Zweites Kapitel

Ein Besuch bei den Beamten der Treffpunktstation war normalerweise eine gemächliche und angenehme Sache. Die ruhigen und würdevollen Stsho betrieben die Ämter und Büros auf dieser Seite der Station, wo die Sauerstoffatmer andockten. Da allzu methodisch, konnten die Stsho ermüdend sein, voller grenzenlos feinsinniger Bedeutungen in ihren Pastellverzierungen und den Tätowierungen ihrer perlenfarbenen Häute. Sie waren eine weitere haarlose Spezies — stengeldünn, dreigeschlechtlich und nur unter äußerster Strapazierung der Vorstellungskraft als haniähnlich zu betrachten, wenn auch Augen, Nase und Mund in biologisch passender Ordnung eine Ähnlichkeit begründeten. Ihre Verhaltensweisen waren in ihren eigenen Reihen bizarr. Aber die Stsho hatten es gelernt, ihre methodische Arbeitsweise und ihre Zeremonienhaftigkeit dem Hani-Geschmack anzupassen, was bedeutete, einen weichen Sessel zu haben, eine bereitstehende Tasse mit Kräutertee, eine Platte voller exotischer Esswaren und ein Individuum, das so angenehm wie möglich war bezüglich der Form und der Statistiken und das alles wie ein gemütliches Schwätzchen gestalten konnte.

Dieser Stsho war unvertraut. Stsho wechselten Beamte bereitwilliger aus als ihre Verzierungen. Entweder hatte ein anderes Individuum die Leitung der Treffpunktstation übernommen, vermutete Pyanfar, oder ein Stsho, den sie einmal gekannt hatte, war in eine neue Phase eingetreten. Neue Begebenheiten? fragte sich Pyanfar unter dem Anstoß eines kleinen und prickelnden Instinktes — neue Begebenheiten? Frei herumlaufende Außenseiter und Machtkämpfe bei den Stsho? Alle Veränderungen waren verdächtig, wenn etwas aus der Tasche gefallen war. Wenn er derselbe war wie der vorherige Stationsleiter, dann hatte er das Muster all des fein ausgearbeiteten Silberfiligrans und der Federn gewechselt — blau und kalkig jetzt, nicht mehr blau und Minze; und wenn das stimmte, dann war es alles andere als höflich, die renovierte Person zu erkennen, selbst wenn eine Hani die Identität vermutete.

Der Stsho bot Delikatessen und Tee an, verneigte sich, faltete gtst stengelhafte Glieder — er, sie oder sogar es konnte man bei Stsho kaum sagen —, und setzte gtst in gtst Schalensessel, eine gepolsterte Vertiefung im Boden des Büros. Der erforderliche Tisch erhob sich vor gtst auf einem Sockel. Pyanfar nahm die gegenüberliegende Vertiefung ein, stützte sich auf einen Ellbogen und langte nach dem geräucherten Fisch, den der Nieder-Status-Diener des Stsho auf einem ähnlichen Tisch links von ihr abgestellt hatte. Der Diener, schmucklos und ein Niemand, saß an der Wand, die Knie angezogen und höher als gtst Kopf, die Arme um die staksigen Knöchel gelegt, und wartete darauf, sich nützlich machen zu können. Der Stsho-Beamte nahm ebenfalls ein Stück vom Fisch und goss Tee ein, würdevolle Gesten der Stsho-Eleganz und —Gastfreundlichkeit. Gefiederte und kosmetisch vergrößerte Brauen nickten zierlich über Mondsteinaugen, als gtst aufblickte — weiße Brauen, deren Tönung sich zu Lila und Blau verlagerte; blaue Zeichnungen auf der gewölbten Stirn, die auf dem haarlosen Schädel zu Kalkweiß verblassten. Ein anderer Stsho würde natürlich die Muster genauestens lesen können, die Station auf dem Lebensweg, die erwählte Stimmung für diese Phase von gtst Existenz, die Verbindungen und Erscheinungsformen und dazu gtst Zugänglichkeit. Nicht-Stsho wurden ihre Übertretungen vergeben; und ein Stsho in der Erscheinungsform des Rückzuges würde wahrscheinlich kein öffentliches Amt einnehmen.

Pyanfar startete einen vorsichtigen Versuch zum Thema des Außenseiters: »Die Dinge sind hier ruhig verlaufen?«

»Oh, sicherlich.« Der Stsho strahlte, lächelte mit schmalem Mund und schmalen Augen, ein Fleischfresserverhalten, obwohl die Stsho nicht aggressiv waren. »Sicherlich.«

»Auf meiner Welt auch«, sagte Pyanfar und nippte an ihrem Tee, der ein Gewürzaroma besaß, das all ihre Nebenhöhlen entzückte. »Kräuter. Aber welche?«

Der Stsho lächelte sogar noch breiter. »Ah; Von meiner Welt importiert. Wir führen sie hier in unseren Ämtern ein. Zollfrei. Neue Anbautechniken machen sie für den Export tauglich. Zum erstenmal, verstehen Sie. Die allererste Fracht im Angebot. Sehr selten, ein Geschmack von meiner sehr fernen Welt.«

»Kosten?«

Sie diskutierten darüber. Sie waren empörend, aber der Stsho ging, wie vorherzusehen gewesen war, damit herunter, besonders, als er mit Hani-Delikatessen in Versuchung geführt wurde, die Pyanfar von den Docks in die Büros zu karren versprach. Pyanfar verließ diese notwendige Unterredung in bester Laune. Tauschhandel tat ihr so gut wie das Atmen heimischer Luft.

Sie nahm den Lift hinunter zur Dock-Ebene, direkt hinunter, ohne durch die verschiedenen Seitenkorridore zu gehen, die sie hätte nehmen können. Sie ging den langen Weg zurück zum Liegeplatz der Stolz, schlenderte beiläufig durch die Docks, die sich vor und hinter ihr aufwärts erstreckten, sich vor ihr entfalteten, während sie ging, Ämter und Büros auf der einen Seite und die hohen mobilen Signalbrücken auf der anderen, Türme, deren Spitzen auf die ferne Achse von Treffpunkt zielten, so dass die entferntesten von ihnen auf dem gekrümmten Horizont irrsinnig vornübergebeugt wirkten. Bildschirme gaben in periodischen Intervallen Informationen über Ankünfte, Abflüge und Schiffe im Dock, von welchem Hafen sie kamen und welche Fracht sie mitführten, und sie betrachtete sie forschend im Vorübergehen.

Ein Wagen kam auf dem Dock von hinten an ihr vorbeigeschossen; kugelförmig und verschlossen webte er seinen Weg an Kanistern und Passanten und Kabeln vorbei, mit größerer Geschwindigkeit, als sie ein automatisches Fahrzeug benutzt hätte. Es war mehr als wahrscheinlich, dass ein Methanatmer es steuerte, irgendein Beamter von jenseits der Trennungslinie, die sich zwischen den unvereinbaren Realitäten von Treffpunkt erstreckte.

Tc‘a betrieben jene Seite der Station, gewundene Wesen von ledrigem Gold, vollkommen fremdartig mit ihren vielteiligen Gehirnen — sie trieben Handel mit den Knnn und den Chi, blieben im allgemeinen unter sich und hatten wenig mit den Hani oder auch nur den Stsho zu schaffen, mit denen sie Bau und Betreibung von Treffpunkt teilten. Die Tc‘a hatten nichts gemein mit dieser Seite der Linie, nicht einmal Ambitionen; und die Knnn und die Chi waren sogar noch seltsamer, noch weniger beteiligt an den Welten und Regierungen und Territorien des Paktes. Pyanfar sah zu, wie das Fahrzeug dahinglitt, den Horizont der Treffpunkt-Docks hinauf, und der Sektionsverschluss entzog es ihrem Blick, als es mit eiligem Zickzackkurs dahinhuschte, was an sich schon dafür sprach, dass ein Tc‘a-Gehirn an den Kontrollen saß. Von ihnen gingen keine Schwierigkeiten aus… es gab keine Möglichkeit, dass sie etwas mit diesem Alien, diesem Außenseiter zu tun gehabt haben könnten; ihre Gehirne waren so andersartig wie ihre Atemorgane. Pyanfar blieb stehen und starrte zu den nahegelegenen Registriertafeln hinauf, durchsiebte die unwahrscheinlichen und unübersetzbaren Methanatmer-Namen nach vertrauteren Registrierungen — nach potentiellen Schwierigkeiten und möglichen Verbündeten in einer Krise. Für letzteres gab es nur wenig Auswahl an diesem Apogäum des planlosen Kurses der Stolz.

Es gab ein weiteres Hani-Schiff im Dock, die Handurs Reisende. Sie kannte entfernt ein paar Angehörige der Handur-Familie. Sie stammten von Anuurns anderer Halbkugel, waren weder Rivalen noch enge Verbündete, da beide Familien auf Anuurn nichts teilten. Es gab eine Menge Stsho-Schiffe, was hier am Rande des Stsho-Raumes zu erwarten war. Eine Menge Mahendo‘sat, durch deren Territorium die Stolz kürzlich gekommen war.

Und auf der Seite der Schwierigkeiten gab es vier Kif, von denen sie einen kannte: Kut, befehligt von einem gewissen Ikkukkt, einem alternden Schurken, dessen Stil es war, zu erlauben, dass die Kanister eines anderen Schiffes mit seinen auf dem Dock vermengt wurden, und dann irgendeinen leicht zu verwirrenden Eigner einzuschüchtern, der vielleicht protestierte. Für sich allein war er nur ein kleines Problem. Kif in Gruppen konnten anders sein, und sie kannte die anderen nicht.

»Ha!« rief sie, als sie am Dockbereich eines Mahendo‘sat vorbeikam, an einem Schiff namens Mahijiru, wo einige dieser hochgewachsenen und dunkelpelzigen Rasse sich um ihre Angelegenheiten kümmerten, fluchten und sich die Köpfe kratzten wegen eines Problems mit einem Verbindungsreifen, einem Verschlussring, der ordentlich zerlegt zwischen den wartenden Kanistern über das ganze Deck verteilt war. »Haben Sie eine gute Reise, Mahe?«

»Ah, Kapitän.« Der Mahe im Mittelpunkt rappelte sich auf, und die anderen folgten seinem Beispiel, während er auf sie zuging, sich vorsichtig seinen Weg zwischen den Stücken des Rings hindurch suchte. Jede gutgekleidete Hani war für einen Mahendo‘sat Kapitän; die Mahendo‘sat irrten sich lieber mit einem Kompliment als auf andere Weise. Aber nach seinen Goldzähnen zu urteilen, war dieser wahrscheinlich Kapitän seines eigenen Frachters.

»Sie verkaufen?«

»Was verkaufen?«

»Was haben?«

»Hai, Mahe, was brauchen?«

Der Mahendo‘sat grinste, ein strahlend goldenes Blitzen mit scharfen Schneiden. Natürlich begann niemand einen Handel, indem er Bedarf eingestand.

»Brauche ein paar Kif weniger in der Station«, beantwortete Pyanfar ihre eigene Frage, und der Mahendo‘sat lachte pfeifend und nickte zustimmend.

»Wahr, wahr«, sagte Goldzahn irgendwo zwischen Humor und Empörung, als habe er eine persönliche Geschichte zu erzählen. »Winselnde Kif wir wünschen Ihnen Ende des Docks, guter Kapitän, ehrbarer Kapitän. Kut nicht gut. Hukan noch weniger gut, und Lukkur dasselbe. Aber Hinukku machen neue Art Handel nicht gut. Warten in Station, warten nicht gehen selben Kurs mit Hinukku, guter Kapitän.«

»Was, bewaffnet?«

»Wie Hani, vielleicht.« Goldzahn grinste, als er das sagte, und Pyanfar lachte, gab vor, dass es ein guter Witz sei.

»Wann haben Hani jemals Waffen?« fragte sie. Der Mahe hielt das auch für einen guten Witz. »Verkaufe Ihnen zwei Zentner Seide«, bot Pyanfar an. »Stationszoll fressen meinen ganzen Gewinn.«

»Ah, zu schlecht. Harte Arbeit, das hier.« Sie scharrte mit dem Fuß in Richtung des unpässlichen Ringes. »Ich kann Ihnen sehr gute Hani-Werkzeuge leihen, Edelstahl, zwei sehr gute Hani-Schweißer. Faha-Haus-Produkte.

»Ich leihen Ihnen gut Qualität Illustrationen.«

»Illustrationen!«

»Vielleicht eines Tages großen Mahen-Künstler, Kapitän.«

»Dann kommen Sie zu mir. Ich behalte meine Seide.«

»Ah, ah, ich machen Sie beehren mit Illustrationen, Kapitän, aber nein, ich bitten Sie gehen kein Risiko ein. Ich haben stattdessen kleine Zahl sehr feiner Perlen wie Sie tragen.«

»Ah.«

»Geben Ihnen Sicherheit für leihen Geräte und Schweißer.

Mein Mann hier kommen zu Ihnen bald holen Werkzeuge. Zeigen Ihnen Perlen gleiche Zeit.«

»Fünf Perlen.«

»Wir sehen Werkzeuge, Sie sehen zwei Perlen.«

»Sie bringen vier.«

»Fein. Sie suchen am besten drei aus.«

»Alle vier, wenn sie nicht vom besten sind, mein guter, mein großer Mahe-Kapitän.«

»Sie sehen«, schwor er. »Absolut beste. Drei

»Gut.« Sie grinste fröhlich, berührte den dicknageligen Mahe von Hand zu Hand und schlenderte davon, grinste immer noch, damit alle Passanten es sehen konnten, aber das Grinsen verschwand, sobald sie am Ring ihrer Kanister vorbei war und über den nächsten Liegeplatz schritt.

So. Kif-Ärger hatte angedockt. Es gab Kif und Kif, und in dieser Diebeshierarchie gab es einige Schiffskapitäne, die dazu neigten, als Rädelsführer für Unheil mit höchstem Einsatz zu dienen, und einige Auserwählte, die in der Tat sehr große Probleme bedeuteten.

Mahendo‘sat-Übersetzungen waren immer schwierig, aber es hörte sich unbehaglich nach einem von den letzteren an. Bleiben Sie im Dock, hatte der Mahendo‘sat empfohlen; nicht das Auslaufen wagen, solange der Kif nicht verschwunden war. Das war Mahendo‘sat- Strategie. Sie funktionierte nicht immer. Sie konnte die Stolz im Dock liegen und eine monströse Rechnung auflaufen lassen, und sie würde dann immer noch keine Garantie eines sicheren Kurses nach draußen haben; oder sie konnte frühzeitig auslaufen und hoffen, dass die Kif nicht vermuteten, was sie an Bord hatte — hoffen, dass die Kif wenigstens auf etwas Einfacheres zu kauen warten würden als eine Mundvoll Hani.

Hilfy. Diese Sorge beherrschte ihre Überlegungen. Zehn friedliche Reisen, zehn Reisen voller schmerzlicher, knochenermüdender Ruhe… und jetzt das.

Die Docks voraus schienen alle ruhig zu sein, dort oben, wo die Stolz angelegt hatte und ihre Leute draußen am Ladeband arbeiteten, wie sie es auch tun sollten, und die Post und die Fracht an Bord schafften. Haral war zurück und arbeitete mit den anderen zusammen; es erleichterte sie, das zu sehen. Auch Tirun war jetzt draußen, und Hilfy musste hineingegangen sein; die anderen beiden waren Geran und Chur, schmächtige Gestalten neben Haral und Tirun. Sie entdeckte keinen Grund zur Eile. Hilfy hatte wahrscheinlich mittlerweile genug und sich nach drinnen zurückgezogen, um den Außenseiter zu bewachen — mochten die Götter geben, dass sie vor der Tür blieb und davon absah, sich mit ihm zu befassen.

Aber die Mannschaft erblickte sie, als sie näher kam, und urplötzlich zeigten die Gesichter verzweifelte Erleichterung und richteten sich die Ohren auf, so dass sich Pyanfars Herz unter der Vorahnung von etwas entschieden Falschem verkrampfte. »Hilfy?« fragte sie als erstes, als Haral ihr entgegenkam; die drei anderen machten mit den Ladearbeiten weiter, allzu geschäftig für diese ängstlichen Blicke, spielten die Rolle von voll in Anspruch genommenen Arbeiterinnen.

»Ker Hilfy ist sicher an Bord«, berichtete Haral schnell. »Kapitän, ich habe die Dinge, die du wolltest, ins Unterdeck-Op gebracht, alles. Aber überall, wohin ich ging, waren Kif, Kapitän, als ich im Markt war. Sie durchsuchten die Gänge, starrten jeden an, kauften nichts. Ich habe meine Geschäfte beendet und bin zurückgegangen, und da waren sie immer noch am Herumsuchen. Also habe ich Ker Hilfy befohlen, hineinzugehen und Tirun herauszuschicken. Plötzlich schnüffeln Kif auch hier herum.«

»Und machen was?«

»Sieh mir über die Schulter, Kapitän!«

Pyanfar warf einen raschen Blick, ein kurzes Drehen der Augen. »Nichts«, sagte sie. Aber Kanister waren dort am Sektionsverschluss aufgehäuft, zwanzig, dreißig, jeder so groß wie eine Hani und alle zweifach aufeinander gestellt, ausreichende Deckung. Pyanfar legte die Hand auf Harals Schulter und spazierte umgänglich mit ihr zurück zu den anderen. »Hark, es wird eine kleine Stsho-Lieferung geben und einen Mahendo‘sat mit einem Drei-Perlen- Handel; beide sind echt… beobachtet sie beide! Aber keine anderen. Ein weiteres Hani- Schiff liegt weit um den Rand herum im Dock, neben denen der Methanatmer. Ich habe nicht mit der Mannschaft gesprochen. Es ist die Handurs Reisende.«

»Kleines Schiff.«

»Und verletzlich. Wir werden die Stolz hinaussteuern, und zwar mit aller schicklichen Eile.

Ich glaube, hier kann es nur noch schlimmer werden. Tirun, eine kleine Aufgabe: geh zur Reisenden! Ich möchte die Situation nicht über Kom mit ihnen besprechen. Warne sie und setz sie davon in Kenntnis, dass ein Schiff namens Hinukku im Dock liegt und dass sich die Mahendo‘sat erzählen, es bedeute ungewöhnlich großen Arger! Und dann sieh zu, dass du schnell hierher zurückkommst.., nein, warte. Eine gute Werkzeugtasche und zwei gute Schweißer — gib sie der Besatzung der Mahijiru und nimm dir rasch die Perlen, wenn du sie kriegen kannst. Siebenter Liegeplatz da unten. Sie haben sich das und noch mehr verdient, wenn ich die Kif auf sie gelenkt habe, als ich dort Fragen stellte. Los!«

»Ja, Kapitän«, hauchte Tirun und huschte davon, die Ohren zurückgelegt, die Service- Rampe neben dem Frachtband hinauf.

Pyanfar warf einen zweiten Blick auf die doppelt gehäuften Kanister, als sie sich umdrehte.

Kein Kif war zu sehen. Beeil dich! wünschte sie sich von Tirun, mach schnell! Es war nur ein kurzer Weg, die Austauschgüter aus dem automatischen Spender im Schiff zu holen. Tirun kam mit den Schachteln unter einem Arm zurück und machte sich mit genau der angebrachten Eile auf den Weg, die sie zur Ausführung eines Befehles von ihrem Kapitän benutzen mochte.

»Huh.« Pyanfar wandte sich erneut um und blickte in die Schatten.

Dort. Doch bei den Kanistern. Ein Kif stand dort, groß und schwarzgewandet, mit weit vorspringender Schnauze und gekrümmter Haltung. Pyanfar starrte ihn direkt an — winkte ihm in energischer und sarkastisch kameradschaftlicher Weise zu, als sie sich ihm näherte.

Er trat sofort zurück in den Schutz der Kanister und des Schattens. Pyanfar holte tief Atem, bog die Krallen und ging weiter, leise auftretend herum um die Kanisterhaufen — und stand dem hoch aufragenden Kif gegenüber, der auf sie herabsah mit seinen rotgeränderten dunklen Augen und seinem langnasigen Gesicht und seinen schwarzen Gewändern gleich denen aller Kif, von derselben Tönung wie die graue Haut… ein Stück Schatten, das zum Leben erwacht war. »Verschwinden Sie!« sagte sie zu ihm. »Ich will nicht, dass hier Kanister durcheinandergebracht werden. Ich kenne Ihre Tricks.«

»Uns ist etwas gestohlen worden.«

Sie lachte, wobei ihr die schiere Überraschung half. »Etwas von Ihnen gestohlen, Meisterdieb? Das ist ein Wunder, von dem man noch lange erzählen wird.«

»Es wäre am besten, wenn es seinen Weg zurück zu uns findet. Am besten sollte es das, Kapitän.«

Sie legte die Ohren zurück und grinste, was keine freundliche Geste war.

»Wohin geht Ihre Frau mit diesen Schachteln?« fragte der Kif.

Sie sagte nichts. Fuhr die Krallen aus.

»Es ist doch nicht so, Kapitän, dass Sie diesen verlorenen Gegenstand gefunden haben.«

»Was, verloren, auf einmal?«

»Verloren und wiedergefunden, glaube ich.«

»Von welchem Schiff sind Sie, Kif?«

»Wenn Sie so schlau wären, wie Sie es sich einbilden, Kapitän, dann wüssten Sie es.«

»Ich möchte gerne wissen, mit wem ich rede, sogar bei einem Kif. Ich vermute, Sie kennen meinen Namen, wo Sie hier herumschleichen. Wie lautet Ihrer?«

»Er lautet Akukkakk, Chanur-Kapitän. Pyanfar Chanur. Ja, wir kennen Sie. Kennen Sie gut, Kapitän. Wir haben Interesse gefunden an Ihnen… Diebin!«

»Oh! Akukkakk von welchem Schiff?« Ihr Bild von diesem Kif wurde schärfer, diesem Kif, dessen Gewänder einen Hauch feiner als üblich waren, dessen Haltung nur wenig von der kifischen Gebeugtheit beim Umgang mit kleineren Rassen zeigte, diese Senkung der Schultern und das Vorstoßen des Kopfes. Er schaute den langen Weg auf sie herab, von seiner ganzen Größe aus. »Ich würde Sie gerne genauso gut kennen, Kif.«

»Das werden Sie auch, Hani… Nein. Eine letzte Gelegenheit. Wir werden diesen Preis, den Sie gefunden haben, auslösen. Dieses Angebot will ich Ihnen machen.«

Ihre Schnurrbarthaare zogen nach unten wie bei einem beleidigenden Aroma. »Interessant, wenn ich dieses Ding hätte. Ist es rund oder flach, dieses verlorene Objekt? Oder hat jemand von Ihrer Besatzung Sie beraubt, Kif-Kapitän?«

»Sie kennen seine Form, da Sie es haben. Geben Sie es her und nehmen Sie die Bezahlung! Oder tun Sie es nicht — und werden auch dann bezahlt, Hani, auch dann!«

»Beschreiben Sie mir diesen Gegenstand.«

»Für seine sichere Rückkehr — Gold, zehn Barren reines Gold. Denken Sie sich Ihre eigene Beschreibung aus!«

»Ich werde es mir merken, Kif, sollte ich etwas finden, das ungewöhnlich ist und nach Kif riecht. Aber bislang war da nichts.«

»Gefährlich, Hani.«

»Welches Schiff, Kif?«

»Hinukku.«

»Ich werde mir Ihr Angebot merken. Das werde ich tatsächlich, Meisterdieb.«

Der Kif sagte nichts weiter. Eine gänzlich neue Art von Schwierigkeiten, hatte der Mahendo‘sat gesagt, und dieser mürrische Kif oder ein anderer hatte vielleicht gesehen… oder mit denen geredet, die etwas gesehen hatten. Gold boten sie an! Kif… boten Lösegeld an! Und es war auch kein gewöhnlicher Kif gewesen, den sie da gesprochen hatte. Sie ging mit einem prickelnden Gefühl zwischen den Schulterblättern und einer sich vervielfachenden Besorgnis um Tirun, die jetzt nur noch eine kleine Gestalt war, die über die sich hinaufkrümmenden Docks davonmarschierte. Es bestand keine Hoffnung, dass die Stationsbehörden irgend etwas taten, um einen Mord zu verhindern… keinen zwischen Kif und Hani. Die Neutralität der Stsho bestand vor allem in Zurückhaltung und ihr Gesetz in der Schlichtung nach der Tat.

Stsho-Schiffe waren die häufigsten Opfer marodierender Kif, und immer noch dockten Kif ungeprüft in Treffpunkt an. Wahnsinn. Ein Haaresträuben lief ihr den Rücken hinauf, und die Ohren zuckten und klimperten mit den Ringen. Hani konnten sich eventuell um die Kif kümmern und ihnen eine Lektion erteilen, aber es lag keinerlei Gewinn darin, nicht bis zu Augenblicken wie dem jetzigen. Jedes Hani-Schiff von profitablem Handel abziehen, um Kif zu jagen? Ebenfalls Wahnsinn — bis es um die Stolz ging.

»Packt hier draußen alles zusammen!« wies sie die übriggebliebene Besatzung an, als sie sie erreichte. »Schafft die letzten Kanister hinauf und macht dicht! Macht alles zum Ablegen bereit. Ich werde Tirun zurückholen. Es ist schlimmer, als ich dachte.«

»Ich gehe ihr nach«, sagte Haral.

»Tu was ich sage, Kusine — und halte Hilfy draußen!«

Haral blieb zurück. Pyanfar machte sich auf den Weg die Docks hinab — es war eine alte Gewohnheit, nicht zu rennen; ein Vorbehalt des Stolzes und der Vorsicht, irgendeines entweder guten oder schlechten Instinktes. Vor Zeugen rannte sie immer noch nicht. Sie vergrößerte ihre Schritte, bis einige Umstehende — Stsho — etwas merkten und starrten. Sie kam Tirun näher. Beinahe, beinahe in ausreichender Rufweite zu Tirun, und immer noch eine weite, nackte Entfernung, die Krümmung der Docks hinauf, um die Handurs Reisende zu erreichen. Die Hinukku lag an einer Stelle, wo Tirun vorbeimusste, bevor sie bei dem Hani-Schiff war. Aber das Mahendo‘sat-Schiff Mahijiru lag noch davor, wenn Tirun doch nur diese unwesentliche Aufgabe auf dem Wege erledigte, eigentlich die logische Vorgehensweise mit einer schweren Last unter dem Arm. Sicherlich war das logisch, selbst wenn man die Dringlichkeit der anderen Botschaft in Erwägung zog.

Ah. Tirun blieb tatsächlich am Liegeplatz des Mahendo‘sat stehen. Pyanfar holte vor Erleichterung tief Luft und brach ihre eigene Regel im letzten Moment, sprintete hinter einige Kanister und schritt geradewegs in die Versammlung, die angefangen hatte, sich um Tirun zu schließen. Pyanfar gab einem überraschten Mahendo‘sat-Zuschauer einen Klaps auf den Arm, zog ihn herum und schubste sich ihren Weg zu Tirun frei, packte ohne jede Zeremonie deren Arm. »Arger. Lass uns verschwinden, Kusine!«

»Kapitän!« rief Goldzahn zu ihrer Rechten aus. »Sie kommen zurück, machen größeren Handel?«

»Lassen Sie es gut sein! Die Werkzeuge sind ein Geschenk. Komm schon, Tirun!«

»Kapitän«, begann die verwirrte Tirun, die mitten durch die Mahendo‘sat-Ansammlung hindurch weggezerrt wurde. Mahendo‘sat wichen vor ihnen zur Seite, und deren Kapitän folgte ihnen immer noch und gab dabei ein konfuses Geschnatter über Schweißer und Perlen von sich.

Kif. Ein schwarzgekleideter Halbkreis von ihnen tauchte plötzlich am Saum des Durcheinanders aus dunkelpelzigen Mahendo‘sat auf. Pyanfar hielt Tiruns Handgelenk und zog sie vorwärts. »Schau mal!« schrie Tirun auf einmal: Einer der Kif hatte eine Pistole aus seinem Gewand zum Vorschein gebracht. »Los!« gellte Pyanfar, und sie tauchten zurück zwischen fluchende und kreischende Mahendo‘sat, wieder hinaus durch ein Kif-Gemenge hindurch, die hinter den Kanistern einen Kreis gebildet hatten. Feuer krachte hinter ihnen her. Pyanfar schlug einen Kif in ihrem Weg mit einem Hieb nieder, der ihm die Wirbelsäule brechen sollte, blieb aber nicht stehen, um sich davon zu überzeugen. Tirun lief neben ihr her; sie sprinteten dahin, und Schüsse ließen Rauchringe von den Bodenplatten vor ihnen aufsteigen.

Plötzlich kam ein Schuss von rechts. Tirun schrie auf und taumelte, hinkte heftig. Noch mehr Kif befanden sich entlang der den Docks zugewandten Büros, einer davon sehr groß und vertraut. Akukkakk mit Freunden. »Ohrloser Bastard!« schrie Pyanfar, packte Tirun von neuem und lief weiter, zog sie hinter die Kanister eines anderen Mahendo‘sat-Schiffes, inmitten eines Hagels von Laserschüssen und dem Gestank von verbranntem Plastik. Tirun sackte im Schock zusammen — ein verzweifelter Fluch und ein Ruck an ihrem Arm brachten sie wieder zum Laufen; die Verbrennung riss auf und blutete. Sie stürzten auf eine offene Fläche hinaus, hatten keine andere Wahl. Schrilles Heulen ertönte hinter und rechts von ihnen — Kif auf der Jagd.

Ein zweiter Schrei ertönte vor ihnen, weiteres Aufblitzen von Pistolen in vielen Farben am Liegeplatz der Stolz; die Besatzung der Stolz erwiderte das Feuer, hoch der beiden flehenden wegen, aber ernst gemeint. Der Stationsalarm fing an zu heulen, ein tiefer Basston. Rote Lichter blitzten an den Wänden und die Krümmung hinauf, bis dort, wo die Decke verschwand. Weiter oben auf der Krümmung der Docks hastete Stationsvolk in Panik umher und suchte Deckung. Wenn sich Kif zwischen ihnen befanden, würden sie auch aus dieser Richtung im Rücken der Besatzung angreifen.

Und Hilfy war draußen, dort an diesem Zugang, die vierte in der Reihe ihrer eigenen Schützen, und sie legte ein berserkerhaftes Muster aus Schüssen. Pyanfar zerrte Tirun am Genick durch diese Viererreihe. Tirun krümmte sich und stürzte auf die Platten, und Pyanfar half ihr wieder auf, nicht ohne einen wilden Blick nach hinten zu werfen, auf die Dockanlagen, von wo ihre Feinde aus der Deckung heraus schossen, von der ihre Besatzung nur so wenig hatte. »An Bord!« schrie sie die anderen mit ihrem letzten Atem an, und sie rutschte selbst auf dem Deck aus, als sie sich nach dem Rampengang umdrehte.

Haral zog sich zurück und packte Tiruns umherdreschenden Arm von der anderen Seite, und Hilfy nahm plötzlich den von Pyanfar. Wieder schaute Pyanfar zurück, wollte sich umdrehen und kämpfen. Geran und Chur machten einen geordneten Rückzug hinter ihnen, waren immer noch den Kif zugewandt und schossen auf sie — die Kif waren von weiterem Vordringen abgehalten und in eine bessere Angriffsstellung gedrängt worden. Hilfy zog an ihrem Arm und Pyanfar schüttelte ihn frei, als sie die erste Tür des Rampenganges erreichten. »Los, kommt!« schrie sie Chur und Geran an, und noch in dem Moment, an dem sie sich feuernd nach ihnen zurückzogen, schlug sie auf die Türverriegelung. Die massive Stahltür begann sich dröhnend und donnernd zu schließen, und taumelnd wichen die beiden ihr aus. Hilfy kam durch die Tür hereingestürzt und rammte den Verschlusshebel nach unten.

Daraufhin sah sich Pyanfar wieder zu Tirun um, die auf den Füßen stand, wenn auch in Harals Armen zusammengesunken und ihren rechten Oberschenkel haltend. Ihre blauen Kniehosen waren dunkel vor Blut, das von dort bis zum Fell ihrer Wade verlief und daran hinab bis in eine Pfütze um den Fuß. Sie knurrte einen konstanten Strom von Flüchen.

»Weiter«, sagte Pyanfar. Haral hob Tirun hoch und trug sie geradezu, und sie war keine leichte Last. Sie zogen sich durch den gekrümmten Rampengang bis in die eigene Schleuse zurück, verschlossen die Tür und fühlten sich etwas sicherer.

»Kapitän«, meinte Chur geschäftsmäßig, »alle Leinen sind los und die Frachtrampe abgekoppelt. Alles im Kasten.«

»Gut gemacht«, sagte Pyanfar, ungeheuer erleichtert, das zu hören. Sie gingen durch die Schleuse und um die Biegung herum in den unteren Hauptkorridor. »Sichert den Außenseiter! Haltet ihn die ganze Zeit unter Beruhigungsmitteln! Du…« Sie blickte zur Seite, auf Tirun, die mit einem Arm über den Schultern ihrer Schwester zu gehen versuchte.

»Sieh zu, dass du schnell einen Verband um das Bein bekommst! Keine Zeit für weiteres. Wir legen ab. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Hinukku dazu stillhalten wird, und ich möchte keinen Kif an meinem Schwanz vorbeifliegen haben, solange wir mit der Schnauze zur Station stehen. Macht euch bereit für die Manöver!«

»Ich kann mir das Bein selbst verbinden«, meinte Tirun. »Setz mich einfach in der Krankenstation ab.«

»Hilfy«, sagte Pyanfar und schnappte sich ihre Nichte auf dem Weg zum Aufzug.

»Ungehorsam«, brummte sie, als sie dicht bei ihr war. »Vergib mir«, sagte Hilfy. Gemeinsam betraten sie den Lift; die Tür ging zu. Pyanfar verpasste der Halbstarken eine Ohrfeige, die sie gegen die Liftwand warf, drückte dann auf den Knopf für die Hauptebene. Hilfy richtete sich wieder auf und verschmähte es, sich auch nur die Hand ans Ohr zu legen, aber ihre Augen tränten, die Ohren waren angelegt und die Nasenlöcher geweitet, als stemme sie sich in einen starken Wind. »Vergeben«, sagte Pyanfar. Der Lift entließ sie, und Hilfy setzte an, durch den Korridor zur Brücke zu rennen, aber Pyanfar ging mit einem bedächtigeren Schritttempo einher, und Hilfy blieb erst stehen und ging dann neben ihr her, durch den Bogengang in das Hauptoperationszentrum mit seinem gekrümmten Deck.

Pyanfar setzte sich in den Sessel im Zentrum einer Bank von Sichtschirmen und begann damit, die Systeme einzuschalten. Die Station kreischte Proteste in der Stsho-Sprache, Einwände, Empörung. »Kümmere dich darum!« wies Pyanfar ihre Nichte an, ohne die Bedienung der Schalter zu unterbrechen. »Sag der Station, dass wir ablegen und sie damit fertig werden müssen!«

Eine Verzögerung. Hilfy gab die Botschaft in unbeholfenem Stsho weiter, ignorierte in ihrer Eile den mechanischen Übersetzter. »Sie beschweren sich darüber, dass du jemanden umgebracht hast.«

»Gut.« Die Greifer lösten sich dröhnend, und eine Kontrollanzeige gab bekannt, dass sie gänzlich eingezogen worden waren. »Sag ihnen, wir freuten uns darüber, einen Kif eliminiert zu haben, der ohne jede Provokation zu schießen anfing und dabei Passanten und Eigentum auf dem Dock in Gefahr brachte.« Sie feuerte den Ablegerrückstoß, und sie waren frei, ein plötzlicher G-Verlust und ein Wiedereinsetzen in die andere Richtung… feuerte die Hilfstriebwerke, die die Stolz aus der Ebene der Station herausführten, eine Neuorientierung von Oben und Unten. Die Schiffsschwerkraft setzte ein, ein leichtes Ziehen gegen den Schub nach achtern.

»Die Station ist mächtig aufgeregt«, berichtete Hilfy. »Die Flugkontrolle verlangt mit dir zu reden, Tante. Sie droht damit, uns nicht mehr bei Stsho andocken zu…

»Kümmer dich nicht um die Stsho!« Pyanfar schaltete den Scanner von Bild zu Bild. Sie entdeckte ein weiteres abgelegtes Schiff in ungefähr der richtigen Position für die Hinukku.

Plötzlich zeigte der Scanner alle Arten von Störungen, mehr als wahrscheinlich von der Hinukku erzeugte Störgeräusche, um eigene Operationen zu verdecken. »Mögen die Götter sie verfaulen lassen!« Sie griff heftig nach den Kontrollen und reorientierte die Stolz sanft genug, um die Knochen jener zu retten, die sich noch nicht für die Manöver gesichert hatten — Warnung genug für die weiter unten, sich in Sicherheit zu bringen. »Wenn die auf uns schießen, zerstören sie die halbe Station. Götter!« Sie schaltete auf Rundspruch. »Haltet euch fest! Wir stoßen heftig zurück.«

Diesmal lösten sich Sachen. Ein Notizbuch segelte durch die Sektion und landete irgendwo weiter vorne, wobei es die Kontrollen verfehlte. Hilfy spuckte, und Flüche kamen aus dem Kom. Für solche Manöver war die Stolz nicht gebaut. Auch nicht für das nächste, das gegen den rückwärtigen Impuls hämmerte und sie mit gekippter Nase unter den Nadir der Station schießen ließ (das Notizbuch flog zurück zu seinen Ursprüngen), dann eine Bremsung (ein weiterer Sturzflug flatternder Seiten).

»Mutterlose Bastarde«, meinte Pyanfar. Sie drückte Kontrollen und verband den Geschützturm mit dem Scanner. Er würde sich auf jedes gesichtete massive Objekt einschwenken. »Jetzt können sie ruhig die Nase hier unten reinstecken.« Ihre Gelenke waren wund. Alarm klingelte, und Lichter blitzten auf dem Instandhaltungspult, kündeten von losgebrochener Ladung. Sie fuhr mit der Zunge über die Zahnspitzen und runzelte die Nase zum Atemholen, überlegte sich sorgenvoll, welchen Quadranten des Scanners sie beobachten sollte. Sie brachte die Stolz in eine langsame Achsenrotation, wagte zu vermuten, dass die Kif nicht auf einem so offenkundigen Weg an die Unterseite der Station kommen würden, wie dem in einer Linie mit der letzten bekannten Position. »Behalte den Scanner im Auge,« mahnte sie Hilfy und wandte sich für einen halben Herzschlag dem Op- Pult zu, um sich davon zu überzeugen, dass alle Kontrollanzeigen die richtigen Werte zeigten. »Haral, komm hier rauf!«

»Tante!« sagte Hilfy. Pyanfar warf den Kopf wieder herum. Ein bisschen Staub war auf den Schirmen aufgetaucht, ein Teil des Störrauschens, das ihren Weg von oben herab verfolgte.

Sie richtete die scannerverbundenen Feuerkontrollen darauf, und die Waffen reagierten nicht. Der Lift weiter hinten im Korridor krachte und summte in Funktion. Haral hatte nicht bestätigt, aber sie kam. »Wir schießen auf alles, das sich als solide erweist«, sagte Pyanfar.

»Beobachte weiter diese Störwolke, Nichte! Und denk daran, es könnte die reinste Ablenkung sein. Ich traue nichts und niemandem.

»Ja«, sagte Hilfy ziemlich ruhig. Und dann: »Schau mal.« »Störungen«, identifizierte Pyanfar das Rauschen, ihr Herz unter dem Ruf erstarrt. »Gib den genauen Quadranten an! Die Nummer reicht.«

Rennende Füße im Korridor. Haral war da. Hilfy machte Anstalten, ihren Platz am Scanner zu übergeben, aber Haral glitt in den dritten Sitz und legte die Gurte an.

»Ich hatte eigentlich nicht vor, so viele Manöver zu machen«, sagte Pyanfar, ohne den Blick vom Scanner zu wenden. »Jemand verletzt?«

»Nein«, sagte Haral. »Alles sicher.«

»Die da oben überlegen es sich noch einmal«, meinte Pyanfar. »Tante! 4/2!«

Der Schützturm schwenkte. Augen wanderten zum Schirm Nummer Vier. Energie überspülte den Rand der Station; noch mehr Störgeräusche folgten, größere Trümmerstücke.

»Käpt‘n, sie haben die Station getroffen.« Harals Stimme klang ungläubig. »Sie haben geschossen!«

»Die Handurs Reisende.«

Pyanfar hatte den Ursprung auf dem Stationstorus im Kopf und stellte die Verbindung her. »Oh, Götter!« Sie schaltete auf Rückstoß und schickte das Schiff wirbelnd in den Schatten des Stationskerns, neigte die Nase mit einer zweiten Zündung und schaltete den Hauptschub dazu, Impuls zum Nadir der Station, die Nase in die Unendlichkeit gerichtet. Pyanfar streckte die Hand aus und schlug den Deckel von einem roten Schalter, drückte ihn, und die Stolz ruckte unter einer Explosion.

»Was war das?« Hilfys Stimme. »Sind wir getroffen?«

»Ich habe nur unsere Laderäume entleert.« Pyanfar holte tief Luft, eine Weitung der Nasenlöcher. Die Krallen krümmten sich nach außen und fuhren wieder ein, während sie den Knebelgriff umklammert hielt. Die Schwerkraft zerrte heftig an ihnen. Die Chanurs Stolz befand sich mitten in einer wilden Flucht, hatte gerade das Masse/Antriebs-Verhältnis geändert, sich zur Erhöhung des Tempos entleert. »Haral, such uns einen Kurs heraus!«

»Bin dabei«, sagte Haral. Zahlen begannen auf dem Computerschirm links von Pyanfar aufzutauchen.

»Wir werden ein ruhiges Plätzchen finden müssen.«

»Urtur liegt gerade in Reichweite eines einzigen Sprunges«, berichtete Haral, »so ausgeleert, wie wir es sind. Vielleicht.«

»Es muss sein.« In der anderen Richtung lag hinter Treffpunkt der Stsho-Raum, wo es nur spärlich Sprungpunkte gab, die ihnen weiterhalfen, diese Massen, anhand derer die Stolz und jedes andere Sprungschiff gesteuert wurde; und die anderen Seiten waren Kif-Gebiete und auch Knnn, ebenso unerforschte und nicht kartographierte Regionen ohne Sprungkoordinaten.

Wenn sie blind dort hineinsprangen, würden sie nie wieder in irgendeinen bekannten Raum zurückkehren Pyanfar erweckte ein weiteres Pult zum Leben und rief Sprunggraphiken ab. Urtur. Das war der Weg, den sie gekommen waren, beladen und in zwei Sprüngen — ein sehr großes System, wo Mahendo‘sat ein wenig Bergbau und Fabrikation betrieben und auch anderen entsprechende Lizenzen erteilten. Sie konnten diese Entfernung jetzt in einem Sprung schaffen; sie wurden nicht von Kif verfolgt — noch nicht. Die hatten es nicht nötig zu folgen.

Sie konnten die möglichen Ziele nach der abgeworfenen Masse und aus der Logik der Situation heraus schätzen. Oh, mein Bruder, dachte Pyanfar und fragte sich, wie sie wohl Kohan gegenüberstehen würde. Er würde betroffen sein von dieser Entwürdigung, dieser Schmach verlorener Fracht, einer Flucht, während ein Hani-Schiff stationsgebunden und hilflos unterging. Kohan Chanur zerbrach vielleicht daran; vielleicht führte diese Situation junge Männer in Versuchung, ihn herauszufordern. Und wenn genug Herausforderungen erfolgten und oft genug…

Nein! Kein solches Ende für Chanur! Es würde keine Heimkehr geben mit dieser Art von Nachrichten. Nicht, bis die Kif bezahlt hatten, nicht, bis die Stolz die Dinge wieder in Ordnung gebracht hatte!

»Marke Fünfzehn zum Sprungpunkt«, sagte Haral. »Käpt’n, sie werden uns nachspüren, keine Frage.«

»Keine Frage«, bestätigte sie. Hinter Harals narbigem Gesicht erblickte sie das von Hilfy, nicht entstellt und mit schwachem Bartwuchs — verängstigt und doch bemüht, es nicht zu zeigen. Pyanfar öffnete den Rundspruch: »Bereit zum Sprung.«

Der Alarm setzte ein, ein anhaltendes Heulen, das durchs Schiff drang. Die Stolz sprang durch die Entstehungsimpulse vorwärts, entnahm der Grenzebene Geschwindigkeit, mehrfaches verzerrendes Flackern, und peitschte in das Dazwischen. Pyanfar zog die Krallen ein, seit Jahrzehnten an dergleichen gewöhnt, kämpfte gegen die mentale Verdrehung, die dem Innenohr Lügen erzählte, und hielt das Gleichgewicht. Komm schon! suggerierte sie dem Schiff, als könne die Absicht allein es über diese kritische Entfernung weiter tragen.

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