So standen die Dinge, als Nathan und Sarah bei mir vorbeikamen, um zu sehen, ob ich zu einem Entschluß gekommen sei, und Freds und ich saßen da und rauchten ein Haschpfeifchen, und Nathan nahm natürlich an, daß wir uns gegen ihn verschworen hatten, und zog seine Oberlippe mit einem deutlichen Ausdruck von Abscheu hoch. »Ich weiß nicht, wie ich überhaupt auf den Gedanken gekommen bin, du würdest den Armen von Nepal helfen wollen«, sagte er verbittert. »Du bist nur ein Trek-Führer, der das Land nach Strich und Faden ausbeutet. Ich wünschte, ich hätte dich nie kennengelernt.«
»Weißt du was?« sagte ich wütend. »Ich wünschte auch, ich hätte dich nie kennengelernt. Ich wünschte mir sogar, ich hätte deinen Brief an Freds nicht gestohlen und gelesen, denn dann hätte ich nie was mit euch zu tun bekommen und hätte noch meinen Spaß, und ich würde mehr als nur hundertdreißig Pfund wiegen!« Es fiel mir schwer, ihn nicht anzuschreien. »Aber du!« schrie ich. »Du hättest Freds nie gefunden oder deinen gehirngeschädigten Yeti gerettet oder wärst mit deiner Sarah zusammengekommen!«
»Du hast diesen Brief gestohlen?« sagte Nathan und ignorierte alles andere, was ich gesagt hatte.
»Na ja. Ja, hab’ ich. Er sah interessant aus.«
Nathan warf die Hände hoch. »Kein Wunder, daß du uns nicht helfen willst! Ich meine, was für Prinzipien … ich meine, wer würde schon einen Brief stehlen?«
»Ich.«
Freds atmete laut aus. »Er bringt bei der Bürokratie hier sowieso nichts zustande. Ohne ihn seid ihr besser dran. Wir haben versucht, ihn dazu zu bringen, uns zu helfen, und was kam dabei heraus? Sie haben mit seinem Gehirn Fußball gespielt. Wertlos. Paßt auf. Singha Durbari« fauchte er mich an. »Seht ihr? Er zuckt zusammen, wenn er nur den Namen hört.«
»Undankbarer Mistkerl«, sagte ich zu ihm. »Frag lieber mal deinen Manjushri Rimpoche, ob ich wertlos war. Frag Colonel John, ob ich wertlos war.«
»Wenn wir ohne ihn besser dran wären«, machte Sarah Freds klar, »würdest du nicht versuchen, uns zu überzeugen, auf seine Hilfe zu verzichten.«
»Genau«, sagte ich. Sarah schien die einzige zu sein, die darauf geachtet hatte, was ich darüber gesagt hatte, wie sie und Nathan zusammengekommen waren, und sie beobachtete mich während des Streits mit einem leisen Lächeln, das mich zusätzlich aufbrachte. »Du zeigst lieber etwas Dankbarkeit«, knurrte ich Nathan an, »oder ich helfe vielleicht doch Freds, und dann hast du wirklich Probleme. Hier, setz dich und rauch die Friedenspfeife mit uns.«
»Nichts da«, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich versuche, ein ernstes Gespräch zu führen.«
»Spielverderber.«
»Degenerierter Affe.«
»Brückenzerstörer. Lügner. Verräter. Tierdieb.«
Die Haut auf Nathans Wangen färbte sich bis auf eine schmale Linie über seinem Bart hellrot. Ich fand dieses Phänomen interessant und versuchte, mir noch ein paar Schimpfworte einfallen zu lassen, als Sarah eingriff und uns befahl, endlich aufzuhören, uns so kindisch zu benehmen. »Wir verschwenden nur unsere Zeit, und soviel Zeit haben wir nicht.«
»Das stimmt«, sagte Nathan, in dem Besorgnis und Empörung miteinander rangen. »Dieser Rana wird unseren Vorschlag ablehnen …«
»Rana?« sagte ich. »Welcher Rana?«
»Kann dir doch egal sein«, begann Freds, doch ich brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
»Doch nicht zufällig A.S.J.B. Rana?«
»Wieso? Ja, ich glaube schon. Kennst du ihn?«
»Ich dachte, ich hätte seine Karriere beendet.«
»Aber nein — man hat ihn gerade zum Leiter des Amts für Ausländische Hilfsmaßnahmen im Palast gemacht.«
»Befördert! Dann kann es nicht derselbe sein.«
»Kann dir doch egal sein«, sagte Freds zu mir.
»Scheiße, es ist mir nicht egal!« rief ich hitzig.
»Leise!« sagte Sarah laut. »Hört doch mit diesem Zank auf!«
Wir alle sahen sie an.
»Das ist doch völlig überflüssig«, sagte sie und lachte uns an. »Ich sehe am Ausdruck von Georges Gesicht, daß er einen Plan hat.« Sie setzte sich neben mir aufs Bett, legte einen Arm um meine Schultern und drückte mich kräftig. »Ich weiß es einfach. Du hast doch einen Plan, nicht wahr, George?«
Das Seltsame daran war, daß tatsächlich gewissermaßen ein Plan in meinem Hinterstübchen entstand. Es war wie eine Inspiration. »Richtig«, sagte ich und fühlte mich sehr zufrieden. »Ich habe einen Plan.«
Nathan und Freds musterten mich zweifelnd.
»Der erste Teil des Plans«, sagte ich, darüber nachdenkend, »besteht darin, daß ihr beide mir Karten besorgt — Nathan von dem geplanten Kanalisationssystem, und Freds von den alten Tunnels. Könnt ihr das für mich tun?« Sie nickten. »Gut. Der zweite Teil des Plans besteht darin, daß wir im Old Vienna zu Abend essen und uns dabei die Karten ansehen.«
»Das ist kein Plan«, beschwerte sich Nathan.
»Ist es doch. Ich habe einen Plan.« Und in der Tat stellte er sich noch beim Sprechen bei mir ein. Ich legte meinen Arm um Sarah und drückte sie ebenfalls, und alles fiel an Ort und Stelle wie eine lange Kette Dominosteine. »Ich weiß nur nicht, ob er auch funktioniert.«