15. Kapitel

Als Ablösung traf schließlich Dr. Mannon in der Anmeldezentrale ein. Beim Anblick der Batterie von Bildschirmen und blinkenden Lämpchen stöhnte er zwar kläglich auf, übernahm dann jedoch ruhig die Leitung der Evakuierung. Conway hätte sich gar keine bessere Vertretung wünschen können. Er wandte sich gerade zum Gehen, als Mannon das Gesicht bis auf Handbreite an einen der Bildschirme heranschob und „Hmpf!“ sagte.

Conway blieb stehen. „Was ist denn los?“

„Nichts, nichts“, entgegnete Mannon, ohne sich umzudrehen. „Ich fange jetzt nur langsam an zu verstehen, warum Sie unbedingt nach unten wollen.“

„Aber ich hab Ihnen doch schon gesagt, warum!“ raunzte Conway ihn ungeduldig an. Er stapfte hinaus und dachte ärgerlich, daß Mannon sich zu einem Zeitpunkt mit unsinnigen Plaudereien abgab, wo jede Art überflüssigen Geredes geradezu kriminell war. Dann fragte er sich allerdings, ob der alternde Dr. Mannon vielleicht nur müde war oder ob ein besonders verwirrendes Physiologieband gerade in seinem Kopf sein Unwesen trieb. Auf einmal schämte er sich — zwar hatte es ihn vorhin nicht übermäßig gestört, Skempton oder den Nidianer in der Anmeldezentrale hin und wieder anzuschnauzen, aber er wollte jetzt nicht damit anfangen, auch noch seinen Freunden die Köpfe abzureißen. Selbst dann nicht, wenn er von Sorgen gequält und müde werden sollte, und das ganze Hospital zum Teufel gehen würde. Bald darauf war Conway wieder viel zu beschäftigt, um sich weiterhin vor sich selbst zu schämen.

Drei Stunden später schien sich das Durcheinander um ihn herum verdoppelt zu haben, obwohl in Wirklichkeit lediglich das Doppelte in der halben Zeit erledigt und geleistet wurde. Von seinem Standort bei einem der hochgelegenen Eingänge zur AUGL-Station konnte Conway auf eine Schlange ELNTs — sechsbeinige krabbenähnliche Wesen vom Melf IV — hinuntersehen, die über den Boden des großen Beckens krabbelten oder gezogen wurden. Anders als die von ihnen begleiteten amphibischen Patienten mußten die mit dickem Fell besetzten, Sauerstoff atmenden Kelgianer Druckhüllen tragen, in denen sie vor Hitze fast umkamen. Die zu Conway nach oben steigenden übersetzten Gesprächsfetzen waren dann auch flammende Verwünschungen, obwohl sie zwangsläufig emotionslos waren. Doch die Arbeit ging voran, und zwar viel schneller, als Conway jemals gehofft hatte.

Auf dem Korridor hinter ihm zog eine langsame Prozession von Illensanern vorbei, die den Wassertank bereits erfolgreich hinter sich gelassen hatte. Einige von ihnen trugen Schutzanzüge, die schwerer erkrankten PVSJs lagen hingegen in ihren von Druckzelten umschlossenen Betten. Terrestrische und kelgianische Schwestern begleiteten den Zug. Die Überführung ging jetzt also glatt über die Bühne, stellte Conway mit Erleichterung fest, zumal er sich noch vor einer halben Stunde gefragt hatte, ob die Evakuierung überhaupt jemals klappen würde.

Denn als die großen illensanischen Druckzelte eine halben Stunde zuvor schließlich bis zur wassergefüllten AUGL-Abteilung gelangt waren und von den Schwestern in den Korridor hineingeschoben wurden, waren sie im Wasser sofort wie riesige Chlorblasen emporgestiegen und hatten sich fest gegen die Decke gedrückt. Es war unmöglich, sie an der Korridordecke entlangzuziehen, weil man die dünnen Hüllen womöglich an den vorstehenden Rohren zerrissen hätte. Und es war natürlich äußerst unpraktisch, fünf oder sechs Schwestern zu nehmen, um die Betten auf den Boden zu drücken. Deshalb hatte Conway schließlich Elektrobahren aus der darüberliegenden Ebene geholt — Fahrzeuge, die zwar eigentlich nicht für den Unterwasserbetrieb vorgesehen sind, theoretisch aber trotzdem funktionieren mußten —, um die Patienten mit dem übermäßigen Auftrieb nicht nur am Boden zu halten, sondern sie gleichzeitig auch noch schnell fortbewegen zu können. Als man die Patienten mit ihren Druckzeltbetten dann aber auf diesen Gestellen befestigt hatte und in das Becken fuhr, platzte zu allem Überfluß auch noch ein Batteriegehäuse. Sofort bildete sich um das betreffende Gestell herum eine Wolke aus zischendem, brodelndem Wasser, das sich schnell schwarz färbte.

Conway hätte es nicht überrascht zu hören, daß der Patient auf diesem Gestell einen Rückfall erlitten hatte.

Doch schließlich löste er das Problem mit einem großartigen Geistesblitz — der ihm allerdings schon zwei Sekunden zuvor hätte kommen müssen, nachdem er das eigentliche Problem erkannt hatte, wie er sich selbst verärgert vorwarf. Er schaltete jedenfalls schnell die künstlichen Schwerkraftgitter im Korridor auf null Ge, und in der dadurch entstandenen Schwerelosigkeit verloren die Druckzelte natürlich ihren Auftrieb. Deshalb konnten die Schwestern nun zwar nicht mehr neben ihren Patienten einhergehen, sondern mußten vielmehr schwimmen, aber das war nun wahrhaftig kein großes Problem.

Während dieses PVSJ-Transports erfuhr Conway auch den Grund für Mannons „Hmpf!“ oben in der Anmeldezentrale — bei einer der an diesem Unternehmen beteiligten Schwestern handelte es sich nämlich um Murchison. Sie hatte ihn natürlich nicht bemerkt, doch er kannte nur eine Frau, die den leichten Schwesternanzug auf diese unnachahmliche Weise füllen konnte. Conway hatte jedoch noch nicht mit ihr gesprochen, dazu schien hier weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt zu sein.

Die Stunden verstrichen, ohne daß weitere größere Probleme auftauchten. Das kelgianische Hospitalschiff an Schleuse fünf war inzwischen zum Abflug bereit und wartete nur noch auf einige Mitglieder des Hospitalpersonals und auf ein Monitorschiff, das ihm bis zum Erreichen einer sicheren Eintauchdistanz in den Hyperraum Geleitschutz geben sollte. Unter einigen der mit diesem Schiff abfliegenden Wesen waren viele langjährige Freunde Conways, und deshalb entschloß er sich, die durch die momentane Ruheperiode gebotene Chance zu nutzen, um sich von ihnen wenigstens kurz zu verabschieden. Er setzte rasch Mannon von seiner Absicht in Kenntnis, und machte sich dann auf den Weg zu Schleuse fünf.

Doch als Conway schließlich dort angekommen war, hatte das kelgianische Schiff bereits abgelegt. Durch eine der großen Direktsichtluken hindurch sah er, wie es sich, dicht gefolgt von einem Monitorkreuzer, entfernte. Hinter den beiden Schiffen schwebte die Verteidigungsflotte des Monitorkorps in der undurchdringlichen Schwärze des Alls wie ein neu entstandenes Sternbild. Die Massierung der Einheiten um das Hospital herum verlief ganz nach Plan und hatte sichtlich zugenommen, seit Conway am Vortag einen Blick auf die Einheiten geworfen hatte. Der Anblick flößte ihm zwar kein bißchen Ehrfurcht ein, trotzdem eilte er mit einem Gefühl der Sicherheit zur AUGL-Abteilung zurück.

Als er dort ankam, war der Korridor durch eine sich immer weiter ausdehnende Kugel aus Eis fast völlig verstopft.

Das Schiff vom Planeten Gregor besaß einen besonders tiefgekühlten Abschnitt für Lebewesen der Klassifikation SNLU — das sind zarte, kristalline, auf Methan basierende Lebensformen, die sofort zu Asche zerfallen, wenn die Umgebungstemperatur auf über minus hundertzwanzig Grad steigt. Im Orbit Hospital wurden momentan sieben dieser unter extremer Kälte lebenden Wesen behandelt. Für den Transport hatte man alle sieben SNLUs in eine drei Meter hohe, tiefgefrorene Kugel gesteckt. Wegen der Schwierigkeiten, die man beim Umgang mit dieser Kugel erwartete, brachte man die SNLUs als letzte der für das gregorianische Schiff bestimmten Patienten zur Schleuse.

Wäre von der Kälteabteilung eine direkte Öffnung ins All vorhanden gewesen, dann hätte man die SNLUs an der Außenwand des Hospitals entlang zum Schiff gebracht. Da das jedoch nicht möglich war, mußte man sie von der Methanstation aus über vierzehn Ebenen zum Einschiffungspunkt an Schleuse sechzehn führen. Auf sämtlichen anderen Ebenen waren die Korridore geräumig und mit Luft oder Chlor gefüllt; deshalb hatte sich auf der Schutzkugel lediglich Rauhreif gebildet, und durch die Kälte war die Atmosphäre in unmittelbarer Umgebung nur abgekühlt worden, ohne ihren gasförmigen Zustand zu verändern. Doch in der AUGL-Abteilung handelte es sich nicht mehr um Rauhreif, sondern um massives Eis, das immer mehr an Umfang zunahm, und das rapide.

Conway hatte zwar gewußt, daß sich die Kugel mit Eis überziehen würde, diesen Umstand jedoch nicht für wichtig gehalten. Denn eigentlich hätte sich die Kugel nicht so lange im wassergefüllten Korridor befinden sollen, daß das Eis zum Problem werden konnte. Doch unglücklicherweise war eine der Schleppleinen gerissen und die Kugel dadurch gegen ein vorstehendes Leitungsrohr gezogen worden. Innerhalb weniger Sekunden waren Kugel und Leitungsrohr zusammengefroren. Zur Zeit war die Kugel von einer ungefähr einen Meter dicken Eisschicht überzogen, und über und unter ihr war kaum noch Platz zum Durchkommen.

„Schicken Sie uns Schneidbrenner runter“, brüllte Conway über Funk zu Mannon hoch. „Schnell!“

Kurz bevor der Korridor ganz blockiert war, trafen drei Monitore ein. Sie stellten die Flammen der Schneidbrenner auf maximale Streuung und gingen damit gegen die Eismasse vor, indem sie die Kugel von der vorstehenden Leitung losschmolzen und ihren Umfang auf eine „handlichere“ Größe zu verkleinern versuchten. In der Enge des Korridors schnellte die Wassertemperatur natürlich wegen der Hitzezufuhr nach oben, und zu allem Überfluß war keiner der Anzüge der Anwesenden mit Kühlelementen ausgerüstet. Conway konnte sich allmählich lebhaft vorstellen, wie sich Hummer beim Kochen fühlen mußten. Darüber hinaus stellte die gewaltige unhandliche Eismasse eine Gefahr für Leib und Leben dar, denn wenn sie plötzlich ins Rollen geriet, konnte man schnell zwischen ihr und der Korridorwand zerquetscht werden. Andererseits hätte wegen des siedenden, beinahe undurchsichtigen Wassers auch leicht ein Arm oder Bein zwischen das Eis und eine Schneidbrennerflamme geraten können.

Aber schließlich war die Arbeit beendet, und man manövrierte den Behälter mit den darin befindlichen SNLUs durch die Zwischenschleuse in eine andere mit Luft gefüllte Abteilung. Conway fuhr sich mit der Hand über den Helm — ein unbewußter Versuch, sich den Schweiß von der Stirn zu wischen — und fragte sich, was wohl noch alles schiefgehen würde.

Oben aus der Anmeldezentrale ließ Dr. Mannon diesbezüglich verlauten, daß gar nichts mehr schiefgehen könne.

Wie er mit unverhohlener Begeisterung berichtete, stünden jetzt sämtliche drei Ebenen für DBLFs leer, weil die Patienten mit dem kelgianischen Schiff bereits abgeflogen waren. Laut Mannon gehörten die einzigen im Hospital zurückgebliebenen kelgianischen Raupen ausnahmslos dem Pflegepersonal an. Die drei illensanischen Frachter hatten mittlerweile alle Chloratmer der PVSJ-Stationen aufgenommen, es fehlten nur noch ein paar Nachzügler, die sich jedoch in wenigen Minuten ebenfalls an Bord befinden würden. Von den Stationen der Wasseratmer war inzwischen die der AUGLs geräumt, auf der Station für ELNTs befänden sich keine Melfaner mehr, und auch die SNLUs schifften sich gerade in ihrem Minieisberg ein. Also standen alle vierzehn Ebenen leer. Das sei, wie Mannon meinte, doch kein schlechtes Stück Arbeit, und er schlug vor, Conway solle die Gelegenheit beim Schöpf packen und sich aufs Ohr hauen, um sich als Vorbereitung auf einen gleichermaßen arbeitsreichen morgigen Tag in einen Zustand willkürlicher Bewußtlosigkeit fallen zu lassen.

Vorerst schwamm Conway noch müde auf die Zwischenschleuse zu, seine Gedanken kreisten aber bereits um die unendlich verführerische Vorstellung von einem großen Steak und einem langen Schlaf, wenn es sich denn so ergeben sollte.

Plötzlich versetzte ihm irgend etwas, das er nicht sehen konnte, einen brutalen Schlag, der ihn bewegungsunfähig machte. Er wurde gleichzeitig an Unterleib, Brust und Beinen getroffen — also dort, wo der Anzug am engsten war. In Conways Innerem brach die Todesangst wie eine blutige Explosion aus, die sein gequälter Körper kaum unter Kontrolle bringen konnte. Er krümmte sich und wurde langsam ohnmächtig. Er wollte sterben und wünschte verzweifelt, sich zu übergeben. Doch irgendein winziger Teil seines Gehirns, der nicht vom Schmerz und der Übelkeit in Mitleidenschaft gezogen war, wollte das auf keinen Fall zulassen — sich in einen Helm zu übergeben ist eine äußerst scheußliche Art zu sterben.

Nach und nach ließen die Schmerzen nach und wurden schließlich etwas erträglicher, doch fühlte er sich noch immer so, als hätte ihm ein Tralthaner mit allen sechs Füßen in den Unterleib getreten. Trotzdem nahm er jetzt langsam auch andere Dinge wahr: laute, penetrante, gluckernde Geräusche und den äußerst eigenartigen Anblick einer anscheinend ohne Schutzanzug im Wasser treibenden Kelgianerin. Ein zweiter Blick klärte Conway allerdings darüber auf, daß die Kelgianerin doch einen Anzug trug, dieser aber zerrissen und voller Wasser war.

Weiter unten im Tank trieben zwei weitere Kelgianerinnen, deren lange, weiche und pelzige Körper vom Kopf bis zum Schwanz aufgeplatzt waren. Glücklicherweise verwischte ein sich ausbreitender roter Nebel die grauenerregenden Einzelheiten. Vor der gegenüberliegenden Wand des Beckens hatten sich um ein dunkles, unregelmäßiges Loch Turbulenzen gebildet. Dort schien das Wasser auszulaufen.

Conway fluchte. Er glaubte zu wissen, was passiert war. Wodurch auch immer dieses ausgezackte Loch verursacht worden war, die Wucht hatte sich jedenfalls auch auf die unglückseligen Lebewesen im AUGL-Becken ausgedehnt, weil sich Wasser nun einmal nicht komprimieren läßt. Die dritte Kelgianerin und Conway selbst waren den schlimmsten Auswirkungen nur deshalb entgangen, weil sie sich hier oben im Korridor befunden hatten.

Vielleicht war aber auch nur einer der beiden den Auswirkungen entgangen.

Conway brauchte drei Minuten, um die kelgianische Schwester die zehn Meter durch den Korridor in die Schleuse zu ziehen. Als sie beide schließlich drinnen waren, schaltete Conway die Pumpen an, um das Wasser aus der Schleusenkammer zu saugen, und riß gleichzeitig ein Luftventil auf. Während das letzte Wasser ablief, mühte er sich damit ab, den durchnäßten, unbeweglichen Raupenkörper auf die Seite zu legen und an der einen Wand abzustützen. Das Fell der Kelgianerin war nicht mehr silbern, sondern nur noch eine Masse aus schmutzig grauen Stacheln, und Conway konnte keinen Puls und keine Atmung feststellen. Er legte sich schnell seitlich auf den Boden und drückte das dritte und vierte Beinpaar der Kelgianerin auseinander, damit seine Schulter in den Zwischenraum paßte. Dann stemmte er die Füße fest gegen die gegenüberliegende Wand und fing an, die Schulter rhythmisch gegen den Körper der Kelgianerin zu drücken. Conway wußte, daß es bei DBLFs keinen Sinn hatte, sich auf den riesigen Körper zu setzen und mit den Handflächen darauf zu drücken, um sie künstlich zu beatmen. Die von ihm angewandte Beatmungsmethode gab ihm recht — schon nach wenigen Sekunden tröpfelte das erste Wasser aus dem Mund der Kelgianerin.

Er brach die Beatmung plötzlich ab, als er hörte, wie jemand die Schleuse vom Korridor der AUGL-Abteilung aus zu öffnen versuchte. Er wollte sich über Funk mit dem Lebewesen in Verbindung zu setzen, doch entweder funktionierte sein Kopfhörer oder der des anderen Lebewesens nicht. Deshalb nahm er schnell den Helm ab und hielt den Mund gegen die Tür, formte mit den Händen einen Trichter und brüllte: „Ich bin Sauerstoffatmer und hier drinnen ohne Anzug! Öffnen Sie bitte nicht die Tür, sonst ertrinken wir! Kommen Sie von der anderen Seite herein.!“

Ein paar Minuten später öffnete sich die Schleusentür auf der anderen Seite, hinter der eine mit Luft gefüllte Abteilung lag, und Murchison blickte auf Conway herunter. „D-Doktor Conway.“, sagte sie mit eigenartiger Stimme.

Conway stieß sich heftig mit den Beinen von der Wand ab, rammte seine Schultern mit voller Wucht in den Abschnitt des Bauchs der Kelgianerin, der den Lungen am nächsten war und fragte: „Was?“

„Ich. Sie. die Explosion“, stammelte Murchison. Nach diesem kurzen Fehlstart wurde ihr Ton jedoch fest und entschlossen, und sie fuhr fort: „Es hat eine Explosion gegeben, Doktor. Eine der DBLF-Schwestern ist verletzt. Ein Stück der Bodenverkleidung ist auf sie geschleudert worden, und dadurch hat sie sich schwere Rißwunden zugezogen. Wir haben sofort Gerinnungsmittel auf die Wunden getan, aber ich glaube nicht, daß die Wirkung lange anhält. Außerdem dringt in den Korridor, auf dem die Schwester liegt, Wasser ein; die Explosion muß wohl ein Loch zur AUGL-Abteilung gerissen haben. Außerdem sinkt der Luftdruck. Das Hospital muß irgendwo eine Öffnung ins All haben. Und zu guter Letzt kann man auch noch einen deutlichen Chlorgeruch wahrnehmen.“

Conway stöhnte und stellte seine Bemühungen um die Kelgianerin ein, doch bevor er etwas sagen konnte, fuhr Murchison schnell fort: „Die kelgianischen Ärzte sind bereits allesamt evakuiert worden, und die einzigen zurückgebliebenen DBLFs sind diese Kelgianerin und noch ein paar andere, die hier irgendwo in der Gegend sein müssen. Aber die gehören alle nur dem Schwesternpersonal an.“

Da haben wir den Schlamassel, dachte Conway, als er sich aufrappelte: Verseuchung und drohende Dekompression. Die Kelgianerin mit den Rißwunden mußte schleunigst fortgeschafft werden — sollte der Druck zu stark abfallen, würden die gasdichten Türen regelrecht herausgesprengt werden, und befand sich die Patientin dann gerade auf der falschen Seite der Türen, könnte das wirklich schlimme Folgen haben. Da kein qualifizierter DBLF im Hospital war, mußte er sich umgehend ein kelgianisches Physiologieband besorgen und die Arbeit selbst erledigen. Und das bedeutete für ihn, sich schleunigst auf den Weg zu O’Maras Büro zu machen. Doch vorher mußte er erst noch einen Blick auf die Patientin werfen.

„Übernehmen Sie doch bitte diese Kelgianerin, Schwester“, bat er Murchison und wies dabei auf die durchnäßte Masse auf dem Boden. „Ich glaube zwar, daß sie wieder von selbst zu atmen anfängt, aber wenn Sie noch zehn Minuten weitermachen würden.“ Er schaute zu, wie sich Murchison auf die Seite legte, wobei sie die Knie anzog und beide Füße gegen die gegenüberliegende Wand stemmte. Zwar war es ganz bestimmt weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort, aber durch den Anblick, den sie bot, als sie so in ihrem sündhaft engen Anzug dalag, verloren Patientinnen, Evakuierungen und Physiologiebänder in Conways Augen doch einiges von ihrer Dringlichkeit — allerdings nur für einen kurzen Augenblick. Denn der enge, wasserbeperlte Anzug brachte ihm genauso schnell wieder in Erinnerung, daß sich Murchison nur wenige Minuten vor der Explosion selbst im AUGL-Becken aufgehalten hatte, und plötzlich stellte er sich vor, daß ihr herrlicher Körper genauso wie bei den beiden bedauernswerten DBLFs hätte zerrissen werden können.

„Zwischen dem dritten und vierten Beinpaar, nicht zwischen dem fünften und sechsten!“ fuhr Conway sie in rauhem Ton an, bevor er sich zum Gehen wandte.

Das war nun überhaupt nicht das, was er ihr eigentlich hatte sagen wollen.

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