Dreizehntes Kapitel

Die Führung durch die Rakete dauerte ziemlich lange. Der Doppelt zeigte vor allem für die Atomsäule und für die Automaten Interesse. Der Ingenieur entwarf für ihn eine Menge Skizzen auf Blöcken, von denen allein vier im Maschinenraum draufgingen. Der Automat weckte die uneingeschränkte Bewunderung des Gastes. Er schaute sich genau das Mikronetz an und wunderte sich maßlos, als er sah, dass es in einen Behälter getaucht war, der mit flüssigem Helium gekühlt wurde. Das war ein Krytrionen-hirn für besonders schnelle Reaktionen. Offenbar hatte er den Zweck begriffen, dem die Kühlung diente, denn er hustete ziemlich lange und studierte mit großer Anerkennung die Skizzen, die ihm der Kybernetiker zeichnete. Über die elektrischen Verbindungen verständigten sie sich offenbar schneller als darüber, mit welcher Geste oder mit welchem Symbol die einfachsten Begriffe zu kennzeichnen seien. Gegen fünf Uhr morgens legten sich der Chemiker, der Koordinator und der Ingenieur schlafen. Der Schwarze bezog den Posten im Tunnel, nachdem sie die Lastenklappe geschlossen hatten. Die drei anderen begaben sich mit dem Doppelt in die Bibliothek. „Einen Augenblick“, sagte der Physiker, als sie am Labor vorbeigingen. „Wir zeigen ihm noch die Mendelejew-tabelle. Dort sind die schematischen Zeichnungen der Atome.“

Sie gingen hinein. Der Physiker wühlte in einem Stoß Papiere unter den Regalen. Plötzlich begann etwas zu ticken. Der Physiker hörte es nicht, da das Papier zu laut raschelte, aber der Doktor spitzte die Ohren. „Was ist das?“ Der Physiker richtete sich auf und vernahm nun ebenfalls das Ticken. Er musterte sie nacheinander. In seinen Augen malte sich Entsetzen. „Das ist der Geigerzähler… Halt!

Ein Leck…“ Er sprang zum Zähler. Der Doppelt stand bisher unbeweglich da und ließ seinen Blick über die Apparate schweifen. Als er sich jedoch dem Tisch näherte, rasselte der Zähler in langen Serien, wie ein Trommler, der einen langen Wirbel schlägt. „Er ist es!“ rief der Physiker, ergriff den Geigerzähler mit beiden Händen und richtete ihn auf den Riesen. Das Gerät schnarrte. „Er ist radioaktiv? Was bedeutet das?“ fragte der Kybernetiker entsetzt. Der Doktor erblaßte. Er trat an den Tisch, sah den zitternden Zeiger an, nahm dem Physiker das Gerät aus der Hand und bewegte es um den Doppelt herum. Das Trommeln wurde schwächer, je höher er ihn hielt. Als er ihn an die dicken, unförmigen Beine des Ankömmlings führte, schnarrte die Membran. Ein rotes Feuerchen flammte auf der Scheibe des Gerätes auf.

„Radioaktive Verseuchung…“, murmelte der Physiker. Der Doppelt ließ erstaunt die Augen von einem zum anderen wandern, war aber offensichtlich nicht beunruhigt durch das für ihn unbegreifliche Benehmen der beiden. „Er ist durch die Bresche gekommen, die der Beschützer geschlagen hat“, sagte der Doktor leise. „Dort ist eine radioaktive Stelle. Da ist er durchgegangen …„„Komm nicht zu nah an ihn heran!“ rief der Physiker. „Er strahlt mindestens ein Milliröntgen pro Sekunde aus! Warte, wir müssen ihn… Wenn wir ihn mit Keramitfolie umwickeln, kann man esriskieren…“

„Es geht hier ja gar nicht um uns!“ sagte der Doktor. „Es geht um ihn! Wie lange kann er auf der Stelle gewesen sein? Wieviel Röntgen hat er abbekommen?“

„Keine Ahnung. Woher soll ich das wissen?…“ Der Physiker starrte nach wie vor auf den tickenden Zähler. „Du mußt etwas unternehmen! Ein essigsaures Bad, Hautabrasion — da, sieh mal, er begreift das nicht!“ Der Doktor rannte wortlos aus dem Labor. Nach einer Weile kehrte er mit einer Kassette für Erste Hilfe bei radioaktiven Verseuchungen zurück. Der Doppelt wollte sich anfangs gegen die unverständlichen Maßnahmen wehren, ließ jedoch dann alles mit sich geschehen. „Zieh die Handschuhe an!“ schrie der Physiker, weil der Doktor die Haut des liegenden Doppelts mit bloßen Händen angefaßt hatte. „Sollen wir die anderen wecken?“ überlegte der Kybernetiker laut. Er stand ratlos an der Wand.

Der Doktor streifte die dicken Handschuhe über. „Wozu?“ Er bückte sich tief. „Vorläufig nichts zu sehen… Eine Rötung wird erst in zehn bis zwölf Stunden auftreten, sofern…“

„Wenn wir uns mit ihm verständigen könnten“, murmelte der Physiker.

„Eine Bluttransfusion? Aber wie? Woher das Blut nehmen?“ Der Doktor starrte blicklos vor sich hin.

„Der andere!“ rief er plötzlich. Er überlegte. „Nein“, fügte er leiser hinzu. „Das geht nicht. Man müsste zuerst das Blut beider untersuchen, um festzustellen, ob es gerinnt. Sie können verschiedene Gruppen haben.“

„Hör zu.“ Der Physiker zog ihn beiseite. „Das ist eine schlimme Sache. Ich befürchte… Verstehst du? Er muss über die Stelle gegangen sein, als die Temperatur gerade nachgelassen hatte. Am Rand einer kleinen Annihilationsreaktion entstehen immer verschiedene Radioisotope. Rubidium, Trontium, Yprium und all die anderen. Seltene Erden. Vorläufig spürt er noch nichts, frühestens morgen, so denke ich. Hat er weiße Blutkörperchen?“

„Ja, aber sie sehen ganz anders aus als beim Menschen.“

„Alle sich stark vermehrenden Zellen sind stets auf die gleiche Weise betroffen, ganz gleich, wie die Gattung ist. Er müsste eine etwas größere Widerstandskraft haben als der Mensch, aber…“

„Woher willst du das wissen?“

„Weil hier die normale Radioaktivität des Bodens fast zweimal so hoch ist wie auf der Erde. In gewisser Weise sind sie also angepaßt. Deine Antibiotika werden wahrscheinlich nichts taugen?“

„Natürlich nicht. Es muss hier ganz andere Bakterien geben…“

„Das habe ich mir auch gedacht. Weißt du was? Wir müssten uns mit ihm vor allem auf einer allgemeineren Basis verständigen. Die Wirkung tritt frühestens in einigen Stunden ein.“

„Ach so!“

Der Doktor sah ihn rasch an und senkte den Blick. Sie standen fünf Schritt von dem auf der Seite liegenden Doppelt entfernt, er beobachtete sie aus seinen blaßblauen Augen. „Um soviel wie möglich von ihm zu erfahren, eh's mit ihm zu Ende geht?“

„So habe ich das nicht gemeint“, erwiderte der Physiker gereizt. „Ich nehme an, dass er sich ähnlich wie ein Mensch verhalten wird. Seine psychische Leistungsfähigkeit wird er sich vielleicht noch ein paar Stunden bewahren, dann folgt Apathie. Du weißt doch, jeder von uns würde an seiner Stelle vor allem an die Erfüllung der Aufgabe denken.“

Der Doktor zuckte mit den Schultern, sah ihn schief an und musste unwillkürlich lächeln. „Jeder von uns, sagst du? Ja, möglich, wenn er wüßte, was geschehen ist. Aber er wurde ja durch uns verseucht.

Durch unsere Schuld!“

„Also was? Möchtest du Sühne leisten? Mach dich nicht lächerlich!“ Rote Flecke traten auf sein Gesicht.

„Nein“, sagte der Doktor. „Ich bin nicht einverstanden. Begreifst du nicht? Das da ist ein Kranker“ — er deutete auf den Doppelt — „und das“ — er schlug sich an die Brust — „ein Arzt. Außer dem Arzt hat jetzt hier niemand etwas zu suchen.“

„Meinst du?“ erwiderte der Physiker dumpf. „Das ist doch unsere einzige Chance. Wir tun ihm ja nichts Böses. Es ist nicht unsere Schuld, dass er…“

„Das stimmt nicht! Er wurde verseucht, weil er der Spur des Beschützers gefolgt ist! Und nun genug. Ichmuss ihm Blut abnehmen.“ Der Doktor trat mit der Spritze an den Doppelt heran, stand eine Weile zögernd vor ihm, ging dann zum Tisch, um eine zweite Spritze zu holen. In beide setzte er Nadeln, die er dem Gamma-Sterilisator entnommen hatte. „Assistiere mir“, sagte er zum Kybernetiker. Er näherte sich dem Doppelt und entblößte den Arm vor seinen Augen. Der Kybernetiker führte ihm die Nadel in die Vene, entnahm ihr etwas Blut und trat zurück. Der Doktor ergriff die zweite Spritze, berührte damit die Haut des Liegenden, suchte das Gefäß heraus, schaute ihm in die Augen und stach dann die Nadel hinein. Der Kybernetiker sah ihm zu. Der Doppelt hatte nicht einmal gezuckt. Sein hellrubinrotes Blut lief in den gläsernen Zylinder. Der Doktor zog geschickt die Nadel heraus, drückte etwas Watte auf die blutende Wunde und ging mit hoch erhobener Spritze hinaus. Die beiden anderen wechselten einen Blick miteinander. Der Kybernetiker hielt noch die Spritze mit dem Blut des Doktors in der Hand. Er legte sie auf den Tisch. „Was nun?“ fragte der Kybernetiker. „Er könnte uns alles sagen!“

Der Physiker war wie im Fieber. „Aber der… der…“ Er sah dem Kybernetiker in die Augen.

„Sollte man sie vielleicht doch wecken?“ fragte der Kybernetiker. „Das führt zu nichts. Der Doktor wird ihnen dasselbe sagen wie mir. Es gibt nur eine Möglichkeit. Er muss selbst entscheiden. Wenn er es wollte, kann sich der Doktor ihm nicht widersetzen.“

„Er?“ Der Kybernetiker sah ihn plötzlich verblüfft an. „Nun gut, aber wie soll er denn entscheiden? Er weiß doch nichts. Und wir können es ihm nicht sagen!“

„Doch, wir können.“ Der Physiker betrachtete noch immer den gläsernen Zylinder mit dem Blut, der neben dem Sterilisator lag. „Wir haben fünfzehn Minuten Zeit, bis der Doktor seine Blutkörperchen gezählt hat. Gib mal die Tafel her!“

„Aber das hat doch keinen Sinn…“

„Gib die Tafel her!“ rief der Physiker und sammelte die herumliegenden Kreidestückchen. Der Kybernetiker nahm die Tafel von der Wand. Sie stellten sie gegenüber dem Doppelt auf.

„Zuwenig Kreide! Bring die bunte aus der Bibliothek!“ Als der Kybernetiker hinausging, nahm der Physiker das erste Stückchen Kreide und zeichnete damit rasch die große Halbkugel, in der sich die Rakete befand. Er fühlte den blaßblauen unbeweglichen Blick auf sich ruhen und zeichnete immer schneller. Als er fertig war, wandte er sich zu dem Doppelt um, blickte ihm fest in die Augen, klopfte mit dem Finger an die Tafel, wischte sie mit dem Schwamm ab und zeichnete weiter. Die Wand der Halbkugel, noch unversehrt. Die Wand, und davor der Beschützer. Der Rüssel des Beschützers und das herausfliegende Geschoß. Er suchte ein Stück lila Kreide, beschmierte damit einen Teil der Wand vor dem Beschützer, zerrieb die Kreide mit dem Finger, so dass darin eine Öffnung entstand. Die Gestalt des Doppelt. Er trat an den liegenden Doppelt heran, berührte seinen Rumpf, kehrte zur Tafel zurück, klopfte mit der Kreide auf den gezeichneten Doppelt, wischte alles so vehement ab, dass Wasser auf den Fußboden spritzte, malte rasch noch einmal die Bresche in der Wand, dick mit lila Farbe umgeben, und in der Öffnung den Doppelt. Dann wischte er alles ringsherum weg. Auf der Tafel blieben nur die Umrisse der großen Gestalt übrig. Der Physiker stellte sich so, dass der Doppelt jede seiner Bewegungen sehen konnte, und begann langsam die zu Pulver zerriebene lila Kreide in die Beine der aufgerichteten Gestalt einzureihen. Er drehte sich um. Der kleine Torso des Doppelt, der vorher an dem vom Doktor aufgeblasenen Gummikissen gelehnt hatte, streckte sich langsam. Sein Gesicht, das gerunzelt war und affenartig wirkte, wandte die vernünftig blickenden Augen von der Tafel ab und richtete sie fragend auf den Physiker.

Der Physiker nickte, ergriff eine Blechbüchse und ein paar Schutzhandschuhe und rannte aus dem Labor. Im Tunnel wäre er fast mit dem Automaten zusammengestoßen, der ihm Platz machte, als er ihn erkannte. Er lief nach oben, zog im Laufen die Handschuhe an und stürmte in die Richtung, wo sich die vom Beschützer ausgebrannte Bresche befand. Vor dem flachen Trichter stürzte er auf die Knie und riss in größter Eile Stücke des von der Glut erstarrten, verglasten Sandes aus der Erde undwarf sie in die Büchse. Dann sprang er auf und lief zur Rakete zurück. Im Labor stand jemand. Der Physiker blinzelte geblendet. Es war der Kybernetiker. „Wo ist der Doktor?“ rief er. „Er ist noch nicht zurück.“

„Geh mir aus dem Weg. Am besten setz dich dorthin, an die Wand.“ Wie vermutet, zeigte der glasige Sand eine blaßlila Farbe. Der Physiker hatte absichtlich ein Stück Kreide von dieser Farbe gewählt. Der Doppelt wandte ihm das Gesicht zu, offenbar hatte er auf ihn gewartet. Der Physiker schüttete den Inhalt der Büchse vor der Tafel auf den Fußboden.

„Bist du verrückt!“ rief der Kybernetiker und sprang von seinem Platz auf. Der Zähler am anderen Tischende war erwacht und begann rasch zu ticken. „Sei still! Stör mich bitte nicht!“

In der Stimme des Physikers schwang solche Wut mit, dass der Kybernetiker wie angewurzelt an der Wand stehenblieb. Der Physiker warf einen Blick auf die Uhr. Zwölf Minuten waren vergangen.

Gleich konnte der Doktor zurückkehren. Er bückte sich, deutete auf die trüben, lilafarbenen Brocken des halbgeschmolzenen Sandes. Er hob eine Handvoll davon auf, drückte sie mit der offenen Hand an die Stelle, wo die Beine des Stehenden mit lila Kreide angedeutet waren, zerrieb ein paar Sandkrümel auf der Zeichnung und blickte dem Doppelt in die Augen. Dann schüttete er den Rest des Staubs auf den Fußboden, trat ein paar Schritt zurück und ging dann mit entschlossenen Schritten nach vorn, als ob er weit gehen wollte, trat in die Mitte des lila Flecks, stand eine Weile so, schloss die Augen und ließ sich langsam mit gelockerten Muskeln fallen. Dumpf schlug sein Körper auf den Fußboden. So lag er ein paar Sekunden, dann sprang er auf, rannte zum Tisch, ergriff den Geigerzähler, trug ihn wie einen Scheinwerfer vor sich her und trat an die Tafel. Kaum hatte sich die Mündung des schwarzen Zylinders den mit Kreide gezeichneten Beinen genähert, ließ sich ein heftiger Wirbel vernehmen. Der Physiker schob mehreremal den Zähler an die Tafel und zog ihn zurück, um den Effekt vor dem unbewegt zuschauenden Doppelt zu wiederholen, dann wandte er sich ihm zu und schob die Mündung des Geigerzählers langsam an seine entblößten Sohlen heran. Der Zähler schnurrte. Der Doppelt stieß einen schwachen Laut aus, als hätte er sich verschluckt. Ein paar Sekunden lang — dem Physiker kamen sie wie eine Ewigkeit vor — sah er ihm in die Augen, mit einem blassen, forschenden Blick. Dem Physiker traten die Schweißtropfen auf die Stirn. Da lockerte der Doppelt plötzlich den Torso, schloss die Augen und ließ sich ohnmächtig auf die Kissen sinken; die knotigen Fingerchen beider Hände spannten sich seltsam.

So ruhte er eine Weile wie ein Toter. Plötzlich schlug er die Augen auf, setzte sich auf und starrte dem Physiker ins Gesicht. Der nickte, stellte den Apparat auf den Tisch, stieß mit dem Fuß an die Tafel und sagte dumpf zum Kybernetiker: „Er hat begriffen.“

„Was hat er begriffen?“ stammelte der Kybernetiker, der die Szene entgeistert verfolgt hatte. „Dass er sterben muß.“ Der Doktor trat ein, sah die Tafel, die glasigen Krümel auf dem Boden, blickte sie an. „Was ist hier los? Was bedeutet das?“

„Nichts Besonderes. Du hast mittlerweile schon zwei Patienten.“ Der Physiker nahm, als der Doktor ihn verblüfft anstarrte, gleichgültig den Zähler vom Tisch und hielt die Mündung an seinen Körper.

Der radioaktive Staub war in den Stoff der Kombination gedrungen. Der Geigerzähler ratterte schreckenerregend. Das Gesicht des Doktors lief rot an. Er stand eine Weile reglos da, es sah so aus, als würde er die Spritze, die er in der Hand hielt, auf den Fußboden werfen. Langsam wich das Blut aus seinem Gesicht. „So?“ sagte er. „Also gut. Komm mit.“ Kaum hatten die beiden das Labor verlassen, warf sich der Kybernetiker den Schutzmantel über, holte den Reinigungshalbautomaten aus der Wandnische hervor und ließ ihn auf die restlichen glasigen Krümel los. Der Doppelt lag da, ohne sich zu rühren, und sah der Geschäftigkeit zu. Einige Male hustete er schwach. Nach zehn Minuten kam der Physiker mit dem Doktor zurück. Er trug einen weißen Leinenanzug. Hals und Hände waren mit dicken Bandagen bedeckt. „In Ordnung“, sagte er fast fröhlich zum Kybernetiker. „Nichts Besonderes. Erster Grad, oder nicht mal das.“ Der Doktor und der Kybernetiker bemühten sich, dem Doppelt hochzuhelfen. Der hattebegriffen, worum es ging, stand auf und verließ folgsam das Labor. „Und wozu das alles?“ Der Kybernetiker schritt nervös im Raum auf und ab und steckte das schwarze Maul des Geigerzählers in alle Ritzen und Winkel. Von Zeit zu Zeit wurde das Ticken etwas schneller. „Du wirst sehen“, sagte der Physiker ruhig. „Wenn er den Kopf auf dem richtigen Fleck hat, wirst du sehen.“

„Warum hast du nicht den Schutzanzug angezogen? Hat dir die eine Minute leid getan?“

„Ich musste ihm das ganz einfach zeigen“, antwortete der Physiker. „So natürlich wie möglich, ohne Getue, verstehst du?“ Sie verstummten. Der Zeiger der Wanduhr glitt langsam weiter. Schläfrigkeit befiel den Kybernetiker. Der Physiker fummelte ungeschickt mit den Fingern, die aus den Bandagen hervorsahen, um sich eine Zigarette anzustecken. Der Doktor stürzte mit befleckter Schürze herein.

Wütend ging er auf den Physiker zu. „Du bist es gewesen, du! Was hast du mit ihm angestellt?“

„Was ist denn los?“ Der Physiker hob den Kopf. „Er will nicht liegen! Ließ sich kaum verbinden, schon steht er auf und geht zur Tür. Da hast du ihn…“, fügte er etwas leiser hinzu. Der Doppelt kam herein. Er hinkte unbeholfen. Das Ende einer aufgerollten Mullbinde schleifte auf dem Fußboden hinter ihm her. „Du kannst ihn nicht gegen seinen Willen behandeln“, entgegnete der Physiker kühl.

Er warf die Zigarette auf den Fußboden, erhob sich und trat sie mit dem Fuß aus. „Wir werden wohl den Kalkulator aus dem Navigationsraum nehmen, wie? Er hat den größten Extrapolationsbereich“, wandte er sich an den Kybernetiker. Der zuckte zusammen, sprang hoch, blickte schlaftrunken vor sich hin und ging rasch hinaus. Die Tür ließ er offen. Der Doktor stand mitten im Labor und stemmte die Fäuste in die Taschen seiner Schürze. Er sah den Riesen an, der langsam näher kam, und atmete auf. „Du weißt es schon?“ fragte er. „Du weißt es, nicht wahr?“ Der Doppelt hustete. Die drei anderen schliefen den ganzen Tag über. Als sie aufwachten, brach bereits die Abenddämmerung herein. Sie kamen in die Bibliothek. Ein erschreckender Anblick bot sich ihnen. Die Tische, der Fußboden, alle freien Sessel waren mit Stößen von Büchern, Atlanten, aufgeschlagenen Alben bedeckt. Hunderte vollgezeichneter Bogen lagen verstreut auf dem Boden, Teile von Apparaten, vermischt mit Büchern, bunte Stiche, Konservendosen, Teller, optische Gläser, Arhythometer, Spulen.

Die Tafel lehnte an der Wand, kreidiges Wasser lief an ihr herunter. Finger, Ärmel und Knie der drei Männer waren mit Kreide beschmiert. Sie saßen dem Doppelt gegenüber, unrasiert, mit geröteten Augen, und tranken Kaffee aus großen Tassen. In der Mitte, wo zuvor der Tisch gestanden hatte, spreizte sich der große Elektronenrechner. „Wie geht es?“ fragte der Koordinator auf der Schwelle.

„Ausgezeichnet. Wir haben schon sechzehnhundert Begriffe fixiert“, antwortete der Kybernetiker.

Der Doktor erhob sich. Er hatte noch seine weiße Schürze um. „Sie haben mich dazu gezwungen, obwohl er radioaktiv verseucht ist.“ Er deutete auf den Doppelt. „Verseucht!“ Der Koordinator zog die Tür hinter sich zu. „Was soll das heißen?“

„Er ist durch den radioaktiven Fleck in der Mauerbresche gekommen“, erklärte der Physiker, stellte die Kaffeetasse weg und kniete vor dem Apparat nieder.

„Er hat schon zehn Prozent weiße Blutkörperchen weniger als vor sieben Stunden“, informierte der Doktor. „Hyalindegeneration — das gleiche wie beim Menschen. Ich wollte ihn isolieren, er braucht Ruhe, aber er lässt sich nicht behandeln. Der Physiker hat ihm nämlich gesagt, dass das sowieso nicht helfen wird!“

„Stimmt das?“ Der Koordinator wandte sich an den Physiker. Der nickte, ohne sich von dem pfeifenden Apparat zu trennen. „Und er ist… nicht mehr zu retten?“ fragte der Ingenieur. Der Doktor zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht! Wäre er ein Mensch, würde ich sagen, seine Chancen stünden dreißig zu hundert.

Aber er ist ja kein Mensch. Er ist etwas apathisch. Aber das kann auch Erschöpfung sein, weil er nicht geschlafen hat. Wenn ich ihn isolieren könnte!“

„Was willst du denn noch? Du tust ja sowieso mit ihm alles, was du willst?“ sagte der Physiker und wandte nicht einmal den Kopf nach ihm um. Er manipulierte ununterbrochen mit seinen verbundenen Händen an dem Gerät. „Und was ist dir zugestoßen?“ erkundigte sich der Koordinator. „Ich habe ihm erklärt, auf welche Weise er sichradioaktiv verseucht hat.“

„So genau hast du ihm das erklärt?“ schrie der Ingenieur. „Ich musste es.“

Sie schwiegen eine Weile.

„Geschehenes lässt sich nicht ungeschehen machen“, entschied der Koordinator langsam. „Ob gut oder schlecht, es ist nun einmal geschehen. Was nun? Was habt ihr bisher erfahren?“

„Eine ganze Menge“, berichtete der Kybernetiker. „Er beherrscht schon eine ganze Masse von unseren Symbolen, vor allem die mathematischen. Die Informationstheorie hätten wir eigentlich bewältigt. Am schlimmsten ist es mit seiner elektrischen Schrift. Ohne ein besonderes Gerät können wir sie nicht lernen, und uns fehlt das Gerät und auch die Zeit, es zu bauen. Erinnert ihr euch an die in den Körper eingeführten Teile? Das sind einfach nur Vorrichtungen zum Schreiben. Wenn ein Doppelt auf die Welt kommt, wird ihm gleich ein solches Röhrchen eingepflanzt, so wie man früher bei uns den Mädchen die Ohrläppchen durchbohrte… Sie haben zu beiden Seiten des großen Körpers elektrische Organe. Deshalb ist der Leib auch so groß! Das ist gewissermaßen das Hirn und zugleich eine Plasmabatterie. Sie gibt die Ladungen unmittelbar an die schreibende Leitung‹ weiter. Bei ihm hier endet sie in diesen Drähten am Kragen, doch das ist bei jedem anders. Schreiben müssen sie natürlich lernen.

Diese Operation zum Einsetzen des Drahtes, seit Jahrtausenden praktiziert, ist nur ein vorbereitender Schritt.“

„Also kann er wirklich nicht sprechen?“ fragte der Chemiker. „O doch! Dieses Husten, das ihr gehört habt, ist seine Sprache. Ein einmaliges Husten ist ein ganzer, mit großer Beschleunigung gesprochener Satz. Wir haben ihn auf Band aufgenommen. Er zerfällt in eine Frequenzskala.“

„Ach so! Also eine Sprache, die auf dem Prinzip der modulierten Frequenz von Klangschwingungen beruht?“

„Eher von Geräuschen. Sie ist klanglos. Mit Tönen drücken sie ausschließlich Gefühle, emotionale Zustände aus.“

„Und die elektrischen Organe? Sind sie ihre Waffe?“

„Das weiß ich nicht. Aber wir können ihn fragen.“ Er bückte sich, holte eine große Platte zwischen den Papieren hervor, auf der ein schematischer senkrechter Querschnitt des Doppelts zu sehen war, zeigte auf die beiden segmentierten länglichen Gebilde in seinem Inneren, führte den Mund zum Mikrophon und sagte: „Waffen?“ Der Lautsprecher, der gegenüber dem Liegenden auf der anderen Seite angebracht war, krächzte. Der Doppelt, der den kleinen Torso ein wenig angehoben hatte, als die anderen hereinkamen, hielt eine Weile inne, dann hustete er. „Waffen — nein“, schnarrte der Lautsprecher. „Zahlreiche planetare Bewegungen — einst — Waffe.“ Der Doppelt hustete abermals.

„Rudimentärorgan — biologische Evolution — sekundäre Anpassung — Zivilisation“, knarrte der Lautsprecher ohne jede Intonation.

„Sieh an“, murmelte der Ingenieur. Der Chemiker lauschte, die Augen zusammenkneifend. „Nicht zu glauben!“ entfuhr es dem Koordinator. „Und wie sieht es mit ihrer Wissenschaft aus?“

„Von unserem Standpunkt aus gesehen recht eigenartig.“ Der Physiker erhob sich aus seiner knienden Haltung. „Ich kriege dieses verdammte Schnarren nicht weg“, bemerkte er, zum Kybernetiker gewandt. „Große Kenntnisse auf dem Gebiet der klassischen Physik“, fuhr er fort. „Optik. Elektrizität. Mechanik in spezifischer Verbindung mit der Chemie — so etwas wie Mechanochemie. Da haben sie interessante Errungenschaften.“

„So?“ Der Chemiker trat näher. „Einzelheiten später. Wir haben alles fixiert, keine Angst. In der anderen Richtung sind sie von diesen Ausgangspositionen zur Informationstheorie gelangt. Jedoch ist bei ihnen das Studium außerhalb besonderer Einrichtungen verboten. Schlecht ist es um ihre Atomistik bestellt, vor allem umd die Kernchemie.“

„Moment, wieso verboten?“ fragte der Ingenieur erstaunt. „Sie dürfen einfach keine Forschungen dieser Art betreiben.“

„Wer verbietet das?“

„Das ist sehr kompliziert, und wir wissen bisher kaum etwas darüber“, warf der Doktor ein.

„Mit ihrer gesellschaftlichen Dynamik sind wir noch am wenigsten vertraut.“

„Wie mir scheint, hat ihnen der Ansporn zur Kernforschung gefehlt“, sagte der Physiker. „Sie haben keinen Mangel anEnergie.“

„Kommen wir erst mit der einen Sache zum Schluß! Wie ist das mit der verbotenen Forschung?“

„Setzt euch, wir werden ihn weiter fragen“, sagte der Kybernetiker. Der Koordinator wollte ins Mikrophon sprechen, doch der Kybernetiker zog ihn zurück. „Warte. Die Schwierigkeit ist die, dass der Kalkulator um so weniger mit der Grammatik zurechtkommt, je komplizierter die Satzkonstruktion wird. Außerdem scheint der Analysator der Laute zu wenig selektiv zu sein. Oft erhalten wir Worträtsel. Ihr werdet es ja selbst sehen.“

„Ihr seid viele auf dem Planeten“, sagte der Physiker deutlich und langsam. „Wie ist die dynamische Struktur — von euch vielen — auf diesem Planeten?“ Der Lautsprecher kläffte zweimal. Der Doppelt zögerte ziemlich lange mit der Antwort.

Dann hustete er heiser. „Die dynamische Struktur — doppelt. Die Beziehungen — doppelt“, brummte der Lautsprecher. „Die Gesellschaft — gesteuert — zentral ganzer Planet.“

„Ausgezeichnet!“ rief der Ingenieur. Er war ebenso wie die beiden anderen Hinzugekommen sehr erregt. Die anderen drei saßen, vielleicht vor Müdigkeit, unbewegt und mit gleichgültigen Mienen. „Wer regiert die Gesellschaft? Wer steht an der Spitze? Ein Individuum oder eine Gruppe?“ fragte der Koordinator ins Mikrophon. Der Lautsprecher schnarrte, ein lang anhaltendes Brummen ertönte, auf dem Schirm des Apparats leuchtete mehreremal ein roter Zeiger auf.

„So kann man nicht fragen“, beeilte sich der Kybernetiker zu erklären. „Wenn du ›an der Spitze‹ sagst, so ist das im übertragenen Sinne gemeint, und es gibt dafür im Wortschatz des Kalkulators keine Entsprechung. Warte, ich werde es versuchen.“ Er beugte sich vor. „Wie viele seid ihr am Steuer der Gesellschaft? Einer? Mehrere? Eine große Zahl?“ Der Lautsprecher stieß einige Krächzer aus.

„Und ist ›Steuer‹ kein Wort in übertragenem Sinne?“ fragte der Koordinator. Der Kybernetiker schüttelte den Kopf. „Ein Begriff aus der Informationstheorie“, konnte er gerade noch antworten, da ließ sich der Doppelt vernehmen, und der Lautsprecher erläuterte rhythmisch abgehackt: „Ein — mehrere — viele — Steuer — nicht bekannt. Nicht — bekannt“, wiederholte er. „Wieso nicht bekannt? Was soll das bedeuten?“ fragte der Koordinator überrascht.

„Gleich werden wir es erfahren. ›Dir unbekannt oder keinem — auf dem Planeten — bekannt?‹“ sagte er ins Mikrophon. Der Doppelt antwortete, und der Kalkulator dolmetschte durch den Lautsprecher: „Beziehung — dynamisch — doppelt. Bekannt — eins — ist. Bekannt — zweites — nicht ist.“

„Ich verstehe gar nichts!“ Der Koordinator sah die anderen an. „Und ihr?“

„Moment“, sagte der Kybernetiker. Der Doppelt hielt noch einmal das Gesicht an sein Mikrophon und hustete mehrere Male. Der Kalkulator übersetzte: „Viele Umdrehungen des Planeten — einst — zentrale Steuerung verteilt. Pause. Ein Doppelt — ein Steuer. Pause. Hundertdreizehn Umdrehungen des Planeten ist es so. Pause. Hundertelfte Umdrehung des Planeten ein Doppelt — Steuer — Tod. Hundertzwölfte Umdrehung des Planeten — ein Doppelt — Steuer — Tod. Pause. Ein anderer — Steuer — Tod. Pause. Ein — ein — Tod. Pause. Dann — ein Doppelt Steuer — nicht bekannt — wer. Nicht bekannt — wer — Steuer. Bekannt — zentral — Steuer.

Pause. Nicht bekannt — wer — Steuer. Pause.“

„Ja, das ist tatsächlich ein Rätsel“, sagte der Koordinator. „Und was macht ihr damit?“

„Das ist gar kein Rätsel“, erwiderte der Kybernetiker. „Er hat gesagt, dass sie bis zum Jahre hundertdreizehn, von heute an rückwärts gerechnet, eine zentrale Mehrpersonenregierung hatten.

„Zentrale Steuerung verteilte Dann folgten Regierungen einzelner Individuen. Ich nehme an, in der Art einer Monarchie oder einer Tyrannei. In den Jahren hundertzwölf und hundertelf — sie rechnen vom gegenwärtigen Augenblick an, jetzt ist das Jahr Null — hat es gewaltsame Palastrevolutionen gegeben. Vier Herrscher wechselten einander innerhalb von zwei Jahren ab und besiegelten ihre Herrschaft mit dem Tod. Offensichtlich nicht mit einem natürlichen Tod. Dann erschien ein neuer Herrscher, und es ist nicht bekannt, wer es war. Es war bekannt, dass er existierte, aber es war nicht bekannt, wer er war.“

„Was denn, ein anonymer Herrscher?“ fragte der Ingenieur verwundert. „Offenbar. Wir wollen uns bemühen, mehr zu erfahren.“ Er wandte sich an das Mikrophon. „Jetzt ist bekannt, dass ein Individuum am Steuer der Gesellschaft ist, es ist aber nicht bekannt, wer es ist? Stimmt das?“ fragte er. Der Kalkulator räusperte sich undeutlich, der Doppelt hustete zurück, schien zu zögern, hustete erneut mehreremal, und der Lautsprecher antwortete: „Nein. So nicht. Pause. Sechzig Umdrehungen des Planeten — bekannt, ein Doppelt zentrales Steuer. Pause. Dann bekannt, keiner. Pause. Niemand.

Niemand zentrales Steuer. So bekannt. Niemand Steuer. Pause.“

„Jetzt verstehe ich das auch nicht“, gestand der Physiker. Der Kybernetiker saß gebeugt vor dem Apparat. Er bückte sich, kaute an den Lippen. „Moment. Die allgemeine Information ist so, dass es keine zentrale Gewalt gibt? Ja?“ sagte er ins Mikrophon. „Und die Wirklichkeit ist so, dass es eine zentrale Gewalt gibt. Ja?“ Der Kalkulator verständigte sich mit dem Doppelt durch krächzende Laute.

Sie warteten, den Kopf dem Lautsprecher zugewandt. „So ist die Wahrheit. Ja. Pause. Wer Information — ist zentrales Steuer, der — ist, ist nicht. Wer so Information — der ist, ist nicht. Der ist einst, dann ist nicht.“ Sie sahen sich schweigend an. „Wer sagt, dass eine Obrigkeit existiert, hört selber auf zu sein. Hat er so gesagt?“ Der Kybernetiker nickte. „Aber das ist doch unmöglich!“ rief der Ingenieur. „Die Obrigkeit hat doch ihren Sitz, sie muss Verfügungen, muss Gesetze erlassen, ausführende Organe müssen vorhanden sein, die niedriger in der Hierarchie stehen, Militär — wir sind doch Bewaffneten begegnet.“ Der Physiker legte ihm die Hand auf den Arm. Der Ingenieur verstummte. Der Doppelt hüstelte eine ganze Weile. Das grüne Auge des Kalkulators flatterte, surrte.

In dem Apparat summte es. Der Lautsprecher meldete: „Information — doppelt. Pause. Eine Information wer — der ist. Pause. Zweite Information — wer — der einst ist, dann nicht ist. Pause.“

„Gibt es Information, die blockiert wird?“ fragte der Physiker ins Mikrophon. „Wer Fragen aus dem Bereich dieser Information stellt, dem droht der Tod, ist das so?“

Wieder hörte man auf der anderen Seite des Apparats den krächzenden Lautsprecher und das Husten des Doppelts. „Nein, so nicht. Pause“, antwortete der Kalkulator mit monotoner Stimme. Er trennte die Worte rhythmisch voneinander. „Wer ein-mals ist, dann nicht ist — der nicht tot. Pause.“ Sie atmeten auf.

„Also keine Todesstrafe!“ rief der Ingenieur. „Frag ihn, was mit solchen geschieht“, bat er den Kybernetiker. „Ich fürchte, das lässt sich nicht machen“, antwortete der, aber der Koordinator und der Ingenieur bestanden darauf. Er sagte: „Wie ihr wollt. Doch für das Resultat bin ich nicht verantwortlich.“

„Wie ist die Zukunft dessen, der blockierte Information verbreitet?“ fragte er ins Mikrophon. Der heisere Dialog des Kalkulators mit dem reglos ruhenden Doppelt dauerte ziemlich lange. Zum Schluß schnarrte der Lautsprecher: „Wer solche Information wird inkorporiert selbststeuernde Gruppe unbekannter Grad Wahrscheinlichkeit Degeneration Bereich Pause. Kumulativer Effekt fehlt Begriff Anpassung solche Notwendigkeit Kampf Verlangsamung der Kraft Potential fehlt Begriff. Pause.

Geringe Zahl Planetenumdrehungen Tod Pause.“

„Was hat er gesagt?“ fragten gleichzeitig der Chemiker, der Koordinator und der Ingenieur. Der Kybernetiker zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich habe euch doch gesagt, dass sich das nicht machen läßt. Das Problem ist zu kompliziert.

Wir müssen schrittweise vorgehen. Ich vermute, dass das Schicksal eines solchen Individuums nicht beneidenswert ist. Vorzeitiger Tod harrt seiner, der letzte Satz war völlig klar, aber wie der Mechanismus dieses Prozesses aussieht, weiß ich nicht. Irgendwelche selbststeuernden Gruppen.

Natürlich kann man zu diesem Thema Hypothesen aufstellen, aber ich habe die willkürlichen Kombinationen satt.“

„Gut“, sagte der Ingenieur. „Dann frag ihn nach der Fabrik im Norden.“

„Haben wir bereits getan“, erwiderte der Physiker. „Das ist ebenfalls eine sehr komplizierteAngelegenheit. Dazu haben wir folgende Theorie…“

„Was denn, eine Theorie? Hat er euch nicht deutlich geantwortet?“ unterbrach ihn der Koordinator.

„Nein, das betrifft ebenfalls eine Erscheinung höheren Ranges. Was die Fabrik selbst angeht, so wurde sie zu dem Zeitpunkt sich selbst überlassen, als sie die Produktion aufnehmen sollte. Das wissen wir ganz genau. Schlimmer steht es um die Kenntnis der Gründe, weshalb das so geschah. Vor ungefähr fünfzig Jahren wurde bei ihnen ein Plan zur biologischen Rekonstruktion eingeführt — zur Umbildung der Körperfunktionen, vielleicht auch der Körperformen. Eine dunkle Geschichte. Fast die gesamte Bevölkerung des Planeten wurde im Laufe mehrerer Jahre einer Serie von Eingriffen ausgesetzt. Wie es scheint, ging es nicht so sehr um die Umbildung der lebenden Generation als vielmehr um die der nachfolgenden, und zwar durch gesteuerte Mutationen der Vermehrungszellen.

So erklären wir uns das. Auf dem Gebiet der Biologie ist die Verständigung sehr schwierig.“

„Was für eine Umbildung sollte das sein? In welcher Hinsicht?“ fragte der Koordinator.

„Das konnten wir nicht ermitteln“, antwortete der Physiker. „Nun, etwas wissen wir schon“, widersprach der Kybernetiker. „Bei ihnen besitzt die Biologie, vor allem die Erforschung der Lebensprozesse, einen eigenartigen Charakter, der doktrinär zu sein scheint, anders als auf den übrigen Gebieten der Wissenschaft.“

„Möglich, dass er religiös ist“, warf der Doktor ein. „Wobei zu beachten wäre, dass ihr Glaube eher ein System von Geboten und Regeln darstellt, die das zeitliche Leben betreffen, und dass er keine transzendentalen Elemente enthält.“

„Haben sie nie an einen Schöpfer geglaubt?“ fragte der Koordinator.

„Das ist nicht bekannt. Versteh doch, solche abstrakten Begriffe wie Glaube, Gott, Moral, Seele lassen sich vom Kalkulator überhaupt nicht eindeutig fixieren. Wir müssen eine Menge sachlicher Fragen stellen, und aus der Masse von Antworten und Mißverständnissen, aus der teilweisen Entsprechung der Bedeutungen versuchen wir erst eine sinngemäße und verallgemeinerte Extrapolation abzuleiten. Mir scheint, dass es historisch übereinander geschichtete Gewohnheiten sind, was der Doktor Religion nennt.“

„Aber was kann Religion oder Tradition mit biologischen Untersuchungen gemein haben?“ fragte der Ingenieur. „Eben das haben wir nicht feststellen können.

Auf jeden Fall besteht da ein sehr enger Zusammenhang.“

„Vielleicht hatten sie versucht, gewisse biologische Tatsachen ihrem Glauben oder ihren Vorurteilen anzupassen?“

„Nein, die Geschichte ist viel komplizierter.“

„Kehren wir zu den Tatsachen zurück“, schlug der Koordinator vor. „Welche Konsequenzen hatte die Verwirklichung dieses biologischen Plans?“

„Die Konsequenzen waren, dass augenlose Individuen oder solche mit einer veränderten Anzahl von Augen auf die Welt kamen, lebensunfähig, degeneriert, ohne Nasen, auch eine beträchtliche Anzahl psychisch Unterentwickelter.“

„Ach ja, unser Doppelt und all die anderen!“

„Ja. Offenbar war die Theorie, auf die sie sich stützten, falsch. Im Laufe einiger Dutzend Jahre tauchten Zehntausende verstümmelter, deformierter Mutanten auf. An den tragischen Folgen dieses Experimentes leidet die Gesellschaft noch heute.“

„Hat man den Plan verworfen?“

„Danach haben wir gar nicht gefragt“, gestand der Kybernetiker und wandte sich zum Mikrophon.

„Existiert der Plan der biologischen Rekonstruktion noch? Wie ist seine Zukunft?“ Der Kalkulator schien sich eine Weile krächzend mit dem Doppelt zu streiten. Der gab nur ein schwaches Räuspern von sich. „Geht es ihm schlecht?“ fragte der Koordinator den Doktor leise. „Nun, besser, als ich erwartet hatte. Er ist erschöpft, aber wollte vorher nicht weg von hier. Nicht einmal eine Transfusion kann ich bei ihm machen, denn das Blut unseres anderen Doppelts schlägt seine Blutkörperchen nieder. Offenbar…“

„Ssst!“ zischte der Physiker. Der Lautsprecher schnarrte heiser: „Der Plan — ist, ist nicht. Pause. Jetzt Plan einst — war nicht. Pause. Jetzt Mutationen Krankheit. Pause. Information wahr — Plan war — jetzt ist nicht.“

„Ich verstehe das nicht“, gestand der Ingenieur. „Er sagt, dassgegenwärtig die Existenz dieses Plans geleugnet wird, als hätte es ihn überhaupt nicht gegeben, und die Mutationen seien angeblich eine Art Krankheit. In Wirklichkeit wurde der Plan realisiert, dann aber verworfen. Man verheimlicht das Fiasko vor der Öffentlichkeit.“

„Wer?“

„Die angeblich nicht existierende Obrigkeit.“

„Moment“, sagte der Ingenieur. „Wie ist das? Seit der Zeit, da der letzte anonyme Herrscher zu existieren aufhörte, war doch gewissermaßen eine Epoche der Anarchie ausgebrochen, nicht wahr? Wer hat also die Sache eingeführt?“

„Du hast es doch gehört. Niemand, einen Plan hat es nicht gegeben. So behauptet man wenigstens heute.“

„Nun gut, aber damals, vor fünfzig oder noch mehr Jahren?“

„Damals hatten sie etwas anderes verkündet.“

„Nein, das ist einfach nicht zu begreifen!“

„Warum? Du weißt doch, dass es auch auf der Erde gewisse Erscheinungen gibt, die öffentlich nicht genannt werden, obwohl man von ihnen weiß. Nimm das gesellige Zusammenleben, ohne eine gewisse Dosis Heuchelei könnte es nicht bestehen. Was bei uns eine Randerscheinung ist, ist bei ihnen die Hauptströmung.“

„Das alles klingt verschroben und unglaubwürdig“, sagte der Ingenieur.

„Und in welcher Beziehung steht dazu die Fabrik?“

„Sie sollte etwas erzeugen, was mit der Verwirklichung des Plans zusammenhing, vielleicht die Apparatur für die Eingriffe oder Objekte, die nicht benötigt wurden, sich aber den künftigen ›rekonstruierten‹ Generationen als nützlich erweisen sollten. Doch das sind nur meine Vermutungen“, schloss der Kybernetiker mit Nachdruck. „Was sie dort in Wirklichkeit erzeugen wollten, wissen wir nicht.“

„Sicherlich hat es mehrere solcher Fabriken gegeben?“

„Gab es wenige oder viele Fabriken, die zum biologischen Plan gehörten? Wie viele?“ sprach der Kybernetiker in das Mikrophon. Der Doppelt hustete, und der Kalkulator antwortete fast gleichzeitig: „Nicht bekannt. Fabriken wahrscheinlich viele. Pause. Information — keine Fabriken.“

„Das ist wirklich eine schreckliche Gesellschaftsordnung!“ rief der Ingenieur.

„Wieso? Hast du nie etwas von militärischen Geheimnissen gehört oder von anderen Dingen dieser Art?“

„Mit was für Energie werden diese Fabriken betrieben?“ fragte der Ingenieur den Kybernetiker.

Er sagte das so nahe am Mikrophon, dass der Kalkulator die Frage sogleich übersetzte. Der Lautsprecher brummte eine Weile und rezitierte dann: „Anorgan Begriff fehlt, Bio Bio, Pause.

Entropie constans Bio System“, der Rest ging in immer lauter werdendem Brummen unter. Rotes Licht flimmerte auf der Skala.

„Lücken im Wortschatz“, erläuterte der Kybernetiker. „Was meinst du, wir schalten ihn polyvalent ein“, schlug der Physiker vor.

„Wozu? Damit er wie ein Schizophrener zu reden anfängt?“

„Vielleicht können wir dann mehr verstehen.“

„Worum geht es?“ fragte der Doktor. „Er will die Auswahlfähigkeit des Kalkulators verringern“, erläuterte der Kybernetiker. „Wenn die Begriffsskala eines Wortes nicht exakt ist, antwortet der Kalkulator, dass der Begriff fehlt. Wenn ich ihn polyvalent schalte, wird er kontaminieren. Er bildet dann Wortkonglomerate, die es in keiner menschlichen Sprache gibt.“

„Auf diese Weise kommen wir seiner Sprache näher“, beharrte der Physiker. „Bitte, wir können es ja versuchen.“

Der Kybernetiker wechselte die Stecker. Der Koordinator betrachtete besorgt den Doppelt, der mit geschlossenen Augen dalag. Der Doktor trat an den Doppelt heran, untersuchte ihn eine Weile und kehrte dann wortlos an seinen Platz zurück. Der Koordinator sagte ins Mikrophon: „Südlich von diesem Ort — hier — ist ein Tal. Dort sind hohe Gebäude, in den Gebäuden stehen Skelette, ringsherum, in der Erde, sind Gräber. Was ist das?“

„Moment, ›Gräber‹ bedeutet nichts.“ Der Kybernetiker zog den biegsamen Arm des Mikrophons näher heran. „Im Süden — architektonische Konstruktion, in ihrer Nähe — tote Leiber in Erdgruben. Tote Doppelts. Was bedeutet das?“ Diesmal tauschte der Kalkulator längere Zeit knirschende Laute mit dem Doppelt aus. Sie bemerkten, dass die Maschine zum erstenmal von sich aus etwas noch einmal zu fragen schien. Zum Schluß antwortete der Lautsprecher monoton: „Doppelt keine physische Arbeit. Pause. Elektrisches Organ Arbeit ja, aber Akzeleroinvolution Degeneration Mißbrauch. Pause. Der Süden eine Exemplifikation selbststeuernder Prokruistik Pause. Biosoziokurzschluß Antitod Pause. Gesellschaftliche Isolierung keine Gewalt, kein Zwang Pause. Freiwilligkeit Pause. Mikroanpassung der Gruppe Zentroselbstzug Produktion ja nein Pause.“

„Da hast du's.“ Der Kybernetiker sah den Physiker ärgerlich an.

„›Zentroselbstzug‹, ›Antitod‹, ›Biosoziokurzschluß‹. Ich sagte es dir doch. Bitte, was fängst du jetzt damit an?“

„Immer mit der Ruhe!“ Der Physiker hob die Hand. „Das hat etwas mit Zwangsarbeit zu tun.“

„Das ist nicht wahr. Er hat ›nicht Gewalt, nicht Zwang‹ gesagt. ›Freiwilligkeit‹.“

„So? Dann fragen wir noch einmal.“ Der Physiker zog das Mikrophon zu sich heran. „Nicht verstanden. Sag, sag es ganz einfach. Was befindet sich im Süden im Tal? Eine Kolonie? Eine Sträflingsgruppe? Isolation? Produktion? Was für Produktion? Wer produziert? Was? Und wozu? Zu welchem Zweck?“ Der Kalkulator verständigte sich wieder mit dem Doppelt. Das dauerte etwa fünf Minuten. Dann sagte er: „Isolomikrogruppe Freiwilligkeit Interadhäsion Zwang nicht. Pause. Jeder Doppelt gegenspielt Isolomikrogruppe. Pause. Hauptbeziehungen zentripetaler Selbstzug. Pause.

Bindeglied Ärghaß, Pause. Wer Schuld, der Strafe. Pause. Wer Strafe, der Isolomikrogruppe Freiwilligkeit. Pause. Was ist Isolomikrogruppe? Pause. Polyindividuelle Umkehrzwischenbeziehungen Kopplung Ärghaß Selbsthalt Ärghaß Selbsthalt. Pause. Innere Soziopsychozirkulation Antitod. Pause.“

„Moment!“ rief der Kybernetiker, als er sah, dass die anderen unruhig wurden. „Was bedeutet ›Selbsthalt‹? Was für ein Halt?“

„Selbsterhaltung“, stammelte der Kalkulator, der sich diesmal nicht an den Doppelt wandte. „Ach so! Der Selbsterhaltungstrieb!“ rief der Physiker, und der Kalkulator pflichtete ihm bei: „Selbsterhaltungstrieb. Ja. Ja.“

„Willst du etwa behaupten, du verstehst, was er gesagt hat?“ Der Ingenieur war aufgesprungen und lief erregt hin und her. „Ich weiß nicht, ob ich es verstehe, aber ich vermute es. Anscheinend handelt es sich hier um Teile ihres Straf Systems. Offenbar gibt es da irgendwelche Mikrogesellschaften, autonome Gruppen, die sich gewissermaßen gegenseitig in Schach halten.“

„Wie denn? Ohne Wachen? Ohne Aufseher?“

„Ja. Er hat ausdrücklich gesagt, dass es keinen Zwang gibt.“

„Das ist unmöglich!“

„Wieso? Stell dir zwei Menschen vor, der eine hat die Streichhölzer, der andere die Schachtel. Sie können sich hassen, aber Feuer können sie nur zusammen entfachen. Ärghaß, das ist Ärger und Haß oder etwas Ähnliches. Die Kooperation resultiert in der Gruppe somit aus den Umkehrkoppelungen, wie bei meinem Beispiel, freilich nicht so simpel. Der Zwang entsteht sozusagen aus sich selbst, die innere Situation der Gruppe erzeugt ihn.“

„Na schön, aber was machen sie dort? Was tun sie da? Wer liegt in diesen Gräbern? Warum?“

„Hast du nicht gehört, was der Kalkulator gesagt hat? ›Prokrustik‹ — vom Prokrustesbett.“

„Du faselst! Woher soll der Doppelt etwas von Prokrustes gehört haben?“

„Der Kalkulator, nicht der Doppelt! Er sucht sich die Begriffe aus, die im semantischen Spektrum einander nach der Resonanz am nächsten stehen. Dort, in diesen Gruppen, wird ermüdende Arbeit geleistet. Möglich, dass diese Arbeit weder Sinn noch Zweck hat. Er sagte Produktion ja nein‹. Also produzieren sie, sie müssen das, weil es eine Strafe ist.“

„Wieso müssen sie? Wer zwingt sie dazu, wenn es keine Aufpasser gibt?“

„Du bist ganz schön hartnäckig. Ob das mit der Produktion so ist, sei dahingestellt, aber den Zwang schafft die Situation.

Hast du noch nicht von Zwangslagen gehört? Auf einem untergehenden Schiff zum Beispiel hast du wenig Entscheidungsmöglichkeiten. Vielleicht haben sie ihr ganzes Leben lang das Deck einessolchen Schiffes unter ihren Füßen … Da ihnen physische, vor allem erschöpfende Arbeit schadet, entsteht ein ›Biokurzschluß‹, vielleicht innerhalb jenes elektrischen Organs.“

„Er hatte ›Biosoziokurzschluß‹ gesagt. Das muss etwas anderes sein.“

„Aber von annähernder Bedeutung. In der Gruppe besteht eine Adhäsion, eine gegenseitige Anziehungskraft, das heißt, eine Gruppe ist gewissermaßen sich selbst überlassen, von der Gesellschaft isoliert.“

„Das ist ja entsetzlich schleierhaft. Was tun sie denn dort?“

„Wie soll ich dir das beantworten? Ich weiß auch nicht mehr als du. In unserm Gespräch kommt es ja zu Mißverständnissen und Begriffsverschiebungen, nicht nur auf unserer Seite, sondern auch zwischen dem Kalkulator und dem Doppelt. Vielleicht haben sie eine spezielle wissenschaftliche Disziplin — die ›Prokrustik‹, eine Theorie der Dynamik solcher Gruppen. Sie planen den Typ der Handlungen, der Konflikte und der gegenseitigen Anziehungen in ihrem Bereich von oben. Die Funktionen sind so gelagert und eingeplant, dass ein spezifisches Gleichgewicht, ein Austausch, ein Kreisen von Ärger, Angst und Haß entsteht, damit diese Gefühle sie vereinen und sie zugleich keine gemeinsame Sprache mit jemandem außerhalb der Gruppe finden können…“

„Das sind deine privaten Variationen über die schizophrenen Auslassungen des Kalkulators, aber keine Übersetzung“, rief der Chemiker. „Dann nimm du bitte meinen Platz ein. Vielleicht hast du besseren Erfolg.“ Sie schwiegen eine Weile.

„Er ist sehr erschöpft“, sagte der Doktor. „Höchstens noch eine oder zwei Fragen. Wer möchte sie stellen?“

„Ich“, sagte der Koordinator. „Woher hast du von uns gewusst?“ fragte er ins Mikrophon.

„Information — Meteorit — Schiff“, antwortete der Kalkulator, nachdem er ein paar kurze, schnarrende Laute mit dem Doppelt gewechselt hatte. „Schiff — vom anderen Planeten — kosmische Strahlen — Degeneration der Lebewesen, Pause. Tod zufügen. Pause. Glaseinfassung zwecks Liquidierung. Pause. Observatorium. Pause. Donner. Habe Messungen durchgeführt — Richtung der Geräusche — Quellen des Donners — Trefferherd Rakete. Pause. Ich ging, als es Nacht wurde. Pause. Ich wartete — Beschützer öffnete Einfassung. Ich ging hinein. Ich bin. Pause.“

„Sie hatten verkündet, dass ein Schiff mit Ungeheuern heruntergefallen sei, nicht wahr?“ fragte der Ingenieur. „Ja. Dass wir unter dem Einfluß der kosmischen Strahlung degeneriert seien.

Und dass sie beabsichtigen, uns einzuschließen, uns mit der glasigen Masse zu isolieren. Er stellte Schallmessungen der Schußrichtung an, bestimmte ihr Ziel und hat uns so gefunden.“

„Hattest du nicht vor den Ungeheuern Angst?“ fragte der Koordinator. ›„Angst haben‹ bedeutet nichts. Moment, wie war doch das Wort? Ach ja, Ärghaß. Vielleicht übersetzt er es so?“ Der Kybernetiker wiederholte die Frage in dem sonderbaren Jargon des Kalkulators. „Ja“, wiederholte der Lautsprecher fast gleichzeitig. „Ja. Aber die Chance ist eins zu einer Million Planetenumdrehungen.“

„Kann man wohl sagen. Jeder von uns wäre gegangen.“ Der Physiker nickte verständnisvoll. „Willst du bei uns bleiben? Wir werden dich heilen. Es wird keinen Tod geben“, sagte der Doktor langsam. „Bleibst du bei uns?“

„Nein“, antwortete der Lautsprecher.

„Du willst fortgehen? Du willst… zu den Deinen zurückkehren?“

„Rückkehr-nicht“, antwortete der Lautsprecher. Sie sahen einander an.

„Du stirbst wirklich nicht! Wir heilen dich, Tatsache!“ rief der Doktor. „Sag, was du tun willst, wenn du geheilt sein wirst?“ Der Kalkulator krächzte, der Doppelt antwortete mit einem kurzen, kaum hörbaren Laut. „Null“, sagte der Lautsprecher nach einem gewissen Zögern. Und nach einer Weile fügte er hinzu, als wäre er nicht sicher, ob sie ihn richtig verstanden hatten: „Null. Null.“

„Er will nicht bleiben, zurückkehren will er auch nicht“, murmelte der Chemiker. „Vielleicht phantasiert er?“

Sie sahen den Doppelt an. Seine blaßblauen Augen ruhten unbeweglich auf ihnen. In der Stille hörtensie seine langsamen, dumpfen Atemzüge. „Genug“, sagte der Doktor und stand auf. „Geht alle hinaus.“

„Und du?“

„Ich komme nach einer Weile nach. Ich habe zweimal Psychedrin eingenommen.

Eine Weile kann ich noch bei ihm sitzen bleiben.“ Als die Männer aufstanden und zur Tür gingen, brach der kleine Torso des Doppelts, der bislang wie von einer unsichtbaren Stütze gehalten worden war, plötzlich zusammen. Seine Augen schlössen sich, der Kopf sank kraftlos nach hinten. „Seltsam.

Wir haben ihn ausgefragt. Warum hat er uns keine Fragen gestellt“, überlegte der Ingenieur laut, als sie draußen im Gang waren.

„O doch, vorher hat er uns Fragen gestellt“, antwortete der Kybernetiker. „Er erkundigte sich nach den Verhältnissen, die auf der Erde herrschen, nach unserer Geschichte, nach der Entwicklung der Astronautik. Bevor ihr gekommen seid, hat er viel mehr gesprochen.“

„Er muss wohl sehr geschwächt sein?“

„Sicherlich. Er hat ja eine große Dosis Strahlung abbekommen. Der Weg durch die Wüste hat ihn bestimmt auch sehr erschöpft, um so mehr, als er ziemlich alt ist.“ ' „Wie lange leben sie?“

„Ungefähr sechzig Planetenumdrehungen, also nicht ganz sechzig Jahre bei uns. Eden dreht sich schneller um seine Sonne als die Erde. Sie können sich unmittelbar verschiedene anorganische Substanzen einverleiben.“

„Das ist wirklich höchst merkwürdig“, sagte der Ingenieur. „Richtig, der erste hat ja die Erde herausgetragen!“ rief der Chemiker, stolz, dass ihm das wieder eingefallen war. Sie blieben alle wie auf Verabredung stehen.

„Ja, aber so haben sie sich vor Jahrtausenden ernährt. Jetzt ist das nur noch die Ausnahme. Erinnert ihr euch an die dünnen Kelche auf der Ebene? Das sind sozusagen ihre Lebensmittel-akkumulatoren.“

„Sind das lebende Wesen?“

„Das weiß ich nicht. Jedenfalls nehmen sie nach einem Auswahlprinzip Substanzen aus dem Boden auf, die den Doppelts als Nahrung dienen, und lagern sie im Kelch ab. Es gibt davon viele Sorten.“

„Ja, natürlich. Sie züchten sie sicherlich, oder vielmehr sie bauen sie an“, sagte der Chemiker. „Im Süden haben wir ganze Plantagen von solchen Kelchen gesehen. Aber warum wühlte der Doppelt, der die Rakete fand, im Lehm?“

„Weil die Kelche nach Einbruch der Dunkelheit in der Erde versinken.“

„Er hatte doch auch sonst genug Erde überall. Warum wählte er ausgerechnet die in der Rakete?“

„Vielleicht, weil sie zerkleinert war und er Hunger hatte. Wir haben mit unserem Astronomen-Doppelt nicht darüber gesprochen. Möglich, dass jener wirklich aus dem Tal im Süden geflohen war.…“

„So, Freunde, geht jetzt schlafen“, beendete der Koordinator die Diskussion, an den Physiker und den Kybernetiker gewandt. „Und wir machen uns an die Arbeit. Es ist kurz vor zwölf.“

„Zwölf Uhr nachts?“

„Oje! Ich sehe, du hast den Zeitsinn schon völlig eingebüßt.“

„Unter solchen Bedingungen…“

Sie hörten Schritte hinter sich. Der Doktor kam aus der Bibliothek. Sie sahen ihn fragend an. „Er schläft“, sagte er. „Es steht nicht gut um ihn. Als ihr gegangen wart, hatte ich schon den Eindruck…“ Er vollendete den Satz nicht. „Hast du nicht mit ihm gesprochen?“

„Doch. Das habe ich. Das heißt, ich glaubte schon, es sei soweit, versteht ihr. Ich fragte, ob wir etwas für sie tun könnten. Für sie alle.“

„Und was hat er gesagt?“

„Null“, wiederholte langsam der Doktor, und sie glaubten die tote Stimme des Kalkulators zu hören.

„Ihr legt euch jetzt alle hin“, sagte der Koordinator nach einer Weile. „Ich nutze noch die Gelegenheit, wo wir alle beisammen sind, und frage euch, ob wir starten wollen.“„Ja“, antwortete der Ingenieur. „Ja“, antworteten der Physiker und der Chemiker fast gleichzeitig.

„Ja“, sagte der Chemiker noch einmal.

„Und du? Du schweigst?“ Der Koordinator sah den Doktor an.

„Ich überlege. Wisst ihr, ich bin nie sehr neugierig gewesen…“

„Ich weiß. Dir ging es eher darum, wie man ihnen helfen kann.

Aber jetzt weißt du ja…“

„Nein. Ich weiß es nicht“, sagte leise der Doktor.

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