Acht

Geary spürte, wie sich eisige Kälte in ihm ausbreitete. »Ganz sicher? Da gibt es keinen Zweifel?«

»Nicht, wenn diese Nachricht echt ist, Sir. Sie könnte gefälscht sein, aber es wäre äußerst schwierig, einen so authentisch aussehenden Pfad zu konstruieren. Für mich sieht das danach aus, dass jemand auf der Lorica entdeckt hat, woher der Wurm kam. Dann hat er eine Nachricht mit dieser Information mit einer Totmannfunktion im Komm-System platziert, das sie erst senden sollte, wenn der Kreuzer als zerstört registriert wurde.«

Also hatte Commander Gaes den Verantwortlichen gekannt, aber diese Information aus Gründen zurückgehalten, die nun niemand mehr herausfinden würde. Allerdings hatte sie auch dafür gesorgt, dass die Wahrheit ans Licht käme, sollte sie jemand zum Schweigen bringen.

Desjani hatte vor Wut einen hochroten Kopf bekommen. »Das genügt als Grund, um Kila in einen Verhörraum zu sperren und herauszufinden, was sie tatsächlich weiß.«

»Ja«, stimmte Geary ihr zu und dachte an den Tod der Lorica, während er im Geiste bereits den Feuerbefehl für das Erschießungskommando formulierte, vor das Captain Kila würde treten müssen. Als er gerade nach seinen Kontrollen greifen wollte, um den Marines auf der Inspire den Befehl zur Verhaftung zu geben, legte sich eine andere Hand auf seine, und Victoria Rione sagte eindringlich zu ihm: »Warten Sie. Sie wollen doch Gewissheit haben, dass Sie sie auch kriegen.«

Geary sah Rione an und wunderte sich, wann sie auf die Brücke gekommen war, dass sie die Unterhaltung zwischen ihm und Desjani hatte mithören können. Bevor er jedoch etwas erwidern konnte, kam Desjani ihm zuvor.

»Wenn wir die Gewissheit haben wollen, sie zu kriegen, dann müssen wir so schnell wie möglich handeln!«, zischte sie aufgebracht. »Diese Frau hat versucht, mein Schiff zu zerstören!«

»Ich weiß, was sie versucht hat!«, gab Rione im gleichen Tonfall zurück. »Hören Sie mir zu! Kila hat hervorragende Arbeit darin geleistet, ihre Spuren zu verwischen. Wer so umsichtig handelt, der hat auch Vorbereitungen getroffen, um jederzeit belastende Beweise und Zeugen verschwinden zu lassen. Das haben wir gesehen, als bei Lakota dieses Shuttle mit jenen zwei Offizieren an Bord zerstört wurde. Wenn wir ihr nicht eine raffinierte Falle stellen, wird sie uns zuvorkommen und unsere Bemühungen zunichte machen.«

Geary kämpfte gegen sein Sinnen auf sofortige Rache an, da er erkannte, dass Rione völlig recht hatte. »Was schlagen Sie vor? Wir können sie doch nicht einfach weitermachen lassen.«

»Natürlich nicht.« Rione dachte kurz nach. »Eine Stunde. Mehr brauchen wir nicht, um unsere Falle aufzustellen. Berufen Sie in einer Stunde eine Flottenkonferenz ein. Dann wird Kila glauben, dass Sie immer noch keine Ahnung haben, wer hinter den Anschlägen auf die Lorica und die Dauntless steckt. Sie wird meinen, dass Sie nochmals einen Appell an jeden richten wollen, keine Informationen zurückzuhalten. Wenn es uns gelingt, diesen Beweis bis dahin geheimzuhalten, dann können wir sie in eine Falle locken, aus der es keinen Ausweg mehr gibt.«

Desjani sah Rione finster an, doch Geary konnte erkennen, wie sie intensiv nachdachte. Plötzlich nickte sie. »Das ist eine gute Idee. So würde ich es machen, Sir.«

Rione erwiderte den wütenden Blick. »Herzlichen Dank für so viel Vertrauen in mich.«

»Sie sollten sich mal beide vor Augen halten, wer der eigentliche Feind ist«, knurrte Geary, der Mühe hatte sich zu beherrschen. Die Wachhabenden auf der Brücke mussten längst bemerkt haben, dass da etwas Ungewöhnliches zwischen ihm, ihrem Captain und Rione ablief. Er musste den Tratsch nutzen, um von der Nachricht abzulenken, die ihn so stutzig hatte werden lassen. »Also gut, Madam Co-Präsidentin. Arbeiten Sie Ihre Falle aus und lassen Sie mich wissen, wenn Sie irgendetwas brauchen. Aber erst einmal werden Sie Captain Desjani einen langen, zornigen Blick zuwerfen und dann die Brücke so aufgebracht verlassen, als hätten Sie beide sich wieder mal gestritten.«

»Wir haben uns doch auch gestritten. Das sollte sogar Ihnen aufgefallen sein.« Rione lächelte Geary kühl an, dann sah sie zu Desjani und wich einen Schritt zurück. »Verzeihen Sie, dass ich an Ihren Entscheidungen beteiligt werden möchte«, sagte sie leise, doch die Wachhabenden hatten sie vermutlich noch hören können. »Ich dachte, ich sollte darüber informiert sein, was den Energieverlust auf Ihrem Schiff verursacht hat.«

Desjani reagierte mit einem höflichen Lächeln, das aufgesetzter nicht hätte sein können. »Wenn ich mehr herausfinde, werde ich sicherstellen, dass Sie davon erfahren. Vielen Dank, Madam Co-Präsidentin.«

Rione machte abrupt kehrt und stürmte von der Brücke, während Geary von seinem Platz aufstand und seinen erneut aufquellenden Frust gar nicht erst simulieren musste. Er wollte Kila auf der Stelle in eine Arrestzelle stecken, und noch lieber wollte er sie vor ein Erschießungskommando stellen, aber er durfte nichts überstürzen. Rione hatte recht, was die Falle anging, die sie ihr stellen mussten. Kila durfte keine weitere Gelegenheit bekommen, Beweise zu vernichten oder potenzielle Zeugen zu eliminieren. Damit die Wachhabenden, die möglicherweise ihre Unterhaltung belauschten, auch das Richtige zu hören bekamen, sagte er klar und deutlich: »Captain Desjani, geben Sie mir sofort Bescheid, wenn es irgendwelche neuen Erkenntnisse über den Verlust der Lorica und über die Probleme auf der Dauntless gibt.«

»Mein Offizier für Systemsicherheit arbeitet daran, Sir«, erwiderte Desjani, deren Stimme vor unterdrückter Wut bebte. Genau das würde ihre Crew auch von einem Captain erwarten, dessen Schiff nur knapp der Vernichtung entgangen war. Und falls irgendjemand einen anderen Grund für ihre Verärgerung suchte, war der in dem anhaltenden Streit zwischen Desjani und Rione schnell gefunden.

Geary schickte eine Nachricht an die befehlshabenden Offiziere seiner Flotte, um die Konferenz einzuberufen. Als er danach die Brücke verließ, entging ihm nicht, dass die Wachhabenden sich alle Mühe gaben, nicht Captain Desjanis Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, die mürrisch auf ihr Display blickte. Einen Moment lang blieb er stehen und dachte zurück an seine Zeit als Junioroffizier, als es ohne Rücksicht auf das Schiff oder den Captain zur Routine gehörte, ein Gefühl für die Laune eines Vorgesetzten zu entwickeln und zu wissen, wann man besser einen großen Bogen um ihn machte.

In seiner Zeit hätte man es als Insubordination ausgelegt, wenn jemand in aller Öffentlichkeit einem Flottenbefehlshaber widersprach. Völlig undenkbar wäre es auch gewesen, dass ein Flottencaptain gegen diese Befehlshaber eine Verschwörung anzettelte, die so weit ging, dass man eines der eigenen Schiffe mitsamt seiner Besatzung opferte, um seine Ziele durchzusetzen. So viel hatte sich in den letzten hundert Jahren verändert, und alles war eine Folge dieses scheinbar niemals endenden Kriegs. Gleich geblieben war auch in hundert Jahren Kälteschlaf nur die Erkenntnis, dass man einem schlecht gelaunten Captain besser aus dem Weg ging. Vermutlich hatte sich daran sogar in den letzten tausend Jahren nichts geändert. Offenbar gab es Traditionen und Erkenntnisse, die zu allen Zeiten Gültigkeit besaßen.

Nicht all diese Traditionen und Erkenntnisse waren auch zwangsläufig gut, dennoch empfand er es als tröstend, dass sich nicht alles verändert hatte.

Eine Stunde später war Geary in den Konferenzraum zurückgekehrt. Die Atmosphäre war wie üblich angespannt. Er stand am Kopfende des Tischs und versuchte, nicht auf die Stelle zu sehen, an der gleich Captain Kilas Bild auftauchen würde. Nach und nach wurden die Stühle besetzt, und der Tisch wuchs, um allen Anwesenden Platz zu bieten.

Desjani betrat den Raum und war damit außer Geary als Einzige real anwesend. Sie nahm neben ihm Platz, bemerkte seinen Blick, nickte kurz und schaute dann auf den Tisch. Er konnte ihre Anspannung spüren, wie bei einer Raubkatze, die sich auf ihre Beute stürzen wollte, aber wusste, dass sie sich noch eine Weile gedulden musste. Genauso verhielt sie sich kurz vor einem Angriff auf ein Syndik-Kriegsschiff, nur dass ihr Ziel diesmal ein Offizier aus den Reihen der Allianz war.

Zu Gearys Verwunderung und Erleichterung tauchte neben Captain Cresida das Bild von Captain Duellos auf. Seine Uniform war gereinigt und geflickt worden, und von seinen leicht steifen Bewegungen abgesehen, konnte man ihm kaum anmerken, was er in letzter Zeit durchgemacht hatte.

Inmitten der Captains der Callas-Republik und der Rift-Föderation nahm das Bild von Co-Präsidentin Rione Gestalt an. Sie sah zu Geary und nickte, was in ihrem Fall auch bedeutete, dass die Falle bereit war zuzuschnappen. Aber in ihren Augen konnte er auch eine Warnung ablesen. Sie sind ein mieser Schauspieler und ein noch schlechterer Lügner, Captain Geary, hatte Rione ihm noch vor nicht einmal einer halben Stunde vorgehalten. Sie werden wütend sein, aber Sie müssen versuchen, diese Wut so aussehen zu lassen, als richte sie sich gegen jemanden, dessen Identität Ihnen nicht bekannt ist. Kommen Sie nicht auf den ersten Wurm zu sprechen, spekulieren Sie auch nicht darüber, woher die Würmer gekommen sein könnten, bis Sie die Anzeichen dafür empfangen, dass die Falle bereit ist. Wenn Sie nicht über die Dinge reden, die wir wissen, dann müssen Sie auch nicht lügen, und dann hören Sie sich auch nicht so an, als würden Sie lügen.

Es gab Schlimmeres als ein schlechter Lügner zu sein, fand er, während er darauf wartete, dass auch die anderen Schiffskommandanten zur Konferenz erschienen. Außerdem hatte er ja Rione dabei, die einspringen konnte, wenn er doch noch lügen musste. Er stellte sich vor, wie die Flottenoffiziere einfach nur wissend nicken würden, sollten sie erfahren, dass er die Hilfe einer Politikerin benötigte, damit er erfolgreich um die Wahrheit herumredete.

Colonel Carabali erschien so ungerührt wie immer, nickte aber Geary scheinbar zum Gruß zu, obwohl sie in Wahrheit bestätigte, dass ihre Marines einsatzbereit waren.

Die letzten Offiziere trafen ein, die meisten davon junge Männer und Frauen von den kleinsten und damit am weitesten entfernten Schiffen der Flotte, die sich leicht dabei verrechnet hatten, mit welcher zeitlichen Verzögerung ihr Bild auf der Dauntless zu sehen sein würde. Alle saßen schweigend da, während Geary aufstand und mit mühsam beherrschter Stimme zu reden begann. »Einer unserer Schweren Kreuzer, die Lorica, wurde zerstört und die Crew ermordet. Verantwortlich dafür sind Individuen, die ihre politischen Ziele höher einstufen als das Leben des Flottenpersonals.« Rione hatte genau diese Einleitung vorgeschlagen, um die Attentäter mit jeder Art von Politik in Verbindung zu bringen, die von der Flotte verabscheut wurde. »Die Dauntless ist nur knapp dem gleichen Schicksal entgangen.«

Captain Badaya schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, an dem er an Bord seines Schiffs saß. Die Konferenzsoftware ergänzte aufmerksam das Geräusch, sodass es so wirkte, als hätte er auf den gemeinsamen Konferenztisch geschlagen. »Hinterhältige Bastarde! Wie kann irgendjemand in dieser Flotte etwas über diese Dinge wissen und trotzdem schweigen?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete Geary und musterte ein Gesicht nach dem anderen. Ihm fiel auf, dass Kila mit erboster Miene von links nach rechts schaute, damit sie ihm nicht in die Augen sehen musste. »Das hier ist die letzte Chance für jeden, der etwas weiß, sein Wissen zu offenbaren. Wer jetzt weiter schweigt, obwohl er Informationen besitzt, wird mit der gleichen Härte bestraft werden wie die Verschwörer selbst.«

Niemand sagte etwas.

»Ich weiß, in dieser Flotte ist nicht jeder mit meinen Entscheidungen einverstanden«, ergänzte Geary. »Nun, es ist eine Sache, eine gegenteilige Meinung zu haben. Kameraden zu ermorden und Kriegsschiffe zu zerstören, ist eine ganz andere Sache. Ich glaube, ich habe inzwischen jedem bewiesen, dass ich zu meinem Wort stehe. Diejenigen, die die Lorica vernichtet haben, sind ganz sicher auch für die Zerstörung des Shuttles im Lakota-System verantwortlich, bei der Captain Casia und Commander Yin ums Leben kamen. Diese beiden Offiziere wurden auch ermordet, um sie zum Schweigen zu bringen. Jeder, der etwas über die Hintergründe weiß, sollte sich vor Augen halten, dass sein Leben in der Hand von Leuten liegt, die morden, nur um nicht entlarvt zu werden. Wer jetzt vortritt, wird von uns vor diesen Leuten beschützt werden.«

Es schloss sich ein noch längeres Schweigen an.

Duellos verzog das Gesicht, als hätte er etwas Verdorbenes runtergeschluckt. »Meiner Ansicht nach müssen die Drahtzieher in völliger Anonymität vorgehen, da ich mir nicht vorstellen kann, dass nicht irgendjemand, der früher ihre Sache unterstützt hat, spätestens jetzt Namen nennen würde.«

»Würde jemand auf eine Fährte stoßen, die zu diesen Drahtziehern führt«, warf Captain Tulev ein, »dann wäre es mit der richtigen Entschlossenheit früher oder später auch möglich, diese Leute zu identifizieren, selbst wenn sie ihre Spuren noch so gut verwischen.«

»Vielleicht musste Commander Gaes ja deswegen zusammen mit der Lorica sterben«, gab Captain Cresida zu bedenken. »Sie hatte sich zwischendurch Falco angeschlossen, also hatte sie eine Weile mit den Leuten engen Kontakt, die gegen Captain Geary als Befehlshaber dieser Flotte eingestellt sind. Seit der Rückkehr zur Flotte war sie allerdings loyal. Möglicherweise hat sie diese Kontakte bemüht, um die Hintermänner ausfindig zu machen.« Geary hatte mit Cresida nicht über diese Dinge gesprochen, aber sie war intelligent genug, um die Zusammenhänge selbst zu erkennen, nachdem die Lorica zerstört worden war.

Der befehlshabende Offizier der Daring schüttelte den Kopf. »Das sind alles nur Spekulationen. Wir brauchen Fakten. Wir brauchen handfeste Beweise!«

»Wirklich?«, gab Cresida zurück. »Im Verhörraum würde die Wahrheit auch ans Licht kommen. Ich melde mich hiermit freiwillig, um mich über mein Wissen zu diesen Würmer befragen zu lassen, und ich lege allen befehlshabenden Offizieren ans Herz, meinem Beispiel zu folgen.«

Captain Armus von der Colossus legte die Stirn in Falten. »Das ist ein sehr großer Schritt, den Sie da von uns erwarten. Indirekt stellen Sie damit alle Offiziere dieser Flotte unter Generalverdacht. Wenn wir uns einverstanden erklären, uns verhören zu lassen, dann legen wir die Frage sehr großzügig aus, welche Handlungen gegen andere Offiziere zulässig sind, auch gegen Offiziere, die nicht mal im Entferntesten eines Verbrechens verdächtigt werden.«

Zahlreiche Offiziere nickten zustimmend, und sogar Geary lehnte Cresidas Vorschlag reflexartig ab. Wenn sie einen Präzedenzfall schufen, durch den es möglich wurde, jeden beliebigen Offizier zu verhören, auch wenn der gar keines Verbrechens verdächtigt wurde, dann schossen sie damit wahrscheinlich weit übers Ziel hinaus.

Aber würde er womöglich genauso denken, wäre ihm nichts von der Nachricht bekannt, die von der Lorica eingegangen war? Oder würde er von Wut und Frust getrieben Cresida zustimmen und damit ein entscheidendes Element dieser Flotte unterhöhlen? Es hatte ihn entsetzt zu sehen, wie sich die Prinzipien der Allianz im Laufe von hundert Jahren Krieg verändert hatten, doch in Augenblicken wie diesen konnte Geary nachvollziehen, wie leicht es war, Kompromisse einzugehen und wichtige Prinzipien zu beschneiden oder ganz auszuhebeln – aber natürlich »nur dieses eine Mal, weil es unbedingt nötig ist«.

»Co-Präsidentin Rione hat sich auch freiwillig einem Verhör unterzogen, als sie unter Verdacht stand«, gab ein Captain der Callas-Republik zu bedenken.

»Von einem Politiker kann man wohl kaum erwarten, dass seine Vorstellung von Ehre mit der eines Flottenoffiziers vergleichbar ist«, platzte Armus heraus, dann lief er rot an, als er gewahr wurde, dass Rione an der Konferenz teilnahm.

»Angesichts der Tatsache, dass sie eine Allianz-Senatorin ist«, betonte Duellos, »war das durchaus ein vergleichbarer Akt.«

»Außerdem«, ließ Captain Desjani in einem trügerisch neutralen Tonfall verlauten, »sind hier doch viele der Ansicht, dass Politiker fürchten müssten, bei einem solchen Verhör jeden Fehltritt zu enthüllen, den sie sich in ihrer Karriere erlaubt haben. Von daher war Co-Präsidentin Riones Einverständnis von viel größerer Bedeutung, als wenn ein Offizier der Flotte einem Verhör zustimmt.«

»Vielen Dank, Captain Desjani«, gab Rione äußerst frostig zurück.

Geary hatte zugelassen, dass die Diskussion so ausuferte, weil er Zeit schinden musste. Jetzt bemerkte er, wie Colonel Carabali den Kopf drehte, um auf etwas zu schauen, das nur sie sehen konnte. Dann nickte sie Geary zu. Die Falle war bereit.

Er klopfte auf den Tisch, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Wir müssen nicht die Ehre eines jeden Offiziers infrage stellen, und wir müssen auch keine Massenverhöre durchführen, die der Struktur und Disziplin dieser Flotte schaden würden.« Alle sahen ihn an und fragten sich, was er als Nächstes sagen würde. Sogar Desjani brachte es fertig, eine ratlose Miene zu machen. »Stattdessen werden wir die Toten sprechen lassen.«

Den Gesichtern der versammelten Offiziere war teilweise Erschrecken, teilweise Erstaunen anzusehen, während Geary mit einem Finger auf die Tischplatte tippte. »Die Befehlshaberin der Lorica war in der Lage, unmittelbar vor der Zerstörung ihres Schiffs eine wichtige Nachricht über eine Entdeckung zu versenden, auf die sie gestoßen war. So wie Captain Cresida bereits in Erwägung gezogen hatte, spricht alles dafür, dass die Verräter vermutet haben, Commander Gaes wisse zu viel und müsse deshalb ausgeschaltet werden.« Mit Gewissheit konnte er das nicht sagen, schließlich wusste er nicht, wie lange Gaes bereits bekannt gewesen war, von welchem Schiff dieser neue Wurm stammte. Sie hatte ihn vor dem ersten Wurm gewarnt, aber sie hatte nie ein Wort über die Drahtzieher gesagt. Deshalb war gar nicht klar, ob ihr deren Identitäten bekannt gewesen waren oder nicht. Auf jeden Fall war sie in Erfüllung ihrer Dienstpflicht gestorben, und sie hatte ihn mit der Information versorgt, die für ihn so wichtig war. Allein aus dem Grund verdiente sie es, dass er nur das Beste über sie dachte.

Er gab einen Befehl auf den Tasten ein, dann erschien die Nachricht von der Lorica, die im Konferenzraum über dem Tisch schwebte und die von der Software so dargestellt wurde, dass jeder Teilnehmende sie vor sich sah und den Inhalt lesen konnte. »Sie erinnern sich sicher noch an den ersten Wurm, der so programmiert und in die Betriebssysteme der Flotte eingeschleust worden war, dass er den Sprungantrieb der meisten Schiffe außer Funktion gesetzt hätte – mit Ausnahme weniger Schiffe wie der Dauntless, die dazu verdammt gewesen wäre, für alle Ewigkeit durch den Sprungraum zu treiben.« Er deutete auf die angezeigte Nachricht. »Dort findet sich der Hinweis, den wir so lange gesucht haben. Dort steht, von welchem Schiff der Wurm verbreitet wurde.« Alle starrten ihn an, während er seinen Blick zu Kila wandern ließ. »Captain Kila, der Wurm stammt von der Inspire

Kila schien erschrocken auf diese Neuigkeiten zu reagieren. »Sind Sie sich ganz sicher?«

»Ja, Captain Kila. Würden Sie uns bitte erklären, wieso Ihr Schiff eine Quelle schädlicher Software ist, die sich gegen Ihre Kameraden in dieser Flotte richtet?«

»Ich verbitte mir diesen unterstellenden Tonfall, Captain Geary!«, fuhr Kila ihn an.

»Wir sollten unverzüglich den Befehl an die Inspire geben, alle zu verhaften, die damit zu tun haben könnten«, drängte Badaya. »Tun Sie es sofort, bevor diejenigen davon erfahren!«

Kila drehte sich zu Badaya um. »Diese Nachricht ist nicht mal auf ihre Echtheit hin überprüft worden. Stammt sie überhaupt wirklich von der Lorica? Und falls ja, ist sie echt oder gefälscht? Ich versichere jedem Offizier hier: Wenn ich davon gewusst hätte, wäre ich auf der Stelle persönlich gegen diejenigen vorgegangen, die sich das da ausgedacht haben. Was Ihren Vorschlag angeht, Captain Badaya, so bin ich auch ohne Ihre Hilfe in der Lage, die betreffenden Offiziere verhaften zu lassen und dafür zu sorgen, dass sie alles verraten, was sie wissen.«

Wäre er von Rione nicht darauf hingewiesen worden, dann hätte Geary wohl kaum darauf geachtet, wie Kilas Hand aus dem Erfassungsbereich der Software verschwand, um irgendwelche Tasten zu bedienen. »Jeder, der es wünscht, kann diese Nachricht auf ihre Echtheit überprüfen«, gab er zurück und wahrte einen ruhigen Tonfall, obwohl er Kila am liebsten angebrüllt hätte. »Jeder Kommunikations- und Sicherheitsoffizier, der sich bislang mit dieser Nachricht beschäftigt hat, konnte bestätigen, dass sie von der Inspire stammt. Ihnen war nicht bekannt, dass der Wurm von Ihrem Schiff aus verschickt worden ist?«

»Natürlich nicht!« Kila schaute sich wütend um, dann sah sie zu Duellos. »Das haben Sie eingefädelt, wie? Der vor langer Zeit verschmähte Liebhaber hat sich endlich rächen können!«

Für Duellos war es kein Problem, eine Unschuldsmiene aufzusetzen, als er den Kopf schüttelte. Er war nicht vorab über die Existenz dieser Nachricht informiert worden, dennoch sah man ihm deutlich an, wie wenig er diese Frau leiden konnte. »Ich hätte eigentlich gedacht, dass ein befehlshabender Offizier in einer solchen Situation weniger an sich selbst denkt und mehr darum besorgt ist, die Quelle dieses Wurms auf seinem Schiff ausfindig zu machen.«

»Die Verantwortlichen werden dafür zur Rechenschaft gezogen werden!« Kila stand auf. »Ich muss die Suche nach diesen Verschwörern auf meinem Schiff in die Wege leiten, bevor sie von dieser Information erfahren. Vorausgesetzt natürlich«, fügte sie hastig an, »diese angeblich von der Lorica stammende Nachricht ist überhaupt echt.«

Geary sah zu Colonel Carabali, die sich etwas anhörte, was nicht auf der Konferenz wiedergegeben wurde, dann nickte sie ein letztes Mal, und Geary wandte sich mit einem finsteren Lächeln an Kila. »Anfangen sollten wir wohl mit Ihrem Offizier für Systemsicherheit, meinen Sie nicht auch, Captain Kila? Und mit dem Komm-Offizier und dem XO?«

»Ja, natürlich!«, antwortete Kila. »Wenn Sie mich jetzt mit den Ermittlungen anfangen lassen würden? Ich will sicherstellen, dass keiner von ihnen von diesem möglichen Beweis erfährt, damit sie keine Zeit hab …«

»Die Ermittlungen haben bereits begonnen«, wurde sie von Geary unterbrochen. »Colonel Carabali, könnten Sie uns bitte auf den neuesten Stand bringen?«

Carabali mied es, Kila anzusehen, während sie mit regloser Miene zu berichten begann: »Auf Befehl von Captain Geary haben meine auf der Inspire befindlichen Marines bis zum Beginn dieser Konferenz gewartet, dann haben sie den XO, den Komm-Offizier sowie den Offizier für Systemsicherheit dieses Schiff heimlich in Schutzhaft genommen.«

Die virtuell anwesenden Befehlshaber der Flotte sahen entweder Carabali, Geary oder Kila an, wobei Geary hoffte, dass sich kein triumphierender Ausdruck auf sein Gesicht geschlichen hatte. Kila ließ keine Regung erkennen.

»Diese Offiziere«, fuhr Carabali fort, »wurden in Hochsicherheits-Isolationszellen untergebracht, während man sie durchsucht hat, ob sie Objekte oder Substanzen am Körper tragen, mit denen sie sich oder der Inspire Schaden zufügen können. Die Kommunikation wird durch den Austausch von schriftlichen Mitteilungen geführt, die durch eine Reihe von Schleusen geleitet werden.« Colonel Carabali hielt kurz inne. »Vor ungefähr drei Minuten ergab die Untersuchung des Offiziers für Systemsicherheit und des Komm-Offiziers das Vorhandensein von INBNDs. Vor einer Minute stellten die Sensoren rund um die Sicherheitszellen eine Serie von Signalen fest, die für kodierte Hochsicherheitsübermittlungen benutzt werden. Diese Signale, die von den Sensoren neutralisiert wurden, können ihren Ursprung nur an Bord der Inspire haben.«

»INBNDs?«, fragte Tulev, als eine kurze Pause entstand.

»Injizierte nanobasierte Neuraldisruptoren«, erklärte sie, »die gemeinhin auch als ›Hirntoaster‹ bezeichnet werden, weil das dem Effekt entspricht, den sie auf das Nervensystem haben, sobald sie erst einmal ausgelöst worden sind. Sie können unbemerkt in den Körper einer Person injiziert werden, wenn diese Person abgelenkt ist. Die abgefangenen Signale scheinen dem Zweck gedient zu haben, die ›Hirntoaster‹ auszulösen.«

Diesmal folgte ein noch längeres Schweigen. »Dann hat jemand gerade eben versucht, diese drei Offiziere zu ermorden?«, fragte Captain Badaya ungläubig.

»Auf jeden Fall den Offizier für Systemsicherheit und den Komm-Offizier. Derzeit wird der XO noch untersucht, ob bei ihm auch INBNDs zu finden sind.« Carabali wandte den Blick nicht von Kila ab. »Wie gesagt, die Quelle hatte das Signal irgendwo auf der Inspire

Desjanis Blick ruhte auf Kila, als wollte sie jeden Moment eine ganze Batterie Höllenspeere auf sie abfeuern. »Wie eigenartig, dass jemand versucht, diese Offiziere zu töten, kaum dass sich bei dieser Besprechung herausstellt, dass der Wurm von der Inspire verschickt wurde. Wer auf der Inspire sollte wohl gewusst haben, dass man diese drei Offiziere verhören würde?«

Duellos nickte und schaute finster drein. »Es wird sicher interessant sein, wen diese Offiziere belasten werden, wenn man sie davon in Kenntnis versetzt, dass jemand versucht hat, sie umzubringen. Warum? Um sie zum Schweigen zu bringen? Oder um es so aussehen zu lassen, als seien sie die einzigen Schuldigen? Wir hätten mit zwei oder drei toten Offizieren dagestanden, vielleicht auch noch mit einem überzeugenden Hinweis darauf, dass sie Selbstmord begangen haben, nachdem ihnen klar geworden war, dass sie als Verdächtige angesehen wurden.«

Kilas beharrliches Streben, in der Flotte Karriere zu machen, hatte dazu geführt, dass sie unter ihresgleichen kaum Freunde oder gar Bewunderer hatte. Ein Blick in die Runde genügte Geary, um zu sehen, dass jeder hier anwesende Offizier Kila angewidert oder wütend ansah. Sogar Caligo schien fassungslos.

»Captain Kila«, erklärte Geary mit einer Ruhe, die ihn selbst mit Bewunderung erfüllte. »Angesichts der Ereignisse und der uns vorliegenden Beweise entziehe ich Ihnen hiermit das Kommando, während die Situation auf der Inspire weiter untersucht wird. Colonel Carabali, schicken Sie bitte Ihre Marines los, damit sie Captain Kila zu einem Shuttle eskortieren, das sie zur Illustrious bringen wird.«

Kila blickte sich voller Verachtung um, dann hob sie den Arm in einer dramatischen Geste, ehe sie etwas auf dem Tastenfeld eintippte, das sich auf der Inspire auf dem Tisch vor ihr befand. »Tut mir leid, Colonel, aber Ihren Marines wird es nicht gelingen, in mein Quartier zu gelangen. Die Allianz wird diesen Krieg verlieren, weil sie schwach ist und weil die Offiziere ihrer Flotte schwach sind. Keiner von Ihnen taugt dazu, diese Flotte zu befehligen, und Sie erst recht nicht, Captain Geary. Ihnen sind die Syndiks wichtiger als die Bürger der Allianz!«

Mit unglaublich tiefer Stimme grollte Badaya: »Sie verdammtes Miststück! Wie können Sie es wagen zu behaupten, Ihnen seien die Bürger der Allianz wichtig, wenn Sie die Crew der Lorica ermorden und versuchen, das Gleiche mit den Besatzungen der Illustrious, der Dauntless und der Furious zu tun!«

Kila bleckte die Zähne und konterte: »Wir haben alle einen Eid geleistet, notfalls auch für die Allianz zu sterben. Das unglückliche Opfer dieser Besatzung hätte der höchsten Sache gedient, der Allianz. Es wäre nichts anderes gewesen, als im Kampf gegen diejenigen zu fallen, die die Allianz schwächen und vernichten wollen. Wenn wir uns gegenseitig vorhalten wollen, wer denn nun der wahre Verräter ist, dann bin ich bereit. Was hat Geary Ihnen versprochen, wenn er erst einmal die Kontrolle über die Allianz an sich gerissen hat? Sie bezeichnen sich als loyal? Sie sind jämmerlich und korrupt, Sie verkaufen sich an jemanden, der an die Macht kommen will, aber Sie tun nichts, was erforderlich ist, um die Allianz zu retten.«

Duellos konterte in einem so frostigen Tonfall, wie Geary ihn von ihm noch nie gehört hatte: »Die Allianz tut seit hundert Jahren das, was einige Leute für ›erforderlich‹ gehalten haben, und trotzdem sind wir einem Sieg keinen Schritt näher gekommen.«

»Weil diese erforderlichen Dinge nur halbherzig und zögerlich in Angriff genommen werden!«, hielt Kila dagegen. »Immer wird vor dem zurückgeschreckt, was notwendig ist. Der Feind verdient keine Gnade. Nicht mal eine Prise Gnade. Er verdient den Tod, und erst wenn er sieht, dass wir willens sind, jeden Einzelnen von ihnen zu töten, wird er aufgeben.«

»Und wenn der Feind dann immer noch nicht aufgibt?«

Kila machte eine wegwerfende Geste. »Dann werden sie eben alle getötet, und der Krieg nimmt so sein Ende.«

»Ich habe so wie jeder das Recht, dazu etwas zu sagen«, äußerte sich Tulev mit tonloser Stimme. »Ich weiß nicht, was die Syndiks verdienen, aber nur weil sie die Bevölkerung der Allianz töten, hat sich auf unserer Seite niemand zu einer Kapitulation veranlasst gesehen. Selbst wenn Ihre Idee die Fähigkeiten der Allianz nicht überstiege und es möglich wäre, deren ganze Bevölkerung auszulöschen, würde ein Massenmord die Syndiks auch nicht dazu veranlassen, sich unserem Willen zu beugen und zu kapitulieren.«

»Ihr Kampfgeist ist bei Elyzia gestorben«, erwiderte Kila und Tulevs rot anlaufendes Gesicht verriet deutlich seine so selten zur Schau gestellten Gefühle. »Ich fürchte mich nicht davor, die Wahrheit auszusprechen. Aber keiner von Ihnen will die Wahrheit hören. Keiner von Ihnen will sich seinen eigenen Schwächen stellen. Sie hätten einen Führer haben können, der getan hätte, was nötig war, doch stattdessen sterben Sie lieber Stück für Stück. Sie sind nur jämmerliche Schatten von dem, was Flottenoffiziere einmal waren.«

Geary schüttelte den Kopf. »Flottenoffiziere haben noch nie daran geglaubt, dass es in Ordnung ist, Kameraden zu töten, um den eigenen Ehrgeiz zu stillen.«

Kila sah ihn herablassend an. »Ehrgeiz? Meinen Sie, ich war so verblendet zu glauben, eine Schafsherde wie diese hier würde mich als ihren Anführer akzeptieren? Ihre jämmerlichen Egos hätten das niemals akzeptieren können. Ich hatte jemanden, der zuhört und der von Ihnen allen akzeptiert worden wäre, auch wenn ihm jetzt der Mut fehlt, um zu mir zu stehen.« Sie drehte sich um und schaute geradewegs Captain Caligo an. »Wollten Sie es ihnen nicht sagen? Diesmal hilft es Ihnen nicht weiter, wenn Sie sich in den Hintergrund zurückziehen. Ich habe nicht die Absicht, mich in mein Schwert zu stürzen, während Sie so tun, als hätten Sie mit nichts etwas zu schaffen.«

Hastig schüttelte Caligo den Kopf. »Ich weiß nicht, was …«

»Wir waren uns darin einig, dass wir bereit waren, für die Allianz zu sterben, schon vergessen?«, zog Kila ihn auf. »Ich habe Ihr Gesicht gesehen, ich habe erkannt, dass Sie bereit waren, sich wieder unauffällig zu geben und das zu sein, was die anderen in Ihnen sehen wollen. Was glauben Sie, was die jetzt gerade in Ihnen sehen?«

Caligo war kreidebleich geworden. »Sie lügen. Nichts davon können Sie beweisen!«

»Haben Sie etwa geglaubt, ich wäre so dumm, Ihnen zu vertrauen?« Kila stand in Habachthaltung da und ließ ihren verächtlichen Blick durch den Raum schweifen, dann beugte sie sich vor und tippte irgendwelche Befehle ein. »Sie wollen Beweise sehen, Captain Geary? Ich habe Ihnen gerade genügend Beweise gesendet, die zeigen, dass Caligo mit allem einverstanden war.« Sie sah nun Geary eindringlich an. »Meine Feinde haben immer versucht, mich aus Neid niederzumachen. Ach, wären Sie tatsächlich Black Jack, dann hätte ich Sie unterstützt! Ich hätte zu dem wahren Mann stehen können, aber dieser wahre Mann starb im Kälteschlaf und ließ Sie zurück, diese leere Hülle. Sie verdienen nichts Besseres als diese ehrlose Politikerin und diese einfältige Schiffskommandantin. Ich hoffe nur, dass einer von ihnen irgendwann die Augen aufgehen und sie Ihnen ein Messer in den Leib jagt. Das ist nämlich das Einzige, was Sie verdienen.«

Duellos mischte sich in einem bedauernden, dennoch unnachgiebigen Tonfall ein: »Sie scheinen ja sehr genau zu wissen, was alle anderen verdient haben. Doch Ihr Urteilsvermögen ist in Wahrheit armselig. Sie haben sich Feinde gemacht, Sandra, und Ihr Ehrgeiz hat Sie geblendet. Und nun bekommen Sie das Erschießungskommando, das Sie verdienen.«

»Sie haben kein Recht, über mich zu urteilen.«

»Aber die Crew der Lorica hat das Recht, nicht wahr, Kila?«, mischte sich Captain Armus ein. »Schon bald werden Sie sich ihr stellen müssen, und ich an Ihrer Stelle würde jetzt schon mal damit anfangen, um Verzeihung zu bitten. Niemand von diesem Schiff hat überlebt, um Sie sterben zu sehen, aber wir werden diesen Augenblick für diese Toten miterleben.«

Kila musterte ihn abfällig. »Ich werde keinem von Ihnen die Genugtuung geben, mich sterben zu sehen. Wir sehen uns in der Hölle wieder, denn genau dorthin lassen Sie alle sich führen.« Dann schlug sie auf die Kontrollen auf dem Tisch an Bord der Inspire, und ihr Bild löste sich auf.

»Colonel?«, rief Geary.

Carabali hörte sich eine Meldung an, dann verzog sie das Gesicht. »Meine Marines können das Schloss zu Captain Kilas Quartier nicht überwinden. Sie haben …« Sie hielt inne, schaute zur Seite und nickte jemandem zu, dann sah sie wieder Geary an. »Meine Marines melden eine schwere Explosion in Captain Kilas Quartier.«

»Wie stehen die Überlebenschancen für jemanden, der sich in dem Raum aufhält?«

»Angesichts der Wucht der Detonation sind die Chancen gleich null.«

Im Konferenzraum machte sich Schweigen breit, alle sahen auf die Stelle, an der sich eben noch Captain Kilas Bild befunden hatte. Die Stille wurde schließlich von dem Hinweiston beendet, der den Eingang einer Nachricht der höchsten Priorität ankündigte. »Ist diese Nachricht geprüft und freigegeben worden?«, wollte Geary wissen.

Desjani sprach hastig in ihre Dateneinheit, dann nickte sie. »Sie ist sauber.«

Geary öffnete die Nachricht und stellte fest, dass sie aus etlichen Dateien und archivierten E-Mails bestand. Nach dem Zufallsprinzip klickte er mal hier, mal dort an, nur um lesen zu müssen, wie voller Hass und Verachtung über ihn geschrieben wurde. »Das sind die Beweise, von denen Captain Kila vorhin gesprochen hatte«, ließ er die anderen Offiziere wissen und öffnete eine der alten E-Mails auf dem Display über dem Tisch, damit jeder sie lesen konnte.

Als Erster meldete sich Tulev zu Wort: »Von Captain Caligo, der seine Zusicherung bestätigt, Captain Kilas Anweisungen zu befolgen, was sie belohnen will, indem sie sich dafür einsetzt, dass er Flottenbefehlshaber werden kann. Können wir davon ausgehen, dass diese Dokumente echt sind?«

Badaya warf Caligo einen finsteren Blick zu. »Auf jeden Fall bieten sie genug Anlass für ein Verhör. Wenn Captain Caligo mit den Anschlägen auf die Kriegsschiffe der Allianz und mit der Zerstörung der Lorica nichts zu tun hat, dann wird er sicher nichts dagegen haben, seine Unschuld zu beweisen.«

»Als meine Kameraden«, begann Caligo, nachdem er zunächst angestrengt geschluckt hatte, »werden Sie sich doch sicher an die Prinzipien halten, an die die Flotte glaubt.«

»War das jetzt ein Ja oder ein Nein?«, fragte Duellos.

»Jeder Offizier hat das Recht, dass seine sämtlichen Leistungen in Betracht gezogen werden und seine Ehre nicht ohne guten Grund angezw …« Caligo verstummte, als er endlich erkannte, dass gerade dafür sehr gewichtige Gründe vorlagen.

Desjani beugte sich vor und schaute Caligo mit einer so todernsten Miene an, wie Geary sie bei ihr noch nie beobachtet hatte. »Es gibt nur einen einzigen Weg, der Ihnen einen ehrenvollen Tod gewähren könnte und nicht den eines Verräters und Feiglings. Sagen Sie uns alles, was Sie wissen, und nennen Sie jeden Namen, der daran beteiligt ist. Wir bekommen das so oder so heraus, und wenn wir Ihnen die Namen aller Besatzungsmitglieder der gesamten Flotte vorlesen müssen, um jedes Mal Ihre Reaktion im Verhörraum festzustellen. Aber wir sparen viel Zeit und bewahren womöglich weitere Schiffe vor der Zerstörung, wenn Sie freiwillig den Mund aufmachen.« Sie sah sich am Konferenztisch um. »Kila könnte versucht haben, einen weiteren Wurm zu aktivieren. Solange wir nicht alle Zusammenhänge und Namen kennen, müssen wir davon ausgehen, dass die Gefahr noch nicht vorüber ist.«

Diesmal richteten sich besorgte und bedrohliche Blick auf Caligo. Er zuckte zusammen und schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich schwöre es.«

»Wissen Sie, welche Teile des Flottennetzes Kila benutzt hat, um die Würmer zu verschicken? Sind Ihnen irgendwelche Kennungen bekannt? Wissen Sie, wer sie geschrieben hat?«

»J-ja.«

Colonel Carabali empfing einen weiteren Bericht und meldete sich zu Wort: »Meine Marines haben die Luke zu Captain Kilas Quartier aufgesprengt und sind eingedrungen. Sie bestätigen, dass sie tot ist. Sie suchen das Quartier nach Sprengfallen ab und empfehlen, dass Software-Experten der Flotte sorgfältig nach möglichen Auslösern in diesem Raum suchen, die weitere zerstörerische Würmer aktivieren könnten.«

»Gibt es jemanden auf der Inspire, dem wir diese Aufgabe anvertrauen können?«, fragte Geary die versammelten Offiziere.

»Schicken Sie ein Team von der Valiant hin«, schlug Cresida vor. »Die dürfte die besten Software-Fachidioten der ganzen Flotte haben.«

Commander Landis von der Valiant lächelte flüchtig. »Mein Software-Sicherheitsteam ist gut. Ich werde sie per Shuttle zur Inspire bringen lassen. Ich empfehle, dass alle Systeme der Inspire komplett gesäubert werden. Das wird eine Weile dauern.«

»Schaffen Sie das noch vor unserem Sprung nach Atalia?«, fragte Geary.

»Ja, Sir. Auf jeden Fall wird die Inspire vor dem nächsten Sprung sauber sein.«

»Vielen Dank, Commander Landis. Erledigen Sie das sofort.« Geary wandte sich Captain Caligo zu, der völlig reglos dasaß, wie ein Kaninchen, das auf freiem Feld von einem Jäger ertappt worden war und sich nun nicht rührte, um bloß nicht auf sich aufmerksam zu machen. Es war ziemlich deutlich, dass von ihm im Gegensatz zu Kila keine spektakuläre Selbsttötung zu erwarten war. »Captain Caligo, ich entziehe Ihnen mit sofortiger Wirkung das Kommando. Sie werden in Haft genommen und auf die Illustrious gebracht. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie wie versprochen alle Informationen liefern, und ich erwarte auch, dass die ersten dieser Informationen bei mir eintreffen, noch bevor Sie die Illustrious erreicht haben.«

Caligo erwiderte nichts, sondern starrte nur vor sich auf den Tisch.

»Captain Caligo, haben Sie mich verstanden?«, fragte Geary so schroff, wie er nur konnte.

»Ja, Sir.« Caligo ließ den Kopf sinken und begann leise in ein Diktiergerät in seinem Quartier zu sprechen. Er war immer noch damit beschäftigt, als die Marines der Brilliant zu ihm kamen und ihn aus der Konferenzsoftware entfernten.

Danach saßen zunächst alle wie benommen da und schwiegen, bis Captain Armus erklärte: »Captain Geary, ich habe mich nie zurückgehalten, den Mund aufzumachen, wenn ich anderer Meinung war als sie. Aber jetzt möchte ich mich für alles entschuldigen, was ich gesagt oder getan haben mag, das Kila und Caligo zu der Überzeugung gebracht hat, dass ihr Handeln gerechtfertigt sein könnte.«

»Vielen Dank, Captain Armus. Ich war nicht immer glücklich über Ihre Einwände, aber ich sehe ihre Notwendigkeit ein und begrüße Ihre Bereitschaft, Ihre Meinung auszusprechen. Ich mache Ihnen keinen Vorwurf für das, was Kila und Caligo getan haben.« Er schaute sich am Tisch um und konnte seinen Offizieren ansehen, wie erschütternd die Geschehnisse der letzten Minuten auf sie gewirkt hatten. »Etwas Schreckliches ist vorgefallen. Zwei unserer Offiziere haben sich von uns losgesagt und ihren Treueeid verraten. Sie sind womöglich nicht die Einzigen, aber wir haben Beweismaterial, das uns notfalls auch zu anderen Beteiligten führen wird. Mein Vertrauen in Sie alle ist ungebrochen. Ich habe es schon zuvor gesagt, und ich möchte es jetzt wiederholen, dass niemand sich so geehrt fühlen kann wie ich, diese Flotte zu führen und an der Seite so hervorragender Offiziere zu dienen, wie Sie es alle sind. Ich danke Ihnen für Ihre Arbeit, Ihre Loyalität und alle Opfer, die Sie gebracht haben. Ich werde mein Bestes tun, um der Ehre gerecht zu werden, die mir unter Ihnen zuteil wird.«

Wie sie reagieren würden, vermochte er nicht vorherzusagen, doch einer nach dem anderen stand auf und salutierte wortlos. Geary erwiderte den Salut und fühlte sich schlichtweg überwältigt. »Vielen Dank. Die Ermittlungen werden zwar weitergehen, aber für den Augenblick sollten wir diese hässliche Episode auf sich beruhen lassen, damit wir uns auf die Schlacht bei Atalia vorbereiten können.«

Daraufhin brach allgemeiner Jubel aus, anschließend verschwand ein virtuell Anwesender nach dem anderen, jedoch langsamer als üblich, da alle nach vorne drängten, um sich persönlich von Geary zu verabschieden. Dann erst war er allein im Konferenzraum, lediglich Desjani und die virtuelle Rione waren noch bei ihm.

Desjani salutierte ebenfalls und betrachtete ihn voller Stolz.

»Was ist?«, fragte er.

»Eines Tages werde ich es Ihnen erklären«, erwiderte sie lächelnd. »Wenn ich mich dann entfernen darf, Sir.«

»Aber sicher, Captain Desjani.«

Nachdem sie gegangen war, wandte er sich Rione zu, die dasaß und die Hände vors Gesicht gelegt hatte.

»Stimmt was nicht?«, wollte er wissen.

»Ich habe Sie unterschätzt«, antwortete sie leise.

»Inwiefern?«

Sie nahm die Hände runter. »Sie sind noch gefährlicher, als ich gedacht hatte. Die anderen fressen Ihnen aus der Hand, das konnten Sie gerade eben selbst sehen. Sogar ich begann zu überlegen, was ich tun würde, wenn Sie sich jetzt zum Führer der Allianz erklären würden.«

»Seien Sie nicht albern. Sie wissen genau, was Sie tun würden.«

»Vermutlich ja.« Sie erhob sich von ihrem Platz. Sie müssen unbedingt mit Badaya reden. So schnell wie möglich. Ansonsten könnte die Bewegung, die Sie zum Diktator machen will, nicht mehr aufzuhalten sein.«

»Ich werde mit ihm reden, bevor wir Padronis verlassen.«

»Gut. Es gibt in der Geschichte der Menschheit nur wenige Leute, die eine Macht abgelehnt haben, wie sie für Sie zum Greifen nahe ist, John Geary.«

»Ich lehne sie ab«, beharrte er, »weil ich nicht dafür geeignet bin, mit solcher Macht umzugehen.«

»Und ironischerweise ist es ausgerechnet diese Einstellung, die uns in Versuchung bringt, Ihnen eben diese Macht anzuvertrauen.« Sie beugte sich vor. »Halten Sie an Ihrem Eid fest, Captain Geary. Nur Ihr vorbildliches Verhalten kann die Allianz noch retten.« Dann löste sich auch ihr Bild auf.

Auf dem Weg zurück zu seinem Quartier wurde ihm klar, dass er zwei weitere Entscheidungen zu treffen hatte und dass ihm dafür nicht mehr viel Zeit blieb. Kaum hatte er an seinem Tisch Platz genommen, rief er die Brücke. »Captain Desjani, machen Sie bitte Captain Duellos ausfindig und sagen Sie ihm, er soll sich umgehend bei mir melden.«

Dann lehnte er sich zurück, um erst einmal in Ruhe zu verarbeiten, was sich in den letzten Stunden abgespielt hatte. Er konnte noch immer nicht so ganz glauben, dass die gefährliche Opposition in den eigenen Reihen nicht länger existierte.

Die Türglocke wurde betätigt, und Geary schaute gereizt zur Luke. Kann ich nicht mal fünf Minuten Ruhe haben, um das zu verarbeiten? Aber er wusste nicht, wie wichtig dieser Besucher womöglich sein würde. »Ja, herein.«

Co-Präsidentin Rione trat ein und machte eine fragende Geste. Er verstand, was sie meinte, und aktivierte die höchste Sicherheitsversiegelung seines Quartiers. »Was gibt es?«

»Ich wollte Sie wissen lassen, dass meine Agenten in der Flotte keine Hinweise auf weitere Widersacher gefunden haben. Sie haben die Reaktionen auf die Neuigkeit von Kilas Tod beobachtet. Es gibt keine Anzeichen für weitere Würmer, und niemand hat in irgendeiner Weise Mitgefühl für Kila oder Caligo geäußert.«

»Gut zu wissen.« Sollte er sich tatsächlich nicht länger um derartige Dinge kümmern müssen? Konnte es sein, dass er seine eigenen Offiziere nicht weiterhin im Auge behalten musste, weil sie möglicherweise eine Bedrohung für die Flotte darstellten? »Viel besser werde ich mich allerdings erst fühlen, wenn die Spezialisten von der Valiant die Inspire auf den Kopf gestellt haben.«

»Ja, natürlich.«

Ein beharrliches Summen ließ Geary wissen, dass jemand versuchte, ihn mit Kommandopriorität zu erreichen. »Entschuldigen Sie, Madam Co-Präsidentin, aber das Gespräch werde ich wohl annehmen müssen.« Als er die Leitung öffnete, tauchte auf der Komm-Einheit das Gesicht von Captain Desjani auf.

»Kein Problem«, erklärte Rione. »Ich habe gesagt, was ich sagen wollte. Ich möchte Sie nicht bei Ihrem Rendezvous mit Ihrer besonderen Freundin stören.«

Geary suchte immer noch nach einer angemessenen, besonnenen Erwiderung, doch Rione hatte sein Quartier bereits verlassen.

Desjani machte auf dem Komm-Schirm eine finstere Miene. »Ich schwöre Ihnen, Sir, ich bin so dicht davor, dieser Frau wehzutun!«, zischte sie, während sie Daumen und Zeigefinger nur ein paar Millimeter voneinander entfernt hochhielt.

»Das wäre ein Verstoß gegen Allianzgesetze und Flottenvorschriften«, ließ er sie gelangweilt wissen.

»Nur, wenn man mir nachweisen kann, dass ich vorsätzlich gehandelt habe. Ich könnte sie an irgendeinem dunklen Örtchen zusammenschlagen und behaupten, ich hätte sie nicht erkannt.«

In diesem Augenblick hörte sich der Gedanke ziemlich verlockend an, und Geary hatte Mühe, ihn aus seinem Kopf zu vertreiben. »Nein, wir brauchen sie noch.«

»Darf ich sie verprügeln, wenn wir sie nicht mehr brauchen?«, fragte sie. »Bitte!«

Wieder diese Versuchung. »Ich kann es Ihnen nicht versprechen, auch wenn ich’s gern machen würde. Was gibt es denn?«

»Captain Duellos möchte mit Ihnen sprechen. Sie haben alle eingehenden Nachrichten mit einer Sicherheitssperre belegt, deshalb konnte er Sie nicht erreichen«, fügte sie ein wenig vorwurfsvoll an.

»Entschuldigen Sie. Ich werde die Sperre wieder aufheben. Danke.«

»War mir ein Vergnügen, Sir«, erwiderte sie spitz, dann verschwand ihr Bild.

Geary seufzte und wartete auf Duellos’ Erscheinen auf dem Monitor. Im nächsten Moment war er zu sehen, sein virtuelles Bild schien in Gearys Quartier zu stehen. »Sie wollten mich sprechen, Captain Geary?«, fragte Duellos.

»Ja, aber nehmen Sie doch erst Platz.« Duellos nickte dankbar und setzte sich an Bord der Furious auf einen Stuhl, was von dem Komm-Programm in Gearys Quartier nachgeahmt wurde.

»Ich muss wissen, wie es Ihnen geht. Bei der Konfrontation machten Sie einen guten Eindruck, aber wie fühlen Sie sich wirklich?«

Duellos zog eine Augenbraue hoch. »Es geht mir so gut, wie man es von jedem Captain erwarten kann, der kein Schiff mehr hat.«

»Wollen Sie ein Schiff haben?«, fragte Geary ohne Umschweife. »Ich hätte da zwei Schlachtkreuzer, auf denen momentan eine Stelle als Captain zu vergeben ist.«

»Die Brilliant und die Inspire, nehme ich an.« Duellos atmete tief durch. »Welche soll es sein?«

»Mit welcher kommen Sie klar? Ich glaube, die Brilliant bringt keine nennenswerte Probleme mit sich, außer dass die Crew unter Schock stehen dürfte.«

Duellos verzog den Mund zu einem humorlosen Grinsen. »Aber Sie benötigen mich auf der Inspire, richtig?«

»Richtig.« Geary nahm gegenüber von Duellos Platz. »Auf der Inspire brauche ich den besten Captain, den ich bekommen kann. Ich habe keine Ahnung, wie übel es auf diesem Schiff aussieht, aber es könnte eine richtiggehende Schlangengrube sein. Der befehlshabende Offizier ist tot, der XO, der Offizier für Systemsicherheit und der Komm-Offizier sitzen jeweils in der Arrestzelle, und die übrigen Offiziere müssen erst noch durchleuchtet werden.«

»Eine echte Gelegenheit, um sich zu beweisen«, murmelte Duellos mit mehr als nur einem Anflug von Sarkasmus. »Viele meiner Offiziere haben es von der Courageous geschafft, und wenn ich die Erlaubnis hätte, ein paar von ihnen mitzunehmen …«

»Erlaubnis erteilt. Nehmen Sie so viele Crewmitglieder der Courageous mit, wie Sie wollen. Die Inspire hat ohnehin eine ganze Reihe von Besatzungsmitgliedern verloren, weil Kila eigenmächtig auf den Feind losgehen musste.«

Duellos dachte kurz nach, dann nickte er. »Die Crew der Inspire muss von Grund auf neu aufgebaut werden. Ich werde mein Bestes geben.«

»Danke. Ich könnte mir keinen besseren Offizier für diesen Posten wünschen. Die Inspire selbst benötigt übrigens auch einige Reparaturen. Man hat sie ziemlich übel zusammengeschossen.«

»Es mag für die Moral der Besatzung ganz nützlich sein, sich auf die Reparatur ihres Schiffs zu konzentrieren.« Duellos lächelte flüchtig. »In solchen Zeiten kann es sehr viel ausmachen, wenn man sieht, wie man gemeinsam etwas erreicht. Ich nehme an, Sie möchten, dass ich meinen Dienst auf der Inspire schon vorgestern antrete.«

»Eigentlich ja«, stimmte Geary ihm zu. »Aber lassen Sie sich Zeit, um die Leute auszuwählen, die Sie von der Courageous mitnehmen werden. Wie ich schon sagte, Sie können so viele von Ihren Leuten haben, wie Sie wollen. Ich bringe die Inspire in der Nähe der Hilfsschiffe in Position, damit sie die Reparaturarbeiten unterstützen können.«

»Ein neues Schiff, und sofort bin ich zurück bei den Hilfsschiffen? Das könnte mir noch den Ruf einbringen, ein ›Unglücksbringer‹ zu sein.« Duellos lächelte ironisch. »Danke, dass Sie mich nicht darum bitten, die Orion zu übernehmen.«

»Was ich mit der Orion machen soll, weiß ich beim besten Willen nicht.«

»Lassen Sie doch Numos das Schiff übernehmen«, schlug er vor. »Er wird schon dafür sorgen, dass es beim nächsten Gefecht zerstört wird.«

»Wenn die Crew sich nicht endlich zusammenreißt, werde ich vielleicht genau das machen.« Er sah nach oben, als würde er sich an die lebenden Sterne wenden. »Das ist natürlich nur ein Witz.« Dann sah er wieder Duellos an und deutete auf das Display, das den Flottenstatus anzeigte. »Die Erste Schlachtkreuzerdivision besteht nur noch aus einem Schiff, nämlich der Formidable, und die Siebte verfügt bloß noch über die Brilliant und die Inspire. Ich habe überlegt, ob ich nicht beide Divisionen zu einer neuen Ersten Division zusammenlegen soll.«

Duellos schüttelte den Kopf. »Grundsätzlich ist das eine gute Idee, aber es zeigt leider auch, wie groß unsere Verluste sind.« Dann hielt er inne und nickte nachdrücklich. »Ja, es ist eine gute Idee. Die Formidable wäre dann nicht mehr so einsam, und die Inspire und die Brilliant hätten einen neuen Kameraden und einen symbolischen Neustart. Wem wollen Sie die Brilliant geben?«

»Wenn ich das wüsste. Captain Baccade von der Intrepid wurde schwer verletzt, sie ist noch nicht in der Verfassung, wieder ein Kommando zu übernehmen.«

»Wie ich hörte, sucht Commander Vigory nach einem Schiff«, warf Duellos scheinbar arglos ein.

Geary reagierte mit einem verärgerten Blick. »Er war gerade erst aus dem Arbeitslager heraus, da wollte er von mir schon ein Schiff haben. Von seinen bisherigen Leistungen bin ich nicht sehr beeindruckt, und ich habe auch keine Zeit, einem neuen befehlshabenden Offizier beizubringen, wie ich kämpfe.«

»Ich dachte nur, ich erwähne es mal, weil er viel Zeit damit verbringt, sich über Ihre Entscheidungen zu beschweren. Die eine, die ihn betrifft, und noch viele andere mehr.« Duellos grinste ironisch. »Ich hatte ihn im Auge behalten, da ich feststellen wollte, ob die Verschwörer ihn ansprechen, um ihn für ihre Sache zu gewinnen. Aber dann kam das mit Kila und Caligo dazwischen, und selbst wenn noch andere mit den beiden gemeinsame Sache gemacht haben, werden sie sich jetzt hüten, in Erscheinung zu treten.«

»Nicht jeder, der gegen mich eingestellt ist, ist deshalb auch ein Verschwörer«, grummelte Geary. »Ich werde dafür sorgen, dass er Beschäftigung hat, aber Vigory bekommt von mir weder die Brilliant noch irgendein anderes Schiff. Ich glaube, er ist einfach zu sehr von sich eingenommen. Selbstbewusstsein ist wichtig, aber nicht in dem Maß, dass man nur noch sich selbst wahrnimmt.«

»Was uns erst vor Kurzem sehr drastisch vor Augen geführt wurde.« Duellos schien kurz nachzudenken. »Wir haben bei Heradao die Ta r i a n verloren. Ihr Befehlshaber Jame Yunis hat einen guten Ruf.«

Geary rief Yunis’ Akte auf und überflog sie. »Sieht ganz gut aus. Glauben Sie, er ist der Aufgabe gewachsen?«

»Ja.«

»Okay, ich werde ihn mir genauer ansehen, und vor dem Sprung nach Atalia werde ich mich entscheiden.« Er atmete gedehnt aus. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, noch ein paar Minuten hierzubleiben, während ich Captain Desjani zu uns kommen lasse, damit wir uns gemeinsam etwas ansehen können? Ich wüsste gern Ihre Meinung, weil ich nur einmal die Gelegenheit bekomme, es richtig zu machen. Allerdings muss ich Sie darum bitten, zu niemandem ein Wort darüber zu verlieren.«

Duellos musterte ihn lange. »Ich kann nichts versprechen, was gegen meinen Eid verstoßen würde.«

»Das ist hier nicht der Fall, darauf gebe ich Ihnen mein Wort.«

Desjani benötigte nur wenige Minuten, um zu ihnen zu stoßen. Geary trug ihnen beiden sein Anliegen vor, dann wartete er ab. Wie so oft dachte Duellos erst in aller Ruhe nach, ehe er schließlich nickte. »Ich wüsste nicht, wie man das noch verbessern könnte. Aber Ihnen ist klar, dass Sie sich damit auf einem schmalen Grat bewegen, nicht wahr?«

»Das können Sie laut sagen«, stimmte Geary ihm zu.

»Wenn Sie jetzt gleich mit Badaya reden wollen, dann kann ich gern noch ein bisschen bleiben und den Eindruck erwecken, als würde ich … na ja, das ›unterstützen‹, was Sie eigentlich nicht machen.«

Desjani nickte bekräftigend. »Das ist eine gute Idee. Duellos gilt in weiten Teilen der Flotte als ein besonderer Vertrauter. Es würde Badaya gefallen, ihn hier anzutreffen.«

»Was für Sie ebenfalls gilt«, gab Duellos zurück.

Sie verzog den Mund. »Muss das sein? Er wird irgendwas sagen, das weiß ich ganz genau, und dann muss ich so tun, als hätte ich es nicht gehört.«

»Nur für ein paar Minuten, Tanya«, versuchte Duellos sie zu überreden. »Dann können wir uns zurückziehen, und Badaya bekommt seine Unterredung mit Black Jack.«

»Roberto, Sie wissen ganz genau, dass Captain Geary und ich nicht …«

Er hob die Hand, um ihren Redefluss zu stoppen. »Natürlich weiß ich das. Alle Ihre Freunde wissen das, Tanya. Sie würden mit Ihrem vorgesetzten Offizier nichts anfangen, ganz egal, wie sich die Umstände gestalten.« Desjani schaute nach unten. »Ich kann mir vorstellen, dass es kein Vergnügen ist, mit solchen Gerüchten zurechtkommen zu müssen.«

»Es gibt einiges, mit dem nicht leicht zurechtzukommen ist«, murmelte sie. »Ich kriege das schon hin.«

Duellos sah Geary an, während er antwortete: »Davon bin ich überzeugt, Tanya. Na, dann wollen wir mal Badaya herzitieren und die Sache hinter uns bringen. Was soll eigentlich sein, wenn Sie ihn nicht überzeugen können?«

»Ich weiß nicht. Vielleicht muss ich dann diese Sache publik machen und vor der ganzen Flotte erklären, dass ich keinen Staatsstreich gegen die Allianz-Regierung mitmachen werde. Aber ich fürchte, einige Leute werden das so deuten, dass ich das Thema nur zur Sprache bringe, weil ich mich in Wahrheit doch zum Diktator aufschwingen möchte und so herausfinden kann, wie viel Rückhalt ich in der Flotte habe.«

»So würden es diejenigen, die einen Sturz der Regierung anstreben, zweifellos auslegen«, stimmte Duellos ihm zu. »Hoffen wir, dass es Ihnen gelingt, Badaya und seine Gesinnungsgenossen in eine Richtung zu lenken, mit der wir alle leben können. Ansonsten könnte sich der Triumph der heimkehrenden Flotte in die größte Niederlage verwandeln, die die Allianz je erlitten hat.«

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