Eins

Die Struktur des Schweren Kreuzers Merlon wurde wieder und wieder erschüttert, als die Höllenspeere des Syndik-Kriegsschiffs sich in den Rumpf fraßen und ihn durchbohrten. Commander John Geary klammerte sich fest, wo er nur konnte, da die Backbordseite der Merlon von einer Salve Syndik-Kartätschen getroffen wurde und die massiven Metallkugeln beim Aufprall Teile der Schiffshülle praktisch auslöschten. Mit einer Hand wischte Geary den Schweiß weg, der ihm in die Augen lief, und blinzelte zugleich wegen des Rauchs. Die überlasteten und Stück für Stück ausfallenden Lebenserhaltungssysteme schafften es nicht mehr, den Rauch aus der Atmosphäre zu filtern, die noch im Schiff verblieben war. Sein erster Gefechtseinsatz drohte auch sein letzter zu werden. Die Merlon trudelte hilflos durchs All, sie war nicht länger in der Lage zu manövrieren, und während der Feind weitere Geschosse in den Rumpf jagte, fiel auch noch die letzte Höllenspeer-Batterie aus.

Es gab nichts mehr, was er noch tun konnte. Es war Zeit zu gehen.

Geary fluchte, während er die Klappe öffnete, hinter der sich die Selbstzerstörungsautomatik befand, und den Berechtigungscode eintippte. Eine weitere Salve aus Höllenspeeren schnitt sich durch die Hülle in die Merlon, weitere Anzeigen auf der Brücke erloschen oder wechselten zu einem hektischen Blinken, mit dem schwere Schäden signalisiert wurden. Geary setzte den Helm auf seinen Schutzanzug und wusste, dass ihm nur noch zehn Minuten bis zur Überladung des Hauptantriebs blieben; dann würde die Merlon in einer gewaltigen Explosion vergehen. Dennoch blieb er noch einmal stehen, ehe er die Brücke verließ. Er hatte die übrigen Besatzungsmitglieder zu den Rettungskapseln geschickt, als klar war, dass er die letzten noch funktionstüchtigen Waffen bis zu dem Moment allein bedienen konnte, da er die Selbstzerstörung einleiten musste. Mehr Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen, konnte er für die Crew nicht herausholen.

Aber die Merlon war sein Schiff, und es war für ihn ein unerträglicher Gedanke, sie dem sicheren Tod zu überlassen.

Ein weiteres Poltern war zu hören, dann änderte das Schiff die Richtung seines unkontrollierten Flugs durch das All, da es abermals von einer Salve Kartätschen getroffen worden war. Die Korridore ringsum drehten sich schwindelerregend, Schotten schossen plötzlich auf ihn zu, nur um sich dann gleich wieder zurückzuziehen, wobei sie ihn mehrmals schmerzhaft trafen. Seine Suche geriet immer hektischer, da er entweder nur leere Andockstellen vorfand, die von den Rettungskapseln bereits verlassen worden waren, oder er auf die Überreste von Kapseln stieß, die noch vor dem Start durch den Feind unbrauchbar geschossen worden waren.

Dann endlich entdeckte er eine Kapsel, die ein gelbes Statuslicht anzeigte. Das bedeutete, dass sie beschädigt war, doch ihm blieb keine andere Wahl. Er kletterte hinein, schloss die Luke hinter sich, legte die Gurte an und schlug mit der flachen Hand auf den Startknopf. Dann spürte er nur zu deutlich, wie er durch die plötzliche massive Beschleunigung in seinen Sitz gepresst wurde, während die Rettungskapsel die im Todeskampf befindliche Merlon verließ.

Die Antriebseinheit der Kapsel schaltete sich viel früher ab als vorgesehen. Kommunikation war unmöglich, über die Steuerdüsen hatte er keine Kontrolle, die Lebenserhaltungssysteme wurden instabil, und schließlich neigte sich die Sitzlehne von Gearys Platz automatisch nach hinten, als die Kapsel alle Vorbereitungen traf, um ihn in einen Kälteschlaf zu versetzen, bis die Rettungskapsel geborgen wurde. Während Geary allmählich das Bewusstsein verlor, ruhte sein Blick auf den Statusanzeigen der Kapsel, die sich eine nach der anderen abschalteten und in den Ruhemodus wechselten. Er wusste, früher oder später würde jemand nach ihm suchen. Die Allianz-Flotte würde auf den Überraschungsschlag der Syndikatwelten antworten und die Kontrolle über das Gebiet rund um den Stern Grendel zurückerlangen. Dann würde die Suche nach den Überlebenden der Merlon beginnen, und schon bald sollte man seine Kapsel wiederfinden.

Als er die Augen aufschlug, sah er zunächst nur verschwommene Lichter und Schemen. Sein Körper fühlte sich an, als sei er mit Eis gefüllt, und nur mühsam erwachte sein Verstand. Es fiel ihm schwer, einen Gedanken zu fassen. Leute redeten, und er versuchte, etwas davon zu verstehen. Die unscharfen Konturen veränderten sich allmählich in Männer und Frauen in Uniform. Ein Mann mit lauter, selbstbewusster Stimme fragte: »Und er ist es tatsächlich? Sie haben die Bestätigung?«

»Der DNS-Abgleich mit den Flottenaufzeichnungen lässt keinen Zweifel zu«, antwortete eine andere Stimme, »das ist Captain Geary. Der lange Kälteschlaf hat ihn körperlich sehr mitgenommen. Es ist ein Wunder, dass er sich in einer so guten Verfassung befindet. Es ist ein Wunder, dass er das überhaupt überlebt hat.«

»Das ist allerdings ein Wunder«, erklärte die erste Stimme volltönend. Ein Gesicht kam näher, Geary blinzelte, um den Mann deutlicher sehen zu können. Seine Uniform hatte die Farbe der Allianz-Flotte, aber sie wies einige ihm fremde Details auf. Er erkannte die Sterne eines Admirals, doch das Gesicht des Mannes sagte ihm nichts. »Captain Geary?«

»C … C …Com …man …der … Geary«, brachte er schließlich heraus.

»Captain Geary«, beharrte der Admiral. »Sie wurden befördert.«

Befördert? Wieso? Wie lange hatte er im Kälteschlaf gelegen? Wo war er?

»Welches … Schiff?«, keuchte er und schaute sich um. Nach den Dimensionen der Krankenstation zu urteilen, war dieses Schiff deutlich größer als die Merlon.

Der Admiral lächelte. »Sie befinden sich an Bord des Schlachtkreuzers Dauntless, dem Flaggschiff der Allianz-Flotte.«

Das machte keinen Sinn. In der Allianz-Flotte gab es keinen Schlachtkreuzer namens Dauntless. »Meine … Crew?«, fragte er bemüht.

Der Admiral zeigte eine ernste Miene und ging ein paar Schritte zurück, gleichzeitig gab er einer Frau mit den Rangabzeichen eines Captains ein Zeichen. Geary sah sie an, wandte sich dann aber gleich wieder ab, da er ihren ehrfurchtsvollen Gesichtsausdruck nicht ertrug. Außerdem lenkten ihn die zahlreichen Ehrenabzeichen auf ihrer Uniform ab, die für eine Fülle von ausgetragenen Schlachten standen. Welche Schlachten?, fragte er sich. Über den Abzeichen prangte das Flottenkreuz der Allianz. Geary konnte sich nicht daran erinnern, wann das zum letzten Mal irgendjemandem verliehen worden war.

»Ich bin Captain Desjani«, stellte sie sich vor. »Befehlshaberin der Dauntless. Ich bedauere, Ihnen mitteilen zu müssen, dass das letzte überlebende Besatzungsmitglied Ihres Schweren Kreuzers vor gut fünfundvierzig Jahren gestorben ist.«

Geary stutzte. Fünfundvierzig Jahre? »Wie … lange?«

»Captain Geary, Sie haben neunundneunzig Jahre, elf Monate und dreiundzwanzig Tage im Kälteschlaf gelegen. Allein die Tatsache, dass Sie sich als Einziger an Bord der Rettungskapsel befanden, machte es möglich, dass Sie so lange am Leben blieben.« Sie beschrieb eine spirituelle Geste, die er wiedererkannte. »Dank der Gnade unserer Vorfahren und der lebenden Sterne haben Sie überlebt, und sind zu uns zurückgekehrt.«

Hundert Jahre? Eine Schockwelle raste durch Gearys träge Gedanken, als er diese Neuigkeit zu verarbeiten versuchte. Dabei ließ er die Frage völlig außer Acht, wieso diese Frau seiner Rückkehr irgendeine religiöse Bedeutung zuschrieb.

Nachdem jemand anderes an seiner Stelle die schlechten Neuigkeiten überbracht hatte, stellte sich der Admiral wieder zu ihm und beugte sich freudestrahlend über ihn. »Ja, Black Jack, Sie sind zurückgekehrt!«

Den Spitznamen Black Jack hatte er nie gemocht, aber das schien der General nicht zu bemerken, der immer noch redete, als hielte er eine feierliche Ansprache. »Black Jack Geary, auferstanden von den Toten, so wie es in den Legenden prophezeit wurde. Auferstanden, um der Allianz zu helfen, damit sie ihren größten Sieg erringt und diesem Krieg mit den Syndiks ein Ende setzen kann!«

Auferstanden? Legenden? Nach einem Jahrhundert war der Krieg noch nicht vorüber?

Jeder, den er je gekannt hatte, musste inzwischen tot sein.

Wer waren diese Leute, und für wen hielten sie ihn?

John Geary schreckte in seinem Quartier an Bord der Dauntless hoch, starrte die Decke an, atmete schwer und war schweißgebadet, obwohl da immer noch die Erinnerung an das Eis war, das ihn vor einer Weile noch erfüllt hatte. Es war schon lange her, seit er das letzte Mal an die letzten Augenblicke an Bord der Merlon und an sein Erwachen auf der Dauntless einhundert Jahre später hatte denken müssen. Er setzte sich auf, rieb seine Stirn und bemühte sich, die Atmung unter Kontrolle zu bekommen. Ringsum konnte er in der Düsternis die Umrisse seines Quartiers erkennen.

Der Admiral mit der lauten Stimme war im Heimatsystem der Syndikatwelten gestorben, nachdem sein Plan, diesen Krieg zu gewinnen, sich als Hinterhalt der Syndiks entpuppt hatte. Viele Besatzungsmitglieder und Allianz-Schiffe waren dabei umgekommen, und die Überlebenden hatten sich dem legendären Black Jack Geary zugewandt, damit er sie rettete. Obwohl es ihm zuwider war, in die heroische Rolle zu schlüpfen, als die Black Jack dargestellt wurde, hatte man ihm keine andere Wahl gelassen, als das Kommando über die dezimierte Flotte zu übernehmen. Immerhin war er vor fast hundert Jahren scheinbar posthum zum Captain befördert worden, und kein anderer überlebender Offizier der Flotte konnte eine auch nur annähernd so lange Dienstzeit vorweisen. Einige von ihnen hatten daran gezweifelt, dass er dieser Aufgabe gewachsen war, hatten bezweifelt, ob er wirklich der Held aus einer Legende war. Und auch wenn Geary insgeheim diese Zweifel sogar geteilt hatte, war ihm klar gewesen, dass er es zumindest versuchen musste.

Bislang war es ihm gelungen, das scheinbar Unmögliche möglich zu machen. Er hatte die Allianz-Flotte durch das Syndik-Territorium geführt und mit ihr einen langwierigen Rückzug angetreten, bei dem er alles Können einsetzen musste, das er sich hundert Jahre zuvor angeeignet hatte. Können, das die Flotte in den Jahrzehnten verlernt hatte, in denen der Krieg nach der Zerstörung der Merlon sich zu einem gegenseitigen Abschlachten gewandelt hatte.

Sein Blick wanderte zu dem Sternendisplay, das über dem Tisch schwebte. Als er schlafen gegangen war, hatte er es eingeschaltet gelassen. Es zeigte den Stern Dilawa an, der sich zwar noch im Gebiet der Syndiks befand, aber nur noch drei Sprünge vom Allianz-Gebiet entfernt war, wo sie endlich in Sicherheit vor ihren Gegnern sein würden. Er stand dicht davor, all diese Menschen tatsächlich zu retten, die so fest daran geglaubt hatten, dass es ihm auch gelingen würde. Dennoch befand sich die Flotte nach wie vor tief in Feindgebiet, und immer noch war da draußen irgendwo eine wirklich große Syndikflotte, die seine Schiffe in Empfang nehmen und vernichten wollte, wenn sie einen der nächsten Sprungpunkte verließen. Und nun war auch noch der Verlust der Merlon in sein Bewusstsein zurückgekehrt, um ihn zu verfolgen.

Geary atmete müde aus und begann, in einer Schublade nach einem Verpflegungsriegel zu kramen. Er wurde fündig und betrachtete den Riegel skeptisch. So wie fast alle Nahrung, über die seine Flotte noch verfügte, stammte auch dieser Riegel aus Beständen der Syndiks in unbedeutenden Sternensystemen, die sie nach der Einführung des Hypernets aufgegeben hatten. Es waren Lebensmittelvorräte, die nicht einmal die Syndiks hatten mitnehmen wollen. Aber wenn ihr Haltbarkeitsdatum zweifellos auch schon vor Jahren überschritten worden war, hatten sie im Vakuum überdauert und waren damit prinzipiell noch genießbar.

Die Verpackung des Riegels war pure Propaganda und zeigte unglaublich heldenhaft aussehende Syndik-Bodentruppen, die von links nach rechts marschierten. Er riss die Verpackung auf und vermied es wohlweislich, die Zutatenliste zu lesen. Dann biss er ab und schluckte die Stücke schnell runter. So sehr er sich auch bemühte, nichts davon schmecken zu müssen, zuckte er dennoch zusammen, da sich etwas von dem abscheulichen Aroma auf seiner Zunge hielt. Die Matrosen der Allianz-Flotte beklagten sich oft über die Verpflegung, die man ihnen gab, aber einer der wenigen Vorzüge dieser Syndik-Riegel war (abgesehen davon, dass sie einen vor dem Hungertod bewahrten) der, dass die Rationen der Allianz im Vergleich dazu fast schon Delikatessen waren.

Dem uralten Witz entsprechend, war das Essen nicht nur grässlich, es gab auch nicht genug davon. Der Riegel lag ihm wie ein Stein im Magen, doch das war nicht der Grund, weshalb er nicht noch einen zweiten aß. Eine Flotte, die vom heimischen Nachschub abgeschnitten war und sich in Feindgebiet aufhielt, musste mit knappen Rationen auskommen. Er wollte sich nicht mehr gönnen als seinen Matrosen, auch wenn man angesichts der Qualität der Syndik-Nahrung eigentlich nicht von »gönnen« reden konnte.

Die Komm-Einheit begann, hartnäckig zu summen, Geary betätigte eine Taste, um die Verbindung herzustellen.

»Captain Geary, feindliche Schiffe haben den Sprungpunkt von Cavalos erreicht.«

Er tippte auf eine andere Taste, das Sternen-Display erlosch, an seiner Stelle tauchte eine Darstellung des Dilawa-Systems mitsamt den dort befindlichen Schiffen auf. Als die Allianz-Flotte das Cavalos-System verließ, war von den Kriegsschiffen der Syndikatwelten nicht mehr viel übrig, es sei denn, man zählte die Wracks und die um den Stern kreisenden Trümmerfelder als vollwertige Kriegsschiffe.

Aber es waren weitere Syndik-Kriegsschiffe auf der Jagd nach Gearys Flotte, und diese Flotte spürte die Anstrengungen des langwierigen Rückzugs mit jedem Tag deutlicher. Nicht alle Wracks bei Cavalos stammten von Schiffen der Syndikatwelten, auch die Allianz hatte dort Verluste erlitten. Der Schlachtkreuzer Opportune, das Scoutschiff Braveheart sowie neun Kreuzer und Zerstörer hatten die Schlacht nicht überlebt. Einige waren vom Gegner in Stücke geschossen worden, andere hatte man auf Gearys Befehl hin zerstört, da sie zu stark beschädigt worden waren, als dass sie noch bei der Flotte hätten bleiben können.

Auch Geary selbst machte der anhaltende Druck zu schaffen. Seine Gedanken kreisten immer wieder um die Verluste, die seine Flotte bislang erlitten hatte, was wohl auch der Grund für die Rückblenden war.

Nur mit Mühe konnte er sich auf das konzentrieren, was jetzt und hier geschah. »Nur ein Jäger und zwei Billig-Korvetten«, merkte Geary an.

»Richtig«, erwiderte Captain Desjani, deren Bild neben dem Display auftauchte. Sie hielt sich natürlich auf der Brücke auf und wachte über ihr Schiff. »Zu schade, dass sie fast drei Lichtstunden entfernt sind. Die Crew der Dauntless hätte gern mit ein paar Höllenspeeren Zielschießen geübt.«

»Als ob Ihre Crew Zielschießen üben müsste, Tanya«, konterte er, was Desjani zu einem stolzen Grinsen veranlasste. Wie sie selbst gesagt hatte, war der Sprungpunkt drei Lichtstunden von der momentanen Position der Flotte entfernt, was bedeutete, dass er ein drei Stunden altes Bild sah. »Niemand ist ihnen gefolgt, also dürften das Scoutschiffe sein.«

»Das denke ich auch. Wir gehen davon aus, dass eine der Korvetten in der Nähe des Sprungpunkts bleiben wird, während die zweite und der Jäger Kurs auf die Sprungpunkte nach Kalixa und Heradao nehmen dürften.« Sie hielt kurz inne. »Das ist das erste Mal, dass ich eine Billig-Korvette in einem nicht von den Syndiks besetzten Sternensystem zu sehen bekomme. Mich wundert, dass sie damit den Flug durch den Sprungraum wagen, wo diese Dinger so völlig veraltet sind.«

So veraltet, dass sie schon vor hundert Jahren im Einsatz gegen die Allianz gewesen waren, als die Syndiks sie wegen ihrer billigen Bauweise in Massen in den Kampf geschickt hatten. Damals, zu Beginn des Kriegs. Wieder sah Geary vor seinem geistigen Auge, wie diese Korvetten auf die Merlon zurasten und sie unter Beschuss nahmen.

»Sir?«, fragte Desjani plötzlich.

Er schüttelte den Kopf und erkannte erschrocken, dass er sich von seinen Gedanken hatte mitreißen lassen, anstatt auf Desjanis Bemerkung zu reagieren. »Oh, tut mir leid.«

Niemand außer Geary konnte den sorgenvollen Ausdruck in ihren Augen sehen, und als sie weitersprach, hörte sie sich an, als verlaufe alles ganz nach Routine. »Die erste Korvette könnte auch in Kürze nach Cavalos zurückspringen und dort melden, dass wir noch hier sind.« Ihre Miene nahm wieder völlig sachliche Züge an. »Weil wir noch hier sind.«

»Wir müssen alles bergen, was die Syndiks hier zurückgelassen haben, als vor Jahrzehnten ihr gesamtes Personal aus diesem System abgezogen wurde«, erwiderte Geary und gab sich Mühe, auf Desjanis Drängen nicht verärgert zu reagieren.

»Wir haben alle zurückgelassenen Lebensmittel bereits geborgen.« Sie verzog das Gesicht. »Wobei ich anmerken möchte, dass ich den Begriff ›Lebensmittel‹ in diesem Zusammenhang sehr weit auslege. Die Flotte muss weiter mit eingeschränkten Rationen auskommen.« Desjani zuckte mit den Schultern. »Das ist das einzig Gute an dem Zeugs, das wir an Bord schaffen. Niemand will davon mehr als unbedingt nötig essen, darum stört sich die Crew auch nicht an Rationierungen. Wenn das Essen genießbar wäre, sähe es anders aus.«

»Offenbar hat alles auch seine guten Seiten«, meinte Geary amüsiert, während er die Informationen überprüfte, welche Mengen Rohmineralien bislang auf die Hilfsschiffe der Flotte verladen worden waren. Erst dann fiel ihm auf, dass Desjani zunächst auf die Notwendigkeit gekommen war, diese Flotte wieder in Bewegung zu setzen, doch gleich darauf das Thema gewechselt hatte, um seine Verärgerung verpuffen zu lassen.

Ich sollte nicht wütend auf sie sein. Ihre Sorge ist völlig legitim und wird von jedem befehlshabenden Offizier in dieser Flotte geteilt. Wann verlassen wir Dilawa? Und wohin geht es dann? Wir halten uns jetzt schon seit fast eineinhalb Tagen hier auf, und das dürfte mindestens ein Tag zu lang sein.

Es gab keinen plausiblen Grund, noch mehr Zeit bei Dilawa zu verbringen. Es war ein Stern ohne bewohnbare Welten, und die von den Syndiks zurückgelassenen Anlagen hatten allenfalls ein paar tausend Menschen beherbergt. Diese Menschen waren hier gewesen, weil die alten überlichtschnellen Schiffsantriebe Sprünge nur zwischen relativ nah beieinander gelegenen Sternen erlaubt hatten. Schiffe mussten also jedes Sternensystem passieren, das zwischen Start und Ziel ihrer Reise lag. Durch das Hypernet hatte sich das grundlegend geändert, da jedes Schiff von einem beliebigen Portal direkt zu jedem anderen Portal reisen konnte. Als Folge davon schwanden die Bevölkerungszahlen in zahlreichen unbedeutenden Systemen, die über keines dieser Portale verfügten und die vom interstellaren Verkehr ignoriert wurden.

Aber es waren gerade diese alten Sprungantriebe, die seine Flotte Stückchen für Stückchen nach Hause brachten, während sich das Hypernet inzwischen als Bedrohung für die gesamte Menschheit entpuppt hatte. Die Dauntless hatte zudem einen Hypernet-Schlüssel der Syndiks an Bord, der der Allianz einen entscheidenden Vorteil verleihen konnte, wenn die Flotte es sicher nach Hause schaffte. Sollte Letzteres nicht gelingen, dann wären der Schlüssel mitsamt des Wissens von der vom Hypernet ausgehenden Bedrohung ebenso verloren wie die Kriegsschiffe und ihre Besatzungen. Der Preis für ein Scheitern erschien ihm jedes Mal, wenn er darüber nachdachte, noch etwas höher. »Lassen Sie mich wissen, wenn sich irgendwas tut«, bat er Desjani.

»Jawohl, Sir.« Ihr Bild verschwand, jedoch erst, nachdem ihr Gesichtsausdruck die Botschaft vermittelt hatte, dass sich zwar dringend etwas tun musste, dass genau das aber nicht geschah.

Er saß da, vor sich das Display von Dilawa, das über dem Tisch schwebte. Ganz gleich, wie lange er auf die Darstellung starrte, sie weigerte sich, einer Kristallkugel gleich Antworten auf die Fragen zu geben, die er klären musste.

Vor allem die Frage, wohin sie von Dilawa aus reisen sollten.

Entscheide dich einfach, ermahnte er sich. So etwas hatte er seit dem Rückzug aus dem Heimatsystem der Syndiks Dutzende Male getan, es sollte also nicht ganz so schwierig sein. Allzu viele Sprünge lagen ohnehin nicht mehr vor ihnen, ehe die Flotte ein Grenzsystem der Syndikatwelten erreichte, von wo aus der Sprung zurück ins Allianz-Territorium möglich wäre. Es sollte einfach sein, wo doch das rettende Ufer so nah war. Stattdessen kam es ihm aber jedes Mal schwieriger vor, wenn er sich mit der Frage beschäftigte. Er zögerte, da jede mögliche Entscheidung ihn daran denken ließ, was bei Lakota und Cavalos schiefgelaufen war. Und nun regten sich auch noch die Erinnerungen an die Zerstörung der Merlon.

Er hatte überlegt, ob er Victoria Rione um Rat fragen sollte, aber die Co-Präsidentin der Callas-Republik und Angehörige des Allianz-Senats weigerten sich schon seit einer Weile, zu diesem Thema Ratschläge zu geben. Offiziell behauptete Rione, es liege daran, dass sie sich schon so oft geirrt habe, was ihrer Meinung nach für die Flotte das Beste sei. Vielleicht gab es auch einen anderen Grund für ihre Haltung, doch welcher Grund das sein mochte, das konnte er nicht sagen. Zwar waren sie beide für eine Weile ein Paar gewesen, aber Rione hatte sogar während dieser Phase ihrer Beziehung kaum etwas über sich verraten.

In den letzten Tagen hatte er sie so gut wie gar nicht zu Gesicht bekommen, was sie so rechtfertigte: »Ich muss mich darauf konzentrieren, meine Informanten innerhalb der Flotte zu positionieren. Wir müssen herausfinden, welche Allianz-Offiziere sich in ihren Widerstand gegen Ihr Kommando so sehr hineingesteigert haben, dass sie bereit sind, schädliche Würmer in die Betriebssysteme der Flotte einzuschleusen.« Da diese Würmer beinahe die Zerstörung einiger seiner Schiffe herbeigeführt hatten, konnte Geary nichts gegen die Prioritäten einwenden, die sie setzte.

Es gab andere, die er fragen konnte. Intelligente, zuverlässige und umsichtige Offiziere wie Captain Duellos von der Courageous, Captain Tulev von der Leviathan und Captain Cresida von der Furious.

Aber Geary saß allein da und musterte das Sternendisplay, während er einen sonderbaren Widerwillen verspürte, irgendwen um Rat zu fragen, wenngleich er doch wusste, dass jeder weitere Aufschub fatale Folgen haben konnte.

Die Türglocke zu seinem Quartier ertönte, identifiziert wurde Captain Desjani als diejenige, die um Einlass bat. Er ließ sie hereinkommen und fragte sich, aus welchem Grund sie hier sein mochte. Angesichts der weitverbreiteten Gerüchte, dass er eine Affäre mit Desjani unterhielte, suchte sie ihn nur noch selten in seinem Quartier auf.

Tatsächlich hätten sie sogar eine Affäre haben können, aber keiner von ihnen würde seinen Gefühlen Taten folgen lassen. Beide hatten sie diese Gefühle nicht gewollt, und solange er der Flottenbefehlshaber und sie seine Untergebene war, würde auch nichts passieren.

»Ist etwas vorgefallen?«, wollte er wissen.

Desjani deutete mit einer Kopfbewegung auf das Display. »Ich möchte unter vier Augen mit Ihnen über Ihre weiteren Pläne reden, Sir.«

Ihr Anliegen hätte ihn erfreuen sollen, wusste er doch, wie gut Desjani mit taktischen Situationen umzugehen verstand. Doch das hier betraf nicht bloß eine Situation, die auf ein Sternensystem begrenzt war, hier ging es um die gesamte Strategie für ihre Heimkehr. Zumindest war es das, was sich Geary einredete, der selbst nicht erklären konnte, warum er so ungern hören wollte, was sie zu sagen hatte. Wie sollte er sie aber abwimmeln, wenn er keinen triftigen Grund vorweisen konnte? Wenn er andererseits Unsicherheit erkennen ließ, würde das Desjanis Bitte nur zusätzlich rechtfertigen. »Meinetwegen.«

Sie kam herein, wobei sie ungewöhnlich distanziert wirkte, und stellte sich so vor das Display, dass sie Geary dabei nicht zwangsläufig ansehen musste. »Sie wirkten vorhin ein wenig gedankenverloren, Sir.«

»Nur ein unangenehmer Traum.« Desjani sah ihn fragend an, woraufhin er mit einem Schulterzucken anfügte. »Über mein altes Schiff, über mein Erwachen aus dem Kälteschlaf und so weiter.«

»Oh.« Sie schaute wieder zum Display. »Wir waren so davon mitgerissen, dass wir Sie gefunden hatten, da hat sich keiner von uns Gedanken darüber gemacht, wie Sie diese Situation erlebten. Ich habe mir seitdem oft gewünscht, wir wären anders vorgegangen. Ich muss mich sehr kaltherzig angehört haben, als ich Ihnen sagte, wie lange Sie im Kälteschlaf gelegen haben und was aus Ihrer Crew geworden ist.«

»Ich glaube, das hätte man mir so oder so nicht schonend beibringen können, und um ehrlich zu sein, Sie sind mir nicht kaltherzig vorgekommen. Es war offensichtlich, dass Sie wussten, dass ich es erfahren musste. Und genauso offensichtlich wollte das außer Ihnen niemand übernehmen.«

»Ganz sicher nicht Admiral Bloch«, stimmte Desjani ihm zu. »Ich habe mich oft gefragt, welchen ersten Eindruck ich eigentlich bei Ihnen hinterlassen habe.«

Er verzog den Mund und versuchte, sich daran zu erinnern. »Zu dem Zeitpunkt konnte ich gar nicht klar denken. Es stürzte so viel auf mich ein. Ich weiß nur, dass ich mich gefragt habe, woher Sie alle diese Ehrenabzeichen für gewonnene Schlachten haben sollten. Und wieso Sie das Verdienstkreuz der Flotte trugen. Wofür haben Sie das eigentlich bekommen?«

Desjani seufzte. »Bei Fingal war ich nur ein Lieutenant an Bord der alten Buckler. Wir kämpften, bis das Schiff ein Wrack war und die Syndiks es enterten.«

»Was haben Sie gemacht?«

»Ich habe den anderen geholfen, sie zurückzudrängen.« Ihr Blick war auf etwas weit Entferntes gerichtet.

»Sie müssen schon mehr getan haben, als ›den anderen zu helfen, sie zurückzudrängen‹«, wandte Geary ein.

»Ich bin nur meiner Pflicht nachgekommen.« Dann verfiel sie in Schweigen.

Geary respektierte Desjanis Recht, darüber zu reden, wenn sie den richtigen Zeitpunkt für gekommen hielt. Die Ereignisse, die zu dem Orden geführt hatten, mochten mit sehr traumatischen Erlebnissen verbunden sein. Er sah sie an und wunderte sich, über was sie mit ihm redete. »Sind Sie nur hergekommen, um sich über solche Dinge zu unterhalten?«

»Nicht nur.« Sie stockte und atmete tief durch. »Mir ist bewusst, dass Sie üblicherweise nicht über Ihre Pläne sprechen, solange sie noch keine Entscheidung getroffen haben«, begann sie in einem viel förmlicheren Tonfall.

»Manchmal schon«, entgegnete Geary.

Sie wartete, und als er weiter nichts sagte und nichts darüber verlauten ließ, was er beabsichtigte, fuhr sie fort, ohne dass ihre Stimme irgendetwas über ihre Gefühle verriet. »Ich habe mich mit den Informationen beschäftigt, die wir über die Sternensysteme besitzen, in die wir von Dilawa aus gelangen können. Ich vermute, Sie wollen nach Heradao, aber bislang haben Sie nichts über Ihre Absichten verlauten lassen, obwohl die Flotte dieses System dringend verlassen muss.«

Wenn er sich nicht verhört hatte, kamen diese Worte am ehesten einem Tadel gleich, wie er ihn von Desjani noch nie gehört hatte. Er legte die Stirn in Falten. »Ich habe mich noch nicht für unser nächstes Ziel entschieden.« So, jetzt war es raus.

Abermals wartete sie, dass er sich umfassender äußerte, aber als nichts weiter kam, fuhr sie fort: »Die anderen Sternensysteme, die wir von hier aus erreichen können, führen zurück nach Cavalos, was uns aber nichts bringt, außer dass wir uns wieder von zu Hause entfernen. Topira liegt tiefer im Syndik-Gebiet als Dilawa. Jundeen ist so abgeschieden, dass sich nichts anderes in Sprungreichweite befindet, außer natürlich der Weg zurück nach Dilawa. Und Kalixa verfügt über ein Hypernet-Portal. Angesichts der Bedrohung, die vom Portal bei Kalixa für uns ausgeht, ist Heradao das einzige vernünftige Ziel.«

»Ich bin mir bereits im Klaren darüber, was uns in den jeweiligen Systemen erwartet«, gab er zurück. »Ist sonst noch was?«

Sie schaute ihn durchdringend an und ignorierte seine indirekte Aufforderung, sein Quartier zu verlassen. »In einigen Syndik-Aufzeichnungen, die wir bei Sancere in unseren Besitz gebracht haben, finden sich Hinweise darauf, dass in einem Arbeitslager bei Heradao Kriegsgefangene der Allianz festgehalten werden.«

»Das ist mir ebenfalls bekannt.«

»Captain Geary«, sagte Desjani in gedämpftem Tonfall. »Ich bin Flottenoffizier und der befehlshabende Offizier Ihres Flaggschiffs, und beide Positionen verlangen von mir, dass ich meine Meinung und meine Empfehlungen äußere, wenn ich das für notwendig halte.«

Geary nickte. »Das spreche ich Ihnen auch gar nicht ab. Sie haben mir Ihre Meinung gesagt, dafür danke ich Ihnen. Ich muss noch etliche andere Faktoren in Erwägung ziehen.«

»Zum Beispiel?«

Er starrte sie an, da ihre Frage ihn überrumpelt hatte. »Die … muss ich erst noch für mich selbst ausformulieren.«

»Vielleicht kann ich behilflich sein.«

Auch wenn er es selbst nicht verstand, verstärkten ihre Worte seine ablehnende Haltung nur. »Ich weiß das Angebot zu schätzen, aber ich bin noch nicht bereit, über die bestehenden Optionen zu diskutieren. Mit allen Systemen, die wir von hier aus erreichen können, sind gewisse Vor- und Nachteile verbunden.«

»Captain Geary, es ist nicht Ihre Art, eine Entscheidung vor sich herzuschieben.«

Mit finsterer Miene sah er sie an. »Ich schiebe keine Entscheidung vor mir her, und diese Unterhaltung hilft mir auch nicht weiter. Gibt es sonst noch etwas?«, wollte er in einem Tonfall wissen, der deutlich machte, dass das Gespräch eigentlich beendet war.

»Was ist mit den Kriegsgefangenen bei Heradao?«, fragte Desjani gereizter als zuvor.

»Erstens«, antwortete er und spürte, wie seine Verärgerung sich steigerte, »können wir nicht mit Gewissheit sagen, dass es da überhaupt noch Kriegsgefangene gibt. Die Daten, die wir von den Syndiks erbeuteten, sind durchweg veraltet. Dieses Arbeitslager kann schon vor langer Zeit umgesiedelt worden sein. Außerdem wird den Syndiks klar sein, dass die Präsenz von Kriegsgefangenen aus unseren Reihen es wahrscheinlicher macht, dass diese Flotte sich dorthin begibt. Also müssen wir davon ausgehen, dass sie in diesem Moment bei Heradao eine Falle für uns vorbereiten.«

Desjani stand schweigend da und atmete ungewöhnlich kontrolliert, schließlich sagte sie: »Woher sollten die Syndiks wissen, dass uns etwas über ein Arbeitslager bei Heradao bekannt ist? Sie haben keine Ahnung davon, welche Aufzeichnungen uns in die Hände gefallen sind.«

Es war eine berechtigte Frage, doch sie brachte Geary nur noch mehr in Rage. »Sie wissen ganz genau, dass ich bereit bin, vertretbare Risiken einzugehen, wenn es darum geht, Allianz-Personal aus der Kriegsgefangenschaft zu befreien.«

»Jawohl, Sir.«

Auch wenn Desjani ihm der Wortwahl nach zugestimmt hatte, kannte Geary sie inzwischen gut genug, um zu wissen, was ein solches ›Jawohl, Sir‹ bedeutete: Desjani war unzufrieden und gar nicht seiner Meinung. »Ich bin mir nicht sicher, ob der Nutzen, nach Heradao zu reisen, die Risiken überwiegt.«

»Sir, bei allem Respekt muss ich darauf hinweisen, dass uns überall Risiken erwarten, ganz gleich für welches System wir uns entscheiden. Und diese Risiken werden umso größer, je länger wir hier verweilen.«

Ihr Tonfall bewirkte bei ihm, dass er zornig die Kiefer zusammenpresste. »Und ich muss bei allem Respekt darauf hinweisen, dass das Überleben dieser Flotte nicht in Ihre, sondern in meine Verantwortung fällt.«

»Ich werde versuchen, mir das vor Augen zu halten«, konterte sie unwirsch.

»Wissen Sie, Ihre Einstellung und diese Unterhaltung machen mir das Leben nicht gerade leichter.«

Sie drehte sich weit genug um, damit sie Geary ins Gesicht sehen konnte, und erwiderte dessen finsteren Blick. »Ich will nicht zu direkt sein, aber im Moment steht die Frage, wie leicht Ihnen Ihr Leben gemacht wird, ziemlich weit unten auf der Liste der Prioritäten. Das trifft auf jeden befehlshabenden Offizier eines Schiffs zu, und es trifft noch mehr auf den Befehlshaber einer ganzen Flotte zu. Ich wiederhole: Es ist meine Pflicht, dem Flottenkommandanten den bestmöglichen Ratschlag zu geben, und genau das werde ich auch machen, selbst wenn er sich nicht darum kümmern wird.«

»Okay, meinetwegen.« Geary deutete mit einer knappen Geste auf das Sternendisplay. »Was raten Sie mir?«

»Wie ich schon sagte, entscheiden Sie sich für Heradao.«

»Und wie ich schon sagte, habe ich das bereits in Erwägung gezogen.«

Sie wartete ab, ob er weiterredete, dann schüttelte sie den Kopf. »Sie haben Angst. Ich habe gesehen, wie das bei Lakota und Cavalos begonnen hat.«

Geary starrte Desjani entsetzt an und war schockiert, so etwas aus ihrem Mund zu hören. »Und mit einem solchen Ratschlag wollen Sie mir helfen? Warum reden Sie auf einmal wie Numos oder Faresa?«

Desjanis Gesicht lief beunruhigend schnell rot an. »Wagen Sie es ja nicht, mich mit diesen Individuen zu vergleichen, Sir!«

Es kostete ihn Mühe, sein Temperament im Zaum zu halten und sich eine bissige Entgegnung zu verkneifen. Sie hatte allen Grund dazu, wütend auf ihn zu sein. Er hätte sie niemals mit diesen beiden Offizieren gleichsetzen dürfen. Sie handelte nicht aus politischem Kalkül, sie stellte nie seinen Status als Befehlshaber der Flotte infrage. Außerdem war sie selbst eine hervorragende Befehlshaberin. Das alles unterschied sie von dem verhafteten Captain Numos und dem mittlerweile verstorbenen Captain Faresa. »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte er in einem steifen, förmlichen Tonfall. »Warum haben Sie mir unterstellt, ich sei ängstlich?«

»Ich habe nichts unterstellt.« Desjani rang sichtlich mit sich, um ihre Wut zu bändigen. »Ich versuche nicht, zu bestimmen, wer von uns mutiger oder ängstlicher ist. Aber wenn ich mit Ihnen rede und Sie beobachte, dann stelle ich Veränderungen in Ihrem Verhalten fest, die sich seit Cavalos noch verstärkt haben.« Mit einem Nicken deutete sie auf das Sternendisplay. »Seit Sie das Kommando über diese Flotte übernommen haben, führen Sie sie mit einer Mischung aus Vorsicht und Kühnheit, um den Feind zu überraschen und ihn zu besiegen. Ich glaube, diese Mischung wird von Ihren Instinkten bestimmt, denn keinem von uns ist es bislang gelungen, ein Muster zu erkennen. Jetzt aber sehe ich ein Muster, und das verrät mir, dass Sie Angst haben.«

Hätte ein anderer als Desjani ihm das gesagt … kämen diese Worte von Rione oder von einem seiner Widersacher in der Flotte … Aber es war Desjani. Er hatte keine engere Verbündete als sie, niemand war zuverlässiger und fähiger. Sie glaubte an ihn – anfangs, weil sie davon überzeugt war, die lebenden Sterne hätten ihn geschickt, damit er die Flotte und die Allianz rette, mittlerweile jedoch auch, weil sie inzwischen das in ihm sehen konnte, was sie ihm soeben gesagt hatte. Es wäre dumm, nicht auf sie zu hören. Also atmete er ein paar Mal tief durch, bis er zur Ruhe gekommen war. »Was für ein Muster?«

Sie schien sich ebenfalls wieder beruhigt zu haben, da sie entschlossen, aber nicht länger mit diesem energischen Eifer redete: »Ich habe versucht, unsere Situation aus Ihrem Blickwinkel als Befehlshaber der Flotte zu betrachten. Im Heimatsystem der Syndiks und auch danach standen die Chancen schlecht, diese Flotte nach Hause zu bringen. Es war einfacher, Risiken einzugehen, weil jede Entscheidung mit großen Gefahren verbunden war. Oftmals war es sinnlos, Vorsicht walten zu lassen, weil Wagemut erforderlich war. Zu große Vorsicht hätte die Zerstörung der Flotte nach sich gezogen. Aber jetzt sind wir fast zu Hause.« Sie zeigte auf die Stelle des Displays, an der Dilawa dargestellt wurde, und machte dann eine ausholende Bewegung hin zum Gebiet der Allianz, das zum Greifen nah lag. »Wir sind so dicht vor unserem Ziel, und jetzt auf einmal scheinen die Risiken noch viel größer zu sein, weil wir so weit gekommen sind, obwohl alles dagegen sprach. Sie sehen im Augenblick nur noch die kurze Strecke bis zum Allianz-Territorium, und Sie überlegen, wie schrecklich es wäre, wenn die Flotte jetzt doch noch vernichtet würde, weil Ihnen ein kapitaler Fehler unterläuft.«

»Mir sind bereits kapitale Fehler unterlaufen«, machte Geary mit Grabesstimme deutlich. »Die Flotte nach Lakota zu schicken …«

»Das war ein kalkuliertes Risiko, und letztlich hat es funktioniert. Die Flotte nach Cavalos zu schicken, war ebenfalls riskant, weil dort die Syndiks auf uns hätten warten können. Genau das ist dann auch geschehen, und wir haben sie geschlagen.« Sie ballte eine Faust und sah Geary weiter in die Augen. »Unsere Verluste bei Lakota und Cavalos waren die schwersten, die wir erlitten haben, seit die Flotte Ihrem Kommando untersteht. Aber das war nicht Ihre Schuld. Jeder andere Commander, den ich kenne, hätte viel schwerere Verluste hinnehmen müssen und letztlich diese Schlachten verloren. Es waren keine vergeblichen Verluste. Wir haben den Syndiks wehgetan, und wir sind inzwischen fast zu Hause angekommen.«

»Die Schiffe, die wir bei Lakota und Cavalos verloren haben, werden aber nicht mehr zu Hause ankommen«, hielt er ihr vor Augen. »Und das gilt auch für die Besatzungsmitglieder, die sich nicht mehr in Sicherheit bringen konnten.«

»Sie sind gestorben, damit ihre Kameraden überleben konnten! Schmälern Sie nicht die Bedeutung dieser Opfer, indem Sie so große Angst vor weiteren Verlusten bekommen, dass Sie am Ende alles verlieren! Die Zeit der Risiken liegt nicht hinter uns. Ich kann verstehen, wie sehr Sie sich vor einem Versagen fürchten, jetzt, wo die Flotte es so weit geschafft hat. Aber wir befinden uns immer noch in feindlichem Territorium, und ein übervorsichtiges Verhalten stellt eine noch viel größere Bedrohung für uns dar. Sie können nicht gewinnen, wenn Sie nicht versuchen zu gewinnen. Doch Sie können verlieren, wenn Sie versuchen, nicht zu verlieren.«

An ihren Worten war etwas Wahres dran. Hatte nach so vielen Erfolgen die Angst vor dem Scheitern ihn dazu gebracht, vor jenen Risiken zurückzuschrecken, von denen er doch eigentlich wusste, dass er sie eingehen musste, wenn er gewinnen und überleben wollte? Geary betrachtete das Sternendisplay und versuchte, Gefühl und Verstand voneinander zu trennen. »Folge ich meinem Instinkt oder nicht?«, fragte er, was er an sich selbst genauso gerichtet hatte wie an Desjani.

»Was sagt Ihnen denn Ihr Instinkt?«, wollte sie wissen.

»Dass die Konsequenzen, wenn wir in eine ungünstige Situa …«

»Das sagen Ihnen Ihre Ängste. Was sagt Ihr Instinkt?«

Geary sah ihr in die Augen und erkannte, wie recht sie hatte. »Heradao.«

»Dann hören Sie auf Ihren Instinkt«, drängte sie ihn.

Angestrengt stieß er den Atem aus und zeigte auf die Anzeigen für den Flottenstatus. »Verdammt, Tanya, Sie wissen so gut wie ich, wie es um den Zustand der Flotte bestellt ist. Wir haben nur noch zwanzig Schlachtschiffe, und dabei habe ich die Orion schon mitgerechnet, die offenbar fest entschlossen ist, den Rekord für die längsten Reparaturarbeiten zu brechen. Dazu kommen gerade mal sechzehn verbleibende Schlachtkreuzer, von denen die Courageous, die Illustrious, die Incredible und die Brilliant nach den Schäden, die sie bei Cavalos davongetragen haben, kaum als gefechtstauglich zu bezeichnen sind. Die Division der Scout-Schlachtschiffe besteht noch aus einem einzigen Schiff. In der gesamten Flotte finden sich noch exakt einundvierzig Phantom-Flugkörper und fünfzehn Minen. Außerdem ist auf jedem Kreuzer und Zerstörer mindestens ein Waffensystem notdürftig zusammengeflickt, damit es doch noch irgendwie funktioniert. Und nicht zu vergessen: Der Vorrat an Brennstoffzellen liegt auf den Kriegsschiffen dieser Flotte bei durchschnittlich zweiundfünfzig Prozent. Mit so etwas können wir nicht in die Schlacht ziehen.«

Anstatt etwas darauf zu erwidern, beugte sich Desjani vor und betätigte ein paar Kontrollen, damit der Status der vier Hilfsschiffe angezeigt wurde. »Ich weiß, Sie haben sich damit bereits beschäftigt. Die Goblin, die Jinn, die Witch und die Titan arbeiten rund um die Uhr, um alles zu produzieren, was diese Flotte benötigt, um weiterfliegen zu können. Aber diese Anstrengungen haben von Anfang an nicht genügt, um unsere logistische Situation in den Griff zu bekommen, während wir auf Schritt und Tritt durch den Gegner bedroht werden. Allen Risiken zum Trotz, die wir eingegangen sind, um diese Schiffe mit Rohstoffen zu versorgen, reicht deren Kapazität einfach nicht aus, um den Bedarf dieser Flotte an Brennstoffzellen und Munition zu decken. Jedenfalls nicht bei all den Flugmanövern, die Ihre Taktik unseren Schiffen abverlangt.«

Das konnte er nicht leugnen. »Sie haben recht, ich hatte das bereits überprüft.«

»Also wissen Sie auch, dass sich diese Situation nicht verbessern wird, bis wir es nach Hause schaffen. Bei den Brennstoffzellen sieht es inzwischen so aus, dass die Hilfsschiffe alle verfügbaren Kapazitäten mit deren Produktion belegen, was wiederum bedeutet, dass sie keine neue Munition herstellen können. Sie können uns mit neuen Kartätschen beliefern, und diese Bestände bewegen sich allmählich wieder auf einem vertretbaren Niveau. Aber bei den Flugkörpern und den Minen wird keine Besserung eintreten, und bis wir zu Hause sind, werden wir mehr Brennstoffzellen verbrauchen, als sie produzieren können. Es wird sich keine bessere Gelegenheit mehr ergeben, um gegen die Syndiks zu kämpfen, als eben in Heradao. Alle unsere Bestände sind niedrig, und wir haben Schäden durch die Gefechte davongetragen, doch der Gegner hat viel schlimmere Verluste hinnehmen müssen. Wenn wir ihm jetzt Zeit lassen, dann wird er sich viel schneller davon erholen als wir.«

Wieder musterte er das Sternendisplay. Sein Blick wanderte von Heradao zum Allianz-Gebiet, das wenige Lichtjahre entfernt war.

Nachdem Desjani ihn sekundenlang angeschaut hatte, sprach sie mit sanfter Stimme: »Sie machen sich auch Sorgen darüber, was sein wird, wenn wir erst einmal zu Hause angekommen sind, nicht wahr?«

Geary sah sie wieder an, während sie fortfuhr.

»Sie sind besorgt, weil Sie an einen Ort zurückkehren werden, der vor hundert Jahren Ihr Zuhause gewesen war und der sich seitdem grundlegend verändert hat.« Mit einem Nicken deutete sie auf die Darstellung des Allianz-Territoriums. »Vor allem aber machen Sie sich darüber Gedanken, was ein Großteil der Flotte von Ihnen nach der Heimkehr erwartet.«

Hatte er vor dieser Frau eigentlich überhaupt keine Geheimnisse? Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er sich mit ihr über diese Dinge unterhalten hatte, und schüttelte den Kopf. »Ich werde das nicht machen, Tanya. Mir ist egal, ob der Großteil der Flotte und vielleicht sogar der Großteil der Bevölkerung in der Allianz das von mir erwartet. Der große, legendäre Black Jack Geary wird nicht auf einem Pferd angeritten kommen, um die gewählten Führer der Allianz zum Teufel zu jagen. Ich werde nicht unter dem Deckmantel, die Allianz schützen zu wollen, genau das zerstören, was diese Allianz ausmacht. Ich weiß, viele erwarten das von mir, und einige von ihnen werden bestimmt versuchen, mich dazu zu zwingen. Wie ich damit umgehen soll, das weiß ich beim besten Willen nicht.«

»Doch, das wissen Sie«, widersprach Desjani ihm. »Sie wissen ja bereits, was Sie nicht machen wollen. Sie haben ein strategisches Ziel. Sie wollen das erhalten, was die Allianz ausmacht. Überlegen Sie, wie Sie die Strategie in die Tat umsetzen können, dann ergeben sich die Taktiken von ganz allein.«

»So einfach ist das nicht …«

»Wenn Sie das ganz allein erledigen wollen, ist es das natürlich nicht. Fragen Sie andere um Rat! Gibt es außer der Politikerin niemanden in der Flotte, dem Sie vertrauen?«

Diese Frage veranlasste ihn, einen Moment lang den Blick abzuwenden. So wie Rione vor langer Zeit damit aufgehört hatte, Desjanis Namen zu benutzen, so nannte Desjani im Gegenzug Co-Präsidentin Rione nur noch »die Politikerin«. Grundsätzlich war das eine völlig zutreffende Bezeichnung, allerdings wurden Politiker von der Flotte verabscheut, gab sie ihnen doch die Schuld daran, in hundert Jahren keinen Weg gefunden zu haben, um diesen Krieg zu beenden. »Wollen Sie wissen, wieso ich Sie nicht um Ihren Rat gebeten habe?«

»Es könnte eine erfrischende Abwechslung sein, wenn Sie es mir sagen würden.«

Verdammt, was war nur in Desjani gefahren? Geary sah ihr wieder in die Augen. »Weil ich Angst habe, Sie könnten mit allem einverstanden sein, was ich sage. Dass Sie gegen Ihren Eid verstoßen und stattdessen mir folgen könnten, ganz gleich, was ich tue und lasse. Und das alles nur, weil Sie glauben, die lebenden Sterne hätten mich zu dieser Flotte geschickt und würden mich führen, damit sie mir folgt.«

Desjani nickte und machte eine entschlossene Miene. »Ja, ich würde Ihnen folgen.« Als Geary daraufhin zusammenzuckte, hob sie eine Hand, um ihn von einem Kommentar abzuhalten. »Weil ich weiß, Sie wurden in einer göttlichen Mission zu dieser Flotte geschickt und Sie werden von einer höheren Macht geführt. Deswegen weiß ich auch, Sie werden nichts tun, das gegen Ihren Eid verstößt. Ich weiß, Sie werden nicht die Allianz zerstören, und aus diesem Grund weiß ich auch, dass ich Ihnen folge und Ihnen helfe, wenn Sie es zulassen. Es gibt noch andere, die Ihnen helfen werden, die richtige Vorgehensweise zu beschließen, wenn Sie sich uns anvertrauen. Ich bin davon überzeugt, Sie wissen, wen ich meine. Glauben Sie uns, wir lieben die Allianz genauso wie Sie. Ich muss gestehen, es gab eine Zeit, da hätte ich mich zu einem Putsch überreden lassen. Aber jetzt nicht mehr. Nicht nach all den Dingen, die Sie uns ins Gedächtnis zurückgerufen haben. Unsere Bemühungen, mit der gleichen Brutalität vorzugehen wie die Syndiks, haben nur dazu geführt, dass die Syndik-Bevölkerung davon überzeugt ist, uns mit allen Mitteln bekämpfen zu müssen. Aber es ergibt wenig Sinn zu gewinnen, wenn der Sieg doch nur bedeutet, dass man zu einem Spiegelbild des Feindes geworden ist. Aber die politischen Probleme innerhalb der Flotte wie auch daheim lösen sich, ebenso wie die Probleme mit den Syndiks, nicht in Wohlgefallen auf, nur weil man sich einfach nicht mit ihnen beschäftigt.«

Alle möglichen Erwiderungen gingen Geary daraufhin durch den Kopf, aber er wusste, mit jedem seiner Kommentare würde er entweder leugnen, was ihm längst klar war, oder aber einen Bogen um das eigentliche Thema machen. Er saß nur da und starrte die Sterne an, während die Bruchstücke dessen, was er selbst wusste und was Desjani gesagt hatte, sich in seinem Geist zusammenzufügen begannen und ein völlig zutreffendes Bild ergaben. Schließlich nickte er. »Danke, Sie haben recht. In jeder Hinsicht. Ich habe mich vor einer Entscheidung gedrückt. Ich habe zwar alles sehen können, aber ich wollte es nicht zusammenfügen, weil mich der Gedanke verfolgte, ich könnte diese Flotte kurz vor dem rettenden Ufer doch noch verlieren. Und dazu kam diese lähmende Angst, was sein wird, wenn wir zu Hause ankommen.«

Desjani grinste ihn an, die Anspannung war mit einem Mal von ihr abgefallen. »Dann ist Heradao unser Ziel?«

»Ja, Tanya, wir nehmen Kurs auf Heradao. Und wir befreien diese Kriegsgefangenen, falls sie noch dort sind, ebenso, wie wir jede Streitmacht schlagen, die die Syndiks dort zusammengezogen haben könnten. Und ich werde mich mit der Strategie befassen, was zu tun ist, wenn wir das Allianz-Territorium erreichen.«

»Fragen Sie Captain Duellos, Captain Tulev …«

»Und Sie«, unterbrach Geary die Auflistung. »Wie es scheint, spielen Sie eine sehr wichtige Rolle bei meiner ›speziellen Führung‹.« Bei diesem Lob errötete Desjani prompt. »Aus eigener Kraft hätte ich diese Entscheidungen nicht treffen können. Ich habe um jeden einen Bogen gemacht, der mich damit hätte konfrontieren können. Ich brauche Sie, um mich voranzutreiben, weil Sie mich viel besser kennen, als ich es für möglich gehalten hätte. Und ich brauche sie, weil Sie in der Lage sind, die Klappe aufzumachen, um mich Querkopf zur Einsicht zu bringen.«

Ihr Lächeln wurde noch strahlender. »Ich habe schon bei ganz anderen Querköpfen die Klappe aufmachen müssen, gegen die Sie sich wie ein Chorknabe ausnehmen, Sir.«

»Vielen Dank.« Er zögerte kurz. »Tanya, keiner der anderen Senioroffiziere in dieser Flotte scheint gemerkt zu haben, was mir zu schaffen gemacht hat.«

»Sie haben nie offen über Ihre wachsende Vorsicht gesprochen. Durch unsere vielen Unterhaltungen kenne ich Sie gut genug, um solche Dinge wahrzunehmen. Aber ich wusste auch, dass Sie klug genug sind einzusehen, wie wichtig Ratschläge von anderen sein können. Die Tatsache, dass Sie in letzter Zeit alles versucht haben, um solche Ratschläge zu vermeiden, verriet mir auch etwas über Sie.«

»Ich schätze, ich muss meinen Vorfahren dafür danken … wieder einmal danken, wollte ich sagen, dass Sie der Captain meines Flaggschiffs sind.«

Desjani verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Ich fasse das als ein dienstliches Kompliment auf. Wenn Sie gestatten, würde ich mich jetzt gern zurückziehen, Sir, da ich mich noch um andere Dinge kümmern muss. Und Sie müssen die Befehle für die Flottenbewegungen nach Heradao ausarbeiten.«

»Natürlich, Captain Desjani.« Er wandte seinen Blick von ihrem Lächeln ab, um seinen Verstand davon abzubringen, sich Gedanken darüber zu machen, wie sich wohl ihre Lippen anfühlten, wenn er sie küsste. Dazu würde es nicht kommen, solange er das Kommando über diese Flotte hatte und solange dieser Krieg andauerte. Sie hatte sich unzählige Male seinen Respekt verdient. Auch wenn es ihm nicht gelang, seine Gefühle für sie zu unterdrücken, konnte er immer noch diesen Respekt in der Öffentlichkeit und im Privaten wahren. Also stand er auf und erwiderte ihren Salut.

Bevor sie das Quartier verließ, blieb sie stehen und drehte sich noch einmal zu ihm um. »Ich hoffe, Sie nehmen mir nichts von dem übel, was ich gesagt habe, Sir. Aber ich fühlte mich verpflichtet, offen und ehrlich zu Ihnen zu sein.«

»Dafür danke ich Ihnen, Captain Desjani. Ich hoffe, Sie werden das auch weiterhin so machen, wenn Sie das Gefühl haben, dass es notwendig wird. Ich werde zuhören, wenn es so weit ist. Mir ist zu Ohren gekommen, dass ich unter den Querköpfen in dieser Flotte als Chorknabe gelte.«

»Das mag so stimmen, aber Sie sollten sich das nicht zu Kopf steigen lassen.«

Es gelang ihm, nicht von Herzen zu lachen, bis sich die Luke hinter Desjani geschlossen hatte.

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