Drittes Kapitel

Die Stolz erreichte ihr Ziel, eine träge und alptraumhafte Ankunft, trat rhythmisch heraus und fiel wieder zurück, ein Flackern sprungverzerrter Instrumente, die anzeigten, dass sie sich weit draußen im Ortungsbereich von Urtur befanden, nicht nahe genug, um mehr aufzufangen als den Hinweis auf eine stellare Masse.

Beinahe daneben. Sie hatten die Toleranzen ausgeschöpft, soweit es nur möglich war.

Pyanfar kämpfte darum, sich wieder in ihrem Sessel bewegen zu können, die Finger einer Hand zu bedienen, den Scanner abzuschalten, die Lichter, die an waren, die schwachen Außen- und I.D.-Transmissionen, jede vom Schiff ausgehende Emission, und sie vergaß nichts in der mentalen Verwirrung, die das Hervorkommen begleitete. Dann begann sie mit der Schaltfolge zum Wegnehmen der Geschwindigkeit, eine ungemütliche Aktion, sogar bei der alptraumhaften Langsamkeit, mit der sie hervorkamen. Sie hielt ihren Verstand konzentriert, versuchte, ihre Gedanken nicht zu dem Schrecken in ihrem Rücken streunen zu lassen und zu der Knappheit, mit der sie es geschafft hatten.

Hilfy erbrach sich erneut — keine ungewöhnliche Reaktion auf die Transition. Es half Pyanfars eigenem Magen nicht.

»Wir gehen runter auf systeminterne Driftgeschwindigkeit«, gab Pyanfar über Rundspruch bekannt. »Möglicherweise sind die Kif zurückgeblieben, um sich anzuschauen, was wir über Bord geworfen haben, aber sie werden in Kürze hier sein. Oder sie sind es bereits — dann wahrscheinlich mit weiteren Kif, die ihnen helfen. Alles andere würde mich überraschen. Wir haben alle Übermittlungen abgestellt und den ganzen Scanner-Output. Auch die Haupttriebwerke laufen nicht. Alle dort unten noch in Ordnung?«

Die Antwort erfolgte nach einigem Zögern. »Sieht so aus«, kam dann Tiruns Stimme von Unterdeck-Op, der die meisten seiner ursprünglichen Funktionen verloren hatte, die darin bestanden, die Laderäume zu überwachen. »Chur und Geran fangen mit einer Fernkontrolle an, aber es sieht so aus, als sei beim Aussprengen eine saubere Trennung erfolgt. Alle Arbeitssysteme sind sauber.«

Die Geschwindigkeit wurde weiter verringert. Hilfy kümmerte sich beschämt um das Saubermachen. Haral blieb an ihrem Posten. Pyanfar beschäftigte sich mit fieberhaften Berechnungen und sortierte und kalkulierte auf der Basis dieses einen Ankunftsschemas, das sie erhalten hatten, bevor der Scanner gänzlich abgeschaltet worden war, und dessen, was sie durch passiven Empfang wussten. Sie vollzog eine heikle Lageanpassung und nahm eine auf den Strom, in den sie einzutreten versuchten, bezogene Gleichgewichtslage ein, um nur so wenig wie möglich Angriffsfläche zu bieten und eine möglichst geringe Gefährdung zu erreichen… führte die Stolz in Synchronisation mit der allgemeine Rotation des Systems, eins mit den Trümmern und dem Gestein und dem Gas, die Urtur bildeten, verteilt über die Umlaufbahnen von zehn Planeten, siebenundfünfzig größeren Monden und einer Unmenge von Planetoiden und kleineren Gefahren — insgesamt eines der für den raschen Durchflug irgendeines Schiffes in die Zentralebene schwierigeren Systeme. Die Stolz empfing verzögerte Signale von einer tiefer im System befindlichen Mahendo’sat- Einrichtung… zumindest sollte diese Station deren Ursprung sein, Gerede, das nicht nur aufgrund der Entfernung, sondern auch wegen der seit der Sendung vergangenen Zeit bedeutungslos war. Manches mochten Streusendungen von Schiffen sein, die im System operierten, Händler, zahllose Bergleute in Schiffen aller Größen vom großen Erzfrachter bis zum einsitzigen Gleiter. In angemessener Reihenfolge hätten sie selbst ihre Ankunft und Identität bekannt geben müssen, aber Pyanfar hegte nicht die Absicht, das zu tun. Es gab eine exzellente Chance, dass ihre Ankunft weit außerhalb der Kapazität des am weitesten reichenden Scanners vom Außensystem-Relais gelegen hatte, und sie konnte keinen Gewinn darin sehen, wenn sie die Mahendo‘sat von Urtur in einen privaten Streit mit Kif hineinzog. Die Kif konnten schon vor Tagen angekommen sein, sie im Dazwischen überholt haben, was mit einem stärkeren Schiff möglich war — die Unterhaltungen im System brachten das vielleicht an den Tag. Sie lauschte ihnen weiterhin mit einem Ohr, beendete den Bremsvorgang und brachte das Schiff schließlich in einen Trimm; zumindest nach ihren Berechnungen war es einer, und sie hoffte, dass ihre Position tatsächlich so war, wie sie glaubte.

Daraufhin driftete die Stolz und behielt als einzige Bewegung noch die Rotation zur Schwerkrafterzeugung bei. Pyanfar rechnete weiter. Trümmer krachten plötzlich gegen die ungeschützte Hülle, ein ferner Beschuss, gelegentlich das Donnern und Knirschen größerer Objekte. Sie hatte das Ziel exakt getroffen, einen Haufen Felsbrocken mit nur gering abweichender Geschwindigkeit, eine kalte Masse, die sie umschwärmte, ein Schirm zwischen ihnen und den möglicherweise schon angekommenen Kif. Sie feuerte die Richtungsdüsen und trimmte wieder. Die Einschläge verringerten sich zu einem gelegentlichen Prasseln von Staub. Hilfy, die neben der Kom-Konsole stand, sah sich um, als erwartete sie, die Aufschläge sehen zu können, wo doch alle Sensorenaugen abgeschaltet waren. Sie begegnete Pyanfars Blick und betrachtete dann Haral, die grimmig an ihrem Posten saß und fortwährend versuchte, ein Positionsdiagramm zu zeichnen; und Hilfy entspannte ihr Gesicht und schaffte es sogar, nicht zusammenzuzucken, als ein weiterer Felsbrocken donnernd über den Bug scharrte.

Pyanfar stemmte ihren schmerzenden Körper aus dem Sessel, ging schwankend um die im Wege stehende Konsole herum und legte die Hand auf die Lehne von Harals Sessel.

»Schalte die Funkgeräte zusammen!« sagte sie. »Nimm Kanal Eins und achte darauf, dass ständig jemand daran hängt! Stell die Verbindung zum Unterdeck-Op her! Sie werden da unten noch für eine Weile arbeiten. Die Kif werden sich zeigen, darüber gibt es keinen Zweifel. Also liegen wir still und ruhen uns aus. Wir empfangen Signale und senden nicht, und wir machen keine Manöver. Wir tun nichts außer driften.

»Aye.« Haral fing damit an, die Verbindungen herzustellen, Nebenschaltungen an einigen Komfunktionen durchzuführen, eine Operation, die auch Hilfy hätte erledigen können. Harals breites, narbiges Gesicht zeigte keinerlei Beunruhigung über diesen ganzen Wahnsinn. Sie kannte das Spiel; gemeinsam hatten sie es schon ein- oder zweimal gespielt, dieses in die Länge gezogene dunkle Schweigen, das Abwarten, was ein Kif oder ein Unbekannter tat — aber nicht in Urturs trümmerübersätem Feld, nicht dort, wo wahrscheinlich auch andere Schiffe waren und eine Kollision möglich. Haral wusste Bescheid. Es war Hilfy, wegen der Pyanfar ihre Instruktionen ausgesprochen hatte.

Sie nahm ihr eigenes Funkgerät neben dem Ausgang von der Wand, ging zurück, um Hilfy auch eines zu geben, die mit geschlitzten Nasenlöchern und zurückgelegten Ohren an der Konsole lehnte. Pyanfar klopfte ihr auf die Schulter und schob ihr das Funkgerät in die Hand. »Raus! Verschwinde! Hier geht bald alles automatisch, und es gibt nichts, was du tun kannst.« Sie ging an Hilfy vorbei hinaus und dann durch den Korridor. Sie hatte scheußliche Kopfschmerzen, Unruhe in den Eingeweiden, und verspürte das besessene Bedürfnis nach einem Bad.

Der Zustand ihres ungesichert gebliebenen Quartiers war nicht so schlimm, wie es hätte sein können. Die Spannbezüge auf dem runden Bett hatten gehalten, und der einzige Verlust war ein Stoß jetzt wild verteilter Karten. Pyanfar knirschte mit den Zähnen gegen das Pochen im Schädel und sammelte die Karten auf, ordnete den Stoß und knallte ihn unsortiert wieder auf den Tisch, streifte dann die blutigen Kleider ab, bürstete sich getrocknetes Blut aus dem Fell und auch eine Wolke aus abgeworfenen Haaren. Im Sprung warf sie immer welche ab… schiere Angst. Ihre Muskeln waren verspannt. Sie beugte die verkrampften Schultern und einen vom Kampf gegen die Schwerkraft überspannten Arm.

Ein Stich lief den ganzen Weg bis zu ihren Rippenmuskeln hinunter. Und sie hob das Funkgerät wieder auf und nahm es mit sich ins Bad, hörte ihm zu, auch wenn nichts außer Statik herauskam — setzte es auf dem Badezimmertisch ab, bevor sie in die Duschbox trat.

Das Duschen war die reinste Freude, warm und beruhigend. Sie hielt das Gesicht hinein, ließ den Strom aus der Düse Mähne und Bart kämmen, drehte dann den Rücken in den Guss, um sich den Schmerz aus den müden Schultern massieren zu lassen.

Das Funkgerät ging los, das Notfallpiepen. Sie fluchte und warf die Duschtür auf, rutschte auf dem Boden aus, rannte hinaus aus dem Bad und ihrem Quartier, obwohl sie noch nackt war und tropfte. Sie traf Haral und Hilfy, die getrennt zurückkamen, und trieb sie wieder zur Zentralkonsole.

Ein Schiff war dort draußen, ein Stück entfernt, wo vorher keines gewesen war. Eine Ankunft aus dem Sprung. Pyanfar beugte sich über die Konsole, wischte etwas Wasser vom Bildschirm, versuchte, nicht mehr alles vollzutropfen. Der Neuankömmling stand dichter an Urtur als sie, ein gutes Stück tiefer im System und zum Zenith hin; war tatsächlich bereits vor einer ganzen Weile angekommen. Der passive Empfang hatte ihn an seinen Eigengeräuschen erkannt.

»Vor fast einer Stunde«, rechnete Haral. »Ich kann es herausfiltern.«

»Mach das!«

Sie schauten eine Weile zu, während Pyanfar eine kalte Pfütze auf Deck und Konsole tropfte. »Er fliegt einwärts«, verkündete sie schließlich anhand der Zahlen, die Hilfy ihr reichte, anhand des laufenden Empfangs geprüft. »Wenn es die Kif sind, haben sie uns übersprungen und jetzt ein schönes Stück Jagd vor sich. Wir empfangen sie, aber sie uns nicht, haben nichts, woran sie uns aus dem ganzen Gerümpel hier draußen heraussuchen könnten. Gut.« Sie erinnerte sich an ihren Zustand und richtete sich aus der gebeugten Haltung über der Konsole auf. »Wisch das auf!« wies sie Hilfy an, die die Jüngste war. Sie schritt davon, stachelig in ihrer Würde.

»Kapitän«, kam Harals Stimme über das Funkgerät, und Pyanfar durchquerte die Kabine mit zwei Schritten, um den Kom neben ihrem Bett zu erreichen…, schaltete ihn mit dem Zeigefinger ein, den Kamm noch mit derselben Hand umklammert. »Auf Empfang.«

»Habe da ein bisschen Gerede hereinbekommen, das sich nicht gut anhört«, berichtete Haral. »Ich glaube, es sind Kif hier, eindeutig. Was da vor einer Weile in das System kam, ist nicht sicher, aber es könnte ein Mahendo‘sat sein; und ich bekomme Kif-Stimmen und Kif-Signale aus dem Zentrum des Systems.«

»Das überrascht mich nicht. Man kann den Mahe bedauern, der in diesen Teich gefallen ist, wenn es einer ist. Aber damit sind vielleicht alle Geräusche überdeckt worden, die wir beim Anflug gemacht haben, wenn ich das richtig sehe.«

»Könnte hinkommen«, meinte Haral. »Götter, Kapitän, unmöglich festzustellen, wie viele Kif von Anfang an auf Urtur gewesen sein mögen. Sie werden die Mahendo‘sat überschwemmen.«

»Die Götter allein wissen, wie viel Kif-Ärger sie hier bereits hatten. Dieser Pöbel aus Treffpunkt könnte uns um an die fünf, sechs Sprungtage voraus gewesen sein. Vergiss es! Ruhen wir uns aus! Unsere Angelegenheiten sind unsere Angelegenheiten.«

»Aye«, sagte Haral zögernd.

»Schalt es ab, Haral! Solange sie uns nicht entdecken, bleiben wir versteckt.«

»Aye, Käpt‘n.«

Die Verbindung wurde unterbrochen. Pyanfar holte tief Luft und stieß sie wieder hervor, stand vor dem Gerät und schaltete nach einem Moment auf das Bild, das sie empfangen konnten, und zwar vom Teleskop in der Ausschaukuppel. Urtur war ein herrlicher Anblick, aus dieser Entfernung eine Untertasse aus milchigem Licht. Ein Schatten zog über das Bild, ein Stück Gestein zweifellos, ein Teil des Schwarmes, in dem sie sich mitbewegten. Sie schaltete wieder ab. Sie rollten blind dahin, bekamen gelegentlich von Gesteinstrümmern einen Stoß gegen die Hülle, gedämpft bis hierhin im Zentrum der Stolz, während sie ihre Rolle als Splitter in Urturs gewaltiger Linse spielten. Dieses Stillhalten war ein alter Trick. Er funktionierte manchmal.

Pyanfar fuhr mit dem Kämmen fort und wechselte schließlich, als das Fell trocken war und Mähne und Bart gekämmt und wieder seidig an den Ringellöckchen, in ihre drittbesten Hosen, aus schwarzer Seide, mit Aufschlägen und Gürtel in Grün und Gold sowie einem Gehänge aus echten Goldketten um die Hüfte. Den Perlenohrring tauschte sie gegen einen Smaragd aus, untersuchte dann ihre Krallen und trimmte sie an den rauen Stellen. Eine Spitze war abgebrochen. Harte Häute hatten sie, die Kif. Aber sie hatte ihn erwischt, diesen Bastard auf dem Dock. Das war zumindest ein gewisser Trost für die verlorene Fracht und Tiruns Schmerzen. Für Hani-Leben… dafür war der Preis noch einzutreiben.

Sie schlenderte wieder hinaus und auf die Brücke, wo Hilfy einsame Wache hielt. Unter Rotation hatten sie viel mehr Raum als sonst, wenn die Schiffsschwerkraft die Privatquartiere der Besatzung und einen Großteil der Laderäume zugänglich machte, ebenso wie die große vordere Sektion im Anschluss an den Kontrollbereich selbst, die im Dock nicht zu erreichen war. Einige Angehörige der Besatzung sollten jetzt keinen Dienst haben und statt dessen essen oder schlafen. Sie arrangierten solche Einzelheiten unter sich, wenn die Lage sicher war, wussten selbst am besten, wann sie Ruhe brauchten und wie die Bedürfnisse des Schiffes gegen die eigenen abzuwägen waren. Hilfy sah zerknautscht aus, als sie sich zu Pyanfar umwandte, die hinter ihr in den Halbschatten der Brücke trat, zwischen die toten Schirme und die faktisch lichtlosen Konsolen. Hilfy stand dort, als gäbe es etwas, das sie tun konnte, die Ohren aufgerichtet und die Iris der Augen geweitet in ihrem allgemeinen Kummer.

»Hat Haral dich als Wache hiergelassen, Kleine?«

»Haral hat gesagt, sie ginge nach unten.«

»Ich dachte, ich hätte dich entlassen.«

»Ich dachte, es würde niemandem wehtun, wenn ich hier bin. Ich kann nicht schlafen.«

»Nicht schlafen können ist Betrug am Schiff. Nicht schlafen können ist etwas, das man zu beheben lernt, Kleine. Die Wartezeit wird zu lange werden, als dass wir uns hier oben verschleißen sollten. Es gibt nichts zu tun.«

»Über Korn ist ständig weiteres zu hören. Es sind sie — dieselben Kif. Sie fragen die Mahendo‘sat-Schiffe, wo wir sind, und sie äußern Drohungen. Sie bezeichnen uns als Diebe.«

Pyanfar spuckte trocken und gluckste. »Welch zärtliche Verehrung. Was machen die Mahendo‘sat dagegen?«

»Nichts. Aber dies ist doch schließlich eine Mahendo’sat-Station; es gibt noch weitere Schiffe — überall hier —, also Hilfe für sie, oder nicht? Ich dachte, sie würden etwas tun, nicht einfach die Kif machen lassen, was die wollen.«

»Es gibt hier möglicherweise auch einen Haufen Kif.« Pyanfar beugte sich vor und prüfte selbst die Konsolen, rief die wenigen Daten ab, die der Computer über die passive Ortung bekommen konnte. Ein Felsen traf sie, ein langsames Entlangkreischen am Metall; ein Bildschirm flackerte und zeigte Statik, korrigierte sich dann selbst wieder — der Aufschlag hatte eine Antenne getroffen. »Ich will dir gar nicht erzählen, Kleine, wie knapp wir daran vorbeigerutscht sind, während dieses Sprunges unsere Bezugspunkte zu verlieren. Wenn dieses Kif-Schiff vor uns hier angekommen ist, dann ist es beträchtlich stärker als wir. Nur Energie und recht wenig Laderäume. Sagt dir das etwas?«

»Es handelt sich nicht um einen Frachter.«

»Ein Kif-Renner. Hat sich ein paar falsche Tanks zugelegt, nur Hülle und keine erwähnenswerte Masse, um sich zu tarnen. Verstehst du? Schiffe wie dieses erledigen das Töten. Die Aasfresser kommen hinterher, echte Frachter, die die Fracht aufnehmen und im Dock verkaufen; wenn sie einen Hafen erreichen. Damit haben wir es wahrscheinlich zu tun.

Ein Renner. Ein Jagdschiff. Ein Killer. Sie haben unsere Kapazität überschätzt…, uns mehr als wahrscheinlich übersprungen, und der ankommende Verkehr war möglicherweise ausreichend, die ganze Sache noch weiter durcheinander zu bringen. Wenn das der Fall ist, haben wir gerade alles Glück aufgebraucht, das uns zusteht.«

»Werden wir einfach nur hier sitzen?« fragte Hilfy. »Ein Schiff nach dem anderen wird in dieses System kommen, ohne zu wissen, wo es hineingerät… die ganzen Schiffe von Treffpunkt, die nicht die Stsho-Route nehmen…

»Kleine, wir sind im Moment blind. Wir haben keinerlei Geschwindigkeit mehr — vielleicht im Gegensatz zu manchen von denen, die uns jagen; und vielleicht werden einige von ihnen erst noch kommen. Du weißt, in welche Art Situation uns das bringt. Ruhendes Ziel.«

»Wenn sie alle weiterhin einwärts gehen«, schlug Hilfy behutsam vor, »könnten wir einfach wieder hinausspringen — verschwunden sein, bevor sie uns fangen können, den Druck von diesen Mahe nehmen, bevor jemand anderem etwas zustößt. Vielleicht kommen wir genauso vom nächsten Sprungpunkt wieder weg und erreichen Kirdu… könnten wir nicht nach Urtur Kirdu in zwei Sprüngen schaffen? Nur weg von hier, und nach hier gibt es andere Möglichkeiten, oder nicht?«

Pyanfar starrte sie an. »Ein bisschen nachgeforscht, was?«

»Ich habe nachgeschaut.«

»Ach ja.« Es war eine vernünftige Idee, und noch dazu eine, die sie selbst schon vor dem Sprung gehabt hatte, aber es gab lose Teile in diesem Vorhaben. Züge, die noch nicht berechnet waren. Es blieb noch zu messen, wie sehr die Kif durcheinander waren. Und warum. »Möglich.« Sie stach mit einem Finger nach Hilfy. »Zuerst machen wir bei uns selbst Bestandsaufnahme. Wir gehen nach unten, nicht wahr, und schauen nach, was uns von der Fracht verblieben ist.«

»Ich dachte, wir hätten alles über Bord geworfen.«

»Oh, nicht das, was die Kif wollen, nicht das, meine Nichte.«

Sie beugte sich über die Konsole und prüfte die Verbindung der Funkgeräte. »Ich glaube, wir können das hier für eine Weile alleinlassen. Komm mit! Alles wird aufgezeichnet, was hier oben durch Kom und Scanner reinkommt. Wir prüfen es anschließend. Leben können wir hier oben nicht.« Sie legte Hilfy eine Hand auf die Schulter. »Wir gehen und stellen ein paar Fragen — das werden wir machen.«

Ihr uneingeladener Passagier hatte sich nach dem Sprung beruhigt, war währenddessen in einen Kokon aus Decken gewickelt und unter Beruhigungsmittel gesetzt gewesen, jetzt wieder davon befreit und erneut in diesem Haufen aus Decken in der Ecke des Waschraumes zusammengerollt. Ganz klein hatte es sich gemacht und sich eine der Decken über den Kopf gezogen, und nichts war zu sehen außer den Bewegungen seines Atmens.

»Die Knöchelkette ist wieder dran«, sagte Chur, während sie es von der Tür aus beobachteten. »Es war die ganze Zeit fügsam… aber lass mich Geran rufen, und wir werden uns davon überzeugen.« Chur war die Kleinste in der Mannschaft, kleiner noch als ihre Schwester Geran, die selbst nicht von großer Statur war — mit dünnem Bart und dünner Mähne und einer gelblichen Pelzfarbe; zierlich, konnte man fast sagen, wenn man Chur nicht kannte.

»Wir sind schon zu dritt«, sagte Pyanfar. »Schauen wir mal, wie es reagiert.« Sie ging in den Waschraum und näherte sich dem Haufen atmender Decken. Hustete. Es gab eine Bewegung in den Decken, eine Ecke hob sich und ein blasses Auge blickte verstohlen darunter hervor. Pyanfar winkte.

Es hörte auf, sich zu bewegen.

»Es versteht mich recht gut«, meinte sie. »Chur, ich glaube, du wirst Geran holen müssen. Vielleicht müssen wir es herausholen, und ich möchte ihm nicht wehtun.«

Chur ging. Hilfy blieb. Die Decken regten sich wieder, und die Kreatur mühte sich schwankend, ihren Rücken in die Ecke zu lehnen, die von Duschbox und Waschküche gebildet wurde.

»Es ist einfach zu schwach«, sagte Hilfy. »Tante, es ist einfach zu schwach, um zu kämpfen.«

»Ich bleibe hier«, schlug Pyanfar vor. »Wir haben da einen Mahendo’sat-Symbolübersetzer sowie einige Handbücher und Module. Haral sagte, sie hätte sie in den Unterdeck-Op gebracht. Ich möchte das elementare Buch. Mögen die Götter verhindert haben, dass es eine von euch in die Laderäume gebracht hat.«

Hilfy zögerte, warf einen Blick auf den Außenseiter und eilte dann fort.

»So«, sagte Pyanfar. Sie ließ sich wieder auf das Gesäß nieder wie zuvor, streckte einen Zeigefinger aus und zeichnete die Zahlen von eins bis acht auf dem Boden nach. Von Zeit zu Zeit hob sie den Blick und richtete ihn auf das Geschöpf, das sie beobachtete. Es streckte einen Arm aus seinem Nest aus Decken hervor und machte versuchsweise Schreibbewegungen auf dem Boden, zog den Arm wieder zurück und sah ihr zu, bis sie bei sechzehn aufhörte. Es zog die Decken fester um sich und blickte aus freudlosen, blauen Augen. Gewaschen sah es besser aus. Mähne und Bart waren sogar schön, seidig und blütenstaubgolden. Aber der unter den Decken hervorgestreckte nackte Arm zeigte hässliche Quetschungen von Fingerumklammerungen. Es hatte eine Menge Quetschungen unter dem Schmutz gehabt, sagte sie sich. Das Wesen hatte Gründe für seine Haltung. Es war jetzt nicht fügsam, sondern einfach schwach. Es hatte sich wieder eine Linie gezogen, sich eine Ecke abgesteckt. In den blauen Augen stand ein merkwürdiger Ausdruck, vielleicht Nachdenken, irgendein komplizierter Gedankenprozess.

Sie stand auf, hörte Chur und Geran kommen, ihre Stimmen im Korridor — drehte sich um und winkte ihnen bei der Ankunft zu, noch einen Moment zu warten. Sie beobachtete, wie die blassen Augen des Aliens die Verstärkungen in Rechnung stellten. Und da kam auch Hilfy mit dem Handbuch zurück. »Es war im…« In der allgemein herrschenden Stille brach sie ab.

»Gib‘s her!« sagte Pyanfar und streckte die Hand aus, ohne den Blick von dem Allen zu nehmen.

Hilfy gab es ihr. Pyanfar öffnete das Buch und drehte die Seiten zum Außenseiter, dessen Augen verwirrt flackerten. Sie beugte sich herab, legte angesichts des Ernstes der Sache für einen Moment ihre Würde ab und stieß das Handbuch über die Fliesen hinweg an eine Stelle, die das Geschöpf mit der Hand erreichen konnte. Es ignorierte das aufgeschlagene Buch. Eine weitere List war fehlgeschlagen. Pyanfar saß für einen Moment still, die Arme auf den Knien, erhob sich dann wieder und glättete die seidene Kniehose. »Ich nehme an, der Symbolübersetzer hat alles heil überstanden.«

»Er ist in Ordnung«, sagte Hilfy.

»Also versuchen wir es einmal damit. Kannst du ihn montieren?«

»Ich habe mit einem gelernt.«

»Dann mach es!« sagte Pyanfar und winkte Geran und Chur zu. »Stellt es auf die Füße. Seid freundlich mit ihm.«

Hilfy eilte davon. Geran und Chur gingen vorsichtig heran, und Pyanfar wich ihnen aus, glaubte, das Geschöpf würde vielleicht gewalttätig, aber das wurde es nicht. Es stand fügsam auf, als sie es tätschelten und ihm aufhalfen. Es war nackt, und — er war eine sinnvolle Annahme, schloss Pyanfar, sah zu, wie er hastig nach den Decken um seine Füße griff und sie hochzog, um sein Geschlecht zu bedecken. Scham? fragte sich Pyanfar, während Chur vorsichtig die Kette aufschloss, die sie ihm um einen Knöchel gelegt hatten.

Geran hielt ihn am rechten Arm fest. Pyanfar runzelte die Stirn, beunruhigt darüber, dass ein männliches Wesen auf dem Schiff war, mit all den Gedanken, die dadurch hervorgerufen wurden. Chur und Geran zeigten sich ungewöhnlich freundlich ihm gegenüber, und schon das stellte eine Gefährdung dar.

»Gebt gut acht!« sagte Pyanfar. »Bringt es in den Op-Raum, und achtet auf das, was ihr macht!« Sie bückte sich und hob selbst das Symbolbuch auf, während die anderen das Geschöpf durch die Tür führten.

Der Außenseiter blieb im Eingang plötzlich stehen, und Chur und Geran tätschelten seine haarlosen Schultern und ließen ihn für einen Moment ruhig überlegen; was die richtige Maßnahme zu sein schien. Er blieb für eine geraume Weile stehen, blickte in beide Richtungen den Korridor hinab, schien erstarrt zu sein, entschied sich dann aber auf neues Drängen hin — »Komm schon!« sagte Geran mit der sanftestmöglichen Stimme und zog sehr leicht an ihm —, zu kooperieren und sich in den Gang und Richtung Op-Raum führen zu lassen. Pyanfar folgte mit dem Buch unterm Arm und machte ein finsteres Gesicht wegen der Kosten, die der Außenseiter ihnen bereits verursacht hatte, und auch wegen des verzagten Gefühls, dass sie sich vielleicht in allen ihren Annahmen irrte. Sie hatten bereits viel zuviel dafür bezahlt.

Und was dann? — Ihn nach allem doch den Kif zurückgeben, die Achseln zucken und vorgeben, es sei nichts gewesen?

Der Außenseiter stutzte mehr als einmal auf dem Wege und sah sich dabei jeweils so ausgiebig um, als gingen ihm die Dinge zu schnell vonstatten und er musste sich erst eine Übersicht verschaffen. Chur und Geran ließen ihn auch immer wieder stehen bleiben, wenn er wollte, drängten ihn nie zur Eile, bewegten ihn dann auf sanfte Weise, weiterzugehen.

Das Geschöpf ging ihretwegen — vielleicht, dachte Pyanfar griesgrämig, wartete es den rechten Augenblick ab, testete ihre Reflexe und prägte sich die Korridore ein — wenn sein Verstand dazu ausreichte.

Sie brachten ihn in den Op-Raum, vor all die Pulte und die schimmernden Lichter, und wieder stutzte er und atmete schwer, sah sich um. Jetzt, glaubte Pyanfar, bekamen sie möglicherweise Schwierigkeiten; aber nein, er ließ sich weiterführen und in einen der Sessel an der abgeschalteten Frachtmonitorkonsole setzen, dicht an dem Tisch, wo Hilfy an dem Übersetzer arbeitete und eine Zahlenfolge über den Schirm laufen ließ. Der Außenseiter sackte in sich zusammen, sobald er saß, wirkte betäubt und schwitzte überreichlich, eingewickelt in die Decke, die er fest um sich geschlungen hielt. Pyanfar trat an die Armlehne des Sessels; sein Kopf ruckte augenblicklich hoch, als sie dort stand, und Wachsamkeit kam wieder in die Augen. Mehr als Wachsamkeit — Angst. Er erinnerte sich daran, wer ihn verletzt hatte. Er kannte sie als Individuen, auch über einen Kleiderwechsel hinaus. Zumindest das.

»Hai«, sagte Pyanfar auf ihre beste Freundmit-Außenseitern-Art, tätschelte seine haarlose und schwitzende Schulter, fegte Hilfy zur Seite, als sie sich dem Übersetzter näherte, einem billigen und austauschbaren Aufsatzgerät, per Kabel mit einem ihrer nicht so billigen Scanner verbunden. Sie schaltete auf Löschen, beseitigte damit Hilfys Zahlen, drückte dann auf den Knopf für zweifüßige Intelligenzen, mit der Strichfigur eines langgliedrigen Wesens darauf. Dasselbe Bild erschien auf dem Schirm. Sie rief das nächste ab, das eine Hani in fotografischer Abbildung zeigte, und deutete auf sich selbst.

Er begriff. Seine Augen glänzten vor Furcht. Er schlang die Decke noch fester um sich und machte einen schwankenden Versuch, seine Füße wieder auf den Boden zu setzen und aufzustehen. Er langte nach der Maschine. »Lasst es los!« sagte Pyanfar, und Chur half ihm auf. Er ignorierte sie alle, beugte sich über den Tisch und hielt eine zitternde Hand über die Tastatur. Der ganze Arm zitterte. Er drückte auf einen Knopf.

Schiff. Er blickte auf, und seine Augen suchten in den ihren nach Begreifen.

Pyanfar nahm vorsichtig seine fremde Hand — ganz vorsichtig —, aber er ließ die Berührung zu. Sie streckte seinen Zeigefinger aus und führte ihn zum Löschknopf, dann wieder zurück zum Schiffsknopf. Er befreite die Hand und suchte, und das Zittern der Hand wurde heftig, während sie über die Tasten glitt. Gehende Gestalt, drückte er. Schiff — gehende Gestalt.

Wieder Schiff. Dann Hani. Schließlich Löschen. Er wandte den Blick zu Pyanfar um.

»Ja«, sagte sie, erkannte die Äußerung. Bedeutete ihm, fortzufahren.

Er drehte sich wieder um, untersuchte noch einmal die Schlüssel. Liegende Figur, drückte er. Er fand die bildliche Darstellung für Kif. Dieses langschnauzige graue Gesicht schmückte den Schirm neben der Liegenden Gestalt.

»Kif«, sagte Pyanfar.

Er verstand. Das war eindeutig. »Kif«, wiederholte er. Seine Stimme war voller vibrierender Töne, wie Schnurren. Es war seltsam, zu hören, wie er ein vertrautes Wort äußerte… schwierig, das Wort überhaupt zu verstehen, wo seine Zunge weder das Kif-Klicken noch das Hani-Husten zustande brachte. Und der Blick in seinen Augen war jetzt mehr als besorgt. Wild. Pyanfar fuhr die Krallen aus und hielt sie demonstrativ über das Bild. Drückte auf Löschen. Sie rief wieder das Hani-Symbol ab und schaltete auf Aufnahme:

Hani, verkündete der Audio auf Hani-Sprechweise. Pyanfar nahm das billige Mikro in die Hand und sprach für das Studienband der Maschine, die ihre Stimme aufzeichnete. »Hani.«

Sie rief ein weiteres Bild ab. »Stehen.« Ein drittes. »Gehen.« Es brauchte ein paar Wiederholungen, aber der Außenseiter fing an, sich mit dem Vorgang zu beschäftigen und nicht mehr mit seiner bebenden Hysterie wegen des Kif-Bildes. Er begann mit dem ersten Knopf… arbeitete trotz seiner Schwäche an dem System, zeichnete seine eigene Identifizierung für all die einfachen Symbole der ersten Reihe auf, nüchtern und ohne Freude über seine Entdeckungen, aber auch nicht träge. Er wurde schneller und schneller, drückte Knöpfe, redete, eins nach dem anderen mit wahnsinnigem Tempo, als wäre er dabei, etwas zu beweisen. Es gab sechsundsiebzig Schlüssel an diesem Gerät, und er ging sie alle durch, obwohl gegen Ende seine Hand kaum noch kontrollierbar war.

Dann hielt er inne und wandte ihnen wieder denselben finsteren Blick zu, tastete dann nach dem Sessel, aus dem er aufgestanden war. Er schaffte es kaum, sank in die Polster und wickelte sich die Decke um die bleichen und schwitzenden Schultern.

»Es ist an den Grenzen seiner Kraft«, meinte Pyanfar. »Holt ihm etwas Wasser!«

Chur holte es aus dem Automaten. Der Außenseiter nahm es mit einer Hand an, roch an dem Pappbecher und leerte ihn dann. Es gab den leeren Becher zurück, deutete auf sich und auf die Maschine auf dem Tisch, betrachtete Pyanfar, schätzte korrekt ein, wer den Befehl innehatte. Er wollte weitermachen, las Pyanfar die Gesten.

»Hilfy«, sagte sie, »das Handbuch auf dem Tisch. Gib es her!«

Hilfy reichte es herüber. Pyanfar suchte auf den ersten Seiten nach den exakten Symbolen für das augenblickliche Modul in der Maschine. »Wie viel haben wir von diesen Modulen?«

»Zehn. Und zwei Handbücher.«

»Damit sollten wir bis zu abstrakten Begriffen kommen. Gut für Haral.« Sie legte dem Außenseiter das geöffnete Buch auf den Schoß und deutete auf die Symbole, die er gerade benutzt hatte, zeigte ihm, wie weit diese Sektion führte. Jetzt verstand er. Er drückte das Buch mit beiden Armen an sich, wollte es behalten. »Ja«, sagte Pyanfar und nickte zustimmend. Vielleicht war Nicken eine Geste, die sie gemeinsam hatten; er nickte als Antwort, sah zu keinem Moment glücklich aus, zeigte jetzt aber weniger Schmerz in seinem Blick. Das Buch umklammerte er noch fester.

Pyanfar schaute zu Hilfy, Geran und Chur, die ihre Gesichter unter Kontrolle hielten. Sie wussten jetzt sehr wohl, welche Art von fühlendem Wesen sie an Bord hatten. Wie viel sie über ihre Schwierigkeiten mit den Kif vermuteten, war eine andere Sache; jedenfalls eine Menge, vermutete Pyanfar — sie schnappten die Dinge aus der Luft heraus auf und setzten sie zusammen, ohne Fragen stellen zu müssen. »Eine Passagier-Kabine«, sagte sie. »Ich glaube, er würde Kleider begrüßen. Essen und Trinken. Sein Buch. Ein Bett mit sauberem Bettzeug, um darin zu schlafen. Einrichtungen der Zivilisation. Das bedeutet nicht, dass ihr nicht vorsichtig mit ihm sein müsst. Bringen wir ihn weg, nicht wahr, und lassen wir ihn sich ausruhen.«

Er blickte von Chur zu Geran, als die beiden sich ihm näherten, zeigte Kummer, als Chur ihm am Arm packte und auf die Füße half, deutete zurück auf die Maschine… wollte seine Gelegenheit zur Kommunikation nicht verlieren. Vielleicht hatte er noch mehr mit Hilfe der Symbole zu sagen. Gewiss rechnete er damit, dass es zurück in die Ecke des Baderaumes ging. Pyanfar streckte die Hand aus und packte ihn von der anderen Seite her an der Schulter, berührte das Buch, das er festhielt, und drückte seine Hand noch fester dagegen, zeigte ihm damit, dass er es behalten sollte, das beste Versprechen, dass sie mit dem Gespräch noch nicht am Ende waren, das ihr einfiel. Zumindest beruhigte er sich, ließ sich auf die Füße ziehen und, einmal im Gleichgewicht, hinausführen.

Pyanfar blickte zu der Maschine auf dem Tisch, ging hinüber und schaltete sie ab. Hilfy stand immer noch dort. »Bau die ganze Vorrichtung ab!« sagte Pyanfar. »Wir werden die Ausrüstung aufs Spiel setzen.« Sie zog die Stöpsel des Tastenmoduls heraus, das zwar überhaupt keine Last war, dafür aber unhandlich. »Nimm du den Bildschirm mit!«

»Tante«, fragte Hilfy, »was werden wir mit ihm machen?«

»Das hängt davon ab, was die Kif mit ihm vorhatten. Aber wir können sie kaum fragen, nicht wahr?« Sie folgte dem Außenseiter und Chur und Geran durch den Seitenkorridor zu einem der drei Räume, die sie für die gelegentlichen zahlenden Passagiere der Stolz bereithielten, die Krümmung hinauf in den Bereich, der die Privatquartiere der Besatzung enthielt. Es waren hübsch eingerichtete Kabinen. Die eine, die Chur und Geran ausgesucht hatten, war in frischen Grüntönen gehalten, mit gewebtem Gras an den Wänden und mit Bett und Sesseln in blass zitronellenfarbener Vollkommenheit. Pyanfar überschlug die möglichen Beschädigungen und zuckte zusammen, aber sie hatten in dieser Sache bereits weit schlimmere Verluste erlitten als zerrissene Bezüge.

Und der Außenseiter schien eine größere Wende in seinem Geschick zu erkennen. Er stand inmitten des Zimmers, hielt Buch und Decke krampfhaft fest und starrte mit einem weniger finsteren Ausdruck um sich als zuvor… schien durch dies alles eher betäubt zu sein, wenn seine schmalen Gesichtszüge überhaupt lesbar waren. »Zeigt ihm als erstes besser die sanitären Einrichtungen«, meinte Pyanfar. »Ich hoffe, er begreift.«

Chur nahm seinen Arm und zog ihn behutsam in das Bad. Hilfy brachte den Bildschirm herein, und Pyanfar baute das Modul an, während sie es auf den Tisch stellte und die Stöpsel in die Fassungen für die Hilfseinrichtungen von Kom und Computer steckte. Aus dem Bad war kurz das Geräusch der arbeitenden Dusche zu hören und dann das der Toilette. Chur brachte den Außenseiter zurück ins Zimmer, und beide sahen verlegen aus.

Dann erblickte der Außenseiter die Übersetzungsvorrichtung auf dem Tisch, und Interesse flackerte in seinen Augen.

Keine Freude. Das niemals.

Er sagte etwas. Zwei unterscheidbare Wörter. Für einen Moment hörte es sich so an, als spräche er seine eigene Sprache, und dann klang es vage nach Kif. Pyanfar spitzte die Ohren und holte Atem. »Sag‘s noch mal!« drängte sie ihn auf Kif und machte eine ermutigende Bewegung in Richtung ihres Ohres, ein Standardhandzeichen auf den Docks.

»Kif… Freund?«

»Nein.« Sie atmete tiefer. »Bastard! Du verstehst.« Und wieder auf Kif: »Wer bist du? Von welcher Rasse bist du?«

Er schüttelte den Kopf, wirkte hilflos. Offenkundig gehörte wer nicht zu seinem Wortschatz.

Pyanfar machte sich Gedanken über den ängstlichen Außenseiter, streckte dann die Hand aus und legte sie auf Churs in geeigneter Nähe befindliche Schulter. »Das ist Chur«, sagte sie auf Kif. Und auf Hani: »Tu mir einen großen Gefallen, Kusine, und bleib während dieser Wache bei ihm. Sieh zu, dass er mit diesen Identifizierungen weitermacht und ändere die Module sofort, wenn er einen gänzlich identifiziert und die Audio-Spur vollgesprochen hat. Er soll sich noch eine Weile damit beschäftigen, aber zwinge ihn nicht. Weißt du, wie das funktioniert?«

»Ja«, erwiderte Chur.

»Sei vorsichtig. Wir wissen nicht, was er denkt, was er durchgemacht hat, und ich glaube auch, dass sich Verschlagenheit durchaus im Bereich seiner Möglichkeiten befindet.

Ich will ihn gesprächig; sei nicht grob und erschrecke ihn auch nicht, aber bring dich auch nicht selbst in Gefahr! Geran, du bleibst draußen und machst deine Funktionsüberwachung per Funkgerät, solange sich Chur hier drin aufhält, hörst du?« Gerans Ohren — das rechte war eingekerbt und beeinträchtigte ihre ansonsten beträchtliche Schönheit — zuckten gequält, ein Blinken goldener Ringe am linken. »Klar verstanden«, sagte sie.

»Hilfy.« Pyanfar winkte ihrer Nichte und machte sich auf den Weg zur Tür. Der Außenseiter wollte hinterher, aber Churs ausgestreckter Arm hinderte ihn daran, und er blieb stehen, wollte keine Auseinandersetzung. Chur redete hastig auf ihn ein, fasste behutsam an seine nackte Schulter. Er sah verängstigt aus, zum erstenmal völlig verängstigt.

»Ich glaube, er will dich, Tante«, stellte Hilfy fest.

Pyanfar legte die Ohren zurück, verabscheute den Gedanken, einen Griff nach ihrer Person abzuwehren, ging jedoch ohne jede Eile mit Hilfy zusammen hinaus. Vom Eingang aus blickte sie zurück. »Seid vorsichtig mit ihm!« wies sie Chur und Geran noch einmal an. »Er ist vielleicht zehnmal freundlich und einverständlich… und geht euch beim elften Mal an die Kehle.«

Sie ging hinaus, und die Haut ihrer Schultern zuckte vor Abscheu. Hilfy folgte ihr, aber Pyanfar rammte die Hände auf dem Rücken hinter den Hosenbund und nahm ihre Nichte nicht zur Kenntnis, bis sie den Lift erreicht hatten. Hilfy drückte auf den Knopf, der die Tür öffnete, und sie traten ein.

Drückte auf ›Zentrum‹; der Lift brachte sie hinauf, und Pyanfar trat hinaus in den zur Brücke führenden Korridor, immer noch ohne ein Wort zu äußern.

»Tante«, sagte Hilfy.

Pyanfar schaute zurück.

»Was sollen wir mit ihm machen?«

»Ich bin sicher, dass ich es nicht weiß«, sagte Pyanfar schroff.

Ihre Ohren waren immer noch zurückgelegt. Sie machte bewusst ein freundlicheres Gesicht. »Nicht dein Fehler, Nichte. Dies war mein eigener.«

»Ich würde gern einen Teil der Ruhepause nehmen und helfen, wenn ich nur wüsste, was tun. Ohne die Fracht Pyanfar runzelte die Stirn, und die Ohren senkten sich erneut. Du willst mir meine Sorgen erleichtern? dachte sie. Dann mach keine Dummheiten! Aber da war dieses Gesicht, jung und stolz und voller guter Absichten. Das meiste von dem, was Hilfy auf dem Schiff hatte tun können, war jetzt nach Abwurf der Fracht und dem Abschalten des Scanners nicht mehr zu tun. »Kleine, ich bin da in ein größeres Spiel geraten, als ich vorgehabt hatte, und es gibt keine Heimkehr, bis wir die Sache geregelt haben. Wie wir das machen, ist eine andere Frage, weil die Kif unseren Namen kennen. Hast du eine Idee, die du bisher für dich behalten hast?«

»Nein, Tante — ich weiß so vieles nicht.«

Pyanfar nickte. »So geht es mir selbst, Nichte. Lass es dir eine Lektion sein! Exakt meine Lage, als ich den Außenseiter aufnahm, anstatt ihn direkt wieder den Kif auszuhändigen.«

»Das hätten wir nicht tun können.«

»Nein«, stimmte Pyanfar bedrück tzu. »Aber es wäre sicherlich bequemer gewesen.« Sie schüttelte den Kopf. »Geh und ruh dich aus, Kleine, und diesmal meine ich, was ich sage!

Dir war übel während des Sprunges; du hältst sonst nicht durch, wenn ich dich brauche. Und brauchen werde ich dich.« Sie ging weiter und durch den Türbogen auf die Brücke. Hilfy folgte ihr nicht. Pyanfar setzte sich an ihren Platz zwischen all den toten Instrumenten, lauschte dem gelegentlichen Flüstern größeren Staubes an der Hülle, rief die ganzen Aufzeichnungen ab, die in der Zwischenzeit hereingekommen waren, hörte ihnen mit einem Ohr zu und dem laufenden Komfluss mit dem anderen.

Schlechte Nachrichten. Eine zweite Ankunft im System… mehr als ein Schiff. Vielleicht Kif, vielleicht weitere von der Katastrophe am Treffpunkt. In beiden Fällen war es schlecht. Die bereits vorher Angekommenen waren ohne jeden Zweifel auf der Jagd — die Kif waren erregt genug, um ihre Ladungen abgeworfen zu haben, damit sie vom Treffpunkt hierher springen konnten. Keine anderen Schiffe hatten einen Grund, die Stolz zu jagen oder sie Dieb zu nennen. Es waren fraglos dieselben Kif, erregt genug, um sich für die Jagd zum Rudel zusammengeschlossen zu haben. Lauter schlechte Nachrichten.

Die Urtur-Station war jetzt im Kom-Fluss… Prahlerei, Warnungen an die Kif mit Androhung ernster Strafen und Geldbußen. Das war sehr altes Geschwätz, noch von den Anfängen des ganzen Ärgers her, eine Wellenfront, die sie gerade jetzt erreichte. Drohungen von den Kif — die aktueller waren. Das Mahendo‘sat-Schiff… setzte unter Belästigungen seinen Weg zur Station fort. Die Kif wandten ihre Aufmerksamkeit anderen Dingen zu, den Neuankömmlingen. In Kürze würden sie damit anfangen, sich auszurechnen, dass die zuletzt angekommenen Frachter nach der Stolz gesprungen waren. Dass die Stolz sie ausgetrickst hatte und woandershin verschwunden war, in die Stsho-Territorien, oder dass sie hier sein musste.., und genau das tat, was ja auch wirklich der Fall war. Und sehr wahrscheinlich würde ein nervöser Kif mit der Vermutung spielen, auf die er bereits seine Reputation verwettet hatte. Sie würden anfangen, Schatten zu jagen, sobald sie einmal an diesen Schluss gelangt waren, ein paar verängstigte Mahe befragt hatten. Sie würden ausschwärmen, das System durchsuchen, Bergbauschiffe anhalten, scharfe Fragen stellen, wahrscheinlich gleichzeitig auch ein wenig Piraterie betreiben, um die Gelegenheit nicht zu verschwenden. Die Station konnte nichts machen; eine größere vielleicht, aber nicht Urtur, das überwiegend der Fertigung diente und kaum verteidigt war. Kein Mahendo‘sat-Schiff würde bereit sein, sich anhalten zu lassen, aber es gab keine Hoffnung für sie, diesem getarnten Kif-Schiff zu entkommen, zumindest hatten sie keine Chance, für die ein gewöhnlicher Mahendo‘sat-Kapitän ausgerüstet war.

Und es gab keine Chance, dass sich eines dieser von Treffpunkt kommenden Schiffe als Hani erweisen und sie alle von dieser Missetat entlasten würde. Die Handurs Reisende war nicht mehr, war jenseits von Hoffnung und Hilfe. Wahrscheinlich war diesem Angriff niemand entgangen, der auch nur in der Nähe von Treffpunkt gewesen war. Die Kif waren vor allem anderen gründlich: sie praktizierten selbst die Blutfehde und ließen niemanden am Leben.

Die Kif hatten es irgendwie geschafft, sich beim Vordringen von ihrer Heimatwelt in den Weltraum nicht gegenseitig umzubringen. Sie hatten es — so vermuteten die Hani schon immer — in gegenseitigem Misstrauen geschafft, in gegenseitigem Hass geradezu. Sie waren in einem Wettstreit untereinander in den Raum vorgedrungen und hatten dabei einander gejagt — bis sie leichtere Beute fanden.

Nicht die Stolz, schwor sie sich, und nicht Pyanfar Chanur. Dieser Flegel, der da draußen das Kommando führte — sie war sich dessen sicher, dass es sich um Akukkakk von der Hinukku handelte, der als erster gekommen war, um Urtur abzustecken und auf sie zu warten —, würde, sobald er erst wusste, dass sie durchgekommen waren, damit anfangen, all seine zurückliegenden Aufzeichnungen durchzuforsten, alles durchzuschnüffeln in der Hoffnung, irgendeine verfehlte Spur von der Ankunft der Stolz zu finden. Sie hatten nur sehr wenig vom Schatten einer Wellenfront zum Aufspüren hinterlassen; aber vielleicht gab es doch etwas, irgendein kleines bislang übersehenes Flackern.

Abzuhauen — jetzt — barg Risiken in sich. Solange einige Kif das System mit relativ hoher Geschwindigkeit durchquerten, konnten diese Schiffe über sie kommen, während sie noch versuchten, aus buchstäblichem Stillstand selbst wieder Geschwindigkeit aufzubauen. Ihre Chancen beim Ausbrechen und Fliehen hingen von der Position der Kif-Schiffe ab und davon, ob ihnen die kritische Zeit zur Verfügung stand, die sie vielleicht brauchten, ihren Bezugspunkt zu finden und Sprungposition einzunehmen. Blind, wie sie sich selbst gemacht hatten, bestand die einzige Möglichkeit zum Herausfinden, wo jene Schiffe standen, darin, etwas zu probieren; und herausfinden, wie viele es gab, konnten sie nur, indem sie den Kif- Gesprächen zuhörten und darauf achteten, ob sie einzelne Schiffe heraushören konnten.

Dieser Akukkakk würde wahrscheinlich nicht so unvorsichtig sein. Es war ziemlich sicher, dass die Kif keine I.D.-Signale ausstrahlten, was an sich schon Proteste der Station hervorrief. Kein I.D.-Signal und kein Positionssignal von irgendeinem Kif. Nur von Bergleuten und legitimen Bewohnern — wenn diese Signale waren, was sie sein sollten.

So, so, so. Sie steckten in einer Flasche, und es wäre zuviel der Hoffnung, dass die Kif die Mahendo‘sat schließlich nicht zur Jagd auf sie zwingen würden. Die Station und die Bergleute konnten durchaus eingeschüchtert werden, wenn die Kif Druck ausübten. Was noch mehr war, Hani-Schiffe kamen und gingen in Urtur, und diese Schiffe waren verwundbar gegenüber den Kif, erwarteten keine Greueltat von der Art, wie sie die Kif in Treffpunkt begangen hatten. Sie würden in eine Konfrontation mit den Kif geraten, ohne zu wissen, welche Interessen hierin verwickelt waren. Vielleicht gingen die Kif ohne Warnung gegen sie vor, um auf diese Weise die Stolz hervorzulocken. Solche Taktiken entsprachen nicht der Hani-Praxis; aber Pyanfar war viele Jahre lang von Anuurn weg und unter Außenseitern gewesen, und sie verstand sehr wohl, wie ein Kif zu denken, auch wenn dieser Vorgang ihr den Magen umstülpte und ihr die Nackenhaare sträubten.

Also was mache ich dann? fragte sie sich selbst. Wage ich mich lammfromm hinaus, um zu sterben? Oder lasse ich das andere machen? Ihre Besatzung hatte nicht mehr und nicht weniger Recht zu leben als die Besatzung irgendeines anderen Hani-Schiffes, das zufällig in die Falle geriet. Ihre Leben standen auf dem Spiel. Und das von Hilfy — und dazu das aller Chanur.

Das nächste Mal zuhause, schwor sie sich, lasse ich diese weitere Geschützbatterie einbauen, was immer sie auch kostet.

Das nächste Mal zuhause.

Sie runzelte die Stirn und schaltete die Aufzeichnungen ab, die jetzt den Punkt erreicht hatten, wo sie hereingekommen war. Die momentanen Sendungen waren spärlich und kurz.

Jemand sollte sich hier oben aufhalten, um den Komfluss und den Rest ständig direkt zu überwachen. Damit hatte Hilfy recht. Aber sie waren kein Kriegsschiff und verfügten über kein Personal, das sie für den Kampf abstellen konnten. Sechs waren sie, mit den gewöhnlichen Pflichten und einem Gefangenen, der zu bewachen war. Ein Kurs war zu planen, Überprüfungen waren nach einem Sprung unter Druck durchzuführen, an Systemen, deren sie sich sicher sein mussten, und es gab die Möglichkeit, dass sie sich in Bewegung setzen, verteidigen und in jedem Moment fliehen mussten, was bedeutete, dass drei Besatzungsmitglieder körperlich und geistig fit zu sein hatten, um jeden Moment in Aktion zu treten, egal welche Zeit es war. Die automatischen Funktionen, unter denen die Stolz im normalen Arbeitsalltag betrieben wurde, hatten nichts mit ihrer jetzigen Situation zu tun, mit Systemen, die überlastet waren nach einem Sprung, den zu machen das Schiff nie entworfen worden war, und mit der behelfsmäßigen Sicherung eines fremdartigen und möglicherweise unberechenbaren Passagiers — Götter. Pyanfar überprüfte zweifach die Funkgerätschaltungen, die auf Übertragung standen, und gab der wachehaltenden Besatzung bekannt, dass sie selbst für eine Weile die Überwachung übernahm, damit sie sich von der Verantwortung ausruhen konnten.

»Er ist in Ordnung«, berichtete Geran über den Außenseiter. »Schläft ein Weilchen.«

Es war gut, dachte sie, dass das jemand konnte.

Sie ging schließlich die Krümmung hinauf in die Küche, ohne besonderen Appetit, aber mit vor Hunger schwachen Gliedern. Sie erwärmte eine Mahlzeit aus dem Gefrierfach, zwang sie gegen die ernsten Beschwerden ihres Magens hinunter und warf den Teller anschließend in den Sterilisator. Dann ging sie zurück in ihr Privatquartier, um zu versuchen ein wenig zu schlafen.

Aber sie machte sich zuviel Sorgen, um schlafen zu können, schritt ziellos auf dem Boden umher, sortierte den Kartenstoß und setzte sich und plante wieder und immer wieder mögliche Alternativen, die sie bereits eingeschätzt hatte, gegen Chancen, die sie bereits kannte. Schließlich schob sie diese ganze Arbeit zur Seite und benutzte die Konsole an ihrem Bett, um via Hauptcomputer und Zugangskodes eine Verbindung mit dem Terminal des Außenseiters herzustellen. Er war wieder aktiv; sie hörte seine Stimme ebenso wie sie die Symbole sah, die mit Hilfe der Übersetzungsschlüssel abgerufen worden waren. Er benutzte sie einen nach dem anderen, und als Pyanfar auch den Kom einschaltete, konnte sie Churs Stimme aus dem Raum des Außenseiters empfangen, ein ruhiger Beistand — Töne, die auch zu einer Pantomime gepasst hätten. Gelegentlich erfolgte eine paarweise Zusammenstellung von Symbolen, die nicht von der Maschine stammte — Churs Eingriff vielleicht, der Versuch, einen Punkt zu übermitteln. Pyanfar schaltete Kom und Übersetzerempfang ab und starrte auf den toten Schirm.

Das Geschwätz aus dem Urtur-System drang weiterhin aus dem Funkgerät an ihrem Gürtel, gedämpft und deprimierend im Inhalt. Mahendo‘sat-Schiffe wurden von ihrer eigenen Station angewiesen, nicht zu fliehen, sich der Durchsuchung zu unterwerfen, im Falle sie von den Kif ausgesondert wurden, an der Station liegenzubleiben, wenn sie bereits dort waren, und auf Sicherheit zu hoffen.

Eine Hani-Stimme warf eine Frage ein.

Hani!

Pyanfar sprang von der Bettkante auf; die Wände ihrer Kabine wurden immateriell vor ihrer Vision von dieser Station mit einem Hani-Schiff im Dock; mit Kif, die in der Lage waren, sich jederzeit draufzustürzen. Die Hani hatte schon vor langer Zeit gesprochen angesichts der Zeitverzögerung. Was auch immer geschehen konnte… hatte vielleicht seitdem schon lange stattgefunden. Zeit und Raum lagen zwischen der Stolz und diesem Hani-Schiff und den Kif, und es gab nichts, was sie — Pyanfar — tun konnte, blind und in antriebslosem Drift, um ihm zu helfen.

»Götter!« spie sie hervor und schleuderte den Schreibtischstuhl auf seiner Schiene krachend beiseite. Ein Faha-Schiff lag im Hafen — Fahas Sternjäger —, und dabei handelte es sich um ein Haus und eine Gesellschaft, die mit Chanur verbündet war. Ihres Bruders Kohan erste Frau war Huran Faha. Hilfys Mutter, um der Götter Willen! Es gab Bindungen, Pakte, Bündnisvereinbarungen… — und Hilfy.

Die Mahendo‘sat auf der Urtur-Station drängten das Hani-Schiff, ruhig zu bleiben. Die Mahe hegten, wie sie bekannten, nicht die Absicht, in einen Kif-Streit verwickelt zu werden, und sie wollten auch nicht zulassen, dass eine übereilte Hani sie mit hineinzog.

Die Hani verlangte Informationen; Kif jagten ein Chanur-Schiff. Bis jetzt hatten die Faha zugehört und sich in ihrer Klemme Sorgen gemacht, und sie wollten jetzt Antworten. Sie wussten, dass das alles über Kom hinausging, wie auch die Station wusste, was die Faha taten, wenn sie stimmlichen Ärger machten und sicherstellten, dass Informationen hinausgelangten in die Dunkelheit, wo Chanur-Ohren sie möglicherweise auffingen.

O Götter, o Götter. Da war ein Verbündeter und tat das Beste für sie, was er im Augenblick tun konnte… und sie beide waren hilflos vor dem Feind.

Pyanfar zog den Stuhl wieder heran, setzte sich und verlor sich für eine Weile im Lauschen.

Es gab keine weitergehenden Informationen. Sie hatten diesen Gruß aus den Fernsendern der Station oder der Sternjäger erhalten… Informationen, die wie ein Leuchtfeuer gezielt in das äußere System geschossen worden waren. Und wenn die Faha sich ausgerechnet hatten, dass die Stolz hier war, dann hatten das auch die Kif.

Es gab Echos, Wiederholungen der Botschaft; der Kom sortierte die Sendungen nach abweichenden Graden der Klarheit, und die Haare kribbelten in Pyanfars Nacken bei der plötzlichen und dankbaren Erkenntnis, dass im ganzen System Schiffe damit begonnen hatten, die Botschaft weiterzuleiten, sie auszustrahlen wie sich vervielfältigende Ringe in stillem Wasser, ein massiver Trotz gegen die Kif. Und die Kif hatten kein Schweigen befohlen.., nicht auf dieser Zeitlinie. Sie vermochten eine solche Forderung nicht durchzusetzen innerhalb der augenblicklichen Grenzen ihrer Aggression in Urtur, aber diese Grenzen konnten sich verlagern. Die Informationen gingen wie ein vervielfältigter Ruf hinaus; — waren schon vor langer Zeit hinausgegangen und immer noch unterwegs.

Sie fand Hilfy diesmal dort, wo sie sein sollte, schlafend in ihrem Quartier. Sie zögerte, als sie die schläfrige Stimme auf den Türkom-Gruß antworten hörte, beließ es aber bei einem kurzen Zögern. »Aufstehen«, sprach sie in den Kom. »Ich muss dir etwas mitteilen.«

Hilfy war rasch an der Tür. Sie wurde aufgerissen, und dort stand Hilfy, noch zerzaust vom Schlaf und mit einer Grimasse in das volle Licht des Korridors blickend. Sie hatte sich nicht mit Anziehen aufgehalten.

Pyanfar ging an ihr vorbei hinein und wartete, während Hilfy die Innenbeleuchtung verstärkte, hob abwehrend die Hand, damit das Aufblenden nicht für dauernd oder auch in voller Stärke geschah. Es handelte sich um einen Raum, den Hilfy selbst gestaltet hatte, mit sehr viel Chanur-Stil, mehr als in Pyanfars eigener Kabine, mit an den Wänden befestigten Andenken, Bildern von den Bergen der Heimatwelt und den weiten Ebenen der Chanur- Besitzungen, der Holding selbst, oder mit Goldstein, von Ranken überwuchert. Pyanfar sah sich um und betrachtete dann Hilfy. »Um es kurz zu sagen«, begann sie, »ich habe dir etwas mitzuteilen; und es gibt nichts, was wir diesbezüglich tun könnten, das will ich gleich vorausschicken. Wir haben ein Signal von einem Faha-Schiff im Dock der Station aufgefangen. Sie stecken mitten zwischen den Kif, und sie haben eine Botschaft für die Station abgesandt, die wir, wie ich glaube, hören sollten: geräuschvolles Gerede. Ich glaube, sie wissen, dass wir hier draußen sind und in welcher Art von Schwierigkeiten wir stecken.

Aber die Kif sind zwischen uns, und es gibt keine Möglichkeit, dass wir viel füreinander tun könnten. Verstehst du?« — Hilfy hielt die Augen jetzt nicht mehr vor dem Licht zusammengekniffen. Sie starrte, mit Bernsteinringen um die schwarzen Pupillen und ihre Ohren senkten sich und richteten sich durch eine Willensanstrengung wieder auf. Für eine junge Frau, nackt aus dem Schlaf gerissen, erlangte sie doch eine ruhige Würde bei dem Versuch, ihre Geister zu sammeln. »Weißt du, um welches Schiff es sich handelt, Tante?«

»Die Sternjäger. Lihan Faha führt den Befehl.«

Hilfy nickte. Die ringlosen Ohren zuckten, aber das Gesicht blieb gelassen. »Sie werden in Gefahr sein, wie die Reisende. Und sie werden es nicht wissen, denn niemand erwartet einen solchen Angriff.«

»Lihan ist keine Anfängerin, Kleine, glaub mir das! Wir spielen nicht ihr Spiel, und sie mischen sich nicht in unseres ein. Können sie auch nicht. Und wir können hier draußen nichts machen.«

»Wir könnten ihnen eine Warnung hinwerfen und abhauen.«

»Das halte ich im Moment nicht für eine geeignete Maßnahme. Wenn wir sie aus der Entfernung senden, dann haben die Kif sie eher als die Sternjäger. Und das würde eine öffentliche Verhöhnung bedeuten und die Sternjäger in unseren Abflug verwickeln, worauf die Kif zu reagieren gezwungen wären. Für die Kif ist Vergeltung ein Teil ihrer Geistesstruktur. Das muss man in seine Überlegungen mit einbeziehen. Nein. Die Sternjäger muss sich an ihr eigenes Glück halten; ich habe nicht vor, es für sie zu zwingen. Also geh wieder ins Bett, hörst du?«

Hilfy stand für einen Moment reglos da. Nickte dann, strahlte weiterhin ihre Würde aus.

»Gut«, sagte Pyanfar knapp und marschierte hinaus. Sie hörte die Tür hinter sich zugehen und ging durch den sich emporkrümmenden Korridor, der von Hilfys Quartier zu ihrem eigenen führte, durch den oberen Hauptkorridor hindurch und wieder ein kurzes Stück abwärts.

So hatte sie Hilfy vielleicht um ihren festen Schlaf gebracht, und die Mahlzeit, die sie verzehrt hatte, lag wie Blei in ihrem Magen, aber die Verwicklung von Faha in eine gefährliche Situation war nichts, das Hilfy später herausfinden sollte, wie ein Kind, dem die Unannehmlichkeiten der Erwachsenen erspart wurden. Hilfys Gesicht blieb ihrem inneren Auge sichtbar; das Funkgerät an ihrer Hüfte gab weiterhin statisches Murmeln von sich, die ersterbenden Echos der Botschaft, gelegentliche Fetzen von näheren Sendungen, aber immer seltener. Ein Stsho-Schiff war in das System eingeflogen. Die Kif verzichteten darauf, es zu belästigen; es erbat sich Instruktionen von der Urtur-Station, eifrig bedacht, vor dem Sturm einzulaufen.

Eine Menge Mahe im System mochten dieselbe Idee haben, denn bei ihnen handelte es sich wohl um Bergleute, die es bereits für an der Zeit hielten, den Hafen anzulaufen, der Kif- Jagd aus dem Weg zu gehen.

Es war ein gewaltiges System hier draußen. Die meisten Schiffe darin waren nicht sprungfähig, dienten ausschließlich Operationen innerhalb des Systems. Bislang waren alle bemerkenswert ruhig geblieben, sogar die Hani im Sturmzentrum.

Mochten die Götter geben, dass möglichst viele Schiffe systemeinwärts flogen — und damit den Kif ein schwieriges Ziel boten, wenn diese vorhatten, die Station auf der Suche nach einem Hani-Schiff zu überfallen. Das war eine Hoffnung. Lihan Faha von der Sternjäger war zu alt und zu bedächtig, um sich in einen ungleichen Kampf hinauszustürzen. Lihan würde auch von der Stolz keine Dummheiten erwarten. Vielmehr gingen die Faha gewiss davon aus, dass sie sich selbst durchschlugen und vor allem nichts vorzeitig auslösten. Die Faha brauchten Zeit. Es bestand die Chance, dass sie, wenn die Zeit reichte, Fracht entladen und das Schiff der Geschwindigkeit wegen leeren konnten — um Masse abzugeben, ohne eine Ladung verlieren zu müssen. Mehr Unterstützung war nicht zu erwarten.

So sprach die Logik.

Aber es tat weh.

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