

»Wer sind Sie?« fragte er barsch, um seinen Schreck zu überdecken. In letzter Zeit wurde es anscheinend zur Gewohnheit, daß jeder seine Tür öffnete, wann es ihm paßte.

»Diese Einheit hat keinen Namen«, sagte der Mann höflich und trat in den Lichtkreis der Schreibtischlampe. »Ich hoffe, ich störe nicht.«

Stone starrte den Jared wütend an. Der Mann war nicht einmal halb so alt wie er, einer der ausgebrannten Tiefkühlsoldaten, derer sich die Jared so wohlwollend angenommen hatten. Das glatte, faltenlose Gesicht zeigte keine Regung, und die Augen hatten diesen leicht trüben, distanzierten Blick, hinter dem sich jede Spur einer Persönlichkeit versteckte. Falls diese Menschen noch einen Rest eigener Persönlichkeit besaßen.

Andererseits, dachte Stone schaudernd, war es vielleicht ganz gut, eine Persönlichkeit zu verstecken, die siebenundfünfzig Jahre in völliger Isolation verbracht hatte.

»Und wenn Sie mich stören, macht das einen Unterschied?« fragte er schließlich.

»Das hängt davon ab«, versetzte der Jared höflich und blieb vor dem Schreibtisch stehen. Sein Blick klärte sich plötzlich, und er betrachtete neugierig die Computerausdrucke, die mit Stones Notizen bedeckt waren.

»Wovon?« fragte Stone und verwünschte sich innerlich dafür, die verräterischen Zeilen nicht rechtzeitig abgedeckt zu haben.

»Das hängt davon ab, wobei ich Sie störe.«

Er sah den Jared scharf an, und der Mann erwiderte seinen Blick ungerührt. Auf einmal wirkten seine Augen nicht mehr distanziert oder leblos, sondern neugierig und lebendig.

»Sie wissen genau, was ich hier tue«, sagte er doppeldeutig, um seinem seltsamen Besucher auf den Zahn zu fühlen.

»In der Tat«, nickte der Mann. »Haben Sie gefunden, wonach Sie suchten?«

Der Instinkt, der ihn sechzig Jahre lang am Leben erhalten hatte, warnte Stone. »Ich will mit Kias sprechen«, sagte er.

»Bedaure«, antwortete der Jared höflich. »Die Einheit Kias ist zur Zeit nicht verfügbar.«

»Weiß Captain Laird, in was ihr sie hineingeschickt habt?« fragte er wütend und wußte im selben Moment, daß er einen Fehler gemacht hatte.

Der Jared musterte ihn aufmerksam.

»Weiß sie es?« wiederholte Stone. Es hatte wenig Sinn, jetzt noch zurückzustecken.

Der Mann lächelte ihn offen an, und in gewisser Weise war dieses sympathische Lächeln schlimmer als jede Drohung. »Wir reden später darüber, Governor Stone«, schlug er vor. »Wir denken, daß der Zeitpunkt gekommen ist, eine andere Frage zu erörtern.«

»Welche Frage?« sagte Stone verwirrt. Unwillkürlich machte er sich bereit, aufzuspringen und den Jared zu überwältigen. Der Jared musterte ihn besorgt, und hinter ihm zeichnete sich im Türrahmen plötzlich ein anderer Umriß ab, eine Silhouette, die eindeutig nichtmenschlich war. Stone ahnte plötzlich, um welche Frage es ging, und er wünschte sich, eine Waffe bei sich zu haben.

»Sagen wir, der Zeitpunkt ist gekommen, über Ihre Aufnahme in die Gemeinschaft zu entscheiden«, erklärte der Jared, während sich die Ameise in das Zimmer schob.

»Bin ich an der Entscheidung beteiligt?« fragte Stone zur Ablenkung, während sich seine Gedanken überschlugen.

Der Jared lächelte höflich. »Tatsächlich ist die Entscheidung zu Ihren Gunsten ausgefallen, Governor«, teilte er erfreut mit. »Die Jared sind bereit, Sie in die Arme zu schließen.«

Gewissermaßen in alle vier, dachte Stone verbittert. Unter Räubern gibt es keine Ehre. Der Jared war aufgestanden und ging um den Schreibtisch herum, und die Ameise blockierte den Weg zur Tür. Nach sechzig Jahren waren ihm schließlich doch die Schlupflöcher ausgegangen. Plötzlich fühlte er eine ungeheure Müdigkeit.

»Ihr habt uns erzählt, daß ihr niemanden gegen seinen Willen aufnehmt«, versuchte er es noch einmal. »Ihr habt es versprochen.«

Der Jared blieb stehen, einen halben Meter von ihm entfernt. Einen Moment lang wirkte der Mann verwirrt. Er sah die Ameise an, die reglos auf der anderen Seite des Tisches stand, und dachte nach. Stone empfand gegen seinen Willen so etwas wie Hoffnung.

Plötzlich lächelte der Jared wieder. »Dann haben wir gelogen«, sagte er strahlend.

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