Neuntes Kapitel

Die Mondaufgang legte während der Freischicht ab, in Pyanfars Nacht, ohne noch ein Wort an sie zu richten. Sie ignorierte es, knurrte unter der Bettdecke hervor dem Kom neben dem Bett etwas Zusammenhangloses zu, als sie unterrichtet wurde, und zog die Decke dann wieder über sich. Die Sache war es nicht wert, dass sie aufstand und zuschaute, und sie hatte den Tahar auch keinerlei Höflichkeit zu erweisen, wo sie jetzt ein anderes Hani-Schiff unter Fremden im Stich ließen, so beschädigt, wie es jetzt noch war. Pyanfar war kaum überrascht. Die Wache hatte ihre Befehle, und demzufolge bestand keine Notwendigkeit, dass der Kapitän aufstand und sich darum kümmerte. Hilfy schlief; es war ebenfalls nicht nötig, sie zu wecken und ihr etwas mitzuteilen, das auch sie erwartet hatte. Pyanfar vergrub sich wieder im Schlaf und vergaß die Sache… damit nicht ihr Adrenalinspiegel stieg und ihr den Schlaf raubte, gab es kein Nachdenken über die Situation hier oder zu Hause oder überhaupt irgend etwas Besonderes, nur vielleicht die weiter vorangehenden Reparaturen, die eigentlich fertig sein sollten, wenn sie wieder aufstand, mit allen Platten dann wieder an Ort und Stelle und am Heck arbeitenden Mahe, die sich um all die Meilen unscheinbaren Verbindungen kümmerten, von denen das Leben der Besatzung abhing.

Die Dunkelheit nahm Pyanfar wieder auf. Sie schmiegte sich ins Bett mit einem Gefühl von seltenem Luxus.

»Käpt‘n, Käpt‘n, ich störe dich nicht gern, aber wir empfangen Bewegungen draußen bei den Knnn.«

Sie warf einen Arm herum und tastete nach dem Zeitschalter. Noch eineinhalb Stunden bis zum Aufstehen. Sie unterbrach ihre Körperbewegung erst gar nicht und schwang die Füße aus dem Bett.

»Käpt‘n«, sagte die wachehaltende Tirun. »Dringend!«

»Ich höre. Schalte nach hier um! Was ist los?«

In der dunklen Kabine leuchtete der Bildschirm auf. Pyanfar blinzelte und rieb sich die Augen und stellte sie auf das Bild ein. Signalbojen blinkten ihre Gefahrenwarnung, standen zu dicht aufeinander, als dass man noch von Sicherheit hätte reden können. »Alle Knnn im Dock«, sagte Tirun. »Sie legen ab, und ihre allgemeine Richtung.

»Hinter der Mondaufgang her? Frag bei der Station an! Was ist los mit denen?«

»Hab‘ ich schon. Kein offizieller Kommentar.«

»Verflucht sei ihre Haut! Verbinde mich!«

Es dauerte einen Moment. Pyanfar fummelte im Dämmerlicht des Bildschirmes nach ihrer Kniehose, streifte sie über und zurrte die Schnallen fest.

»Die Station lehnt weiterhin einen Kontakt ab, Käpt‘n. Sie bestehen auf einem Austausch per Kurier als einziger Möglichkeit.«

Pyanfar band den Knoten fest und schluckte den aufwallenden Zorn hinunter. »Meine Grüße an sie. Was machen die Kif?«

»Verhalten sich ruhig. Wenn sie miteinander reden, dann über Läufer oder Kabel.«

»Behalte sie einfach im Auge! Ich bin wach.« Sie ging ins Bad, schaltete das Licht ein und wusch sich, ging wieder hinaus und warf einen Blick auf die Lage, die der Bildschirm zeigte.

Zehn Schiffe hatten jetzt das Dock verlassen und folgten der Mondaufgang, als wären dieselben verflixten Knnn jetzt völlig im unklaren darüber, welche Hani welche waren, und hätten auch noch ihre Artgenossen von dieser irrigen Annahme überzeugt… lächerlich, absolut lächerlich; aber der Humor ließ Pyanfar trotzdem im Stich. In alter Zeit hatte es Missverständnisse gegeben, bevor die Stsho die Idee des Paktes den Tc‘a hatten vermitteln können und die Tc‘a ihrerseits den Knnn und Chi das Verständnis der Pakt-Zivilisation beigebracht hatten, und zwar in ausreichendem Maße, um problemlos hineinzufliegen und wieder herauszukommen, Handel zu treiben, Provokationen und Zusammenstöße zu vermeiden und manchmal sogar zu kooperieren. Die Methanatmer waren gefährlich, sobald erst einmal aufgestört. Pyanfar runzelte die Stirn über das Bild, kämmte sich, schaltete dann den Kom ab und eilte den Korridor hinab zum Lift.

»Keine Veränderung?« fragte sie, als sie zu Tirun in den Op marschierte.

»Alles beim alten«, entgegnete Tirun. Ihr verletztes Bein war nicht abgestützt, wenn auch in einem Winkel weggestreckt, als sie sich vorbeugte und gegen den Schirm tippte. »Alle in einer Reihe, alle zehn, und alle hinter den Tahar her.«

»Götter«, murmelte Pyanfar. »Was für ein Schlamassel.«

»Sie haben l.D.-Signale empfangen… sie müssten wissen, dass es sich nicht um uns handelt.«

Pyanfar zuckte hilflos die Achseln. Sie ging zurück zur Tür. »Ich gehe die anderen holen. Zeit für dich aufzuhören, nicht wahr?«

»In einer halben Stunde.«

»Wer ist als nächste dran?«

»Haral.«

»Dann fangen wir früher an.« Pyanfar ging hinaus und durch den Korridor zu der großen Kabine; die im Dock das Mannschaftsquartier bildete, stieß den Riegel auf, um die Tür zu öffnen, und schaltete innen den Dämmerungszyklus der Beleuchtung ein. »Aufstehen! Wir haben ein wenig Durcheinander. Die Knnn sind durchgedreht. Ich halte es für besser, dass wir nicht im Bett liegen, wenn sie hier vorbeikommen.«

Überall regten sich im Dämmerlicht Decken auf einer Reihe von Betten unten dem schützenden Netzwerk des Daches; Kojen und Feldbetten — Tully lag links, abgeschirmt von den anderen, aber nicht von Pyanfars Blick — ein zerzauster Kopf und verstörter Blick unter der Decke hervor. Und Hilfy — Hilfy befand sich bei den anderen auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes, rappelte sich auf wie alle anderen, war genauso nackt wie sie und wie auch Tully, der auf seiner Seite des Vorhanges aus dem Bett stieg. Götter. Zorn strömte durch Pyanfars Nerven, Abscheu vor diesem Umsturz in der Ordnung der Dinge auf der Stolz. Auf der Reise waren sie zölibatär. Im Geist konnte sie den Klatsch der Tahar hören… wieder etwas, das auf Anuurn die Runde machen würde. Und, Götter, sie konnte den Blick von Kohans Augen sehen. Sie machte ein finsteres Gesicht. »Hilfy. Frühstück während der Wache, in einer halben Stunde. Mach schon!«

»Tante.« Hilfy stand auf und zog sich eilig die Kniehose an. Pyanfar schritt hinaus, ging in den Op-Raum zurück und schüttelte ihren Abscheu mit einer Selbstzurechtweisung ab. Also hatte Hilfy auf das Privileg des Gästequartiers verzichtet und sich in die Mannschaftsunterkunft begeben. Sie konnte sich denken, warum. Es hatte mit der Trennung von den Faha zu tun. Und die Mannschaft hatte sie eingeladen; es handelte sich hierbei um einen Bereich, wo Einladungen von innen kamen und Pyanfar sich nicht einmischte. Also gehörte Hilfy in den Augen der Besatzungsmitglieder dazu.

Wie sie auch Tully dazugenommen hatten.

Götter! In ihrem Nacken kribbelte es.

»Frühstück und Ablösung kommen«, informierte sie Tirun bei ihrer Ankunft.

»Keine Veränderungen«, sagte Tirun. »Alle haben immer noch jeweils denselben Kurs. Von den Kif nichts, keine Regung, kein Wort.«

»Huch.« Pyanfar setzte sich seitlich neben das Pult. »Wohl genauso verwirrt, hoffe ich.«

»Unmöglich, dass sie eine Verbindung zu den Knnn haben?« Tirun starrte sie beunruhigt an.

»Ich bin nicht mehr an der Börse der Vermutungen tätig.« Die Rotte flog weiter. Die Mondaufgang folgte ihrem Kurs aus dem System hinaus mit einer Mahe-Eskorte in großer Entfernung und einem Schwarm verrückter Knnn dahinter.

»Die spinnen«, meinte Tirun.

Pyanfar saß nur da und schaute zu, funkelte den Bildschirm an.

Haral traf mit Hilfy und dem Frühstück ein; die anderen zeigten sich unmittelbar auf ihren Fersen, eine Prozession mit Geran und Chur und Tully, die alle ihr eigenes Tablett trugen.

»Was ist da draußen los?« wollte Haral wissen.

»Die Tahar«, sagte Tirun, »führen jeden geistig zerstreuten Knnn von der Station…«

Das Bild auf dem Schirm hatte sich verändert; die Punkte auf dem Scanner strebten auseinander, wobei die Tahar ihren Kurs fortsetzten und die Knnn…

»Sie bremsen ab«, sagte Hilfy.

»Wunderbar«, murrte Pyanfar, nahm ihren Becher Gfi und nippte daran, sah zu, wie die Abstände größer wurden. Letztendlich der Wendepunkt, vermutete sie; die Knnn entwickelten nun andere Pläne. Tully sagte etwas, eine Flut fremdartigen Geplappers, aber sie hatte das Funkgerät in der Kabine gelassen. Chur stellte ihres auf Sendung.

»Feindliches Schiff«, kam heraus.

»Knnn«, sagte Haral. »Keine Feinde. Neutral. Aber problematisch. Das ist die Mondaufgang. Die Knnn sind ihr gefolgt, haben es aber jetzt aufgegeben.«

»Wieso?«

»Weiß nicht, Tully.«

Die Mondaufgang sprang, verschwand plötzlich vom Scanner der Station — ohne die Knnn.

»Götter!« rief Hilfy aus, als die Knnn eine Biegung flogen. »Knnn-Manöver«, sagte Tirun. »Die Bastarde spielen sich auf. Sie können derart springen, aufdrehen und wenden. Eine Hani würde dadurch getötet. Überhaupt jeder Sauerstoffatmer. Wir könnten sie nie ausmanövrieren. Mögen die Götter verhindern, dass wir je auf einen schießen müssen; die Computersteuerung kann sie nicht treffen; sie ist auf solche halsbrecherischen Manöver nicht programmiert.«

»Sie schießen auch nicht auf uns. Sie sind unbewaffnet.«

»Früher«, sagte Haral, »hat man die Knnn auch nie beim Schießen erwischt. Aber ausgeplünderte Schiffe sind aufgetaucht, noch vor meiner Zeit. Ich habe gehört, sie könnten ein Schiff umschwärmen und es im Sprung woandershin mitreißen; irgendwohin, wo sie es ungestört aufmachen können…

»Zwischen ihnen mitreißen?« Hilfys Gesicht zeigte Unglauben.

»Zwischen ihnen, einem Dutzend, alle synchronisiert. So habe ich es gehört. Hani-Schiffe würden einander dabei in Stücke reißen, aber Knnn können sich derart synchronisieren.«

»Huch«, sagte Pyanfar. Das war altes Kojengarn, wie das über Geisterschiffe, über Fremde außerhalb des Paktes. Sie starrte Tully an und überlegte, verzehrte ihre getrockneten Chips und spülte sie mit Gfi hinab. Im Kom waren die Anweisungen der Station zu hören, die ihre Patrouillenschiffe anwies, den Knnn nicht in die Quere zu kommen. Ein Tc‘a legte los, redete wahrscheinlich mit den Knnn.

Und eine Rufleuchte blinkte auf ihrem Pult; jemand wollte ihnen etwas mitteilen.

Berichtigen Schätzung, krochen die Buchstaben über den Schirm, als Tirun einschaltete. 15 Stunden zusätzliche Reparaturzeit. Bedauern. Entsenden weitere Arbeitskräfte. Zwei Teams. Wiederholen…

»Die Götter mögen uns helfen.« Pyanfar ergriff das Mikro und hieb die Ruftaste für den Stations-Op. »Was soll das jetzt bedeuten? Wieso fünfzehn Stunden? Weitere fünfzehn Stunden?«

Die Station schickte die Beschwerde weiter, von einem zum anderen, bis zum fast unbegreiflichen Mahe-Gleiterwächter. »Alle Gleiter im Einsatz«, lautete die dreimal wiederholte Antwort, jedes Mal lauter, als würde die Lautstärke die Kommunikation fördern.

»Danke«, murrte Pyanfar. »Aus!« Sie fuhr sich mit der Hand durch die Mähne, legte das Mikro weg, wandte sich zu den sie anstarrenden Augen um und schaffte es, eine bessere Miene aufzusetzen.

»Na ja«, sagte Haral mit ruhiger Stimme, »zumindest haben sie es gefunden, bevor sie uns damit losschickten.«

»Ich gehe zur Heckschleuse hinaus«, sagte Geran, »und schaue mir die Sache einmal an.«

»Nein«, sagte Pyanfar. »Ich zweifle nicht daran, dass du einen Schaden findest. Mach eine Fernaufnahme von der Beobachtungskuppel aus. Und, bei den Göttern, wenn es etwas Neues gibt, möchte ich darüber Bescheid wissen.« Sie beruhigte sich einen Moment lang.

»Nein; verflixt, die Mahe wurden uns bei Bußgeldern und Gebühren betrügen, aber wenn ich diese Leiterin richtig einschätze, dann ist sie nicht der Typ. Trotzdem… nimm die Kontrolle vor!«

»Alles klar.« Geran packte ihr Tablett und ging hinaus und den Korridor hinab zum Eingang der Kuppel, eine kalte Reise zum Rahmen des Schiffsrumpfes. Pyanfar dachte daran, selbst zu gehen, verschob das aber, um ihr Frühstück zu beenden, beobachtete dabei die Knnn, die abgebremst hatten und jetzt in einer Position lagen, die sämtlichen Flugschneisen und Regeln vollkommen Hohn sprach. Die Station berichtete von einem einfliegenden Schiff, einem Mahendo’sat-Frachter, der im Zenithbereich ankam — sie hatten ihre eigenen Probleme, ebenso der Mahen-Frachter, der mit einem sicheren Hafen rechnete und statt dessen fand, dass sämtlicher Verkehr zum Erliegen gekommen und Knnn durchgedreht waren.

»Ich gehe auf die Brücke«, sagte sie schließlich. »Lasst es hier unten gut sein und ruht euch aus! Haral, ich übernehme oben und melde mich dann bei dir.«

»Käpt‘n«, hob Haral an zu protestieren, schluckte es aber doch hinunter, da sie ein Gespür für Dinge hatte. »In Ordnung.«

Pyanfar ging hinaus, zog sich die Hose fester zu, die in den letzten Tagen zu weit geworden war, und ging zum Lift. Sollte sie persönlich das Stationsamt aufsuchen und dort alles in Stücke reden? Der Gedanke war verlockend. Im Moment sehnte sie sich nach etwas Zerstörbarem in Reichweite. Das hätte die Lage allerdings wohl nicht gebessert. Fünfzehn Stunden. Das war kaum überraschend; immer und überall im Pakt blieben Reparaturen hinter dem Plan zurück und lagen über der Schätzung. Und dann waren es sechzehn und siebzehn Stunden und noch einmal zwanzig…

Sie nahm den Lift. nach oben, machte es sich in ihrem Sessel auf der Brücke bequem und schickte in rascher Folge Anfragen durch alle geeigneten Kanäle. Defektes Düsenjoch, lautete die Antwort vom Stationsamt, und kurz darauf von Geran: »Habe die Nahaufnahme.Sie hängen überall am Düsenrand, aber viel mehr kann ich nicht sagen.«

Das Bild kam durch und zeigte zwei Gleiter und drei Arbeiter in Raumanzügen, die sich mit Greifern an die betroffene Düse hängten, dort, wo diese in die Strebe überging. Kabel, Düse und Strebe waren mit roten Gefahrleuchten überzogen, um in der Dunkelheit Unfälle zu vermeiden. Es war eine plausible Reparatur — Götter, und keine billige. Der Druck, der die Platten weggerissen hatte, hätte auch die Düse überlasten können — eines jener Systeme, für die es keine Zusatzleitungen gab und durch das ein Drittel der Kraft des Sprungantriebes geleitet wurde.

»Es ist das Joch«, sagte Pyanfar zu Geran, die in der Kuppel wahrscheinlich zitterte, dass ihr die Zähne herausfielen. »Komm wieder ins Schiff! Wir können nichts weiter tun.«

Es war ein Fünfzehnstunden-Job. Argwohn nagte in ihren Eingeweiden. Der Defekt hätte sich auf dem Kontrollpult zeigen müssen; es gab durchaus Gründe, warum das nicht geschehen war — weil die Explosion bei der Ankunft erfolgt war — etwas hatte rot aufgeleuchtet; so vieles hatte innerhalb eines Augenblickes rot aufgeleuchtet und war dann zu normalem Status zurückgekehrt… möglicherweise war es wirklich so gewesen. Vielleicht war es auch eine jener ›Dämonenberührungen‹, wie die Mahendo‘sat das nannten, wodurch Schiffe verlorengingen und sich durch Überlastung Teile lösten und so töteten. Es stand fünfzig zu fünfzig, dass sie der Mahendo‘sat-Mannschaft äußerste Dankbarkeit schuldeten; oder sie wurden aufgehalten, betrogen, genasführt. Wenn sie jetzt die Probe machte, würde auf jeden Fall die rote Lampe aufflammen, weil die Abdeckung entfernt war.

Pyanfar saß da und betrachtete den Sichtschirm mit erhöhtem Blutdruck und einem schwelenden Zorn, den sie nirgendwo ablassen konnte.

»Haral«, sagte sie in den Kom; »Käpt‘n?«

»Das Problem, das du festgestellt hast, während wir hier einflogen. War das Hauptjoch beteiligt. Könntest du das noch sagen?«

Ein langer Augenblick des Schweigens. »Käpt‘n, wir waren im Begriff, die Eingabe zu verlieren; ich habe ein neues Pult zugeschaltet, und es lief wieder. Dieser Schwund hatte aber alles überlastet; die ganze Sektion hatte keinen Durchblick mehr. Ich konnte es nicht mit Sicherheit feststellen; überall war was verkehrt. Ich dachte, es seien die Platten. Tut mir leid, Käpt‘n.«

Harals Stimme hörte sich kläglich an. Haral war es nicht gewohnt, sich zu irren. Nie. »Sicher eines dieser Dinge«, meinte Pyanfar, »die rotes Licht zeigen, wenn die Platten überlastet sind. Ich bin mir nicht so sicher, dass du dich geirrt hast, Haral, nicht im geringsten.«

»Ich gehe nach draußen«, sagte Haral.

»Und was willst du da? Sie haben alles derart auseinandergenommen, dass es Gleiter erfordert, alles wieder zusammenzusetzen. Mahen-Gleiter. Nein, wir warten ab.«

»Vorräte kommen an«, informierte Chur sie schließlich über Kom vom Unterdeck aus. Es handelte sich um gefrorenen Fisch aus den planetaren Teichen von Kirdu II, einige Stsho- Waren für Tully und ein paar weitere Übersetzerbänder. Pyanfar überprüfte die Zeit; es war nach ihrem ursprünglich geplanten Ablegetermin. Der Kurierdienst war von der Verzögerung ebenso rasch unterrichtet worden wie sie, eine Unverschämtheit, die ihren Blutdruck gleich wieder um einige Punkte steigen ließ. »Käpt‘n?« fragte Chur. »Hab‘s gehört«, sagte Pyanfar kalt, und Chur unterbrach die Verbindung.

Wieder eine Stunde. Die Bildschirme zeigten fortwährende Aktivität an der Düse. Pyanfar lenkte sich ab, indem sie sich mit der Instandhaltung der Pulte beschäftigte, sich in die Anlagen unterhalb der Konsolen vergrub, wieder und immer wieder Checks durchführte und nur gelegentlich mal an die Oberfläche tauchte, um einen kurzen neidischen Blick auf den Bildschirm zu werfen oder dem Funkverkehr zu lauschen. Die Station war dabei, zur Normalität zurückzukehren; nur die Knnn… blieben draußen, ließen sich im Systemdrift treiben und heulten sich weiterhin gegenseitig etwas vor.

Unten im Korridor summte der Lift; die Türen öffneten sich. Pyanfar hörte das und wandte sich von einer erledigten Arbeit ab, stand auf, wischte sich die Hände ab und glättete die Mähne… leise, rasche Schritte im Korridor. »Tante?«

Sie setzte sich auf die Armstütze ihres Sessels und betrachtete ihre Nichte mit finsterem Gesicht. Hilfy stand mit einem Stück Papier in der Hand unter dem Bogen des Eingangs, kam dann herbei und reichte es ihr. »Gerade angekommen, per Kurier. Sicherheitssiegel.«

Pyanfar runzelte die Nase, ergriff es, hakte eine Kralle hinein und riss es auf. Stasteburanas Unterschrift. Grüße, Ehrbezeugungen und die Zusicherung, dass alles Mögliche getan wurde. »Grüße vom Stationsmeister«, übersetzte Pyanfar bitter. »Wir erhalten eine Eskorte bis zum Sprungpunkt, wenn wir abfliegen; der Abflug ist auf diese fünfzehnte Stunde festgelegt. Verflucht sollen sie sein, sie wussten bereits von dieser Verzögerung, oder sie wären schon wegen des Bandes hier gewesen. Sie wollen es, soviel ist gewiss… und zwar bevor der Job erledigt ist. Wartet der Kurier noch?«

»Nein.«

»Verflucht seien sie alle!«

»Du meinst Tullys Band.«

Pyanfar hob den Blick zu Hilfy, deren Gesicht mit dem Heranwachsenden-Bart die Andeutung eines Stirnrunzelns zeigte. »Ist das ein Kommentar?«

»Nein, Tante.«

»Ich habe dem Außenseiter den Grund erklärt.«

»Tully, Tante.« — Pyanfar holte tief Luft. »Tully wenn du willst. Ich habe ihm gesagt, warum. Habe ich mich verständlich gemacht?«

»Er… hat mit Chur darüber gesprochen.«

»Was hat er gesagt?«

»Dass er verstanden hat.«

»Und der Rest von euch?«

Hilfy verschränkte die Hände hinter dem Rücken, senkte den Blick und hob ihn wieder unter gesenkten Brauen. »Er spürt… was alles an Problemen im Gang ist. Während der letzten Freischicht versuchte er, mit uns allen zu reden, Götter, und wie er es versuchte.

Schließlich…« Ihre Ohren sanken herab; ein zweiter kurzer Blick zu Boden. »Schließlich umarmte er Chur und ging dann von einer zur anderen und machte dasselbe, nicht… von Mann zu Frau, nicht auf diese Weise, sondern einfach so, als habe er etwas zu sagen und keine andere Möglichkeit, es auszudrücken.«

Pyanfar sagte nichts, presste nur die Kiefer zusammen.

»Er hat mit einem weiteren Band angefangen«, sagte Hilfy, »mit dem neuen Handbuch.«

»Tatsächlich?«

»Wir haben es ihm gegeben; er hat sich damit in den Op gesetzt und füttert Wörter hinein, so schnell es nur geht.«

Pyanfar runzelte verblüfft die Stirn.

»Er mag auch die Stsho-Hemden, die du besorgt hast. Warm, sagt er, und die Stickereien spielen keine Rolle.«

»Huch.« Pyanfar stieß sich auf die Füße und streckte eine ausgefahrene Kralle nach Hilfy aus. »Netter Bursche, dieser Tully, so verständnisvoll und dankbar und alles. Ich bin diese Route schon ein paarmal hin und hergeflogen, Kleine, und ich habe meinen Anteil an geschickten Betrügereien erlebt. Zu aller erst — wenn wir schon davon reden — gefällt mir nicht, dass dieser Außenseiter bei euch schläft. Ich habe es in einem Augenblick gestattet, wo mir weichherzig zumute war, weil mir sein Trübsalblasen nicht gefiel und weil ich verhindert wollte, dass er sich auf die gleiche Weise tötet, wie — merk dir das, Kleine! — er zugibt, einen seiner Gefährten aus Freundschaft getötet zu haben.«

»Das ist nicht fair. Er hat tapfer gehandelt.«

»Zugegeben. Und vielleicht hat er noch ein paar tapfere Absichten. Die Besatzung ist an fremdartiges Verhalfen gewöhnt, und ich hatte erwartet, sie würde sich ihr Urteilsvermögen erhalten, aber es gefällt mir nicht, wenn du dabei bist. Die Götter wissen, dass du dir das Recht verdient hast, dort unten zu sein — und ich habe es an und für sich auch lieber, wenn du dort bist und alle gleich sind, aber so ist es nun mal nicht; es gibt noch diesen verflixten Außenseiter in der Gemeinschaft, und er macht mich nervös, Nichte, wie mich eben Dinge nervös machen, die jederzeit ohne Warnung explodieren können. Ich möchte dich nicht in seiner Nähe haben.«

Hilfy hatte die Ohren eng an den Schädel gelegt. »Verzeihung, Tante. Wenn du mir befiehlst, wieder in mein Quartier zu gehen, dann tu ich es.«

»Nein«, sagte Pyanfar, »ich werde dir etwas Schlimmeres zumuten. Ich werde mich auf deinen Verstand verlassen. Ich sage dir einfach, dass du darüber nachdenken sollst, was alles kaputtgeht, wenn irgendeine Banalität unseren Gast im falschen Augenblick aus dem Gleichgewicht wirft. Chanur, Nichte, verstehst du?«

Die Ohren richteten sich wieder auf, aber Hilfys Nase runzelte sich. Der Schuss saß. »Mir ist klar, dass ich nach Anuurn zurückkehren möchte, Tante; aber ich weiß auch, dass ich auf eine Seite der Familie stolz sein möchte, wenn ich wieder dort hinkomme.«

Pyanfar hob die Hand — ging so weit und hielt den Schlag dann doch zurück, wandte ihn in eine Geste der Entlassung um. »Raus, Kleine, raus!«

Hilfy drehte sich auf dem Absatz um und ging. Pyanfar ließ sich in den Sessel rutschen und zerknüllte die Botschaft des Stationsmeisters mit der anderen Hand, stieß die Krallen hindurch. Verflucht — dass sie sich in dieser Angelegenheit auf eine Halbwüchsige verlassen hatte… und noch dazu für nichts; für nichts. Wieder unterwegs, würden sie auch in größere Räume zurückkehren, zu… die Götter allein wussten, auf was sie dort stießen.

Sie streckte die Hand aus und schaltete den Übersetzerkanal ein, hörte Tullys stetige Eingaben, schaltete ihn wieder aus.

Einen Augenblick später schüttelte sie den Kopf, glättete das Papier wieder und speicherte es als Faksimile. Schaltete dann erneut den Übersetzer ein und hörte Tully zu, einer ruhigen, vertrauten Stimme, die ein Wort nach dem anderen zur Bewahrung eingab.

Sechs Stunden; neun; zwölf; dreizehn. Der Tag verging mit Mahlzeiten, wie sie unter den Bedingungen des Im-Hafen-Liegens üblich waren, mit Checks und Gegenchecks, erzwungener Ruhe und Sprungsicherheitsprozeduren und vor allem der Überwachung von Scanner und Kom. Pyanfar erreichte in der zwölften Stunde das Stadium des Aufund-Ab- Gehens und des Sich-Ärgerns, bis zur Unerträglichkeit satt und ausgeschlafen — nutzte sich die Krallenspitzen auf dem Bodenbelag ab und verbarg ihre Furcht, wenn jemand anderes von der Besatzung bei der Erledigung irgendwelcher Aufgaben vorbeikam.

Aber Hilfy brachte es fertig, nicht zu kommen. Sie blieb unten, und in welcher Gemütsverfassung oder mit welchem Verständnis der Situation, danach zu fragen fand Pyanfar keine Möglichkeit.

»Ein Kurier ist da«, krachte Churs Stimme über Kom vom Unterdeck in die Stille auf der Brücke herein.

»Fragt nach dem Band, Käpt‘n.«

»Frag den Kurier nach dem Abschluss der Reparaturen!« entgegnete Pyanfar.

Eine Verzögerung.

»Der Kurier sagt, innerhalb einer Stunde, Käpt‘n.«

»Verstanden.« Pyanfars Atem beruhigte sich. Sie blickte nach links, wo sie das von ihr vorbereitete Band hingelegt hatte, streckte die Hand aus, steckte die Kassette in die Tasche und eilte in solcher Hast zum Lift nach unten, dass sie erst dort drin wieder daran dachte, worum sie eigentlich zu verhandeln gedachte; weg von hier, war alles, woran sie denken konnte, und das Band war ein Mittel, um freizukommen, und die Erledigung der ganzen grässlichen Notwendigkeit war etwas, das getan zu haben sie nur allzu glücklich machte, um die Stolz von den Mahendo‘sat freizubekommen und sich wieder auf den Weg machen zu können.

Aber unten war Hilfy — plötzlich fiel ihr das wieder ein. Der Lift hielt an, die Tür ging auf, und sie zögerte einen halben Herzschlag lang, bevor sie hinausging, holte tief all die Luft, die sie nur zu gern dem Mahe gegenüber wegen der Verzögerung verbraucht hätte, aber als sie hinausschritt, war sie des Atems und des Zornes, den sie loswerden wollte, doch ziemlich beraubt.

Tully. Ihr Götter, auch Tully war im Op, neben dem Korridor, wo jeder Besucher des Schiffes, der nicht nur auf die Luftschleuse beschränkt blieb, selbstverständlich hingebracht wurde.

Sie umrundete die Ecke und fand tatsächlich eine Versammlung vor — eine würdevoll aussehende Mahe mit juwelenbesetztem Kragen und Kilt, einen Mahe-Diener sowie Haral, Hilfy und Tirun. Sie trat zu der Gruppe, sich plötzlich ihrer formlosen Kleidung bewusst, runzelte die Stirn und richtete sich zu ihrer ganzen Größe auf — nicht allzu groß für die Augen von Mahendo‘sat.

»Böser Schlamassel«, fauchte die Höherrangige der beiden Mahe sie an. »Sie verursachen großen Ärger, Hani. Wir trotzdem wiederherstellen Schiff.«

Die ›Stimme‹ des Stationsmeisters, voller Beschuldigungen und Großtuerei. Die ›Stimme‹ betrachtete Pyanfar voller erhabenem Hochmut von oben bis unten — Juwelengeschmückt und parfümiert. Pyanfar bog die Krallen und drehte sich mit Bedacht und noch erhabenerer Kühle zu den eigenen Leuten um. »Tully. Wo steckt Tully? Ist er noch im…«

»Sie gefährden die Station«, schimpfte die ›Stimme‹ pflichtgemäß. »Große Schwierigkeiten mit Tc‘a; Kidnapping und Erpressung von Knnn-Bastarde. Sie wollen mitnehmen Raumanzug, den Knnn mitgebracht haben zum Austausch gegen guten Tc‘a-Bürger, hah? Ihr Name stehen dran, Hani. Chanurs Stolz, deutliche Buchstaben.«

»Tully! Beweg dein dreckiges Fell und komm raus! Sofort!«

»Sie kommen nicht mehr zur Station, die Knnn, nein, bedeuten Navigationsgefahren für ganzes System. Alles durcheinander. Bergbau hat aufgehört. Handel steht still. Knnn aufgebracht; nehmen Kif-Eigentum, Kif aufgebracht; Tc‘a entführt, Tc‘a aufgebracht; Kampf gegen Stsho-Station, Stsho machen Anklage; Hani nicht sprechen mit Ihnen — warum wir verhandeln mit Ihnen, Hani, a?«

Tully kam, von Churbegleitet, aus dem Op-Raum. Er hatte sein neues stshogefertigtes Hemd an, aus weißer Seide und mit blauen Säumen — sah vollkommen zivilisiert aus und nicht wenig beunruhigt durch das Geschrei. »Die Papiere, Tully«, sagte Pyanfar. »Zeig sie dieser freundlichen Mahe!«

Er fischte in seiner Hosentasche nach der Mappe, Angst in den blassen Augen.

»Ich brauchen nicht verfluchte Papier«, grollte die ›Stimme‹. Tully hielt sie trotzdem in der Hand und klappte sie vor der Mahe auf, die sie beiseite stieß.

»Sie haben sie selbst ausgegeben«, sagte Pyanfar. »Eigentum der Kif. Eigentum der Kif, sagen Sie. Sie sehen dieses feine, ehrbare und dokumentierte Mitglied einer zivilisierten und intelligenten raumfahrenden Rasse und reden trotzdem über ihn als Eigentum der Kif?

Schande über Sie! Ich fordere Sie auf, erklären Sie ihm in Ihren eigenen Worten, erklären sie das mit dem Eigentum!«

Die ›Stimme‹ ließ die Ohren hängen und blickte zu ihrem Diener, der ihr ein Duftfläschchen reichte. Mit kunstvoller Umständlichkeit öffnete die ›Stimme‹ es und inhalierte, sammelte sich dabei innerlich wieder. Als sie dann wieder auf die Hani herabschaute, war ihr Gesicht leidlich mild.

»Die Bänder«, sagte sie. »Die Bänder von Ihnen angeboten gleichen einiges der Schäden aus.«

»Alle Schäden. Keine Bußgelder, keine Anklage, keine Beschwerden.«

»Sternjäger-Rettung.«

»Eine eigenständige Angelegenheit. Chanur und Faha werden zusammen dafür gerade stehen, sobald wir zu Hause sind. Fragen Sie den Kapitän des Rettungsschiffes, er hat meine Garantie dafür, die seine Verluste übersteigt. Die Sache ist bereinigt.«

Die ›Stimme‹ dachte kurz nach und nickte. »Das Band!« sagte sie und streckte die Hand aus. »Das geben, Reparaturen beendet. Gewähren Ihnen Geleitschutz. Fairer Handel, Chanur.«

Pyanfar holte das Band aus der Tasche, spürte ungewohnte Wärme um die Ohren herum, blickte zur Seite auf Tully und drückte ihm die Kassette in die Hand. »Du überreichst es! Deines.«

Hilfy öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn wieder. Tully schaute auf die Kassette hinab, dann auf die ›Stimme‹ und streckte ihr das Band zögernd hin. »Freund«, sagte er auf Hani. »Freund für Mahe.«

Die dunkel bepelzte Hand schloss sich um die Kassette. Die ›Stimme‹ legte die Ohren zurück und schürzte nachdenklich die Lippen. Tully hatte die Hand weiterhin ausgestreckt — seine Gesten hatten stets etwas mit Berührung zu tun — und ließ sie auch. Langsam streckte auch die Mahe, deren Berufung fremdes Protokoll war, die Hand aus, erduldete lahm Tullys Berührung und nahm die Hand ohne sichtbares Zusammenzucken zurück… alles jedoch mit einer niedergedrückten Ruhe, die ihr gar nicht ähnlich sah. In leichter Andeutung von Höflichkeit senkte sie den Kopf. »Ich überbringe dein Wort«, sagte sie.

Und mit gerunzelter Stirn und einem kurzen Blick auf Pyanfar: »Ablegen in einer Stunde; verbindlich. Die Kirdu-Station gewährt Ihnen jede mögliche Hilfe. Bitten Sie geben uns Lage von Heimatwelt dieses guten Burschen — Gefahr, dass Sie untergehen, er, alles, auf dieser Reise.«

»Die Lage, die wir im Moment vermuten, ist jenseits des Kif-Raumes. Wir hatten noch nicht die Zeit, es exakt herauszufinden, Verehrte.«

»Dumm«, sagte die ›Stimme‹ mit ihrer standesgemäßen Unverschämtheit.

»Unser unglücklicher Freund wurde von den Kif elenden Umständen ausgeliefert; verwundet, nicht dumm — zu schlau, um ohne Verständnis der Dinge etwas zu sagen. Jetzt haben wir nicht genug Zeit. Helfen Sie uns, von hier wegzukommen, und wir werden die Kif früher oder später erledigen!«

»Dieser Hakkikt… Akukkakk. Wir kennen ihn. Schlimmes Problem, Chanur-Kapitän.«

»Was wissen Sie?« fragte Pyanfar, plötzlich und nicht zum erstenmal voller Argwohn gegen jeden Mahe auf Kirdu. »Was wissen Sie über diesen Kif?«

»Sie legen in einer Stunde ab. Die Gleiter werden jetzt abgezogen. Sie machen gute und schnelle Reise, Chanur-Kapitän.«

»Was wissen Sie über diesen Kif?«

»Gute Reise«, wünschte die ›Stimme‹, verbeugte sich einmal vor allen, sammelte ihren Diener ein und marschierte zur Luftschleuse.

»Geh!« sagte Pyanfar verdrossen und schickte mit einem Wink Haral hinter der ›Stimme‹ und ihrem Begleiter her. Sie sah sich zu Hilfy um, deren Ohren sich etwas gesenkt hatten; und auch zu Tirun und Chur und Tully. Tully sah unruhig aus. »Gut«, sagte Pyanfar zu ihm und tätschelte seinen Arm. »Guter Schachzug, dieses ›Freund‹. Du hast ihr die Bürde zugeschoben, weißt du das? Das war die ›Stimme‹, die zur und für die ›Persönlichkeit‹ selbst spricht, den Stationsmeister von Kirdu. Und, bei den Göttern, du hast es geschafft, mein guter und gesitteter Außenseiter, du hast die Sache dem Stationsmeister direkt in den Schoß geworfen.«

Tully senkte kurz den Blick und zuckte leicht die Achseln, sah nicht weniger besorgt aus als vorher. Pyanfar trug im Moment nicht den Ohrhörer des Übersetzers. »In einer Stunde, habt ihr‘s gehört?« sagte sie zu den anderen, zu Tirun und Hilfy und Chur… und auch zu Geran, die im Op-Raum Wache hielt, weil Fremde auf dem Schiff ein und aus gingen. »Noch eine Stunde, und wir sind unterwegs, weg von hier. Nach Hause!«

»Wie machen wir es?« rief Geran aus dem Raum. »Lassen wir die Sprünge wie vorher schon aufeinanderfolgen?«

»So dicht, wie es nur irgend geht«, erwiderte Pyanfar und schaute nach links, als eine Bewegung dort ihren Blick einfing. Es war Haral, die von der Schleuse zurückkam — kein weiter Weg, nur bis zum Beginn des Korridors.

»Dichtmachen, Käpt‘n?« rief Haral den Korridor herab. »Dichtmachen!« bestätigte Pyanfar und erstarrte in ihrer begleitenden Handbewegung, als eine hochgewachsene dunkle Gestalt hinter Haral im Korridor auftauchte. »Pass auf!«

Ein Mahendo‘sat. Haral war bereits herumgewirbelt, und der schlaksige, dunkelpelzige Mahe kam hereinmarschiert, als gehöre er hierher, und ließ dabei vergoldete Zähne lächelnd aufblitzen.

»Ismehanan…«, schrie Pyanfar. »…Goldzahn, verflucht noch mal. Sie kommen hereingeschlichen ohne jede Erlaubnis… Wer hat Sie hereingelassen?«

Das Grinsen ließ nicht im geringsten nach. Der Mahe verbeugte sich schwungvoll und richtete sich wieder auf, als sie zu ihm trat. »Habe auf einmal Vorhaben, Chanur, vielleicht selbes Kurs wie Ihres.«

»Wessen Vorhaben?«

»Vielleicht selbes wie Sie.«

Sie ließ die Brust durch einen tiefen Atemzug anschwellen und sah zu ihm auf. »Vielleicht reden Sie einmal deutlich, Kapitän, und zwar sofort!«

»Wohin Sie gehen?«

»Vielleicht sollte ich das dem ganzen Dock über Funk ausrichten, extra für die Kif.«

»Heimat möglicherweise? Ajir-Route?«

»Vermuten Sie, was Sie wollen.«

»Habe Mahijiru erstklassige Waffen besorgt; Freund von mir legen an heute, auch haben Nummer-Eins-Ausstattung. Warten deswegen, Chanur.«

»Bastard!«

Er wich zurück und hob eine Hand mit stumpfen Nägeln; ihre, ebenfalls angehoben, hatte scharfe. Er grinste obendrein. »Notwendig, Zeit für Mahe laden aus Fracht.«

»Sie ohrensaugender Lügner. Wo ich hinfliege, hat mit Ihnen nichts zu tun; Hani-Belange, verstehen Sie? Private Belange. Wenn Sie Streit mit den Kif wollen, dann besorgen Sie ihn sich selbst.«

»Fliegen heimwärts, nicht wahr?«

»Private Belange, habe ich gesagt.«

»Warnen Sie«, sagte Goldzahn. »Einmal. Vielleicht jetzt gehen treiben Handel in Hani- Hafen; viel Handel. Sie sprechen für Ihres gutes Freund dort, ja?«

»Goldzahn, was für ein Spiel soll das werden?«

Er grinste und machte auf dem Absatz kehrt, ging Richtung Schleuse, wo Haral voll finsterer Entrüstung stand, davon.

»Goldzahn!«

Er blieb nur stehen, um noch einmal zu winken. »Mahijiru Ihre Eskorte, Kapitän. Sie haben Nummer Eins bestes.«

»Verdammt noch mal, ich spiele doch nicht den Köder in irgendeinem mahen Spiel mit den Kif!«

Er war schon weg, während die Echos noch hallten. Haral, die jetzt keine Befehle mehr hatte, blickte zu ihr zurück, aber Pyanfar ließ die Arme an den Seiten herabhängen und dachte nicht daran, ihr neue zu geben. Es waren die Bedingungen des Mahe, und sie hatten keine Möglichkeit, etwas dagegen zu tun, dass er ihnen folgte. »Mach diese Schleuse dicht!« sagte sie dann. »Die Götter allein wissen, wer sonst noch alles hereinschneit.« Haral eilte sich, dem nachzukommen. Pyanfar betrachtete die anderen, Tully, Chur, Hilfy und Tirun und auch Geran, die aus dem Op gekommen war.

»Die Mahijiru ist dran«, berichtete Geran. »Jemand hat eine abgeschirmte Verbindung eingerichtet, und wir erhalten über sie Sendungen. Sie behaupten, Befehle zu haben, und wollen Daten.«

»Wir fliegen heim«, sagte Pyanfar kurz. »Heim, bei den Göttern! Sie haben uns Zeit gestohlen. Wenn Stasteburana daran denkt, uns zu benutzen, verdammt soll er sein, das Spiel können auch zwei spielen! Ich werde ihnen unseren Kurs übermitteln; ich werde sie innerhalb der Anuurn-Umgrenzung führen.«

»Chanur…«, wandte Tirun ruhig ein.

»Noch weitere als Chanur sind hierin verwickelt. Vielleicht ist es nötig, dass das auf Anuurn begriffen wird. Wir haben uns Ärger eingehandelt, noch dazu einen, der weite Kreise zieht.

Wir wissen nicht, wie weit. Es sollten eigentlich Hani hier sein, habt ihr auch daran gedacht?

Viele Hani-Schiffe kommen und gehen hier gewöhnlich, nicht nur Tahar. Wir befinden uns hier in einem der Hauptanlaufhäfen unserer Rivalen — und kein Hani-Schiff außer diesem einen, das jetzt auf Heimatkurs ist. Ich wette mit euch, Kusinen, sie sind alle zu Hause geblieben, — nachdem sie den Hafen erst einmal erreicht hatten. Das hat unsere Strecke leergefegt. Die Sternjäger wusste Bescheid; die Nachricht ist weitergegeben worden, von Hafen zu Hafen, bei jedem Kontakt.«

»Aye«, murmelte Chur. »Aye. Götter! Sechs Monate könnte das schon so gehen.«

»Ich gehe auf die Brücke. Die Brückenbesatzung auf diesem Flugabschnitt: Haral, Geran, Chur! Ihr anderen bezieht Station im Op! Und besorgt Tully sofort sein Beruhigungsmittel, bevor es jemand vergisst!«

»Tante!« rief Hilfy hinter ihr her. Pyanfar blieb stehen und drehte sich um. »Käpt‘n«, sagte Hilfy mit ruhigerer Stimme.

»Eine Frage?« erkundigte sich Pyanfar mit finsterem Gesicht. Hilfys Kinn hob sich. »Nein, Käpt‘n«, sagte sie völlig ruhig. Pyanfar nickte mit leicht zusammengepressten Lippen, blickte mit Befriedigung in Hilfys klare Augen, drehte sich dann um und schritt davon zum Lift.

Weiter unten im Korridor fiel dröhnend die Schleuse zu. Die Stolz hatte mit dem Ablegen begonnen.

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