„Wie schrecklich!“ wimmerte Lasaraleen. „Oh, Liebling, ich habe solche Angst. Ich zittere am ganzen Leib. Fühl nur!“
„Komm!“ sagte Aravis, die ebenfalls zitterte. „Sie sind zum neuen Palast zurückgegangen. Wenn wir erst einmal dieses Zimmer verlassen haben, sind wir in Sicherheit. Aber wir haben furchtbar viel Zeit verloren. Du mußt mich so schnell wie möglich zu der Wassertür hinunterbringen.“
„Liebling, das meinst du doch wohl nicht ernst!“ protestierte Lasaraleen. „Ich kann nicht – jetzt nicht. Meine armen Nerven. Wir müssen noch ein Weilchen hierbleiben. Dann gehen wir zurück.“
„Warum zurück?“ fragte Aravis.
„Ach, du verstehst nicht. Du hast kein Mitleid mit mir“, jammerte Lasaraleen und begann zu weinen.
Aravis faßte den Entschluß, daß jetzt nicht der richtige Augenblick war, Mitleid zu zeigen. „Hör mal!“ Sie packte Lasaraleen und schüttelte sie. „Wenn du noch einmal sagst, du wollest zurückgehen, und wenn du mich jetzt nicht sofort zu diesem Tor am Wasser bringst – weißt du, was ich dann tun werde? Dann renne ich auf den Gang hinaus und schreie. Und in diesem Fall erwischen sie uns alle beide.“
„Aber dann b-b-bringen sie uns um!“ jammerte Lasaraleen. „Hast du nicht gehört, was der Tisroc – möge er ewig leben – gesagt hat?“
„Doch. Aber lieber lasse ich mich umbringen, als diesen Ahoshta zu heiraten. Also komm jetzt.“
Schließlich mußte Lasaraleen nachgeben. Sie ging voraus die Stufen hinunter, dann durch einen weiteren Gang und hinaus ins Freie. Jetzt standen sie im Palastgarten, der sich auf vielen Terrassen bis hinunter zur Stadtmauer erstreckte. Der Mond schien strahlend hell. Leider hatte Aravis – wie das bei Abenteuern meistens so ist – zuviel Angst und zuwenig Zeit, um die Schönheit dieses Ortes richtig zu genießen. So gewann sie nur einen verschwommenen Eindruck von grauen Rasenflächen, leise glucksenden Springbrunnen und den langen schwarzen Schatten der Zypressen. Daran erinnerte sie sich aber noch Jahre später.
Als sie ganz unten angekommen waren und die Stadtmauer finster vor ihnen aufragte, zitterte Lasaraleen so sehr, daß es ihr nicht gelang, den Riegel des Tores zu öffnen. Also machte ihn Aravis selbst auf. Vor ihr lag endlich der Fluß, in dem sich das Mondlicht spiegelte. Ein kleiner Anlegesteg und mehrere Ruderboote waren zu erkennen.
„Leb wohl“, sagte Aravis. „Und vielen Dank. Tut mir leid, daß ich ein solches Biest war. Aber bedenke nur, wovor ich fliehe!“
„O Aravis, Liebling“, entgegnete Lasaraleen. „Willst du es dir nicht noch einmal überlegen? Jetzt, wo du gesehen hast, was für ein mächtiger Mann dieser Ahoshta ist?“
„Ein mächtiger Mann?“ sagte Aravis. „Ein gräßlicher Speichellecker ist er, der demjenigen noch schmeichelt, der ihn tritt, und sich dann hinterrücks rächt, indem er diesen entsetzlichen Tisroc anstachelt, den Tod seines Sohnes zu planen. Pfui Teufel! Lieber heirate ich den Küchenjungen meines Vaters!“
„O Aravis, Aravis! Wie kannst du nur so schreckliche Sachen sagen – und dann auch noch über den Tisroc – möge er ewig leben –, der doch ohne Fehl und Tadel ist!“
„Leb wohl!“ sagte Aravis. „Ich fand deine Kleider wunderschön. Und dein Haus auch. Dein Leben wird sicher prächtig verlaufen – aber mir würde es nicht gefallen. Schließ das Tor leise hinter mir!“
Sie riß sich aus der liebevollen Umarmung ihrer Freundin sprang in einen Kahn, legte ab und war schon einen Augenblick später in der Mitte des Flusses angelangt. Über ihr stand der riesige Mond, und weit, weit darunter im Wasser lag sein Ebenbild. Die Luft war frisch und kühl, und als sie sich dem anderen Ufer näherte, hörte sie den Ruf einer Eule. Ah! Das ist besser! dachte Aravis. Sie hatte immer auf dem Land gelebt, und jede Sekunde, die sie in Tashbaan verbracht hatte, war ihr zuwider gewesen.
Als sie an Land trat, war es um sie herum stockdunkel, weil die Bäume und die Böschung das Mondlicht abschirmten. Doch es gelang ihr, den gleichen Weg zu finden, den auch Shasta eingeschlagen hatte. So kam sie wie er an die Stelle, wo das Gras aufhörte und der Sand anfing. Wie er sah sie zu ihrer Linken die großen, schwarzen Gräber. Jetzt verließ sie der Mut, obwohl sie so ein tapferes Mädchen war. Angenommen, die anderen waren nicht da! Angenommen, die Dämonen erwarteten sie? Aber dann reckte sie das Kinn vor, streckte die Zungenspitze heraus und ging geradewegs auf die Gräber zu.
Doch noch bevor sie dort angekommen war, sah sie schon Bree, Hwin und den Pferdeknecht.
„Du kannst jetzt zu deiner Herrin zurückkehren“, sagte Aravis, die ganz vergessen hatte, daß das ja erst am nächsten Morgen möglich war, wenn die Stadttore wieder geöffnet wurden. „Hier ist etwas Geld für deine Mühe.“
„Euer Wille sei mir Befehl“, sagte der Pferdeknecht und machte sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit auf den Weg zur Stadt. Man brauchte ihm nicht zu sagen, er solle sich beeilen, auch er hatte sich Gedanken über die Dämonen gemacht.
Die nächsten paar Sekunden war Aravis damit beschäftigt, Hwin und Bree auf die Nase zu küssen und am Nacken zu tätscheln, geradeso, als wären die beiden ganz gewöhnliche Pferde.
„Da kommt Shasta! Dem Löwen sei gedankt!“ rief Bree.
Aravis sah sich um – und tatsächlich, da war Shasta, der gleich aus seinem Versteck gekrochen war, als er den Pferdeknecht weggehen sah.
„Nun dürfen wir keine Zeit mehr verlieren“, erklärte Aravis. Rasch erzählte sie von Prinz Rabadashs Plänen.
„Verräterische Hunde!“ empörte sich Bree, schüttelte die Mähne und stampfte mit dem Huf. „Ein hinterhältiger Angriff in Friedenszeiten, ohne jegliche Herausforderung! Aber wir werden ihm den Hafer versalzen. Wir werden vor ihm dort sein.“
„Werden wir das schaffen?“ fragte Aravis, während sie sich auf Hwins Rücken schwang.
„Broooh-hooh!“ schnaubte Bree. „Hinauf mit dir, Shasta! Ob wir das schaffen? Natürlich! Und noch dazu mit einem schönen Vorsprung!“
„Rabadash sagte, er wolle gleich aufbrechen“, sagte Aravis.
„Das ist Menschengeschwätz“, entgegnete Bree. „Man kann keine zweihundert Mann in so kurzer Zeit mit Wasser, Lebensmitteln und Waffen versorgen und zweihundert Pferde satteln. So: in welche Richtung müssen wir reiten? Direkt nach Norden?“
„Nein“, meinte Shasta. „Ich kenne die Richtung. Ich habe sie markiert. Erklären werde ich es euch später. Wir müssen uns ein wenig nach links halten. Ach ja, da ist der Pfeil!“
„So“, sagte Bree. „Einen Tag und eine Nacht lang zu galoppieren, wie es in Büchern steht, ist unmöglich. Wir müssen rasch traben und immer wieder ein kleines Stück im Schritt gehen. Und währenddessen steigt ihr beiden ab und geht nebenher. So, bist du bereit, Hwin? Auf geht’s nach Narnia und in den Norden!“
Zuerst war der Ritt ganz herrlich. Die Nacht war inzwischen so weit fortgeschritten, daß der Sand die Hitze weitgehend abgegeben hatte, die er während des Tages speicherte. Die Luft war kühl, frisch und klar. So weit sie sehen konnten, schimmerte der Sand im Mondlicht wie eine glatte Wasseroberfläche oder wie ein großes, silbernes Tablett. Abgesehen vom Hufschlag der beiden Pferde war nichts zu hören. Shasta wäre fast eingeschlafen, hätte er nicht von Zeit zu Zeit absteigen und zu Fuß gehen müssen.
So vergingen Stunden, bis schließlich der Mond untergegangen war. Dann ritten sie endlos lange in völliger Dunkelheit dahin. Schließlich war es soweit, daß Shasta plötzlich Brees Nacken und Kopf etwas deutlicher vor sich sehen konnte; und ganz allmählich tauchte um ihn herum die graue Ebene aus der Dunkelheit auf. Alles sah vollkommen leblos aus, es schien fast wie eine tote Welt zu sein. Shasta war schrecklich müde, er fror, und seine Lippen waren ausgetrocknet. Die ganze Zeit über hörte man das Knarren des Leders, das Klirren der Beschläge und das Klappern der Hufe.
Schließlich sah Shasta weit zu seiner Rechten tief am Horizont einen langen schmalen Streifen in einem helleren Grau. Dann schimmerte es rot. Endlich brach der Morgen an, doch kein einziger Vogel war zu hören, um ihn zu begrüßen. Shasta war froh, daß er von Zeit zu Zeit zu Fuß gehen mußte, denn er fror erbärmlich.
Dann ging plötzlich die Sonne auf, und in einem einzigen Augenblick veränderte sich alles. Der graue Sand färbte sich gelb und glitzerte, als wäre er mit Diamanten übersät. Shasta, Hwin Bree und Aravis warfen lange Schatten, die neben ihnen herjagten. Weit in der Ferne glitzerte die doppelte Spitze des Berges Pire in der Sonne. Shasta sah, daß sie ein wenig vom Weg abgekommen waren. „Wir müssen uns etwas links halten!“ rief er. Als sie zurückschauten, entdeckten sie zu ihrer großen Freude, daß Tashbaan schon weit hinter ihnen lag. Die Gräber waren nicht mehr zu sehen; sie verloren sich in den zackigen Konturen, die von der Stadt des Tisroc übriggeblieben waren. Alle fühlten sich besser.
Aber nicht lange. Obwohl Tashbaan weit in der Ferne lag, als sie das erste Mal zurückschauten, schien sich die Entfernung nicht zu vergrößern. Shasta gab es auf, sich umzusehen, denn dadurch hatte er lediglich das Gefühl, sie kämen überhaupt nicht vom Fleck. Jetzt wurde auch das grelle Licht der Sonne unangenehm. Das Gleißen des Sandes schmerzte Shasta in den Augen, doch er wußte, daß er sie nicht schließen durfte. Er mußte sie zusammenkneifen und den Berg Pire im Auge behalten, um die Richtung nicht zu verlieren.
Dann kam die Hitze. Als Shasta wieder einmal absteigen und zu Fuß gehen mußte, schlug ihm, als er von Bree herunterglitt, die Hitze des Sandes wie aus der offenen Tür eines Backofens entgegen. Beim nächsten Mal war es noch schlimmer. Und beim dritten Mal schrie er vor Schmerz auf, als seine nackten Füße auf dem Sand auftrafen. In Windeseile saß er wieder im Sattel.
„Tut mir leid, Bree“, keuchte er. „Ich kann nicht zu Fuß gehen. Der Sand verbrennt mir die Füße.“
„Natürlich“, schnaufte Bree. „Darauf hätte ich selbst kommen müssen. Da kann man nichts machen – dann bleibst du eben sitzen.“
Zum Unterschied von Shasta hatte Aravis Schuhe an und konnte schon hin und wieder ein kleines Stück neben Hwin herlaufen.
So ging es weiter: Trab und Schritt und wieder Trab. Es roch nach erhitzten Pferdeleibern und erhitzten Menschenkörpern. Die Sonne gleißte und machte ihnen Kopfschmerzen. Und das blieb so, Meile für Meile. Und Tashbaan schien sich noch immer nicht weiter entfernt zu haben.
Schließlich veränderte sich die Landschaft. Eine langgestreckte Felsengruppe ragte plötzlich vor ihnen aus dem Sand auf. Die Sonne stand inzwischen hoch am Himmel, und die Felsen warfen nur winzig kleine Schatten. Dort drängten sie sich jetzt zusammen, aßen ein bißchen und tranken ein wenig Wasser. Keiner konnte sich auch nur annähernd satt trinken. Alle schwiegen. Die Pferde waren von Schaum bedeckt. Ihr Atem rasselte. Die Kinder waren bleich.
Nach einer kurzen Rast machten sie sich wieder auf den Weg. Das Sonnenlicht war noch genauso grell, der Sand ebenso heiß wie zuvor. So ritten sie wieder Stunde um Stunde, bis ihre Schatten schließlich nach rechts wanderten und immer länger und länger wurden, so lang, man hätte meinen können, sie reichten bis zum östlichen Ende der Welt. Allmählich näherte sich die Sonne dem westlichen Horizont. Endlich war sie untergegangen, die gnadenlose Helligkeit war verschwunden. Doch die Hitze, die vom Sand aufstieg, verflüchtigte sich noch lange nicht. Vier Augenpaare hielten wachsam Ausschau nach dem Tal, von dem Patschfuß der Rabe gesprochen hatte. Aber sie legten Meile um Meile zurück, und noch immer war außer Sand nichts zu sehen. Jetzt war es endgültig dunkel geworden, die Sterne standen schon am Himmel, die Pferde trabten immer noch dahin, und die Kinder, denen vor Durst und Müdigkeit ganz elend war, bewegten sich noch immer im Sattel auf und nieder. Erst als der Mond aufgegangen war, rief Shasta mit rauher Stimme: „Da ist es!“
Jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Vor ihnen, ein Stück zu ihrer Rechten, war ein von Felsenwänden gesäumter Hang zu sehen, der abwärts führte. Die Pferde waren viel zu müde, um etwas zu sagen. Sie hielten darauf zu, und wenige Minuten später ritten sie in die Felsenschlucht hinein. Zuerst war es da drinnen zwischen den Felsenwänden fast noch unangenehmer als draußen in der offenen Wüste, denn es war schrecklich stickig und stockdunkel. Es ging steil nach unten, und die Felsen zu beiden Seiten ragten immer höher empor. Dann tauchten die ersten Pflanzen auf. Da gab es stachelige, kakteenartige Gewächse und rauhes Gras, an dem man sich die Finger zerstach. Bald darauf hatten die Pferde nicht mehr Sand, sondern Kieselsteine unter den Hufen. Hinter jeder Wegbiegung – und derer gab es viele in diesem Tal – hielten sie angestrengt nach Wasser Ausschau. Die Pferde waren fast am Ende ihrer Kraft, Hwin stolperte und lief japsend hinter Bree her. Alle waren völlig erschöpft, als sie endlich an einem kleinen Schlammloch und einem winzigen Wasserrinnsal ankamen, das sich durch weicheres und saftigeres Gras schlängelte. Nach und nach wurde das Rinnsal zu einem Bächlein und das Bächlein zu einem Bach, an dessen Ufern zu beiden Seiten Büsche wuchsen. Dann wurde aus dem Bach ein Fluß. Endlich, nach all den vielen Enttäuschungen, glitt Shasta, der mehr oder weniger gedöst hatte, von Brees Rücken. Vor ihnen ergoß sich ein kleiner Wasserfall in einen großen Teich. Beide Pferde standen schon im Wasser und tranken, was das Zeug hielt.
„O-o-oh!“ sagte Shasta und hüpfte ebenfalls ins Wasser das ihm bis zu den Knien ging. Er hielt den Kopf unter den Wasserfall. Das war vermutlich der glücklichste Augenblick seines Lebens.
Nach langer Zeit kletterten die beiden tropfnassen Kinder und die Pferde aus dem Wasser und blickten um sich. Der Mond stand inzwischen so hoch, daß sie ein Stück weit ins Tal hineinsehen konnten. Auf beiden Seiten des Flusses wuchs weiches Gras, und dahinter, bis zum Fuß der Felsen hinauf, standen Bäume und Büsche. Irgendwo im schattigen Unterholz mußten irgendwelche Blumen blühen, denn die ganze Lichtung war von einem sanften und unendlich lieblichen Duft erfüllt. Im dunkelsten Schlupfwinkel unter den Bäumen sang eine Nachtigall.
Alle waren viel zu müde zum Reden oder zum Essen. Ohne darauf zu warten, daß man ihnen den Sattel abnahm, legten sich die Pferde nieder. Aravis und Shasta taten es ihnen nach.
Ein Weilchen später sagte die vernünftige Hwin: „Aber wir dürfen nicht einschlafen! Wir dürfen uns nicht von diesem Rabadash einholen lassen.“
„Nein“, brummte Bree träge. „Wir dürfen nicht schlafen. Nur eine kleine Rast.“
Shasta wußte, daß sie alle einschlafen würden, wenn er nicht aufstand und etwas unternahm. Er faßte den Entschluß, aufzustehen und die anderen davon zu überzeugen, daß sie weitermußten. Aber noch nicht gleich, nur noch ein kleines Weilchen ...
Und während der Mond auf sie herabschien und die Nachtigall sang, waren die beiden Pferde und die beiden Menschenkinder fest eingeschlafen.
Aravis wachte als erste auf. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, und die kühlen Morgenstunden waren schon verstrichen. Es ist meine Schuld! sagte sie sich wütend, während sie aufsprang und die anderen weckte. Von Pferden kann man nach einem solchen Ritt nicht verlangen, daß sie wach bleiben, auch wenn sie sprechen können. Und von dem Jungen natürlich auch nicht; er hat ja keine vernünftige Erziehung genossen. Aber ich hätte es besser wissen müssen.
Die anderen waren noch benommen vom tiefen Schlaf und konnten kaum denken.
„Hei-ho-broo-hoo“, sagte Bree. „Ich habe mit meinem Sattel geschlafen, was? Das mache ich nie wieder. Das ist sehr ungemütlich ...“
„Los, beeilt euch!“ befahl Aravis. „Der halbe Vormittag ist schon vorbei. Wir dürfen keine Sekunde mehr verlieren.“
„Also ich brauche erst mal ein Maulvoll Gras“, sagte Bree.
„Ich fürchte, dafür ist keine Zeit“, wandte Aravis ein.
„Warum denn diese Eile?“ fragte Bree. „Wir haben die Wüste durchquert, oder etwa nicht?“
„Aber wir sind noch nicht in Archenland“, sagte Aravis. „Wir müssen vor Rabadash dort ankommen.“
„Ach was, wir müssen meilenweit vor ihm sein“, sagte Bree. „Wir haben doch einen kürzeren Weg genommen. Hat dieser Rabe nicht gesagt, es sei eine Abkürzung, Shasta?“
„Er hat nicht gesagt, der Weg sei kürzer“, antwortete Shasta. „Er hat nur gesagt, er sei besser, weil er an einem Fluß entlangführt. Wenn die Oase genau nördlich von Tashbaan liegt, dann war unser Weg vermutlich länger, fürchte ich.“
„Also ohne Frühstück kann ich nicht weiter“, sagte Bree. „Nimm mein Zaumzeug ab, Shasta.“
„Ach b-bitte“, sagte Hwin schüchtern. „Ich habe genau wie Bree das Gefühl, nicht weiterzukönnen. Aber ich m-meine – sollten wir uns jetzt, wo wir frei sind, nicht noch mehr anstrengen? Es ist alles für Narnia.“
„Ich glaube, meine Dame“, sagte Bree vernichtend, „daß ich über Feldzüge und Gewaltmärsche und darüber, was ein Pferd aushält, ein klein wenig mehr weiß als du.“
Darauf wußte Hwin keine Antwort.
Also mußten sie warten, bis Bree einen Imbiß zu sich genommen und getrunken hatte. Auch Hwin und die Kinder aßen etwas und tranken sich satt. Es war schon fast elf Uhr als sie sich wieder auf den Weg machten.
Das Tal mit dem braunen, kühlen Fluß, dem Gras, dem Moos, den wilden Blumen und den Rhododendronbüschen war so wunderschön, daß man gar nicht schnell reiten mochte.