Vierzehntes Kapitel

Die Stolz öffnete die Zugänge, während die Mahijiru neben ihr ins Dock glitt und Jiks Aja Jin Wache hielt über das Viertel des Systems, aus dem immer noch der eine oder andere verirrte Kif kommen konnte… zwar war nicht damit zu rechnen, aber sie trafen Vorsichtsmaßnahmen.

Das Außenseiterschiff, dem das Andocken erlaubt worden war, fuhr noch langsamer herein, aber sie mussten es auch schaffen, ohne die Sprache und die Prozeduren zu verstehen und ohne passende Ausstattung.

»Neben uns«, hatte Pyanfar einfach mitgeteilt. »Haben Sie Vid? Sie sehen vier Greifer; Luftschleuse im Zentrum, verstehen Sie? Gehen Sie langsam vor und sehr vorsichtig. Wenn Sie Schwierigkeiten haben, stoppen Sie und ziehen Sie sich zurück. Kleines Schiff kommt dann von der Station und hilft Ihnen beim Anlegen. Alles verstanden?«

»Verstanden«, war die Antwort durch den Übersetzer erfolgt. Und der Außenseiter kam, vorsichtig… wunderte sich zweifellos über die naheliegenden durchlöcherten Kadaver von Kif-Schiffen, über die Zeichen von Beschuss in der angrenzenden Sektion des Stationstorus.

Jemand vom Dock stellte eine direkte Verbindung her. »Käpt‘n!« rief Geran mit bernsteinfarben glänzenden Augen. »Käpt‘n, es sind Chur und Hilfy. Sie sind da, alle beide!«

»Huch«, sagte Pyanfar überlegt, denn im Moment schwatzte ein anlegender Außenseiter in ihr anderes Ohr; aber die Erleichterung verwandelte ihre Eingeweide in Gelee, so dass sie überhaupt nur wenig vom Gerede des Außenseiters mitbekam. Sie betrachtete ihre Besatzung und Tully, dessen Augen bei der Nachricht aufgeleuchtet waren.

»Sie sein sicher«, fragte er, »Chur und Hilfy?«

»Wir gehen hinaus«, sagte Pyanfar und stieß sich von den Kontrollen zurück. »Wir alle, bei den Göttern!« Sie stand auf, erinnerte sich an das Band, das sie während des Anfluges dupliziert hatte, und steckte es in die Tasche. »Kommt!«

Sie kamen, verließen die Brücke und gingen mit langen Schritten den Korridor hinab, auch Tully, nahmen den Lift nach unten und marschierten zur Schleuse hinaus. Wenn es je eine Zeit gegeben hatte, um vor Freude zu rennen, dann auf dem letzten Stück zum Rampengang hinaus; aber Pyanfar behielt einen gemessenen Gang bei, die Rampe hinab und hinaus auf das breite, feuerzernarbte Dock, wo bewaffnete Hani standen.

Chur und Hilfy und einige der übrigen Chanur — oh, Götter, Hilfy mit blutbefleckter Binde um die Brust und auf Chur gestützt, die ihrerseits einen Ann in der Schlinge trug. Sie lächelten, waren zumindest dazu noch in ausreichender Form. Chur drückte Geran mit einem Arm an sich, und Pyanfar fasste Hilfy an beiden Schultern, um sie zu betrachten. Hilfy war weiß um die Nase und drückte durch die Stellung des Mundes Schmerz aus, aber die Ohren standen aufrecht, und die Augen leuchteten.

»Wir haben sie erwischt«, sagte sie rau. »Wir haben sie hinter dem Dock erwischt, während andere durchs Zentrum kamen und sie uns zutrieben. Und ich glaube, sie erhielten dann irgendeinen Befehl, denn sie versuchten auf einmal wie wild, ihre Schiffe zu erreichen. Das war die große Schwierigkeit. Eines ist entwischt. Die übrigen — haben wir gekriegt.«

»Khym.«

Hilfy drehte sich mit erkennbarer Steifheit um und deutete auf eine Gestalt, die an der Innenseite der Docks kauerte, klein durch die Entfernung. »Na Khym hat den einen erledigt, der mich getroffen hat, den Göttern sei Dank.«

»Er ist mit den Händen auf sie losgegangen«, sagte Chur. »Behauptete, sowieso nicht vernünftig schießen zu können. Er überquerte dieses Dock dort und packte sich diesen Kif, und, Götter, ganze fünf von ihnen haben nicht mehr erreicht, als seinen Pelz anzusengen. Ich glaube, sie hatten noch nie einen Hani von dieser Größe gesehen — Götter, das war was! Sie verließen ihre Deckung, — und wir haben die Überreste erwischt.«

Pyanfar blickte gleichzeitig stolz und traurig auf diese stille, in sich gekehrte Gestalt — stolz auf das, was er getan hatte — Khym, der nie viel vom Kämpfen gehalten hatte — und traurig wegen seines Zustandes und seiner Zukunft.

Götter, wenn sie ihn nur hätten töten können — ihm das hätten geben können, wozu ihr Sohn nicht die Gnade gehabt hatte Oder vielleicht hatte Kara gespürt, dass er ihn nicht töten konnte, dass ein mit dem Rücken zur Wand stehender Khym Mahn ein wirklich anderer Khym Mahn war.

»Ich sehe nach ihm«, sagte sie. »Und euch beide bringen wir ins Stationskrankenhaus.«

»Entschuldige«, entgegnete Hilfy, »aber das Stationskrankenhaus hat alle Hände voll zu tun. Eine von Rheans Leuten ist böse getroffen worden, und auch Ginas Llun geht es nicht allzu gut, ebenso einer Menge anderer.«

»Hilan Faha und ihre Besatzung«, berichtete Chur,….sind tot, Käpt‘n. Sie alle. Sie bildeten die vorderste Reihe beim Durchbruch ins Zentrum. Sie haben darauf bestanden. Ich glaube aus Scham — für die Gesellschaft, in die sie sich begeben hatten.«

»Dann mögen die Götter auf sie herabschauen«, sagte Pyanfar nach einem Moment.

»Die Tahar«, sagte Hilfy bitter, »haben die Mondaufgang wegbekommen und sind zu ihrem Sprungpunkt gerast, wirklich gerast. So wird auf der Station erzählt. Aber die Faha wollten nicht mitkommen.«

»Das ist das Ende«, meinte Pyanfar. »Und wenn dieser Bericht die Enafy-Provinz erreicht, werden Kahi Tahar und sein Haufen ihre Gesichter nicht mehr auf Chanur-Land oder sonst wo zeigen.«

»Hani!« brüllte eine mahen Stimme, und da kam Goldzahn mit seiner Mannschaft anmarschiert, ein Dutzend dunkelpelziger und mit Gewehren bewaffneter Mahendo‘sat, das auf die Hani zugeströmt kam und sie überragte. Goldzahn packte Pyanfars Hand und drückte sie zusammen, bis ihn ihre Krallen zur Vorsicht mahnten. Er grinste und haute ihr auf die Schulter. »Besorgen Nummer-Eins-Hilfe, was ich Ihnen sagen?«

Hani starrten auf diese Mahe-Hani-Vertrautheit, auch Pyanfars Besatzung. Sie legte in Verlegenheit die Ohren zurück, erinnerte sich an das, was sie Goldzahn und seinem ungebärdigen Haufen schuldeten und richtete daraufhin die Ohren sofort wieder auf. Noch mehr, sie hakte sich bei dem großen Mahe ein und gab den Gaffern auf dem Dock etwas Ordentliches zu bestaunen. »Nummer-Eins-Hilfe«, sagte sie.

»Machen Handel«, sagte Goldzahn. »Machen Freund Jik Reparaturen, wie Sie bekommen haben auf Kirdu. Chanur bringen ihn in Ordnung, ah?«

»Sie verfl…«

»Machen Handel!«

»Abgemacht«, gab sie nach und erduldete einen weiteren Hieb auf die Schulter. Sie betrachtete Tully und dachte an Chanurs Kassenbilanz, an Soll und Haben. Betrachtete ihn, dessen Augen so seltsam blass waren und voller Verehrung. Hinter ihm hatte sich eine Schiffsrampe geöffnet, und Leute seiner Rasse waren herausgekommen; Götter, eine verwirrende Ansammlung aus bleichen und dunklen Gestalten und einigen von mittleren Schattierungen.

»Tully«, sagte sie und gab ihm mit den Augen ein Zeichen, dort hinzuschauen, und er tat es.

Er erstarrte für einen Augenblick und rannte dann auf sie zu, in Hani-Dress und Hani-Look, rannte auf seine versammelten Kameraden zu, alle mit geschorenem Haar und rasiert und von Kopf bis Fuß in hautengen Kleidungsstücken — ja selbst die Füße bekleidet! Hände wurden nach ihm ausgestreckt und Arme für ihn geöffnet. Er umarmte alle und jeden, und es herrschte ein Gerede in dieser fremdartigen Sprache, dass es von der Decke hallte.

So geht er wieder, dachte Pyanfar mit einer seltsamen Traurigkeit — und auch mit einer gewissen Angst davor, einen wertvollen Kontakt zu anderen zu verlieren — zu den Llun, bei den Göttern, die eifrig darauf bedacht sein würden, ihre Krallen in die Sache hineinzubekommen; und auch zu Kananm und Sanuum und einigen der anderen Konkurrenten am Hafen. Pyanfar schüttelte Goldzahns Arm ab und überquerte das Dock, hin zu dem Haufen von Menschen, und die eigenen Begleiter folgten ihr. Tully brachte ihr seine Leute mindestens die halbe Strecke entgegen, sobald er sie erblickte, kam herbeigeeilt und packte ihre Hand mit fiebriger Begeisterung.

»Freund«, sagte er, sein bestes Wort, und zerrte ihre widerstrebende Hand zu einem Menschen mit weißer Mähne, dessen nacktes Gesicht so runzelig war wie das eines Kif und so lohfarben wie das eines Hani. — Der Kapitän, dachte sie — ein alter Mann! Sie erduldete den Handschlag mit eingezogenen Krallen, verbeugte sich und erhielt eine höfliche Verbeugung als Antwort. Tully redete hastig in seiner Sprache, brachte irgendeinen Punkt vor — deutete nacheinander auf die Hani und nannte ihre Namen auf seine Weise… Haral und Tirun, Geran und Chur und Hilfy, und die Mahendo‘sat zumindest als Rasse.

»Wollen reden«, brachte er dann hervor. »Wollen euch verstehen.«

Pyanfars Ohren zuckten und richteten sich auf; also bot sich letztlich doch eine Chance auf Profit. Sie schürzte die Lippen zu ihrem angenehmsten Gesichtsausdruck. Götter, manche von den Menschen sahen merkwürdig aus! Sie unterschieden sich untereinander gewaltig in Größe und Gewicht, und es gab zwei grundsätzlich unterschiedliche Körperformen. Frauen, erkannte sie neugierig. Wenn Tully männlich war, dann waren also diese merkwürdigen Gestalten die Frauen.

»Wir reden«, mischte sich Goldzahn ein. »Mahe machen auch Handel.«

»Freund«, sagte Pyanfar zu den Menschen mit ihrem besten Versuch in deren Sprache.

Tully musste es immer noch übersetzen, aber es zeitigte seinen Effekt. »Ich kommen auf Ihr Schiff«, sägte sie, entschied sich für Tullys kleinen Hani-Wortschatz. »Ihr Schiff. Sprechen.«

»Ich kommen auch«, sagte Goldzahn hartnäckig und unerschütterlich. Tully übersetzte.

»Ja«, überbrachte er grinsend die Antwort. »Freund. Alles Freunde.«

»Verhandelt wie ein Mahe«, brummte Pyanfar. Aber diese Übereinkunft war ihr dienlich genug. Sie dachte auf einmal an bestimmte Pläne — für die weitere Entlehnung von zwei Mahe-Jagdschiffen für eine profitable Reise.

»Käpt‘n«, sagte Haral, fasste sie am Arm und richtete ihre Aufmerksamkeit auf eine Gruppe von Gestalten, die aus dem zu den Docks führenden Korridor kamen.

Die Llun waren es — mit Kifas Llun selbst an der Spitze der Gruppe, gekommen, um sich diesem ungewohnten Besuch auf der Gaohn-Station zu widmen, und etwa zwanzig Beamtinnen in schwarzen Hosen folgten ihr.

Sie würden das Übersetzerband fordern, soviel war sicher. Pyanfar rammte die Hände hinter den Hosenbund. »Freunde«, versicherte sie Tully, der der näherkommenden Gruppe furchtsame Blicke zuwarf, und er seinerseits beruhigte daraufhin seine Kameraden.

»Hilfy«, sagte Pyanfar, »Chur — es besteht keine Notwendigkeit, dass ihr die ganze Zeit hier mit stehen bleibt. Geht auf das Schiff! Geran, du gehst mit und kümmerst dich um sie, ja?«

»In Ordnung«, stimmte Geran zu. »Kommt, ihr beide!«

Es gab keine Proteste. Chur und Hilfy wollten in Gerans Obhut davongehen, aber Tully hielt sie auf, um ihnen nacheinander die Hände zu drücken, als ob er damit rechnete, irgend etwas könnte ihn an weiteren Verabschiedungen hindern.

Götter, sie hatte im Moment überhaupt keine Lust, um sich mit den Llun oder sonst jemandem auseinander zusetzen. Die Knie taten ihr weh, sowieso der ganze Körper, hervorgerufen durch den Mangel an Schlaf und die Anstrengung. Sie fühlte sich eine Spanne älter, als sie beim Sprung von Kirdu noch gewesen war. Ihnen allen musste es so gehen, auch Tully. Sie wollte… Zeit wollte sie haben — um sich mit den eigenen Leuten zu unterhalten, um herauszufinden, welche Chanur sonst noch verletzt waren, um Kohan anzurufen. — Und irgendwie… um mit Khym zu sprechen. Irgend etwas gegen sein Elend zu tun, egal, was andere dachten oder sagten.

»Geran«, rief sie hinter denen her, die gingen. »Auch Khym. Bringt ihn an Bord und versorgt ihn! Sagt ihm, ich hätte es so haben wollen!«

Ein kurzes Zucken der Ohren. »Aye«, sagte Geran und ging hinüber zu Khym, während Chur und Hilfy ihren Weg zum Schiff fortsetzten. Pyanfar wandte sich den ankommenden Llun mit einem betörend fröhlichen Lächeln zu, fischte das Band aus der Hosentasche und händigte es auf der Stelle Kifas aus, ohne auch nur einen Moment vom Anschein der guten Laune abzuweichen.

»Wir registrieren diese guten Außenseiter, unsere Gäste, auf der Gaohn-Station«, sagte Pyanfar. »Unter Chanurs Patenschaft.

»Verbündete, Ker Chanur?« Ein argwöhnisches Stirnrunzeln zeigte sich auf Kifas Lluns Gesicht. »Nichts von dem, was die Tahar gesagt haben, hat jetzt bei uns noch Gewicht… aber hast du nach ihnen geschickt?«

»Götter, nein! Die Knnn haben das getan. Knnn, die ein gerütteltes Maß an Kif- Interventionen in ihrem Raum gehabt haben, schätze ich; die diese Außenseiter in der Nähe ihres Raumes fanden und sich in ihrer eigenen kuriosen Weise entschlossen, dafür zu sorgen, dass sie angesehenen Pakt-Bürgern von ähnlicher Biologie begegneten… die sie einfingen und in Synchronformation heranschafften, dann den Hakkikt auf die gleiche Weise wegschafften — mögen sie Freude an ihm haben. Es sind Händler, weißt du, Ker Llun, wenn auch nach eigenartigen Vorstellungen. Ich wette, dass unsere menschlichen Freunde hier noch gar nicht wissen, wie ihnen widerfahren ist oder wie weit entfernt sie von zu Hause sind, oder wie sie hierher gekommen sind. Sicher haben sie Drogen genommen, um die Sprünge durchzustehen, die sie hierher brachten, und allein die Götter wissen, wie viele das waren oder wo sie anfingen.«

»Stell uns vor!« sagte die Llun.

»Ich möchte dich daran erinnern«, sagte Pyanfar, »dass sie und wir zu viele Zeitwechsel durchgemacht haben. Wir sind nicht in Form für ausgedehnte Formalitäten. Es sind Gäste von Chanur; ich berge für sie und fühle mich verantwortlich, dafür zu sorgen, dass sie ihre Ruhe bekommen… aber natürlich werden sie die erforderlichen Papiere unterzeichnen und sich eintragen.«

»Die Vorstellungen«, sagte die Llun trocken, zu alt und zu schlau, um sich auf diese Weise abwimmeln zu lassen.

»Tully«, sagte Pyanfar, »du hast, verflixt noch mal, zu viele Freunde.«

Es war, wie sie erwartet hatte, zermürbend und eine Belastung für jedermanns gute Laune, ebenso entschieden zu lang, dieser Besuch im Stationsamt. Einige Zurückhaltung wurde ausgeübt unter Berücksichtigung gefallener Familienangehöriger und ausgefranster und kürzlich hochgespannter Nervenkostüme, ebenso unter Berücksichtigung der Tatsache, dass einmal unter hundert Malen Hani zusammengearbeitet hatten, ohne Ansehen des Hauses und der Provinz, und der Geist dieser Zusammenarbeit war noch nicht ganz wieder geschwunden.

Es gab Dankbarkeit für Goldzahn und die Mahe-Schiffe, die Stationsprivilegien und Reparaturen gewährt bekamen. Die Gaohn-Station war nur allzu eifrig darauf bedacht, die Rechnung mit Chanur zu teilen, lechzte auch danach, die Aja Jin in die Hände der Harn- Werft zu lotsen, wo sie im Verlauf der Arbeiten studiert und analysiert werden konnte. Die Mahendo‘sat waren mit der Situation offensichtlich zufrieden — eingebildete Bastarde, dachte Pyanfar, sträubte sich etwas — wie es alle Hani taten — beim Gedanken an die unglückliche Tatsache, dass die Mahendo‘sat den Hani stets voraus waren, dass diese Mahendo‘sat- Technologie, die sie ins All geführt hatte, auch an erster Stelle verantwortlich dafür war, dass sie sich dort halten konnten. Die Mahendo‘sat waren augenscheinlich willens, ihren Verbündeten die Jagdschiffe zumindest einmal zu zeigen. Verflixt seien die ›Persönlichkeit‹, und sein kleiner Flauschball obendrein!

Die Station war auch scharf auf eine Besichtigung des menschlichen Schiffes; und ohne Zweifel hegten die Menschen einen gewissen Argwohn dagegen und gegen alles andere, aber es stellte sich die Frage, was sie eigentlich dagegen hätten tun können.

Sie waren zumindest für den Moment effektiv auf verlorenem Posten.

»Wir finden heim«, meinte Tully, »nicht weit von Treffpunkt. Wissen das. Eure Berichte, eure Schiffsinstrumente — uns helfen.«

»Überhaupt keine Schwierigkeit«, sagte Pyanfar. »Wir müssen lediglich eure Aufzeichnungen durch den Übersetzer schicken und unsere Karten zusammenlegen, richtig? In kürzester Zeit finden wir dann die Antwort.«

»Mahendo‘sat«, sagte Goldzahn, »haben Nummer-Eins gute Berechnung von Lage menschliches Raum. Nummer-Eins gute Karten.«

Wirklich allzu viele Freunde, überlegte Pyanfar.

Tully ging zu seinen eigenen Leuten, nicht ohne vorher Pyanfar und Haral und Tirun an sich gedrückt und Goldzahn und Kifas Llun und anderen energisch die Hände geschüttelt zu haben — ein wichtiger Bursche war dieser Tully jetzt bei seinem Volk, ganz gewiss eine Person, die sich auskannte; eine Person mit wertvollen Informationen und mächtigen Freunden. Gut für ihn, dachte sie, als sie sich an die elende nackte Kreatur unter dem Haufen Decken im Waschraum erinnerte.

Sie rief Kohan an, ein kurzes Gespräch — ihre Stimme wurde langsam heiser, und ihre Knie zitterten —, aber es war gut zu hören, dass sich die Lage auf dem Planeten beruhigt, Kohan sich eine herzhafte Mahlzeit verschafft hatte und das Haus wieder in einigermaßen ordentlichem Zustand war.

Während der Planet durch Kif-Geschützfeuer gefährdet war, hatten sie es in Ordnung gebracht, Essen gekocht und damit angefangen, den Garten neu zu bepflanzen. Pyanfar senkte die Ohren beim Gedanken daran, wie wenig wirklich das große Universum für die planetaren Hani war, die sich zu keinem Zeitpunkt wirklich hatten vorstellen können, was ihnen beinahe widerfahren wäre; die von den schrecklichen Beschädigungen an der Station Notiz nahmen wie von irgendeinem Erdbeben in einem entlegenen Winkel des Globus, mitfühlend den Kopf schüttelten und es bedauerten, ohne jedoch persönlich berührt zu sein; natürlich in Sorgen über die eigenen Verwandten, und bei deren Heimkehr würde es natürlich auch Umarmungen und Mitgefühl geben. Aber sie brachten die Welt in Ordnung, gleichgültig, was da oben über ihren Köpfen geschah, indem sie den Garten neu anlegten und dafür sorgten, dass sich Kohan satt essen konnte.

Mochten die Götter über sie wachen.

Mit letzter Kraft suchte Pyanfar das Krankenhaus auf, um die verwundeten Chanur zu besuchen, denn sie war die Erste unter den Chanur, und das bedeutete den anderen etwas; ebenso schuldete sie Rhean, die dort bei ihrer genesenden Schiffsgefährtin saß, diese Höflichkeitsbezeugung, auch würden Neuigkeiten von zu Hause ihnen gut tun, diesen planetaren Chanur, die nicht zu Schiffsbesatzungen gehörten und die ein tiefes Verständnis für die Notwendigkeit hatten, Gärten zu bepflanzen.

Beim Stationskommando überzeugte sie sich noch davon, dass die Rau den Weg zurück auf ihr Schiff gefunden hatten, das ein anderer kleiner Frachter für sie hatte retten können.

Und dann gingen sie und Haral und Tirun den langen Weg zurück zur Stolz, sie alle heiser und erschöpft und, an den Grenzen ihrer Energie angelangt, einfach einen Fuß vor den anderen setzten. Pyanfar humpelte, stellte fest, dass sie sich irgendwie eine Kralle abgebrochen hatte; und sie dachte voller Sehnsucht an Bad und Bett und Frühstück beim Erwachen.

Aber auf der Stolz tat sie doch zuvor noch etwas; sie schaute ins Lazarett hinein und überzeugte sich vom Zustand derer, die sich in Gerans Gewahrsam befanden, stellte fest, dass Hilfy und Chur behaglich auf Feldbetten schliefen, die Seite an Seite in das kleine Abteil gezwängt worden waren, und dass Geran in einem Sessel neben der Tür vor sich hindöste.

Geran erwachte, als Pyanfars Schatten über ihr Gesicht führ, brummte mit verschwommenen Augen eine Entschuldigung. Pyanfar zuckte die Achseln. Tirun und Haral zeigten sich in der Tür und lehnten wie zwei abgemagerte Geister am Rahmen.

»Khym«, sagte Pyanfar, die ihn nicht entdecken konnte. »Feldbett im Waschraum«, sagte Geran. »Mit deiner Erlaubnis, Käpt‘n. Er wollte Hilfys Quartier nicht nehmen, obwohl sie versucht hatte, darauf zu bestehen.«

»Huch.« Sie drängte sich hinein, um Chur und Hilfy genauer in Augenschein zu nehmen, sah, dass ihre Gesichter entspannt waren und ihr Schlaf leicht, und ging wieder hinaus.

»Befehle?« fragte Haral mit erkennbarem Schrecken. »Schlaft!« sagte sie, und die Schwestern gingen recht glücklich ihres Weges.

Was sie selbst betraf, so ging sie durch den Korridor zum Waschraum und öffnete die Tür.

Khym war fast im Bett vergraben, steckte in einem Nest aus Decken auf einem behaglichen Feldbett. Ein Auge war verbunden. Das andere ging auf und schaute sie an, woraufhin er sich aufsetzte. Er war sauber, seine armen Ohren waren so gut es ging mit Plasma geflickt, die schrecklichen Kratzer auf Armen und Schultern behandelt. Ganze Stücke seines Pelzes fehlten, wo der Schorf gewesen war; Bart und Mähne wiesen Löcher auf, zweifellos dadurch entstanden, dass Verfilzungen hatten herausgeschnitten werden müssen.

»Besser?« fragte sie.

»Ker Geran hat genug Antibiotika in mich gespritzt; ich sollte eigentlich ewig leben.«

Trauriger Humor. Sie setzte sich ans Ende des Bettes, lehnte es wie Khym ab, ihr fröhliches Gesicht angesichts der Lage aufzugeben. Sie tätschelte sein Knie. »Ich habe gehört, dass du den Kif ganz schön Angst gemacht hast.«

Er zuckte die Achseln, wackelte missbilligend mit den Ohren. »Du hast einen Blick auf die Station werfen können«, sagte sie. »Was hältst du von ihr?«

Die Ohren richteten sich auf. »Sehenswert.«

»Ich zeige dir das Schiff, wenn wir beide etwas Schlaf gehabt haben.«

»Ich kann nicht hier oben bleiben, weißt du. Du wirst mir morgen eine Fähre nach unten besorgen müssen.«

»Warum kannst du nicht hier oben bleiben?«

Er gluckste überrascht. »Die Llun und andere werden es sagen, darum. Nicht viele Lords sind so tolerant wie Na Kohan.«

»Also ist die Station ihr Territorium. Na gut. Ich dachte, du würdest vielleicht daran denken, einmal in meinem zu bleiben. Auf der Stolz.«

»Götter, sie würden…«

»Was würden sie denn tun? Reden? Götter, Khym, wenn ich einen männlichen Außenseiter von einem Ende des Paktes zum anderen mitnehmen und heil wieder aus der ganzen Geschichte herauskommen kann, dann kann ich auch Getratsche verdammt gut überleben.

Chanur kann jetzt machen, was es will. Wir haben mit diesem Außenseiter einen Preis gewonnen, einen Kontakt, den ganz zu erforschen Jahrzehnte dauern wird. Ich kann mit Tully verhandeln und auch mit den Mahendo‘sat — eine ganz neue Art von Verhandlungen, Khym. Wer weiß schon — wenn du auf dem Schiff bleibst — wer sollte Fragen stellen, wenn wir nicht im Heimatterritorium sind? Was glaubst du, scheren sich die Mahendo‘sat um Hani- Gebräuche? Keinen Deut!«

»Na Kohan…«

»Was hat das mit Kohan zu tun? Du bist meine Angelegenheit, bist es immer gewesen. Er hat dich auf Chanur-Land geduldet, oder nicht? Wenn er das schon gemacht hat, wird es ihm noch weniger ausmachen, wenn du Lichtjahre entfernt auf einem Chanur-Schiff bist. Und was ich genau jetzt möchte — damit wird Kohan viel Geduld haben.«

Er lauschte mit aufgerichteten Ohren und fast zitternd. »So denkst du, nicht wahr?«

»Was hat die Welt unten dir schon zu bieten? Eine Freistätte? Huch. Glaubst du, auf einem Schiff verrückt zu werden? Unstabil? Schwierigkeiten mit der Besatzung zu haben?«

»Nein«, sagte er nach einem Moment. Und dann: »Oh, verflixt, Pyanfar, so etwas kannst du nicht machen.«

»Angst, Khym?«

Ohren fielen herab. »Nein. Aber ich mache mir Gedanken über dich. Ich weiß, was du zu tun versuchst. Aber du kannst nicht gegen das kämpfen, was ist. Zeit, Pyanfar. Wir werden alt. Die Jungen werden ihren Tag erleben. Du kannst nicht gegen die Zeit kämpfen.«

»Wir werden im Kampf gegen sie geboren.«

Einen Moment lang saß er schweigend da. Langsam hoben sich die Ohren wieder. »Eine Reise, wenn die Besatzung keine Einwände hat. Vielleicht eine.«

»Wir liegen noch ein Weilchen im Hafen, bis wir wieder repariert sind. Bis Einzelheiten der Navigation ausgearbeitet sind. Dann fliegen wir wieder hinaus. Eine lange Reise wird es diesmal.«

Er sah unter den Brauen hervor zu ihr auf.

»Es ist anders da draußen«, sagte sie. »Nicht die Wege der Hani oder überhaupt die irgendeiner Lebensform. Richtig und Falsch sind nicht wie hier. Die Einstellungen sind es nicht. Ich werde dir etwas erzählen.« Sie bog eine Kralle und stocherte nach ihm. »Die Hani unten auf der Welt wollen, dass ihre Häuser und ihre Wege nicht in Frage gestellt werden, das ist alles. Sie fragen nicht groß nach dem, was wir machen, solange die Waren eintreffen und nicht unverschämt viel kosten. Es ist ihnen auch egal, was wir machen, solange wir das Haus nicht erkennbar in Verlegenheit bringen. Kara wird empört sein — aber er wird auch damit leben, wenn die Stolz erst einmal um Lichtjahre aus den Augen und aus dem Sinn ist. Eine Mode könnte damit beginnen. Könnte.«

»Träumerin«, meinte Khym.

»Huch.« Sie stand auf, zuckte mit den Ohren und wartete, bis er sich wieder zurückgelegt hatte. Dann ging sie hinaus, schwankte dabei ein wenig und meinte, dass ihre Kraft etwa noch ausreichte, die eigene Kabine und das eigene Bad und das eigene Bett zu erreichen — in dieser Reihenfolge.

Tully kam und ging, bei seinen menschlichen Kameraden ebenso wie auf der Stolz. Zu Pyanfars Überraschung schnitt er sich nicht die Mähne und rasierte sich auch nicht den Bart, noch ging er in Menschenkleidern umher. Fußbekleidung zog er sich an, aber eine größere Veränderung fand nicht statt.

Um der Äußerlichkeiten willen, dachte sie; in Berücksichtigung ihres früheren Rates und der Meinung der Llun (und auch der Chanurs während jener kurzen Zeit, die sie auf dem Planeten zu Besuch waren, um Kohan eine Zeit zusammen mit seiner Lieblingstochter zu ermöglichen und einen Blick auf die Gäste, für die das Haus bürgte). Tully blühte auf — grinste und lachte und spazierte mit einer Spannkraft in seinem Schritt umher, die bei ihm sehr seltsam wirkte. Er brachte ein Trio ernst blickender Menschen von ihrem Schiff, um an Bord der Stolz Notizen zu machen — Goldzahn fügte seine eigenen Aufzeichnungen hinzu —, Fragen zu stellen und Daten auszutauschen, bis sie einige gemeinsame navigatorische Bezugspunkte gefunden hatten.

Sie runzelten argwöhnisch die Stirn, diese Menschen, aber sie hörten damit auf, als sie exakt herausfanden, wo ihre Heimat lag — ein Stück jenseits des Raums der Knnn und Kif.

»Haben sie dazwischen«, meinte Tully enthusiastisch und deutete auf die Karte, die die Territorien von Hani und Mahendo‘sat zeigte, deckte mit einer Hand die Hani-Mahendo‘sat- Seite ab und mit der anderen die menschliche Seite, mit den Kif hübsch ordentlich dazwischen. Langsam führte er die Hände zusammen, bis sie ineinander verschränkt waren.

»So.«

So, so, so, dachte Pyanfar, zog die Lippen zurück und runzelte fröhlich die Nase.

Zu gegebener Zeit ging Tully zu seinen Leuten zurück; ein letztes Schließen der Luken markierte die Abtrennung des Menschenschiffes von Gaohn. Odysseus lautete sein Name in der Menschensprache, der nach Tullys Erläuterung weite Reisen bedeutete. Fast fünfzig Menschen lebten darauf, aber ob sie miteinander verwandt waren oder nicht, konnte sie nicht bestimmen.

Sie bereiteten sich darauf vor abzufliegen. Sie ging über die Docks zurück zur Stolz, um den Menschen zu folgen — mit einer kleinen Fracht, keiner großen Masse, aber Gegenständen von Interesse für die Menschen. Vielleicht gab es am Ende der Reise eine Möglichkeit, Tully zu treffen, aber es würde wohl kaum wieder dasselbe sein. Er gehörte zu seinem eigenen Volk, das war es, und sie missgönnte es ihm nicht.

Sie hatte vor, Nutzen aus dieser Bekanntschaft zu ziehen, ihrem Kontakt zu Tully und dem Kapitän der Weite Reisen. Das traf natürlich auch auf Goldzahn zu mit seinem schlanken, starken, neu ausgerüsteten Schiff, das sie begleitete, während Jik Botschaften zurück nach Hause brachte, zweifellos zur ›Persönlichkeit‹, während die Mahendo‘sat gewiss schon fieberhaft eine Möglichkeit suchten, eine ehrbare Hani auf betrügerische Weise aus exklusiven Vereinbarungen auszuschließen.

Aber die Chancen in dieser Auseinandersetzung waren ausgeglichen.

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