8

Der menschliche Körper benötigt eine gewisse Reaktionszeit, aber Lackland handelte in dieser Lage fast augenblicklich. Er überlegte nicht lange, wann der Felsbrocken den Schlepper erreichen und zertrümmern würde, sondern schaltete den Antrieb ein, beschrieb eine enge Kurve, bei der die Ketten fast abgesprungen wären, und verließ den Kanal, durch den der Felsbrocken bergab donnerte. Dadurch entging er einer Gefahr, aber die Eingeborenen hatten mit dieser Ausweichbewegung gerechnet und ließen weitere Felsen in anderen Kanälen herabrollen. Lackland sah sich um, stellte fest, daß der freie Platz irgendwo Schutz vor den Projektilen bot, und fuhr kurz entschlossen in den nächsten Kanal ein.

Auch hier rollte ein Felsbrocken auf ihn zu; Barlennan hatte sogar den Eindruck, er sei größer als alle anderen. Der Mesklinit spannte bereits die Muskeln zum Sprung an und fragte sich, ob der Flieger den Verstand verloren haben konnte, als unmittelbar vor ihm ein Röhren ertönte, wie er es noch nie im Leben gehört hatte. Zum Glück reagierte er nicht mit einem Sprung, der ihn mehrere hundert Meter weit getragen hätte, sondern klammerte sich statt dessen mit aller Kraft auf dem Dach des Schleppers fest. Vierhundert Meter vor ihm, fünfzig Meter vor dem herabrasenden Felsbrocken, verschwand ein Teil des Kanals in einer Staubwolke, als die ersten Granaten detonierten.

Dann erreichte der Felsen die Staubwolke, und Lacklands Schnellfeuerkanone röhrte nochmals auf. Der Felsbrocken zersplitterte in unzählige Bruchstücke, die nicht mehr rollten, sondern weit vor dem Schlepper liegenblieben. Am oberen Ende des Kanals lagen weitere Felsen bereit, aber die Riesen schienen erkannt zu haben, daß der Schlepper sich auf diese Weise nicht zerstören ließ; die Felsbrocken blieben auf dem Hügel. Lackland vermutete, daß nun ein Angriff auf das Dach des Fahrzeugs folgen würde, denn die Eingeborenen waren ohne Zweifel imstande, das Dach ebenso leicht wie Barlennan zu erreichen und alles herunterzuholen – auch das Funkgerät; die Besatzung der Bree würde sie kaum daran hindern können. Barlennan war jedoch anderer Meinung, als Lackland davon sprach.

»Vielleicht versuchen sie es wirklich«, stimmte er zu, »aber wenn sie heraufklettern, schlagen wir vom Dach aus zu, und wenn sie springen, haben wir unsere Keulen. Ich bezweifle, daß sie einem Schlag ausweichen können, während sie durch die Luft segeln.«

»Aber wie willst du Angriffe aus verschiedenen Richtungen abwehren?«

»Ich bin nicht allein hier oben«, erklärte ihm der Mesklinit.

Lackland konnte das Dach des Schleppers nur überblicken, wenn er den Kopf in die winzige Plastikkuppel über sich steckte, was nur möglich war, wenn er keinen Helm trug. Deshalb wußte er nicht, wie sich die kurze ›Schlacht‹ auf die Besatzungsmitglieder ausgewirkt hatte, die mit in die Stadt gekommen waren.

Diese Unglücklichen befanden sich in einer ähnlich erschreckenden Lage wie ihr Kommandant, als Lackland ihn damals auf den Schlepper gesetzt hatte. Sie sahen Felsbrocken – riesige Felsbrocken – auf sich zurollen, während sie selbst zwischen hohen Wällen eingeschlossen waren. An senkrechten Wänden hinaufzuklettern erschien ihnen unmöglich, obwohl die Saugnäpfe an ihren Füßen ihnen ausreichenden Halt geboten hätten; einfach einen Sprung zu machen, wie es ihr Kommandant schon oft demonstriert hatte, war ebenso schlimm – vielleicht sogar schlimmer. Es war jedoch körperlich unmöglich, und wo der Verstand zu keiner Reaktion fähig war, taten die Körper automatisch das Richtige.

Alle Besatzungsmitglieder bis auf zwei sprangen also auf den Schlepper; einer der beiden anderen kletterte rasch und gewandt an der Außenmauer des nächsten ›Hauses‹ empor. Der zweite war Hars, der Barlennan vor der drohenden Gefahr gewarnt hatte. Da er sichtlich kräftiger und größer als seine Artgenossen war, erschrak er vielleicht weniger – oder seine Akrophobie war ausgeprägter als die der anderen. Jedenfalls befand er sich noch immer auf der Kanalsohle, als ein Felsbrocken von der Größe eines Basketballs über die Stelle hinwegrollte, an der er sich aufhielt. Der Felsen hätte ebenso gut gegen einen Gummiklotz prallen können, denn der harte Schutzpanzer des Meskliniten war unglaublich zäh und trotzdem elastisch, so daß der Felsbrocken zehn Meter hoch über den Wall des nächsten Kanals flog und dort von einer Wand zur anderen bergauf ratterte, bis seine Bewegungsenergie erschöpft war. Als er endlich langsamer nach unten rollte und den freien Platz erreichte, befand sich Hars als einziger dort. Die übrigen Besatzungsmi tglieder hatten entweder das Dach des Schleppers erreicht oder befanden sich auf dem Weg dorthin; selbst der Kletterer war im Begriff, sich dort in Sicherheit zu bringen.

Obwohl Hars nach irdischen Maßstäben unwahrscheinlich zäh und widerstandsfähig war, hatte er den Aufprall nicht völlig unverletzt überstanden.

Da er keine Lungen besaß, rang er jetzt nicht nach Atem, aber sein ganzer Körper schmerzte, und er wußte zunächst gar nicht, wo er sich befand und was geschehen war. Mehrere Minuten vergingen, bevor er eine bewußte Anstrengung unternehmen konnte, dem Schlepper zu folgen; weshalb er in dieser Zeit nicht angegriffen wurde, konnten weder Lackland noch Barlennan noch Hars selbst erklären, als sie später darüber sprachen. Der Flieger vertrat die Auffassung, die Eingeborenen seien zu erschrocken gewesen, um Hars zu überfallen, nachdem er sich nach diesem Aufprall noch bewegen konnte; Barlennan, der ihre Reaktionen vielleicht besser abschätzen konnte, war der Meinung, sie seien mehr daran interessiert gewesen, Beute zu machen, als Hars zu töten. Jedenfalls erhielt Hars Gelegenheit, sich wieder zu erholen und zu den anderen aufzuschließen. Dann hörte auch Lackland, was sich hinter seinem Rücken ereignet hatte, und bremste sofort. Als Hars schließlich herangekommen war, mußten zwei seiner Kameraden zu Boden springen und ihn wie einen Sack auf das Dach des Schleppers werfen, wo ihm die anderen Erste Hilfe leisteten.

Das Dach war nun so überfüllt, daß einige Passagiere gefährlich dicht am Rand hockten, wo ihre neugewonnene Unempfindlichkeit Höhen gegenüber auf eine harte Probe gestellt wurde. Aber Lackland kümmerte sich nicht weiter darum, sondern fuhr durch den nächsten Kanal bergauf. Er hatte Barlennan und seine Leute davor gewarnt, in die Nähe der Kanonenmündung zu kommen und behielt den Finger am Abzug; aber auf dem Hügelrücken vor ihnen blieb alles ruhig, und die Felsen bewegten sich nicht. Offenbar waren die Eingeborenen, die sie ins Rollen gebracht hatten, in die unterirdischen Gänge zurückgekehrt, die von den Hügeln aus in die Stadt führen mußten.

Der Schlepper befand sich nicht im gleichen Kanal wie zuvor, so daß sie nicht direkt auf die Bree stießen; aber der Schlitten mit dem Schiff wurde rechts von ihnen sichtbar, bevor sie den Kanal ganz verlassen hatten, da das Dach über die niedrigen Trennwände hinausragte. Die zurückgebliebenen Besatzungsmitglieder standen nebeneinander auf den äußeren Flößen und starrten besorgt in die Stadt hinunter.

Der Schlepper erreichte den Schlitten, wendete und wurde ohne weitere Zwischenfälle durch das Zugseil mit ihm verbunden. Lackland steuerte den nächsten Hügel an und überlegte sich dabei, daß die Riesen die Wirksamkeit seiner Kanonen überschätzt haben mußten; ein Angriff aus nächster Entfernung wäre sicher erfolgreich gewesen, denn so nahe an der Bree und ihrer Besatzung hätte er weder Brand- noch Sprenggranaten einsetzen dürfen.

Lackland faßte widerstrebend den Entschluß, bis zum Ende der Fahrt keine weiteren Umwege oder Ausflüge mehr zu machen. Barlennan war ebenfalls damit einverstanden – allerdings mit gewissen Vorbehalten, die er Lackland gegenüber nicht erwähnte. Während der Flieger schlief, würde er sich jedenfalls nicht davon abhalten lassen, seine Leute auf Erkundung auszuschicken.

Nachdem die greifbaren Ergebnisse dieses Abstechers an Bord der Bree geschafft worden waren, startete Lackland den Schlepper und fuhr einige Tage und Nächte lang durch, bevor er sich mit Toorey in Verbindung setzte. Er ließ Rostens Donnerwetter geduldig über sich ergehen, als der Direktor hörte, was er in der Stadt der Riesen erlebt hatte, und brachte ihn wie zuvor mit dem Hinweis zum Schweigen, daß nun zehn Behälter mit verschiedenen Pflanzenarten abholbereit stünden, die Barlennans Leute gefüllt hatten, während Lackland schlief.

Bis die Rakete weit vor dem Schlepper gelandet war, um die Nerven der Meskliniten zu schonen, vergingen einige Tage; dann dauerte es wieder einige Zeit, bis der Schlepper die Pflanzen übergeben und sich weit genug entfernt hatte, um außer Reichweite der Flammensäule des Triebwerks zu sein. Hier und dort wurden Hügel sichtbar, auf denen große Felsbrocken aufgereiht standen, aber der Schleppzug machte jeweils einen weiten Umweg, und die Riesen ließen sich nicht außerhalb ihrer Städte blicken.

Diese Tatsache beunruhigte Lackland, der sich nicht vorstellen konnte, wie und woher sie sich Nahrungsmittel beschafften. Während er den Schlepper durch die eintönige Landschaft lenkte, hatte er genügend Zeit, mehrere Theorien darüber aufzustellen. Er legte sie Barlennan zur Begutachtung vor, aber der Mesklinit zeigte kein großes Interesse dafür und schien nicht zu verstehen, weshalb Lackland sich wegen dieses belanglosen Problems den Kopf zerbrach.

Lackland gab sich jedoch nicht so rasch zufrieden und hatte schließlich eine Idee, die ihn mehr als alle anderen beunruhigte. Er hatte sich überlegt, weshalb die Riesen ihre Städte auf so merkwürdige Weise errichteten. Sie konnten schließlich nicht gut auf das Erscheinen des Schleppers oder der Bree gewartet haben. Andererseits schienen die Bauwerke nicht zur Abwehr von Überfällen geeignet zu sein, denn die Bewohner anderer Städte waren mit diesem System offensichtlich ebenfalls vertraut und würden sich hüten, in die Falle zu gehen.

Aber es gab vielleicht doch einen möglichen Grund. Lackland war sich darüber im klaren, daß seine Hypothese auf sehr schwachen Füßen stand – aber sie erklärte zumindest drei Tatsachen: die seltsame Architektur der Städte, die zurückgezogene Lebensweise der Stadtbewohner und das Fehlen jeglicher landwirtschaftlich genutzter Flächen in der Umgebung der Städte. Da Lackland seinen eigenen Argumenten nicht recht traute, erwähnte er Barlennan gegenüber nichts von dieser Theorie, die zum Beispiel keine Erklärung dafür bot, daß sie bisher unbelästigt geblieben waren – falls Lacklands Hypothese zutraf, hätten sie bisher schon wesentlich öfter die Schnellfeuerkanone einsetzen müssen. Lackland schwieg also, hielt aber die Augen offen und war keineswegs überrascht, als dreihundert Meter von der ersten Stadt entfernt plötzlich eintraf, was er längst befürchtet hatte. Weit vor dem Schleppzug richtete sich ein kleiner Hügel auf zahlreichen stämmigen Beinen auf, reckte einen fünf Meter langen Hals in die Höhe und starrte das fremde Ding aus einem halben Dutzend Augen an, bevor es sich langsam in Bewegung setzte und auf den Schlepper zutrottete.

Barlennan saß ausnahmsweise nicht auf dem Dach über Lackland, nahm aber seinen Platz sofort ein, als der Flieger ihn rief. Lackland hatte angehalten, so daß sie voraussichtlich mehrere Minuten zur Verfügung hatten, in denen sie überlegen konnten, was zu tun war, bevor das Ungetüm den Schlepper erreichen konnte.

»Barl, ich gehe jede Wette ein, daß du noch nie ein so großes Landtier gesehen hast«, sagte Lackland. »Mit diesem Körpergewicht kann es nur in Äquatornähe leben.«

»Du hast recht, Charles«, bestätigte der Kommandant. »Ich wußte nicht einmal, daß es irgendwo auf Mesklin solche Ungeheuer gibt; deshalb kann ich auch nicht beurteilen, ob es gefährlich oder harmlos ist. Allerdings habe ich keine rechte Lust, diese Frage gleich hier zu beantworten. Andererseits könnten wir das Fleisch brauchen – vielleicht…«

»Falls du nicht weißt, ob es Fleisch oder Pflanzen frißt, tippe ich auf Fleischfresser«, unterbrach Lackland ihn. »Es müßte schon ein merkwürdiger Pflanzenfresser sein, der sofort auf den Schlepper zutrabt, der doch immerhin größer als er selbst ist – es sei denn, er hielte die Maschine für ein Weibchen seiner Art, was ich aber sehr bezweifle. Außerdem bin ich der Meinung, daß ein großer Fleischfresser die beste Erklärung für die Tatsache ist, daß die Riesen ihre Städte nie verlassen und sie als wirksame Fallen angelegt haben. Vermutlich locken sie die Tiere an, die auf den Hügeln auftauchen, indem sie sich ihnen zeigen, und lassen dann die Felsen herabrollen, mit denen sie fast den Schlepper zerstört hätten. Auf diese Art und Weise bekommen sie ihr Fleisch frei Haus geliefert.«

»Das klingt alles recht logisch, aber im Augenblick haben wir andere Sorgen«, erwiderte Barlennan ungeduldig. »Was sollen wir mit diesem Ungetüm anfangen? Deine Kanone, die den Felsen zertrümmert hat, würde bestimmt auch für unseren Freund dort vorn genügen – aber dann bleibt vermutlich nicht viel Fleisch übrig; machen wir uns andererseits mit unseren Netzen auf die Jagd, stehen wir vor der Mündung, so daß du uns nicht helfen kannst, wenn die Sache gefährlich wird.«

»Soll das heißen, daß ihr diesen Brocken mit euren Netzen fangen wollt?« erkundigte Lackland sich verblüfft.

»Selbstverständlich. Die Netze würden auch halten, wenn wir das Tier irgendwie darin verwickeln könnten. Leider hat es so dicke Beine, daß die Maschen nicht weit genug sind, so daß wir unsere übliche Methode, Tiere auf diese Weise zu Fall zu bringen, abändern müßten. Am besten wäre es vielleicht, die Netze über den ganzen Körper zu werfen und dann festzuziehen.«

»Hast du dir schon überlegt, wie sich das machen ließe?« fragte Lackland.

»Nein – und wir hätten auch gar keine Zeit dazu; das Tier ist in zwei oder drei Minuten hier.«

»Wenn du schnell zu Boden springst und den Schlitten abhängst, kann ich seitlich ausweichen und das Tier eine Weile ablenken. Falls ihr euch entschließt, es mit ihm aufzunehmen, warne ich euch rechtzeitig, bevor ich die Kanone benütze.«

Barlennan war sofort damit einverstanden, sprang vom Dach des Schleppers und klinkte das Zugseil aus. Dann gab er Lackland das vereinbarte Zeichen, erreichte mit einem Satz das Deck der Bree und erläuterte der Besatzung die neue Lage. Diese Erklärung war im Grunde genommen überflüssig, denn der Flieger lenkte den Schlepper bereits nach rechts von dem Schlitten fort. Die Besatzung verfolgte interessiert, gespannt, neugierig, aber ohne Angst zu zeigen, wie Tier und Maschine sich einander langsam näherten.

Das Tier blieb zunächst stehen, als der Schlepper nach vorn rollte. Sein Kopf sank tiefer, bis er nur noch einen Meter weit vom Boden entfernt war, und der lange Hals bewegte sich von einer Seite zur anderen, während die sechs Augen das seltsame Ding aufmerksam betrachteten. Das Ungetüm achtete nicht mehr auf die Bree; entweder erkannte es die kleinen Lebewesen auf Deck gar nicht oder hielt den Schlepper für wichtiger. Als Lackland einen weiten Bogen beschrieb, veränderte es seine Stellung ebenfalls und wandte ihm wieder die Vorderseite zu. Lackland überlegte bereits, ob er es noch weiter in die entgegengesetzte Richtung locken sollte, so daß die Bree genau hinter ihm lag; dann fiel ihm jedoch ein, daß das Schiff sich nicht in der Schußlinie befinden durfte, falls er die Kanone einsetzen mußte. Deshalb bremste er, als der Schlitten sich rechts des Ungetüms befand, denn von dieser Stelle aus konnte er beobachten, ob die Besatzung sich dem Tier näherte.

Er bewegte sich auf das Tier zu. Es hatte sich zu Boden gekauert, als er bremste, aber nun richtete es sich wieder auf und zog den Kopf schützend ein, bis er fast im Rumpf verschwand. Lackland hielt nochmals an, griff nach seiner Kamera und machte mehrere Aufnahmen; da das Tier offenbar nicht die Absicht hatte, ihn anzugreifen, blieb er stehen und betrachtete es eingehend.

Sein Körper war etwas größer als der eines Elefanten; auf der Erde hätte das Tier zwischen acht und zehn Tonnen gewogen. Dieses Gewicht war gleichmäßig auf zehn Beinpaare verteilt, die nicht sehr beweglich zu sein schienen. Lackland bezweifelte, daß das Tier sich schneller als bisher fortbewegen konnte.

Zwei oder drei Minuten später wurde das Ungeheuer unruhig; der Kopf ragte wieder etwas über den massiven Rumpf hinaus und schwankte von einer Seite zur anderen. Lackland wollte vermeiden, daß es auf die hilflos gestrandete Bree und ihre Besatzung aufmerksam wurde und fuhr deshalb einen Meter weiter; sein Gegenüber nahm prompt wieder die Schutzhaltung ein. Dieses Spiel wiederholte sich noch einige Male in immer kürzeren Zeitabständen. Dann ging die Sonne im Westen unter, und da Lackland nicht beurteilen konnte, ob das Tier bereit und imstande war, auch nachts anzugreifen, schaltete er alle Scheinwerfer des Fahrzeugs ein. Dadurch wollte er zumindest erreichen, daß das Ungeheuer geblendet und unsicher wurde.

Das Scheinwerferlicht war ihm offenbar unangenehm, denn es kniff die Augen zusammen, und Lackland sah, daß die großen Pupillen sich verengten. Dann stieß es ein lautes Zischen aus, wuchtete seinen schweren Körper vorwärts und schlug zu.

Lackland war völlig überrascht, denn er hatte nicht damit gerechnet, daß sein Gegner so nahe war – oder daß der Hals des Ungetüms so weit reichte.

Der aufgerissene Rachen mit den langen Fangzähnen wurde plötzlich neben Lackland sichtbar; dann knallte etwas aufs Kabinendach, und der dort mo ntierte Suchscheinwerfer erlosch. Lackland fuhr hastig rückwärts und rief dabei in sein Mikrophon: »Barl! Was ist mit euren Netzen? Wenn ihr nicht kommt, muß ich schießen!«

»Die Netze sind noch nicht klar, aber wenn du das Tier ein paar Meter weiter rückwärts lockst, werden wir auf andere Weise mit ihm fertig«, antwortete Barlennan.

»Einverstanden.« Lackland konnte sich nicht vorstellen, woraus diese andere Methode bestehen sollte und glaubte nicht recht an ihren Erfolg; aber solange der Kommandant nur verlangte, er solle nach rückwärts ausweichen, wollte er nicht ungefällig sein. Er dachte nicht im Traum daran, daß Barlennans Waffe dem Schlepper gefährlich werden könnte, und der Kommandant sah ebenfalls keine Gefahr, als er jetzt den Befehl gab, die Flammentanks zu entleeren.

Der Wind stand günstig, und die glühende Wolke hüllte die beiden Gegner ein, bevor sie ausweichen konnten. Lackland gebrauchte einige Ausdrücke, die er Barlennan bisher noch nicht gelehrt hatte, während er den Rückwärtsgang einlegte und darauf hoffte, daß die Quarzfenster des Schleppers diese Temperatur aushaken würden. Im Scheinwerferlicht sah er, daß das Tier langsam zu Boden sank, nachdem die Flamme erloschen war; da er sich nicht vorstellen konnte, daß die Hitze allein tödlich gewesen war, vermutete er, daß bei der Verbrennung giftige Dämpfe entstanden, denen das Tier erlegen war. Die Besatzung der Bree sprang jetzt über Bord und machte sich sofort daran, das tote Ungetüm zu zerlegen.

»Barl, womit erzeugt ihr diese Flammenwolken?

Und ist dir nicht eingefallen, daß die Fenster des Schleppers in der Hitze springen könnten?« wollte Lackland wissen.

»Tut mir leid, Charles, aber ich hätte nie gedacht, daß deine Maschine dadurch beschädigt werden könnte«, antwortete der Kommandant. »In Zukunft sind wir vorsichtiger. Unsere Flammentanks werden mit Staub aus dem Mark bestimmter Pflanzen gefüllt; die Masse besteht aus großen Kristallen, die wir vorsichtig bei völliger Dunkelheit pulverisieren.«

Lackland nickte langsam und kombinierte, was er gehört und gesehen hatte: lichtempfindlich… in Wasserstoff als weißer Staub auftretend… schwarze Flecke im Schnee… alles wies in die gleiche Richtung. Chlor war bei den hier herrschenden Außentemperaturen ein fester Stoff, der sich mit Wasserstoff zu Wasserstoffchlorid verbinden mußte, und Wasserstoffchlorid trat als feiner Staub auf; Methanschnee gab ebenfalls Wasserstoff ab, so daß Kohlenstoff auf dem Boden zurückblieb. Eine interessante Reaktion! Lackland überlegte bereits, ob er Rosten davon erzählen sollte – aber vielleicht hob er sich diese Mitteilung für später auf, wenn Rosten wieder einmal in schlechter Laune war.

»Tut mir wirklich leid, daß ich deinen Schlepper gefährdet habe.« Barlennan schien selbst erschrocken zu sein. »Vielleicht schießt du in Zukunft doch lieber gleich mit deiner Kanone. Oder könnten wir lernen, wie sie bedient wird? Ist sie wie die Funkgeräte für unsere Verhältnisse umgebaut worden?« Der Kommandant fragte sich, ob er diesmal zu weit gegangen sei, aber Lacklands Reaktion bestand nur aus einem leisen Lachern, das Barlennan weder sehen noch deuten konnte.

»Nein, die Kanone ist nicht umgebaut worden, Barl. Sie funktioniert hier ganz gut, aber ich fürchte, daß du zu Hause nicht viel mit ihr anfangen könntest.« Lackland benützte seinen Rechenschieber und fügte hinzu: »Dort würde die größte Reichweite etwa fünfzig Meter betragen.«

Barlennan schwieg enttäuscht. Die Besatzung verbrachte die nächsten Tage damit, das tote Ungeheuer zu zerlegen. Lackland behielt den mächtigen Schädel, um Rosten damit notfalls beruhigen zu können, und der Schleppzug setzte seine Fahrt fort.

Das Land wurde hügeliger, je weiter sie nach Osten vordrangen, und der Fluß, dessen Oberlauf sie jetzt folgten, spaltete sich in zahlreiche Bäche auf.

Zwei dieser kleineren Nebenflüsse waren so breit, daß der Schlitten sie nicht überbrücken konnte; die Bree mußte am Ufer zurückbleiben, während Lackland mit Schlepper und Schlitten das Flußbett unter der Oberfläche durchquerte, und wurde erst dann nachgezogen. In den letzten Tagen waren die Bäche jedoch so schmal geworden, daß der Schleppzug nicht mehr aufgehalten wurde.

Als sie sich bereits neunzehnhundert Kilometer vom Liegeplatz der Bree und etwa fünfhundert Kilometer südlich des Äquators befanden, wo Lackland unter der erhöhten Schwerkraft litt, begannen die Bäche und Flüsse entschieden in die Richtung zu fließen, in der ihr Ziel lag. Lackland und Barlennan warteten noch einige Tage, bevor sie davon sprachen, weil sie der Besatzung eine Enttäuschung ersparen wollten, aber dann war endlich kein Zweifel mehr möglich – sie hatten den höchsten Punkt des Gebirges überschritten und mußten früher oder später auf das Meer im Osten stoßen. Die Stimmung der Besatzung, die nie ausgesprochen schlecht gewesen war, besserte sich sichtlich, und einige Meskliniten richteten sich auf dem Dach des Schleppers häuslich ein, um nur ja die ersten zu sein, die das Meer entdeckten, wenn das Fahrzeug über den nächsten Hügel rollte. Selbst Lackland, der in den letzten Tagen wortkarg und mürrisch gewesen war, weil ihm die höhere Schwerkraft ernstlich zu schaffen machte, war wieder bester Laune; da seine Erleichterung jedoch am größten gewesen war, bedeutete es logischerweise eine ebenso große Enttäuschung für ihn, als sie am nächsten Tag plötzlich einen Felsabsturz erreichten: eine zwanzig Meter hohe Felswand, die fast senkrecht abfallend im rechten Winkel zu ihrer Fahrtrichtung verlief, so weit das Auge reichte.

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