4. Kapitel

Etwa zwanzig Minuten lang wurde schweigend gearbeitet, obwohl die Operation selbst eigentlich keine sonderlich hohe Konzentration erforderte. Es war fast so, als würde man in einem Garten Unkraut jäten, nur daß alles, was wuchs, Unkraut war und Pflanze für Pflanze samt Wurzel herausgerissen werden mußte. Conway schälte die befallenen Hautpartien ab, und unter Anleitung des Tralthaners untersuchte der OTSB mit seinen haardünnen Tentakeln die Stellen noch einmal genauer und entfernte dann eventuell noch vorhandene Wurzelfasern, während Conway schon woanders weitermachte. Innerlich hatte sich Conway bereits auf die zugleich langwierigste und langweiligste Operation seiner Karriere eingestellt.

„Ich empfinde zunehmende Angstgefühle, verbunden mit gesteigerter Entschlußkraft“, bemerkte Prilicla plötzlich. „Die Angst wird immer stärker.“

Als einziger Kommentar dazu fiel Conway nur ein kopfschüttelndes Grunzen ein.

Fünf Minuten später meldete sich der Tralthaner zu Wort:

„Wir müssen langsamer vorgehen, Doktor. Wir sind jetzt an einer Stelle, wo die Wurzelfasern sehr viel tiefer gehen.“

„Oje, ich kann die Wurzeln schon mit meinen eigenen Augen sehen!“ sagte Conway etwas später. „Wie tief sitzen sie jetzt?“

„Etwa zehn Zentimeter“, antwortete der Tralthaner. „Und noch etwas Doktor, während wir arbeiten, graben sie sich vor unseren Augen immer tiefer ein.“

„Aber das ist doch unmöglich!“ fluchte Conway. „Wir sollten uns sofort eine andere Stelle ansehen.“

Er spürte, wie ihm Schweißperlen auf die Stirn traten und Priliclas schlaksiger und feingliedriger Körper direkt neben ihm leicht zu zittern begann. Das lag aber nicht an den emotionalen Ausstrahlungen des Patienten, sondern allein an Conways Unbehaglichkeitsgefühl, das ebenso auf den Empathen zusehends stärker übertragen wurde — die neue und zwei andere, zufällig ausgesuchte Hautstellen wiesen dasselbe Phänomen auf: Die Wurzelfasern der sich abschälenden Hautpartien gruben sich zusehends immer tiefer ein.

„Sofort aufhören!“ befahl Conway entsetzt.

Eine ganze Weile sagte niemand etwas. Prilicla zitterte, als würde ein Orkan durch den Raum fegen. Der Tralthaner hantierte verlegen an den Kontrollgeräten herum, wobei er seine vier Augen auf einen völlig unwichtigen Regler gerichtet hatte. O’Mara beobachte Conway genau, und sein abwägender Blick schien sogar ein wenig von Mitleid geprägt zu sein. Mitleid empfand er, weil er erkennen konnte, wann jemand ernsthaft in der Klemme saß, und abwägend schaute er, weil er herausfinden wollte, ob das aktuelle Problem auf Conways Kappe ging oder nicht.

„Was ist passiert, Doktor?“ fragte er schließlich mit ruhiger Stimme.

Conway schüttelte wütend den Kopf. „Das weiß ich auch nicht. Gestern hat der Patient nicht auf die medikamentöse Behandlung angesprochen, und heute widersetzt er sich der Operation. Auf alles, was wir mit ihm anzustellen versuchen, reagiert er völlig abwegig. Das ist doch verrückt! Unser Versuch, seine erkrankten Hautpartien durch einen operativen Eingriff zu entfernen, hat bei ihm irgendeine Reaktion ausgelöst, wodurch die Wurzeln mittlerweile so tief nach innen wachsen, daß sie lebenswichtige Organe durchdringen werden, jedenfalls dann, wenn sich ihr gegenwärtiges Wachstumsverhalten nicht innerhalb der nächsten Minuten entscheidend verändert. Und was das heißt, können Sie sich ja vorstellen.“

„Das Angstempfinden des Patienten läßt allmählich nach“, warf Prilicla ein. „Seine Entschlußkraft hingegen ist nach wie vor stark ausgeprägt.“

Jetzt schaltete sich auch der Tralthaner ein. „Mir ist an diesen rankenähnlichen Wurzelfasern, durch die die Haut mit dem Körper verbunden ist, etwas aufgefallen. Wie Sie wissen, hat mein OTSB extrem empfindliche Sehorgane, und er hat mir gerade zu verstehen gegeben, daß diese Ranken an beiden Enden verwurzelt zu sein scheinen. Deshalb ist es unmöglich zu sagen, ob das Wachstum den Körper angreift oder der Körper dieses Wachstum absichtlich beibehält.“

Conway schüttelte gereizt den Kopf. Dieser Fall war voll von widersinnigen Widersprüchen und völlig unerklärlichen Ungereimtheiten. Erstens hätte kein Patient in der Lage sein dürfen — ganz unabhängig vom Grad seiner geistigen Verwirrung —, sich binnen weniger Minuten gegen die Wirkung eines Medikaments zu wehren, das normalerweise stark genug gewesen wäre, die Krankheit innerhalb einer halben Stunde völlig zu heilen. Zweitens wäre es normal gewesen, wenn der EPLH, wie jedes andere Wesen auch, seine erkrankten Hautpartien abgestoßen hätte, die dann vom Körper auf natürlichem Wege durch neues Gewebe ersetzt worden wären, anstatt sie unter allen Umständen behalten zu wollen. Der ganze Fall schien nicht nur rätselhaft, sondern schier hoffnungslos zu sein.

Dabei hatte es bei Einlieferung des Patienten nach einem ganz normalen Routinefall ausgesehen. Conway hatte sich weit mehr Sorgen um die Vorgeschichte des Patienten gemacht als um dessen Krankheit, deren erfolgreiche Behandlung ihm damals noch selbstverständlich erschienen war. Aber seither mußte er irgend etwas übersehen haben, dessen war er sich jetzt sicher, und wegen dieser Unterlassungssünde würde der Patient wahrscheinlich innerhalb der nächsten Stunden sterben. Vielleicht war er zu überzeugt von sich gewesen und hatte eine voreilige Diagnose gestellt, was bedeuten würde, daß er seine Sorgfaltspflicht auf fast kriminelle Weise vernachlässigt hätte.

Es war immer furchtbar, einem Patienten nicht mehr helfen zu können, und im Orbit Hospital war der Verlust eines Patienten etwas höchst Seltenes. Aber jemanden zu verlieren, dessen Krankheitszustand in der gesamten zivilisierten Galaxis von niemandem als ernst erachtet worden wäre. Conway fluchte laut, verstummte dann aber, weil ihm schlichtweg die Worte fehlten, die seinem derzeitigen Gemütszustand gerecht geworden wären.

„Ruhig Blut, mein Junge“, tröstete ihn O’Mara mit väterlicher Stimme und drückte Conway am Arm.

Normalerweise war O’Mara ein griesgrämiger, laut polternder und unnahbarer Tyrann, der, wenn man ihn um Hilfe bat, sich erst einmal hinsetzte und lediglich abfällige Bemerkungen vom Stapel ließ, während sich die betroffene Person, vor Scham errötet, verlegen hin und her wand, bis sie es schließlich vorzuziehen pflegte, das betreffende Problem lieber selbst zu lösen. Dieses gegenwärtige untypische Verhalten des Chefpsychologen war nur der Beweis für das, was Conway zu seiner eigenen Enttäuschung eh vermutete — es bewies, daß er, Conway, vor einem Problem stand, das er allein nicht lösen konnte.

Aber O’Maras Gesichtsausdruck verriet mehr als nur Sorge um ihn — wahrscheinlich war er insgeheim sogar ein wenig froh darüber, daß sich die Dinge so entwickelt hatten, was nach Conways Dafürhalten allerdings überhaupt nichts über den Charakter O’Maras aussagte. Denn er wußte, daß der Major, wäre er in seiner Lage gewesen, auch alles getan hätte, den Patienten zu heilen, und sich über das fruchtlose Ergebnis genauso geärgert hätte. Vielmehr schien sich der Chefpsychologe voller Verzweiflung zu fragen, welche Gefahren dem Orbit Hospital drohen könnten, wenn das geistig verwirrte Wesen, das offenbar große und bislang unbekannte Kräfte besaß, sich befreien würde. Außerdem stellte sich O’Mara möglicherweise die Frage, ob er neben einem gesunden EPLH mit klarem Verstand nicht sogar wie ein dummer kleiner Junge aussehen könnte.

„Wir sollten versuchen, noch einmal alles ganz von vorne zu überdenken“, unterbrach O’Mara Conways Gedankengang. „Sind Sie beim Studium der Vorgeschichte des Patienten auf irgend etwas gestoßen, das darauf hinweisen könnte, warum er sich praktisch selbst vernichten möchte?“

„Nein!“ antwortete Conway mit Nachdruck. „Ganz im Gegenteil! Er hängt verzweifelt am Leben und hat sich völlig wahllos mehrerer Verjüngungskuren unterzogen. Und das heißt, daß sämtliche Körperzellen regelmäßig durch neue ersetzt wurden, und da nun einmal sämtliches Wissen in den Gehirnzellen gespeichert wird, wurde es durch jede dieser Kuren jedesmal komplett gelöscht.“

„Ach, deshalb haben diese Logbuchaufzeichnungen fast nur technische Angaben enthalten — sie sollten ihm nach einer solchen Kur zur eigenen Orientierung dienen“, warf O’Mara ein. „Dennoch ziehe ich unsere Verjüngungsmethoden vor, wobei nur unheilbar erkrankte Organe regeneriert werden und das Gehirn unberührt bleibt, auch wenn wir nicht so lange leben werden.“

„Ich weiß, ich weiß“, unterbrach ihn Conway ungeduldig, und er fragte sich, warum der sonst so wortkarge O’Mara plötzlich so gesprächig geworden war. Wollte er das Problem vereinfachen und ihn dazu bringen, ärztliche Fachausdrücke zu vermeiden? „Wie Sie selbst wissen, rufen solche wiederholt angewandten Verjüngungskuren bei der betreffenden Person eine verstärkte Angst vor dem Tod hervor. Unabhängig von der Einsamkeit, der Langeweile und seiner generell unnatürlichen Existenz nimmt diese Angst im Laufe der Zeit immer mehr zu. Deshalb ist unser Patient auch stets in Begleitung eines Leibarztes gereist. Er hat schreckliche Angst, zwischen solchen Kuren von Krankheiten oder Unfällen heimgesucht zu werden. Darum kann ich auch in einem gewissen Maß seine Gefühle nachempfinden, die er hatte, als der Arzt, der sich um seine Gesundheit zu kümmern hatte, zuließ, daß er krank wurde. Ihn deshalb allerdings gleich auf die Speisekarte zu setzen.“

„Aha, also stehen Sie bereits auf seiner Seite, nicht wahr?“ fragte O’Mara argwöhnisch.

„Nun, er könnte sicherlich auf Notwehr plädieren“, antwortete Conway. „Aber ich hab ja bereits gesagt, daß er furchtbare Angst vor dem Tod hatte, so daß er ständig auf der Suche nach einem besseren und tüchtigeren Arzt für sich war. Ach, du meine Güte!“

„Was heißt hier: Ach, du meine Güte?“, frage O’Mara nervös.

Dr. Prilicla, dieser hypersensible Empath, antwortete für Conway. „Der Doktor hat gerade eine Idee gehabt.“

„Und was für eine, Sie kleiner Pfiffikus? Sie brauchen gar nicht so geheimnisvoll zu tun, Conway.!“ O’Maras Stimme hatte jetzt den gütigen väterlichen Tonfall verloren, und der Blick des Chefpsychologen verriet, daß er heilfroh war, nicht mehr länger rücksichtsvoll sein zu müssen. „Also raus mit der Sprache, was ist nun mit dem Patienten?“

Obwohl er sich seiner Sache nicht völlig sicher war, empfand Conway doch aufgeregte Freude und ein wenig Erleichterung. Ohne ein Wort zu sagen, begab er sich an den Kommunikator auf der anderen Seite des Raums, um einige höchst ungewöhnliche Geräte anzufordern. Dann vergewisserte er sich, daß der Patient auch wirklich fest angeschnallt war und praktisch keinen Muskel bewegen konnte.

„Ich vermute, daß der Patient vollkommen gesund ist, und meiner Meinung nach sind wir durch unsere eigenen psychologischen Mutmaßungen auf eine falsche Fährte geraten. Er muß irgend etwas gegessen haben, das diese Probleme bei ihm hervorruft.“

„Oje, ich hab doch die ganze Zeit gewußt, daß Sie irgendwann etwas in dieser Richtung behaupten würden!“ bemerkte O’Mara mit säuerlicher Miene.

Die Geräte wurden gebracht — ein langer, spitz zulaufender Holzstab und eine mechanische Vorrichtung, die den Stab in jedem gewünschten Winkel und mit regulierbarer Geschwindigkeit nach unten treiben konnte. Mit Hilfe des Tralthaners baute Conway das Gerät zusammen und stellte es in die richtige Position. Er hatte sich eine Stelle ausgesucht, wo sich einige lebenswichtige Organe des Patienten befanden, die jedoch von einer fast fünfzehn Zentimeter dicken Schicht aus Muskel- und Fettgewebe geschützt wurden. Schließlich setzte er den Mechanismus in Bewegung. Dabei berührte der spitze Holzstab bereits ganz knapp die Haut und wurde mit einer Geschwindigkeit von etwa fünf Zentimetern pro Stunde vorangetrieben.

„Was, zum Teufel, soll das?“ polterte O’Mara los. „Halten sie den Patienten etwa für einen Vampir?“

„Natürlich nicht“, antwortete Conway unbeeindruckt. „Ich verwende einen Holzstab, damit sich der Patient besser wehren kann. Oder glauben Sie etwa, gegen einen Stab aus Stahl hätte er mehr Chancen?“ Er nickte dem Tralthaner zu, und sie beobachteten gemeinsam die Stelle, an der der Stab in den Körper des EPLH eindrang. Prilicla berichtete fortwährend über die emotionale Ausstrahlung des Patienten, während O’Mara die ganze Zeit im Raum hin und her lief und dabei leise Verwünschungen vor sich hin grummelte.

Als die Stabspitze bereits einige Millimeter in das Gewebe eingedrungen war, bemerkte Conway die ersten Verhärtungen und das Zusammenziehen der oberen Hautschicht. Das Ganze spielte sich in einem Radius von etwa zehn Zentimetern um die von dem Holzstab herbeigeführte Wunde ab. Der Scanner zeigte, daß sich unter der Haut eine schwammartige, faserige Gewebeschicht von zunächst gut einem Zentimeter Tiefe bildete, die aber zusehends dicker und für den Scanner immer undurchsichtiger wurde. Innerhalb weniger Minuten war daraus eine harte Knochenplatte geworden. Der Stab begann sich stark zu biegen und war kurz davor, abzubrechen.

„Ich würde sagen, sämtliche Abwehrkräfte konzentrieren sich jetzt auf diesen einen Punkt“, stellte Conway mit Genugtuung fest, wobei er den triumphalen Unterton in seiner Stimme kaum verbergen konnte. „Also sollten wir den Stab lieber wieder herausziehen und die Hornplatte entfernen.“

Sofort schnitten Conway und der Tralthaner die neugebildete Knochenplatte heraus, die gleich darauf in einen steril versiegelten Behälter gelegt wurde. Danach präparierte Conway rasch eine Spritze mit demselben Mittel, das er dem Patienten bereits tags zuvor verabreicht hatte, und injizierte sie dem EPLH. Schließlich half er dem Tralthaner beim Schließen der Wunde; eine reine Routinearbeit, die kaum eine Viertelstunde beanspruchte. Als sie auch damit fertig waren, konnte kein Zweifel mehr bestehen, daß der Patient auf die Behandlung jetzt positiv ansprach.

Über die Gratulationen des Tralthaners und die bösen Beschimpfungen O’Maras hinweg — der Chefpsychologe wollte umgehend einige Fragen beantwortet haben —, sagte Prilicla: „Sie haben zwar eine Heilung bewirkt, Doktor, aber die Angst des Patienten hat sich inzwischen bedrohlich verstärkt, sie grenzt geradezu an Panik.“ Conway schüttelte grinsend den Kopf. „Der Patient steht noch immer unter starker Narkose und spürt überhaupt nichts. Ich gebe Ihnen allerdings insofern recht, daß sich sein Leibarzt.“ — er nickte zu dem sterilen Behälter hinüber — „. in diesem Augenblick ziemlich mies fühlen muß.“

In dem Behälter war die entnommene Knochenplatte allmählich wieder aufgeweicht und sonderte eine blaßrote Flüssigkeit ab, die auf den Boden des Gefäßes tröpfelte und dabei merkwürdige Muster bildete, als hätte sie einen eigenen Verstand. Was auch tatsächlich der Fall war.

Conway befand sich in O’Maras Büro und beendete seinen Bericht über den EPLH. Der Major verhielt sich währenddessen ausgesprochen wohlwollend, wobei er allerdings manchmal eine Wortwahl anwandte, die eine Unterscheidung zwischen Lob und Tadel kaum zuließ. Aber das war nun einmal O’Maras Art, wie Conway allmählich wußte — der Chefpsychologe benahm sich eigentlich nur dann taktvoll und empfand Verständnis für einen Fall, wenn er selbst beruflich darin verwickelt war. Er stellte noch immer Fragen, und auf die letzte antwortete Conway: „.eine intelligente amöboide Lebensform, eine organisierte Anhäufung submikroskopischer, virusähnlicher Zellen, dürfte der wirkungsvollste Arzt sein, den man sich überhaupt vorstellen kann. Er lebt im Körper des Patienten und kann, sobald er die notwendigen Informationen dazu hat, jede Krankheit oder organische Fehlfunktion von innen her untersuchen und behandeln. Für ein Wesen, das eine krankhafte Angst vor dem Tod hat, scheint das die ideale Lösung zu sein. Und so war es auch, denn die eigentlichen Probleme verursachte nicht der Leibarzt des Patienten, sondern sie entwickelten sich dadurch, daß der EPLH seinem eigenen physiologischen Werdegang keine Beachtung geschenkt hatte.

Meiner Ansicht nach hat sich der Patient in bezug auf seine eigentliche biologische Lebenserwartung bereits sehr früh solcher Verjüngungskuren unterzogen. Ich meine damit, daß er mit der Zellenerneuerung nicht abgewartet hat, bis er ein mittleres oder höheres Alters erreicht hatte. Bei der letzten Gelegenheit aber alterte er und zog sich diesen Zustand der Haut zu, weil er irgend etwas vergessen hatte, nachlässig gewesen war oder sich mit einem Problem beschäftigt hatte, dessen Lösung mehr Zeit als sonst erforderte. Laut Pathologiebericht handelt es sich dabei wahrscheinlich um eine für diese Spezies ganz normale Erkrankung, während deren Verlauf der EPLH ganz bewußt die befallenen Hautpartien einfach abstößt, um danach völlig beschwerdefrei weiterzuleben. Da die letzte Verjüngungskur bei unserem Patienten aber das Gedächtnis ausgelöscht hat, wußte er nichts mehr davon und sein Leibarzt natürlich auch nicht.

Dieser. ehm, nennen wir es einmal. ehm. Hausarzt wußte nur sehr wenig über die medizinische Vorgeschichte seines Patienten, aber sein Motto mußte lauten, den Status Quo unter allen Umständen aufrechtzuerhalten. Als einige Hautpartien des Patienten abzubröckeln drohten, mußte er das verhindern, weil ihm nicht klar war, daß es sich dabei um einen ganz natürlichen Vorgang handelte wie etwa ein normaler Haarverlust oder die periodische Häutung einiger Reptilien. Vor allem wird der EPLH darauf bestanden haben, daß es sich um krankhafte Veränderungen handelte. Zwischen den vermeintlichen körperlichen Zerfallsprozessen des Patienten und den Gegenmaßnahmen des Arztes muß es zu einem regelrechten Wettstreit gekommen sein, wobei der Verstand des EPLH zudem andauernd dazwischengefunkt hat. Deshalb hielt der Arzt seinen Patienten schließlich lieber bewußtlos, um in Ruhe das tun zu können, was er für richtig hielt.

Als wir das Mittel zum erstenmal getestet hatten, hat der Arzt es sofort neutralisiert. Für ihn handelte es sich um eine fremde Substanz, die in den Körper des Patienten eingeführt worden war. Und was passiert ist, als wir die Hautpartien operativ entfernen wollten, wissen Sie ja selbst. Erst als wir tiefliegende, lebenswichtige Organe mit dem Holzstab bedroht haben, wurde der Arzt gezwungen, seinen Patienten an dieser einen Stelle voll und ganz zu verteidigen.“

„Als Sie nach einem Holzstab verlangt haben, wollte ich Sie schon in eine Zwangsjacke stecken lassen“, bemerkte O’Mara kopfschüttelnd.

Conway lächelte und fuhr fort: „Ich möchte, daß der EPLH seinen Arzt zurückbekommt. Da ihm die Pathologie mittlerweile ein größeres Verständnis der medizinischen und physiologischen Vorgeschichte seines Patienten beigebracht hat, müßte er jetzt der ideale Leibarzt sein, und der EPLH ist sicherlich klug genug, das einzusehen.“

„Und ich hatte mir schon Sorgen gemacht, was er alles anstellen könnte, sobald er das Bewußtsein wiedererlangt hat. Nun, er hat sich ja als ein ausgesprochen freundlicher und sympathischer Zeitgenosse erwiesen. Ich finde ihn sogar regelrecht charmant.“

Conway stand auf und ging zur Tür. Bevor er den Raum verließ, sagte er über die Schulter hinweg: „Wahrscheinlich ist er auch deshalb ein so guter und erfolgreicher Psychologe. Er ist nämlich stets zu allen Leuten freundlich.“

Conway schaffte es noch gerade, die Tür hinter sich zu schließen, bevor O’Mara explodieren konnte.

Загрузка...